Interview: Children of Bodom
17. Februar 2001. Nach dem Gig...
By Karin W.
Henkka Blacksmith
Heute war es nun soweit, ich sollte mein erstes Interview mit einer Band führen! Ich war den ganzen Tag schon reichlich aufgeregt, obwohl ich das Gefühl hatte, mich genügend vorbereitet zu haben. Trotzdem, Children Of Bodom sind nicht irgendeine Band. Die noch ziemlich jungen und sehr talentierten Musiker aus Finnland haben sich mit ihren drei Studio-Alben und der Live-Scheibe in der Szene gehörigen Respekt verschafft und begeistern immer mehr Fans. Anlässlich ihres Auftrittes im hiesigen Z7 hatte ich nun die Ehre, mit Basser Henkka Blacksmith ein paar Worte zu wechseln. Während der
Show des Headliners Primal Fear bat mich der sehr höfliche und
gesprächige Finne in den Backstagebereich. Da ich immer noch mit meiner Nervosität zu kämpfen hatte, fragte ich ihn kurzerhand, was er als bühnenerfahrener Musiker denn eigentlich gegen Lampenfieber täte.

Henkka: Dagegen kannst Du nichts tun, es ist einfach da. Es ist zwar sehr ärgerlich, aber ich glaube das ist eines jener Dinge, gegen die niemand etwas tun kann.

SMF: Aha, das heisst also, „Augen zu und durch"! Dann beginne ich einfach mal:
Ihr habt Eure Band nach einem finnischen Mordfall benannt, der einer der geheimnisvollsten und bekanntesten in der finnischen Kriminalgeschichte wurde. Habt Ihr eine persönliche Beziehung zu dem Verbrechen am Bodom-See?


Henkka: Eigentlich nicht. Der See ist in der Nähe wo wir wohnen, in der selben Stadt. Wir haben keine besondere Beziehung dazu. Natürlich gehen wir heute oft dort hin und trinken ein paar Biere, aber das ist nichts aussergewöhnliches. Es ist einfach in der gleichen Stadt, der See, der Mord und alles, es passt einfach gut zusammen mit einer Metal Band.

SMF: Ursprünglich nanntet Ihr Euch „Inearthed". Was hat Euch dazu bewogen, den Namen zu ändern und warum habt Ihr Euch für „Children Of Bodom" entschieden?

Henkka: Wir haben uns umbenannt weil „Inearthed" nicht besonders originell war, ziemlich normal. Ich weiss nicht, wie wir auf „Bodom" kamen...ich glaube es war eine Idee unseres Label Managers, er kam irgendwie mit „...hey, erinnert ihr euch an den See und die Morde" usw. und dann suchten wir nur noch ein anderes Wort zu „Bodom". Es gab ein paar Vorschläge und schlussendlich waren wir „Children Of Bodom". Irgendwie so, ich weiss es nicht mehr so genau.

SMF: Euer Name ist ziemlich provokativ. Wie reagierte die finnische Öffentlichkeit darauf, als Ihr in Eurem Heimatland immer bekannter wurdet?


Henkka: Überraschend freundlich, eigentlich. Wir hatten ein bisschen Angst, dass es Berichte in den Zeitungen geben würde wie „das ist zu brutal, damit spasst man nicht", aber wir haben mit der Black Metal Szene nichts zu tun. Es ist sehr schön, dass man das gemerkt hat, ich bin sehr froh darüber. Natürlich gab es auch Kommentare wie „ein seltsamer Name, es ist nicht der lustigste Name, aber eigentlich nichts Schlimmes."

SMF: Als Eure Karriere begann, wurdet Ihr einerseits als die genialen Death/Black Metal Newcomer gefeiert, andererseits hat man Euch als Power Metal Band bezeichnet. Meiner Meinung nach seid Ihr aber eine Band, die viele verschiedene Metal Stile und sogar klassische Elemente in ihrer Musik verbindet.


Henkka: Yeah, genau.

SMF: Welche Musik hört Ihr persönlich am liebsten und was sind Eure Einflüsse?

Henkka: Wir hören viele verschiedene Bands, von Glam Rock bis Black Metal, z.B. W.A.S.P., Ozzy Osbourne, Dark Throne, Manowar, was auch immer, einfach alles. Als wir anfingen unsere eigene Musik zu machen, war es für uns ganz natürlich, alle diese Stile drin zu haben. Und wegen diesen klassischen Einflüssen, das ist so, weil einige von uns in klassischer Musik ausgebildet wurden. Nimm ein bisschen Black Metal und gib etwas Mozart dazu... Es war einfach normal für uns, die Musik zu machen, die wir selber mögen. Es stimmt, wir machen eine Mischung aus allem, niemand kann wirklich sagen was es ist. Für manche ist es Power Metal, für manche ist es Black Metal. Ich weiss nicht, es ist einfach Metal.

SMF: Eure Songs sind ziemlich komplex aufgebaut und schnell gespielt. Und Ihr schafft es sogar, das Keyboard im Einklang mit den Gitarren einzubauen. Haben einige Bandmitglieder eine musikalische Ausbildung gemacht?

Henkka: Die meisten von uns haben in Schulen viel gelernt. Es gibt ein Konservatorium in Finnland, auf dem einige von uns waren. Aber jetzt nicht mehr, wir waren auch nicht so lange dort. Aber wir haben viel gelernt. Deshalb ist es sehr einfach für uns, diese Dinge zu gebrauchen...über Harmonien und solches Zeugs.

SMF: Könntest Du beschreiben, wie ein Song entsteht?

Henkka: Yeah. Alexi ist der Haupt-Songschreiber. Wenn wir anfangen, proben wir sehr viel. Alexi kommt mit neuen Ideen in den Proberaum, er zeigt uns ein paar Sachen, ein paar Riffs und wie man sie spielt. Wenn wir alles beisammen haben, bringen wir es in eine Reihenfolge. Jeder bringt seinen eigenen Stil in das Programm ein, jeder fügt etwas hinzu und in zwei Wochen kann der Song fertig sein. Es ist ein sehr einfacher Prozess, finde ich. Aber Alexi hat die Grundideen.

SMF: Wie schafft Ihr es, Eure Songs live in einer so sauberen Art und Weise zu spielen wie z.B. auf dem „Tokyo Warhearts" Live Album oder bei der heutigen Show, obwohl Eure Songs so komplex sind?

Henkka: Ich weiss nicht wie wir das schaffen...Wir proben sehr viel zusammen, um live gut zu spielen. Ich weiss nicht, es hat ja auch viele Fehler auf dem Japan-Album. Wahrscheinlich ist es einfach das Proben, dass wir es so gut können. Aber ich glaube, wir könnten besser sein.

SMF: Euer Live-Album „Tokyo Warhearts" wurde, wie der Name schon sagt, in Tokyo aufgenommen. Diesen Frühling seid Ihr wieder für vier Konzerte in Japan. Habt Ihr dort speziellen Erfolg oder sonst einen besonderen Bezug zu diesem Land?

Henkka: Nein, nichts besonderes. Wir haben genug verkauft, um dort wieder auf Headliner Tour gehen zu können. Das ist nichts besonderes, ziemlich viele Bands tun das heutzutage. Okay, äh...wir sind an diesem technischen Zeugs interessiert und sie stehen auf technische Musiker und wie wir es machen, diese Art von Musik. Eigentlich sind wir ziemlich überrascht, dass sie uns - mit unserem Gesang, diesem dunklen Gesang - dass sie uns trotzdem mögen. Aber was sie am meisten mögen, denke ich, ist diese technische Linie, wir sind also nicht speziell. Viele technische Bands spielen dort. Für uns genügt es gerade, um dort spielen zu können.

SMF: Ist es anders, dort zu spielen?

Henkka: Yeah! Viele Dinge sind dort anders, die ganze Organisation ist sehr...sie sind sehr höflich. Alles ist sehr genau organisiert, es gibt nichts, worüber man sich beklagen könnte. Wenn Du in ein Hotelzimmer kommst - jeder hat ein Einzelzimmer - wenn Du hereinkommst, ist dort ein Blumenstrauss, der Dich begrüsst „Willkommen Mr. Henkka"...das ist Japan! Es ist erstaunlich, wie sie das machen. Und auch äh...Showtime ist immer früher als hier, z.B. letztes Mal glaube ich spielten wir um 18.30 Uhr oder so - immer! Und die Leute sind nicht betrunken, sie trinken nicht. Sie sind nüchtern und total fanatisch, Du bemerkst es, wenn Du sie anschaust, sie sind so glücklich, diese Band hier zu haben. Das ist toll. Das dürfte der grösste Unterschied zwischen europäischem und japanischem Publikum sein, dass die Leute nicht betrunken sind. In Europa willst Du etwas trinken und eine tolle Party feiern, die Japaner sind da anders.

SMF: Was hältst Du vom Schweizer Publikum?

Henkka: Heute war es bis jetzt das beste, das wir je hier hatten! Eigentlich war es immer ziemlich schlaff, wenn wir hier waren. Heute war es wunderbar. Es war sehr schön. Überraschend viele Leute sind gekommen, wir haben hier noch nie vor so vielen Leuten gespielt! Wir sind also sehr zufrieden.

SMF: Was glaubst Du ist besonders in der Schweiz?

Henkka: Die Preise sind sehr hoch.

SMF: In Finnland aber auch, oder!

Henkka: Nicht SO hoch! Ähm...ich weiss nicht viel darüber, weil normalerweise, wenn wir in der Schweiz spielen, sind wir hier (in Pratteln) und hier kann man ja auch nicht wirklich etwas sehen. Ich weiss also nicht sehr viel.

SMF: Du warst also nicht an der Autogramm-Stunde heute Nachmittag?

Henkka: Nein, ich war nicht dort.

SMF: In Finnland seid Ihr eine Art Superstars, denn Ihr hattet dort mehrere sehr hohe Plätze in den Single-Charts. In vielen anderen mitteleuropäischen Ländern habt ihr ebenfalls hohe Album-Charts Notierungen gehabt. Hat sich Euer Leben mit diesem Erfolg verändert?

Henkka: Nicht wirklich. Wenn die Leute hören, dass wir goldene Singles bekommen haben und auf Platz 3 in den Album-Charts waren, dann klingt das sehr gut. Aber in Finnland haben wir einen so kleinen Markt, dass es ziemlich einfach ist, in die Charts zu kommen. Ich glaube es hat unser Leben überhaupt nicht verändert. Alexi war vielleicht manchmal irgendwie ein bisschen „Hey, hey, Children Of Bodom, heyhey...", aber da ist nichts aussergewöhnliches. Du musst nur den richtigen Song haben. Wenn Du es auf die Charts abgesehen hast, klappt’s sowieso nicht. In Finnland können wir immer noch alles tun, mehr als in Europa. Unser Leben hat sich nicht so stark verändert.

SMF: Würdet Ihr gerne so erfolgreich sein wie z.B. HIM? Was würdet Ihr tun, wenn das passieren würde?

Henkka: Diesen Popstar-Erfolg, darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich denke nicht...es ist unvernünftig zu glauben, dass wir es schaffen könnten, solchen Erfolg zu haben. Wir haben eigentlich nie darüber nachgedacht....Ich glaube, es ist unmöglich mit dieser Art von Musik, die wir machen, so viel Erfolg zu haben, ich wäre sehr überrascht. Ich weiss nicht...ich hätte nichts gegen so viel Erfolg, aber ich bin auch sehr glücklich, so wie es jetzt ist. Ich würde nichts spezielles für solchen Erfolg tun.

SMF: Wie sieht die finnische Metal Szene aus, hat sie sich in den letzten Jahren verändert?

Henkka: Ich denke schon, irgendwie...in den letzten paar Jahren hatten wir viele gute Bands aus Finnland: Nightwish, wir, Sonata Arctica...die werden einmal richtig gut, Stratovarius ist immer wunderbar...Ich glaube True Metal ist im Moment am meisten angesagt in Finnland, du musst dich damit auseinandersetzen. Wahrscheinlich ist es wegen dem Spinefarm Label, das auch unseres ist, weil die sehr viel für diese Bands getan haben in Finnland. Einige Bands sind in der Fernsehwerbung und solchen Sachen, es ist also sehr einfach in Finnland bekannt zu werden. Dann ist es auch einfach für Nuclear Blast, dich ausserhalb zu etablieren. Ich glaube es ist eine Veränderung in die richtige Richtung.

SMF: Glaubst Du, dass es heute mehr Metal Fans in Finnland gibt als früher?

Henkka: Yeah, sicher. Dort ist immer irgendein Metal Album in den Charts. Meistens ist es eine finnische Band.

SMF: Das ist in der Schweiz leider ganz anders, hier ist nie eine Metal Band in den Charts, ausser vielleicht AC/DC, Metallica oder Gotthard.

Henkka: Das könnte ich mir nie vorstellen!

SMF: Sprechen wir ein bisschen über Eure Texte. Die sind sehr geheimnisvoll und manchmal auch depressiv, häufig geht es um Tod, Schmerz, Erlösung und Hass. Gibt es hier Verbindungen zu Euren Persönlichkeiten oder sind sie reine Fantasie?

Henkka: Sie sind ein bisschen in diesem Fantasy-Stil geschrieben, aber...also, Alexi schreibt die Texte und ich denke, sie kommen schlussendlich aus seinem Kopf. Es sind seine Gedanken und was ihn manchmal beschäftigt. Wir haben eine Verbindung zum Tod und den Dingen, die du erwähnt hast, und ich denke, das sind Themen, über die jeder irgendwann einmal nachdenkt und über die man sehr gut in Metal Songs sprechen kann. Selbstverständlich haben wir auch andere Gedanken, über andere Dinge, aber im Metal ist es einfacher, diese negativen Gefühle auszudrücken. Es ist auch eine Art gute Therapie für uns und Alexi. Und äh...ja, nichts weiter. Die Dinge, die wir wahrnehmen passen zur Musik und durch die Musik therapieren wir uns.

SMF: In Euren Booklets sind jeweils nicht alle Texte abgedruckt. Ist das eine Art Selbstzensur oder sowas?

Henkka: Nein, das hat nichts mit Zensur zu tun. Ich weiss nicht...ich habe noch nie darüber nachgedacht...vielleicht gibt es Texte, die Alexi nicht veröffentlicht haben will. Ich denke, es gibt eine gewisse Zensur in seinen Gedanken und da dringt auch nichts nach aussen, das ist unser Standpunkt. Aber ich weiss nicht, vielleicht veröffentlichen wir sie ja später mal. Es gibt also keinen speziellen Grund dafür.

SMF: Euer neuestes Album „Follow The Reaper" habt Ihr in Peter Tägtgren’s Abyss Studio aufgenommen. Was war dort anders, verglichen mit den Aufnahmen von „Something Wild" und „Hatebreeder"?

Henkka: Oh, da gibt es viele Dinge! Als erstes: als wir „Something Wild" und „Hatebreeder" aufgenommen haben, kannten wir den Typen, der das gemacht hat, sehr gut, er war ein Freund von uns. Wir überlegten uns, wann wir anfangen sollten und wann wir unsere Sachen ins Studio bringen sollten und alles solche Dinge. Für das neue Album wollten wir es anders machen und wir wollten zu Peter Tägtgren, weil wir ihn alle kannten. Unsere Studioarbeit war ganz anders. Man konnte in Schichten arbeiten, von Morgens 1 Uhr bis Abends um 6 Uhr, und wir arbeiteten von Montag bis Samstag, Sonntag war immer frei. Wir hatten viel zu tun und mussten es irgendwie schaffen, also setzten wir uns normalerweise zusammen, wie wir gerade Lust hatten. Manchmal sind wir 24 Stunden im Aufnahmeraum geblieben, und keinen hat das dort irgendwie erstaunt. Die Arbeit war ziemlich gut. Wir machten nicht so viel Party wie gewöhnlich, der Ort war sehr abgelegen und man konnte nirgendwo hin zum feiern. Also haben wir nur geprobt, aufgenommen und...„take it easy". Und Peter war im Studio nicht so streng wie der andere Typ. Der andere war ein Perfektionist und verlangte immer wieder „spielt es noch mal, spielt es noch mal, spielt es noch mal", bis wir es nicht mehr konnten. Peter war das nicht so wichtig und ich glaube, darum haben wir ein bisschen den brutaleren Sound drauf. Er ist nicht so hell wie „Hatebreeder", die Scheibe ist zu tight. Entweder zu tight oder der Sound ist zu schwach. Diesmal wollten wir einen brutaleren Sound haben, ich bin sehr gerne brutal. Er hat das Album auch wirklich „produziert", er hat sich bei für den Gesang sehr angestrengt, er ist ja auch selber Sänger. Wir hatten endlich auch all die Technik, die wir wollten, weisst du, er hat total viele verschiedene Synthesizer und so hatten wir die Möglichkeit, 500 verschiedene Sounds auszuprobieren und den besten auszuwählen. Das war eine ganz neue Erfahrung.

SMF: Auf der ersten Auflage Eures neuen Albums ist die W.A.S.P.-Coverversion "Hellion" zu hören. Warum habt Ihr genau diesen Song ausgewählt?

Henkka: Das haben wir nicht. Überhaupt nicht. Als ich die europäische Version sah, die limitierte Ausgabe, war ich ganz erstaunt "hey, da ist W.A.S.P.!" Ich wusste nichts davon. Wir hatten das schon vor langer Zeit aufgenommen als wir probten, um es live spielen zu können. Wir hatten nie die Absicht, es zu veröffentlichen. Also...vielleicht hat man etwas gesucht, das man für die Children als Bonustrack gebrauchen könnte und hat dann gemerkt, dass wir das mal gemacht haben und hat es genommen. Ich betrachte es nicht als Teil des Albums.

SMF: Wir kommen zum Ende des Interviews. Möchtest Du noch etwas speziell für die Schweizer "Children Of Bodom" Fans hinzufügen?

Henkka: Yeah, heute war der grossartigste Gig, den wir bisher hatten, so viele Leute, wir waren total überrascht und sehr erfreut darüber. Und wir werden ganz bestimmt wieder hierher zurückkommen!

SMF: Vielen Dank für dieses Interview!

Henkka: Bitte, gern geschehen.