Interview: Bullet For My Valentine
By Kissi
Sie bringen 15-jährige Mädchen zum Kreischen, lassen die grössten Bühnen dieser Welt erzittern und ihr Debüt-Album verkaufte sich mehr als eine Million Mal. Seit „Poison“ 2006 erschien, gelten Bullet For My Valentine unter hauptsächlich äusserst jungen Gitarren-Fans als die neue Metal-Supergroup. Man mag von der hippen Strömung des Metalcore halten was man will, eines kann man nicht abstreiten – Metalcore mobilisiert die Massen, vor allem die Jugend. Dass Bullet For My Valentine dabei nicht einfach eine Truppe unter vielen sind, dies beweist das Quartett mit „Scream Aim Fire“, dem zweiten Langeisen der Waliser, welches gerade erschienen ist. Im Zuge dieser Veröffentlichung hielt sich Metal Factory den Hörer ans Ohr, um Schlagzeuger Michael „Moose“ Thomas (MT) ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Auf typisch walisische Weise wurde dabei über die neue Scheibe, die Langeweile beim Video-Dreh und das Erreichen vom Legendenstatus genuschelt.

MF: Hey Michael! Wie ist es so, den ganzen Tag an der Strippe zu hängen und Fragen zu beantworten?

Michael Thomas: Naja... Die unterhaltsamste Beschäftigung der Welt ist es nicht gerade, aber Promotion muss sein. Eigentlich wollen wir alle nur noch auf Tour, da wir jetzt doch eine ziemlich lange Zeit nicht mehr auf der Bühne stehen konnten. Dabei sind wir mitten in den Vorbereitungen und Bandproben.

MF: Dieser Tage habt ihr eure zweite Scheibe „Scream Aim Fire“ veröffentlicht. Habt ihr oder werdet ihr dies noch gehörig feiern?

MT: Richtig gefeiert haben wir das noch nicht. Wir betrachten dies auch nicht als grosses Ereigniss, da das Material für uns schon viel früher abgeschlossen war. Wir können es einfach gar nicht mehr erwarten auf die Bühne zu gehen, unsere Fans zu treffen. Dabei werden wir dann auch ausgiebig feiern.

MF: Kannst du in wenigen Sätzen beschreiben, was eure Fans auf „Scream Aim Fire“ erwartet?

MT: Selbstbewusst würde ich „Scream Aim Fire“ schlicht als eine Scheibe voller grossartiger Songs bezeichnen. Wir sind einerseits härter geworden und bieten viele aggressive und schnelle, manchmal schon fast brutale Parts, bemühten uns andererseits aber auch um schöne und eingängige Melodien, was uns beides doch ziemlich gut gelungen ist.

MF: Eure Debüt-Album „Poison“, welches 2006 erschien, wurde auf der ganzen Welt ein riesiger Erfolg. Steht man nach solch einem Kassenschlager nicht unter enormem Druck, dass die nächste Scheibe noch besser wird?

MT: Nicht sonderlich, nein! Wir verriegelten die Türen und begannen Songs zu schreiben, welche uns überraschend schnell überzeugten, gingen ins Studio und nahmen sie auf. Was dabei herauskam hat uns regelrecht umgehauen! Wir sind verdammt glücklich mit dem Endresultat.

MF: Wo siehst du die Unterschiede zwischen „Scream Aim Fire“ und dem Vorgänger „Poison“?

MT: Ich denke, da haben wir alle die gleichen Gefühle: Die Songs finden wir besser, genauso wie die Produktion. Alles in Allem ist alles viel härter, dafür aber mehr Mainstream was die Vocals angeht. Für mich ist es an allen Ecken und Enden die qualitativ bessere Scheibe.

MF: Kannst du das mit den „Mainstream-Vocals“ ein wenig genauer definieren?

MT: Das ist eigentlich eine ganz pragmatische Angelegenheit. Seit der Mandeloperation von Matt (Tuck, Frontmann und Gitarrist der Band, Anm. d. Verf.) beschwört ihn die ganze Band und alle um uns herum, dass er nicht mehr so viel schreit und growlt, um seine Stimme nicht nachhaltig zu schaden. Wir wollen ja als Band das Beste aus uns herausholen und so viel wie möglich erreichen. Gerade dies gefährdet Matt aber, denn er könnte die Tour vielleicht nicht durchhalten, wenn er ständig sein Singorgan so überstrapazieren muss. Deswegen haben wir darauf geachtet, dass es vermehrt melodische und cleane Gesangslinien gibt. Sonst verliert er seine Stimme ein weiteres Mal und das überlebt die Band vielleicht nicht.

MF: Habt ihr nicht mit dem Gedanken gespielt, einfach eine Fortsetzung von „Poison“ zu machen und kein Risiko einzugehen? Verkauft hätte es sich sicherlich prima.

MT: Auf keinen Fall! „Poison“ haben wir vor fast zwei Jahren gemacht, da befanden wir uns auch in einer anderen Phase. Wir haben uns als Band weiterentwickelt und betrachten die Songs, die wir machen immer als Beispiel unseres Könnens, unserer Gemütslage. Somit ist es für uns klar, dass auch in der Zukunft kein Album gleich klingen sollte, da dies ein Stillstand in unserer Entwicklung signalisieren würde.

MF: Habt ihr auch in der Machart etwas verändert?

MT: Da sind wir wie schon vorher ran gegangen. Wir enterten das Studio, ich hämmerte meine Lines ein, die Jungs spielten ihre Gitarren ein und am Ende nahmen wir die Lyrics auf. Was vielleicht anders war und auf die Frage mit dem Druck zurück kommt: Wir alle waren dieses Mal viel relaxter als bei „Poison“, da wir seither doch einiges an Erfahrung sammeln konnten.

MF: Von eurem Label selber werdet ihr als Metalcore, von anderen als Thrash und von wieder anderen als Emo bezeichnet. Wie würdest du euren Stil betiteln?

MT: Es ist simpel und nicht gerade originell, aber wir machen nichts anderes als Metal! Alle anderen Klassifizierungen sind doch sowieso überflüssig. Macht man Musik mit verzerrten Gitarren, fetten Drums etc, etc, dann ist es einfach Metal.

MF: Seit „Poison“ ist euer Erfolg ins Unermessliche gestiegen und ihr füllt eine Halle nach der anderen. Worin siehst du die Gründe für euren Erfolg?

MT: Hmm... Ich denke der Erfolg einer Band liegt immer in ihrem Material. Ich bin der Meinung, dass keine andere Band solche Songs wie wir schreibt, vor allem die Refrains sind meiner Ansicht nach die Glanzpunkte. Auf gute Songs schreiben haben wir auch immer unseren Fokus gelegt und darum sind wir auch so stolz auf beide unsere Alben.

MF: Welcher Song ist dein persönlicher Liebling auf „Scream Aim Fire“?

MT: Um das zu beantworten habe ich wohl noch nicht die nötige Distanz. Momentan würde ich aber jeden einzelnen Track auf „Scream Aim Fire“ einer Nummer von „Poison“ vorziehen, was sicherlich ganz normal ist, da man auf sein neuestes Baby immer ganz besonders stolz ist. Dazu kommt, dass wir jetzt während zwei ganzen Jahren, auf welchen wir fast ununterbrochen auf Tour waren, immer die selben Songs spielten und dabei freut man sich umso mehr auf neues Zeug. Frag mich in sechs Monaten oder so, welchen Song ich am wenigsten mag und ich kann dir dann eine Antwort geben. Die beste Nummer zu bestimmen, das werde ich aber nie können.

MF: Mit dem neuen Song „Take It Out On Me“ habt ihr eine richtige Stadion-Hymne im Gepäck, inklusive „Ohohoh“-Chören und ordentlich langem Gitarren-Solo. Seht ihr euch als Nachfolger solcher Metal-Legenden wie Iron Maiden oder Metallica, mit welchen ihr ja beide schon gespielt habt?

MT: Ja natürlich! Das war, ist und wird immer der grösste Traum von uns sein, denn man will als Band doch immer seinen Vorbildern nacheifern, möglichst viele gute Scheiben aufnehmen und verkaufen und vor Tausenden von Leuten spielen. Eines unserer Ziele von Anfang an war, so gross wie möglich zu werden, sonst macht das alles ja gar keinen Sinn. Und so wie es aussieht sind wir auf dem richtigen Weg dazu.

MF: Ist es nicht anstrengend, so intensiv und ausgiebig zu touren, wie ihr es getan habt und wie ihr es ab Februar wieder tun werdet?

MT: Wie schon erwähnt sind wir eine Live-Band. Wir lieben es, auf der Bühne zu stehen und es ist einfach der beste Job der Welt. Natürlich kann es das eine oder andere Mal auch negative Tage geben. Da fragt man sich, warum man sich den ganzen Stress, die ewige Zeit auf der Strasse usw. überhaupt antut, aber wenn man am Abend dann auf der Bühne steht und die Fans applaudieren und schreien, dann weiss man es plötzlich wieder und alles ist gut.

MF: Hast du ein Rezept gegen diese schlechten Launen?

MT: In solchen Situationen muss man einfach von Tag zu Tag denken. Man darf sich nicht vorstellen, dass man jetzt noch zwei Monate durch die Welt tingelt, sondern muss sich sagen, dass morgen alles anders aussehen kann.

MF: Wie erwähnt habt ihr schon mit solchen Schwergewichten wie Metallica, Maiden oder auch Guns'n'Roses gespielt. Hast du persönlich noch eine Wunschband, mit welcher du gerne mal spielen möchtest?

MT: Das ist einfach: Judas Priest! Ich bin ein riesiger Judas Priest Fan und halte sie für jene Metalband, die sowohl song- wie auch livetechnisch alle anderen Combos in den Schatten stellt. Natürlich wären auch Truppen wie die Stones oder AC/DC klasse, aber das sind halt so Fantasien. In erster Linie konzentrieren wir uns aber auf unsere eigene Tour.

MF: Fällt dir gerade eine Tour-Erinnerung ein, welche dich wohl das ganze Leben lang begleiten wird?

MT: Das sind die von dir erwähnten Gigs mit Iron Maiden und Metallica. Mit unseren Idolen in einem Raum zu sein und mit Leuten wie James Hetfield, Lars Ulrich oder Bruce Dickinson zu quatschen und sie danach am Bühnenrand zu erblicken, wie sie unsere Show ansahen, das war der Hammer und eine verdammt grosse Ehre. Das mag vielleicht sogar die grösste Erinnerung für alle von uns sein.

MF: Noch vor einigen Jahren wart ihr eine ganz normale Newcomer-Band, die davon träumte, berühmt und erfolgreich zu werden. Ist das Rockstar-Leben so, wie du es dir in deinen Phantasien vorgestellt hast?

MT: Wir glaubten ja nicht wirklich daran, berühmt zu werden und unser Hobby zum Beruf machen zu können. Ich weiss natürlich, dass du jetzt Geschichten von Exzessen und Gelagen hören möchtest, aber das ist nicht das, was dieses Leben ausmacht. Vor Tausenden von Leuten spielen zu können, von der Leidenschaft leben zu können, das ist einfach der Traum pur und alles andere sind angenehme oder auch weniger spassige Zusätze, die für uns alle nicht so wichtig sind.

MF: Richten wir unser Blick zum Ende noch auf die Zukunft: Was macht Bullet for My Valentine noch so alles dieses Jahr?

MT: Das Übliche denke ich. Zuerst steht Europa und Grossbritannien auf dem Tourplan, danach gehts in die Staaten und dann kommt noch der Rest der Welt. Daneben werden wir natürlich einige Tracks von „Scream Aim Fire“ als Singles veröffentlichen und dazu Videos drehen.

MF: Was hälst du von Video-Drehs?

MT: Persönlich würde ich in dieser Zeit, in welcher wir Videos drehen, lieber einen Gig absolvieren, aber das ist eben eine Sache, die gemacht werden muss. Singles müssen promotet werden und deswegen gibt es Video-Clips. Für mich ist die ganze Sache dabei eher langweilig, da man als Schlagzeuger nicht gerade viel machen kann. Man spielt playback immer und immer wieder die selbe Nummer und während die anderen Jungs sich dann in Posen werfen können, bleibt meine Aktivität meistens auf normales Spielen begrenzt. Dazu verbringt man die meiste Zeit eines Dreh-Tages mit Warten, was die Motivation auch nicht gerade fördert. Einige Videos machen Spass, da hat man auch mehr Mitspracherecht, aber meistens ist es ziemlich langweilig.

MF: Die letzte Frage: Wie sehen die nächsten 10 Jahre für Bullet For My Valentine und dich aus?

MT: Da stell ich mir keinen grossen Dinge vor. Ich hoffe einfach, dass wir noch sehr sehr lange Scheiben veröffentlichen können, die hoffentlich immer besser sind als die vorhergehenden, das wir Konzerte spielen und als Band wachsen, uns weiterentwickeln können, auch noch in 10 Jahren. Dabei wollen wir natürlich so gross werden wie möglich und wenn wir in 10 Jahren ein richtig grosses Festival als Headliner spielen dürfen, dann werden wir wohl ziemlich zufrieden mit uns sein.

MF: Dann wünschen wir viel Glück und viel Spass auf der Tour. Danke Michael!

MT: Danke gleichfalls. Schönen Abend noch.