Interview: Audrey Horne
By Rockslave
Wie und wann ich auf die norwegischen Hardrocker aufmerksam geworden bin, weiss ich nicht mal mehr recht. Es dürfte aber in Zusammenhang mit ihrem neuen, selbstbetitelten Album von 2010 gewesen sein, von dem ich dann ein paar Soundhappen aufgeschnappt und sofort Feuer und Flamme war. Wer daraus mal den Song «Blaze Of Ashes» gehört hat, bringt das Teil nicht mehr aus seinen Gehirnwindungen heraus. Es dauerte darauf nicht lange, bis ich mir alle drei Alben von Audrey Horne gekrallt hatte. Vor allem das 2005er Debüt «No Hay Banda» mit dem mittlerweile selten wenn überhaupt noch zu findenden Release mit den drei zusätzlichen Songs der EP aus dem gleichen Jahr, also total 14, lässt das Sammlerherz gleich höher springen. Das Gleiche passierte, als sich die Nordländer in der Schweiz mit einem Konzert (nicht dem ersten notabene!) in der Pratteler Galery ankündigten! Vor dem Gig hatte ich erfreulicherweise noch die Gelegenheit (inklusive Liane im Schlepptau) mit Sänger Torkjell Rød alias Toschie im geräumigen Backstage-Bereich ein Interview zu führen (TR = Toschie).

MF: Vor zwei Tagen habt ihr in Bulle im "Ebullition" gespielt. War das euer erstes Konzert in der Schweiz und welche Eindrücke hattest du (wieder) von unserem Land?

TR: Nein..., eigentlich fand unser erstes Konzert gerade hier in Pratteln statt...

MF: ...ja wirklich?

TR: Yeah..., das war 2008 und wir supporteten da eine Band namens Enslaved. Das war doch..., ich erinnere mich nicht mehr an die Halle..., noch recht gross... (er meinte natürlich das Z7 - MF) und wir spielten da noch zusammen mit Krakow. Und nun zum dritten Mal...

MF: ...und die neuerlichen Eindrück bei uns?

TR: Da in Bulle war's noch schön, so wie in einem alten Kino. Und weisst du, wir kamen von Norwegen, wo es immer kalt ist und in Bulle hatten wir so um die 25 Grad herum! Er war sonnig und man hatte einen Blick auf die Voralpen als Hintergrund. Er war wirklich sehr schön da.

MF: Ihr habt drei Killer-Alben raus gebracht! Warum zum Teufel seid ihr (noch) keine berühmte und fett verkaufende Band?

TR: Ähhmmm..., ich weiss es nicht! Warum? (sagts und schaut zu seinem Sound-Techniker rüber) - Ich denke, er hatte versucht einen Plan zu machen, wie wir die Welt erobern können..., aber er hat versagt! Er hatte zwar ein paar Ideen, aber es funktionierte nicht. Weisst du, ich bin stolz auf unsere Alben, wir haben drei gute gemacht. Es ist ein hartes Business und es gibt sehr viele Bands. Vieles hat damit zu tun, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein und die richtigen Leute zu treffen. Wenn wir jetzt während 360 Tagen rund um die Welt touren würden, wären wir womöglich bekannter. Wir sind aber nicht so streng unterwegs, doch es sind verschiedene Gründe und vielleicht sind wir nicht gut genug..., keine Ahnung.

MF: Ach komm jetzt..., seid ihr eigentlich immer noch eine 4-Mann Band und falls ja..., warum, respektive welche Absicht steckt da dahinter, auch von wegen den Guests?

TR: Ursprünglich waren wir ja zu sechst und dann verliessen uns zwei Leute. Dann blieben wir zu viert und machten das Album («Le.Fol.» - MF) unter Mithilfe von Freunden. Herbrand (Larsen - MF), der die Scheibe produziert hat, spielte Keyboard und Ice Dale spielte den Bass ein. Als wir noch sechst waren, gab es immer viel Zoff, Auseinandersetzungen und Spannungen innerhalb der Band. Als dann also zwei (Arve und Tom) weniger waren, fuhren wir etwas runter, obwohl es immer noch gewisse Spannungen gab. Die entstehen halt, wenn vier Typen in allen Belangen eine starke Meinung haben. Wir wurden uns dann darüber klar, dass wir es so beibehalten wollen und so besser ist, als wieder zu sechst zu sein. Beim letzten, selbstbetitelten Album hatten wir einen Typen, der mit uns Bass spielte. Nachher blieb er und spielte auch live mit uns. Er übernahm dabei auch die Keyboards (live). Nun haben wir mit dem Schreiben von neuem Material angefangen und arbeiten dann im Proberaum aber wieder quasi zu sechst. Trotzdem haben wir das aktuelle Linep beibehalten, weil es sich so gut anfühlt. Lass es mich so umschreiben..., es ist wie bei einem Date, wo man tags darauf ja nicht gerade verheiratet ist. Man kann sagen, es ist ein Date mit längerer Laufzeit wo wir schauen, ob es hinhaut. Wir waren jetzt aber nahe an einer "Hochzeit" dran!

MF: Hinter dem Bandnamen Audrey Horne steckt ja eine coole Geschichte. Ich mochte die TV-Serie «Twin Peaks» auf jeden Fall sehr. Gab es denn auch eine "zweite Wahl" wie Laura Palmer oder war es einfach der erste Gedanke, der zur spontanen Wahl wurde?

Darauf erzählte mir Toschie die ausführliche Geschichte (wohl nicht zum ersten Mal) des etwas speziell anmutenden Bandnamens. In der Tat ist damit die amerikanische Schauspielerin Sherilyn Fenn angesprochen, respektive deren kultige Verkörperung der fiesen und hinterlistigen Audrey Horne aus der U.S. Kult-Serie «Twin Peaks». Da der damalige Keyboarder die Sendung regelmässig anschaute, brachte er den Namen einmal mit und weil man etwas suchte, an das man sich erinnern konnte, führte es schliesslich dazu, dass man sich fortan mit diesem Bandnamen schmückte.

MF: Der musikalische Background der einzelnen Bandmembers von Audrey Horne ist sehr vielfältig. Die Bandbreite bewegt sich von Stoner Rock (Sagh) bis hin zu Black Metal (Enslaved, I & Gorgoroth). Ist das letztlich das wirkliche Geheimnis hinter eurer Musik?

TR: Ja, das ist es! Ich denke, das steckt bei den meisten Bands dahinter, also dass du jeweils deinen Einfluss und den Background in die Gruppe einbringst. Bei uns ist es so, dass wir an sich nahe beieinander und gleichzeitig weit weg voneinander liegen. Ich denke, dies ist eine gute Sache..., als wir zu Beginn zu viert waren und mit Metallica aufwuchsen, respektive wir uns ihre Musik anhörten, fanden wir es gut, nach ihnen zu klingen. All unsere Einflüsse kommen so zusammen, wie auch ich meine Vocals gestalte. Und obwohl dadurch Meinungsverschiedenheiten enstehen können, fördert es die Kreativität.

MF: Toschie..., erzähl mir etwas über deine Texte. Brauchst du dazu bestimmte Umstände oder was inspiriert dich dazu?

TR: Dazu brauche ich Kerzenlicht und... (dann kamen ein paar norwegische Happen mit seinen Kollegen) - nein..., ich brauche keine besonderen Umstände. Ich schreibe meine Texte auf der Basis von Ideen, Gedanken und Bildern, die ich mir vorstelle. Es sind dabei mehr musikalische Bilder als Geschichten..., und nicht so wie bei Bruce Springsteen und Bob Dylan, die Geschichten erzählen. Ich male eine Art Bilder so zu sagen..., und das mag mitunter etwas abstrakt wirken, was ich da so singe, aber inspiriert werde ich durch Filme, Zeitschriften, vom Tätowieren. Gerade bei Letzterem geht es stark um die Symbolik..., wie bei den Matrosen. Deren Tattoos kommen stehts auf den Punkt, wie "ich liebe meine Mom" und nichts Unterschwelliges. Ich verwende viele dieser Bilder in meinen Texten und viele Leute sehen darin, dass es um Schiffe und die Gewässer geht. Dahinter steckt der Gedanke an das Boot auf dem Ozean und das Bild, wie wir uns auf diesem Planeten zueinander verhalten. Wenn du auf einem Boot bist, musst du dich mit allem abfinden. Du kannst nicht einfach gehen und musst dich mit jedem abgeben. Das kann man so ins Leben übertragen, dass man sich mit den Leuten und den Gegebenheiten um einen herum auseinander setzen muss. Das setzt ein gutes Bild ab und dann klaue ich auch bei anderen Musikern, aber nicht in dem Sinne, dass ich einzelne Textzeilen verwende, sondern ich höre zu, was sie und über was sie singen und sage mir dann "hey, das ist jetzt aber was Interessantes da..." - Du musst auch deinen eigenen Weg suchen, aber ich denke schon, dass ich ab und zu was "klaue", aber um danach etwas Eigenständiges daraus zu machen. Eigentlich ist jede Musik geschrieben und jeder Text verfasst..., das macht es auch schwierig irgendwie, neue Ufer zu erreichen. Du nimmst dir das, was vorhanden ist und hinterlässt dazu deinen eigenen Fussabdruck.

MF (Liane): Es sind Inspirationen..., ich denke nicht, dass du was stiehlst, sondern du lässt dich inspirieren von...

TR: ...nein nein..., ich würde es nicht als Stehlen in dem Sinne bezeichnen, sondern ich höre den anderen zu und schnappe entsprechend was auf, wie zum Beispiel bei einem Song namens «Bridges And Anchors»..., da hat es eine Zeile drin... "damn the bridges I forgot to burn"... - das stammte von einem alten, in einem gesetzlosen Western-Land lebenden Künstler..., mir kommt der Name gerade nicht in den Sinn..., und er sang davon, worauf ich fand, dass dies gut passen würde. Üblicherweise würden wir schlecht davon sprechen, also wenn es um brennende Brücken geht, doch manchmal braucht es im Leben genau das, dass die Leute was ändern. Mir gefiel das und so drückte ich es schliesslich auf meine Weise aus.

MF: Und generell..., was kommt zuerst..., die Musik oder die Texte?

TR: Immer die Musik! Ich habe zwar einige Texte ohne Musik geschrieben, aber die wurden nie verwendet, weil..., ja gut..., einen Teil davon nahm ich trotzdem. Zum Beispiel etwas von «Blaze Of Ashes» verwendete ich bei einer meiner früheren Bands. Davon nahm ich dann die Textzeile und versuchte sie in die Musik einzubringen, was aber nicht passte, und so machte ich alles von Grund auf frisch. Es kann eine Grundidee geben, doch normalerweise kommt immer die Musik zuerst!

MF: Letztes Jahr habt ihr als Support von AC/DC eine Show in Oslo gespielt. Wie kam das zu Stande und habt ihr sie getroffen?

TR: Nein, wir haben sie nicht getroffen, weil sie Verspätung hatten. Sie kamen direkt vom Flughafen und mussten ihre Bühnenkleidung im Auto anziehen, waren dann nur kurz backstage und gingen gerade anschliessend auf die Bühne. Danach hauten sie gleich wieder ab und darum kam ich nicht mal zu einem Handschlag. Wie das möglich wurde..., ich habe keine Ahnung! Das machte alles unserer Booking-Agent in Norwegen. Es kam eine Anfrage und sie wollten uns da haben...

MF:..und so konntet ihr also vor einem grossen Publikum auftreten!?

TR: Ja! Da waren viele Fans..., ich denke so an die 40'000 und das fühlte sich etwas schräg an, denn normalerweise spielen wir vor 10 bis 500..., 40'000 sind eine Ausnahme. Wir spielen sonst schon auch auf Festivals, aber lieber an kleineren Orten, weil wir so einen besseren Kontakt zum Publikum haben. Bei 40'000 musst du das zuerst im Kopf begreifen, weil du keinen Bezug zu einzelnen Leuten aufnehmen kannst, sondern sie als Gruppe erfassen musst.

MF: Wie ist das denn mit eurem Bombast-Sound, wenn ihr an kleineren Orten wie hier in der Galery spielt?

TR: Das macht Spass! Auf dieser Tour spielen wir an einigen Orten, wo wir bisher noch nie waren..., Berlin, München..., das kennen wir, aber wenn wir in Bulle..., oder wo waren wir gestern..., Freiburg..., ich habe vorher noch nicht mal was gehört davon. Vielleicht hat es heute Abend nur ein paar Fans hier, aber es spielt uns keine Rolle, ob wir vor 5 oder 500 Leuten spielen.

MF: Über eure bisherigen drei Alben gesehen..., welches ist das stärkste davon und was kann man vom nächsten erwarten?

TR: Also ich denke, das letzte ist das stärkste! Als Musiker hast du krass was falsch gemacht, wenn du nicht denkst, dass das neueste Album das Beste ist. Vom Vorgänger hat man das ja auch gesagt, aber das Neue ist aus verschiedenen Gründe das Beste, weil wir musikalisch da sind, wo wir wollen und die Art und Weise, wie die Songs geschrieben und aufgenommen wurden uns mehr am Herzen liegt als vorher. Das nächste Album wird dahin gehend ein Schritt vorwärts sein, dass es mehr uns als Liveband Rechnung trägt. Wir haben bereits angefangen mit neuen Songs und die sind vom klassischen Hardrock inspiriert. Es werden viele Doppelgitarren und Hammond-Orgeln zu hören sein.

MF: Wie bist du persönlich zur Hard und Heavy Musik gekommen..., deine erste, gekaufte LP/CD hiess?

TR: Den ersten Tonträger kriegte ich von meinem Vater. Ich hatte ein Kassetten-Gerät und ein "Dr. Hook" Tape..., das war das erste..., ich hatte keine Ahnung, wer "Dr. Hook" war, aber ich liebte es, weil es das erste war und es spielte keine wirkliche Rolle was für eines. Das erste Album, das ich mir gekauft hatte, war..., «Piece Of Mind» von Iron Maiden und «Synchronicity» von The Police. Meine erste, richtige musikalische Liebe waren aber auf jeden Fall Kiss! Von der Musik her, aber mehr noch wegen dem ganzen Drumherum. Danach kaufte ich Musik von..., nun..., aktuell höre ich alle Arten..., alles von Hardrock über Punk, Country und Pop-Musik. Einfach gute Musik interessiert mich. Früher war es einfach Hardrock..., Mötley Crüe, Cinderella, Van Halen und all das Zeug, damit bin ich aufgewachsen.

MF: Für euer erstes Album «No Hay Banda» habt ihr ja den norwegischen Grammy Award für den besten, landesweiten Metal Act erhalten. War das hilfreich für die Karriere?

TR: Ja, sicher, man wird halt wahr genommen, wenn man sowas gewinnt und es ist inspirierend für eine Band. Das bedeutet, dass die Fans einen mögen, die Alben kaufen und uns auch andere gut finden.

MF: Es gibt sehr viele Bands in Norwegen und..., mit recht unterschiedlichen Stilen. Gibt es davon eine Lieblingsband von dir?

TR: Eine norwegische Band? Hmm..., yeah..., es gibt viele gute..., im Moment höre ich noch viel Kvelertak. Die klingen etwas nach einem Mix aus Punk Rock, Black Metal und Turbonegro. Dann Purified In Blood sind sehr gut und Sagh und eine alte Band namens T.N.T...

MF: ...(sowie) Communic vielleicht?

TR: Ja, von denen habe ich schon mal gehört, kenne aber ihre Musik nicht. Sind die aus Norwegen?

MF: Ja..., ein sehr powervolles Trio...

TR: ...die muss ich in dem Fall mal anchecken!

MF: Audrey Horne sind nun seit 2002 unterwegs und im nächsten Jahr erreicht ihr bereits die erste Dekade. Erfüllt dich das mit Freude, wenn du zu den Anfängen zurück schaust?

TR: Ja, auf jeden Fall! Wir haben versucht, diese Philosophie in der Band zu haben. Erfolg wird normalerweise daran gemessen, wieviel Konzerte du gespielt und wie viele Platten du verkauft hast. Aber wenn du eines Tages zurück blickst, sollte man sagen können, dass wir eine Menge gute Alben gemacht, viele gute Konzerte gespielt und eine Menge Leute getroffen haben. Darüber hinaus, dass wir an interessanten Orten waren, und man muss das als persönlichen Erfolg sehen, der einen glücklich macht. Alben verkaufen und damit Geld machen sollte ein Bonus sein, denn es ist hart, in diesem Business etwas zu verdienen. Finanziellen Erfolg sehen wir als ausdrücklichen Bonus.

MF: Wie lauten deine abschliessenden Worte für die Leser von Metal Factory und die hoffentlich neuen Fans von Audrey Horne?

TR: Nun..., seit wir angefangen haben, sind drei Killer-Alben erschienen! Warum sind wir nicht berühmt? "Leute..., könnt ihr uns da raus helfen?" blökt ein Band-Member ins Mikrophon... - Ich hoffe, dass wir hier künftig mehr zum Spielen kommen und vor mehr Publikum auftreten können. Die Leute soll(t)en sich unsere Musik anhören, an die Türen der lokalen Veranstalter klopfen und dort nach uns verlangen!

MF: Besten Dank...

TR: ...ich danke dir!


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