Interview: Brainstorm

By Tinu
 
Familienspass im Studio.



Schwäbischer Humor ist ansteckend und laut. Zumindest ist dem so, wenn man sich den Lachattacken von Sänger Andy B. Franck aussetzt. Zusammen mit Andy und Gitarrist Thorsten «Todde» Ihlenfeld sass ich gemütlich im Tourbus, um über das neuen Album «Scary Creatures», die dazugehörenden Texte und das Seelenleben von Andy zu sprechen.

MF: Wie kam es zum neuen Album?

Todde: Angst vor der Armut (lacht).

MF: Dann macht ihr eine CD, da gibts ja kein Geld mehr dafür!?

Andy: Na... Tztztztztztz...

Todde: Wir waren alle voller Energie nach «Firesoul», so dass wir von der Tour kamen und gleich neue Songs geschrieben haben.

Andy: Wir waren in diesem Fluss. Die Idee von «Firesoul» spinnen wir weiter. Es war uns wichtig, dieses alte Gefühl, das wir mit der «Firesoul» einfingen, das auch Brainstorm über all die Jahre ausmachte, in neue Lieder einfliessen zu lassen. Hat man eine kreative Phase, wieso soll man die dann unterbrechen? So haben sich die neuen Tracks relativ zügig entwickelt.

Todde: Der kreative Prozess beginnt bei uns in dem Moment, wo Andy und ich uns beginnen auszutauschen. Dabei bringt Andy seine textlichen Vorstellungen ein. Ob die dann so bleiben (grinst), das sehen wir dann noch, aber man muss ja auch mal starten. Diesen kreativen Fluss nehmen wir auf und landen irgendwann im Proberaum. Am Ende, wird es dann ein Brainstorm-Song.

MF: Ist das neue Album das Beste?

Andy (lacht): Das ist eine gute Frage! Bis zum nächsten Album ist es bestimmt das Beste (lacht)! Persönlich sehe ich dies immer ein bisschen mit anderen Augen und Ohren. Es gibt Sachen, die man über die Jahre hinweg optimiert. Diesem Optimierungsprozess zur Folge ist auch klar, dass mache Sachen vergessen oder verloren gehen. Das eine oder andere, das man feststellt, wenn man die Songs live spielt, probiert man aus, ist total begeistert, verliert dabei aber wichtige Dinge aus dem Blickwinkel oder der Sicht des Fans. Kurz zusammengefasst (grinst), «Scary Creatures» hat Lieder, welche zum Besten gehören, was Brainstorm bis anhin veröffentlichte. Viel ist auch Geschmackssache. Aber Vieles gehört zum Besten, was der Brainstorm-Katalog hergibt und der gibt eine Menge her.

Todde: Das ist so!!!

Andy: Genau!

Todde: Dem ist nix hinzuzufügen (grinst).

MF: Wodurch unterscheidet sich aber das neue Album von den andern?

Todde (überlegt lange): Eigentlich...

Andy (lauthals): ...gar nicht (lautes Lachen)!

Todde: Eigentlich nur durch die Albumnummern, den Albumtitel und die Jahreszahl. Wir finden, «Scary Creatures» ist der logische Nachfolger von «Firesoul». Man kann diese beiden Werke so sehen, wie viele «Soul Temptation» und «Liquid Monster» gesehen haben. Dass die Beiden in einem Fluss nacheinander heraus gekommen sind.

Andy: Was man den beiden neuen Scheiben auch anhört, ist eine gewisse... Auch wenn es von der gleichen Band kommt, man kann die beiden einer gewissen Zeit zuordnen. Es gab immer diese Phasen, wie es Todde sagte. «Metus Mortis», «Soul Temptation» und «Liquid Monster» gehören für mich zusammen. Dann kommt das «Downburst»-Album und «Memorial Roots». Wobei... «Downburst» ist ein bisschen aussen vor. Da passen eher «Memorial Roots» und «On The Spur Of The Moment» zusammen und gehören aber in eine andere Ecke rein. Da gibt es bei uns verschiedene Epochen. Ansonsten ist bei «Scary Creatures» alles gut (Todde lacht). Ich weiss jetzt gar nicht (lacht)...

MF: ...wie war die Frage (alle lachen)?

T
odde: Wir legen gar nicht so grossen Wert darauf, dass sich die Alben arg unterscheiden, da wir es schafften ein Brainstorm Trademark zu kreieren und etablieren. Warum sollten wir dies auf Gedeih und Verderben weiter entwickeln müssen? Brainstorm ist sicher keine Band die stagniert, sondern bringt immer wieder neue Elemente rein. Unsere Wurzeln wollen wir gar nicht verleugnen. Wir wollen Brainstorm sein und das finden wir gut. Das finden viele Fans gut. Einige fanden dies vielleicht schwierig mit einem Album, bei dem wir uns weiter wegbewegten oder mehr experimentierten. Mit der Zeit stellten wir aber fest, dass das was wir machen, auch am besten können. Wieso sollten wir uns verstellen oder einen Top 40-Hit zu schreiben?

Andy: Also versuchen tun wir es schon (lacht).

Todde: Aber es klappt nicht (alle lachen). Das aber schon seit 25 Jahren nicht!

Andy: Auch da ist eine gewisse Beständigkeit da!

MF: Stimmt es, dass eure Kids beim neuen Album mitgesungen haben?

Andy: Ja, ich habe die Idee schon lange gehabt, dass wir unsere Kinder einbauen können. Das musste aber passen. Beim letzten Album gab es ein bis zwei Ansätze. Das ist aber immer schwierig. Es muss für kleinere Kinder gut zu singen sein. Bei «We Are...» hat es sich förmlich aufgedrängt, so dass mein grosser Sohn mit seinen Kumpels die Gang-Shouts, aber auch bei anderen Parts auf der Platte mitmachen konnte. Die kleinen Kinder von Milan und mir, sowie die Töchter von Toni..., die Kleine von Todde...

Todde: ...die Kleine ist zu klein und die Grosse zu weit weg...

Andy: ...deswegen kamen dann die Vier zum Einsatz. Alleine denen das Gefühl eines Studios zu vermitteln, war schon genial. Du weisst nie, wie lange du Musik machen kannst. Auch wenn wir schon lange dabei sind, ist jeder Tag, jedes Jahr und jedes Album für uns persönlich ein Geschenk. Für mich war es wichtig, dass meine Jungs dabei waren. Es war cool und hat Spass gemacht. Emotional war es für uns wichtig, das wird jetzt aber kein Dauerzustand (lacht).

Todde: Schauen wir mal (grinst).

Andy: Sonst müssen wir die noch auf Tour mitnehmen und bezahlen (grinst). Das habe ich schon mal gemacht, aber als Babygeschrei. Auf der ersten Ivanhoe-Scheibe ist mein Grosser und auf der «Twice Second» von Symphorce ist mein Kleiner zu hören.

MF: Wer oder was sind die «Scary Creatures»?

Andy: Das sind Figuren aus dem Kulturellen, Religiösen und Politischen, welche über all die Jahrhunderte immer wieder Gräueltaten begingen. Das ist ein Querschnitt aus all dem. Es soll ein bisschen das beleuchten, worin der Mensch seit Jahrtausenden am besten ist. Waffen zu entwickeln und sich gegenseitig umzubringen. Das sind die Figuren, die Angst machen. Das Cover ist bewusst mit einem Theater gewählt. Heute sehen viele diese Taten im Fernseher, und man baut somit eine gewisse Distanz auf. Es passiert hier und da, aber nie direkt bei dir zu Hause. Das ist der Fernseher. Das Theater soll es so darstellen, dass man den Vorhang auf die Seite schiebt und die Kreaturen springen direkt ins Publikum. Sie sind nicht mehr weit weg, sind da und können dich angreifen. Du kannst sie anfassen und alles bekommt einen reellen Touch, wenn diese Gewalt und diese Gräueltaten direkt zu dir kommen. Das soll verdeutlichen, dass diese Taten nicht weit weg, sondern direkt vor deiner Haustüre stattfinden. Heute ist es Paris und morgen...? Das weiss keiner. Diese Kreaturen stehen als Symbole da. Man sieht eine versteckt weinende Frau. Damit symbolisieren wir die Verzweiflung. Ich hab dem Zeichner gesagt, dass er diese Frau links auf dem Cover platzieren soll. Man sieht, wie die Kreaturen an ihr vorbei ziehen, sprich sich niemand um sie kümmert. Das Leid des Menschen ist egal. Diese Leute, die Kreaturen gehen über Leichen. Das ist keine Leiche, die da liegt, aber man geht über die Gefühle dieser Frau hinweg. Sehr tiefsinnig das Ganze, ist aber KEIN Konzeptalbum! Falls das die nächste Frage gewesen wäre (lacht).

MF: Nein, die nächste Frage ist, wie es zu diesen Bandfotos kam, die man auf dem Cover sehen kann?

Andy: Das war eine Ausarbeitung zusammen mit dem Regisseur. Wir haben eine sehr kreative Filmcrew. Beim Video zu «World To See» wollten wir vermitteln, dass man nicht alles was man meint zu sehen, auch wirklich so passiert oder mit einem anderen Hintergrund geschieht. Hier hat man die Theaterthematik mit Romeo und Julia aufgenommen. Da oben wir ein Schauspiel aufgeführt. Das eigentliche Schauspiel passiert aber im Publikum. In einem Song haben wir die Szenerie des Covers eingefangen. Mit Masken und viel Silikon..., im Gesicht (lautes Lachen), alles ein bisschen drastischer darzustellen. Ein kleines bisschen kam auch das Egoistische rein. Wenn wir schon die Möglichkeit haben ein solches Video zu drehen, dann machen wir es auch! Ich sagte immer, dass ich kein Fan bin von reinen Performance-Videos bin. Da stehe ich nach wie vor nicht drauf. Mit dem Video zu «Firesoul» bemerkten wir, dass es die Fans doch sehr gerne sehen, wenn die Band performt. Deswegen teilten wir das Ganze bei «World To See». Das heisst, ich bin zu meinem Recht gekommen und die Fans auch (lacht). Trotz allem soll es einen Unterhaltungswert haben. Dass wir uns auf einen Schweizer Gipfel stellen im Schnee..., wobei dies in Unterhosen, das wär schon wieder geil. Aber schwarz/weiss angemalt... - Es kann sein, dass sich das manche Fans lieber anschauen, aber es ist nicht unser Anspruch.

MF: Sind die Texte für dich ein Ventil oder Momente, Dinge zu verarbeiten, die dich belasten?

Andy: Teils, teils. Auf dem letzten Album habe ich Persönliches verarbeitet. Bei «How Much Can You Take» geht es um einen Bekannten, der auf den Philippinen lebt und sich weigert, irgendwelche Hilfe anzunehmen. Er vegetiert vor sich hin und mittlerweile ist ein Bein abgestorben. Da stellt sich die Frage, was kannst du noch alles vertragen? Das sind Dinge, die mich nicht belasten, aber die man miterlebt. In «Scary Creatures» selber geht es um dieses politische Thema. Diese Differenzen zu den politischen und religiösen Geschehnissen. Natürlich bringt man seine Ansichten mit rein. Da muss man vorsichtig sein, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger zu texten. Wir sind keine politisch aktive Band, werden es auch nie sein oder werden. Das ist eine Meinung, die eine Tatsache beschreibt. Es gibt aber auch viele Texte, die einfach nur..., etwas beschreiben (grinst), das man gelesen hat, ohne dass jetzt ein riesiger Sinn dahinter steht. Das muss einfach auch nur gut klingen. Das tut der Abwechslung ganz gut. Ich sehe das so ein bisschen Iron Maiden mässig. Da gibt es Texte, die perfekt sind, wie «Alexander The Great», «Loneliness Of The Long Distance Runner» oder «Rime Of The Ancient Mariner». Aber es gibt auch Dinger, die sind einfach..., und sind trotzdem gut (grinst). Es muss nicht immer eine Riesenmessage dahinter stecken.

MF: Was hat sich für euch in den letzten 25 Jahren alles verändert?

Todde: Verändert hat sich vieles, das ist klar. Speziell wenn man rückblickend schauen kann. Vorausschauend geht leider nicht, da kann man sich die Dinge nur wünschen (grinst), oder träumen und versuche die Träume zu erfüllen. Blickt man von dem Stand heute in die Vergangenheit, dann kann man sagen, es haben sich viele Träume erfüllt. Viele gibt es nach wie vor, die wir uns irgendwann erfüllen werden. Wir haben die Band etabliert und bewegen uns auf einem langen und erfolgreichen Weg. Auf den sind wir sehr stolz und wollen und werden ihn weitergehen. Ob es dabei noch eine Stufe oder Treppe nach oben geht, werden wir sehen. Das hält das Ganze spannend. Wichtig ist es auch, dass das Ganze uns nach wie vor sehr viel Spass macht. Ohne das würde es nicht funktionieren, wir würden mit Knäckebrot und Wasser in der Ecke sitzen (grinst) und frustriert zusehen, wie andere im Land von Milch und Honig leben. Wir wollen uns nicht beklagen, aber auch nicht in Selbstzufriedenheit ruhen. Sondern sagen, dass wir einiges erreicht haben, aber durchaus bereit sind, noch mehr zu erreichen.

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Todde: Jetzt sind wir erstmal zusammen mit Primal Fear auf Tour. Dann versuchen wir viele Festivals zu spielen und arbeiten an einer eigenen Headliner-Tour im Herbst. Dann schauen wir mal (grinst). Bald schon kommt Weihnachten (lacht).

Andy: Wir werden auf jeden Fall das Album noch kräftig bespielen. Um aus diesem Album-Tour-Album-Tour-Rhythmus heraus zu kommen, legen wir für uns selber eine kreative Pause ein. Dabei Kräfte bündeln und die eine oder andere Idee auf sich wirken lassen. Die Rufe der Fans nach einer Brainstorm Headliner-Tour sind mittlerweile sehr gross. Das war jetzt schon geplant, aber wir hatten nochmals die Möglichkeit zusammen mit Primal Fear zu touren. Wir müssen diesen Schritt wieder machen. Dazu braucht es aber eine längere Vorplanung, und es benötigt vielleicht auch mal ein halbes Jahr, in dem man sich in Ruhe darauf vorbereiten kann.

MF: Ich wünsche euch viel Glück und Erfolg und freue mich auf die Headliner-Tour.

Andy und Todde zusammen: Dankeschön!