Interview: Hammerfall
By Yannick S.
Heidnischer Metal wurde in der letzten Zeit immer bekannter, überall kann man Thors Hammer oder andere Symbole der germanischen oder keltischen Mythologie betrachten. Wenn es um genau diesen Pagan Metal geht, darf man eine Band keinesfalls vergessen: Equilibrium. Die Deutschen, welche mit ihrem Debutalbum „Turis Fratyr“ einen gewaltigen Freudensturm auslösten und bereits jetzt eine riesige Fangemeinde aufweisen können, werden aber oft auch kritisch betrachtet, denn viele Anhänger heidnischen Metals behaupten, dass die Band ihren „Glauben“ nicht ernst nehme und bloss des Geldes wegen über Odin und Co. singe. Da ich aber lieber von der Band selber höre, wie sie denken und ticken, habe ich für euch ein sehr unterhaltsames Interview vorbereitet, bei dem alle Bandmitglieder anwesend waren. Sandra (SA), Helge (HE) und René (RE) standen Rede und Antwort.

Anfangs wurde unverfänglich geplaudert, Equilibrium wollten wissen, für was oder wen sie hier ein Interview machen dürfen, und ich habe ihnen das natürlich ausführlich erklärt.

MF: Ihr habt jetzt meinen Plan ziemlich durcheinander gewirbelt, ich dachte ich hätte das Interview vor dem Konzert, aber na gut. Ich fange einfach mal vorne an: Wie geht es euch eigentlich, wie seid ihr hier angekommen? Ich habe gehört, ihr hattet ein ziemliches Durcheinander gehabt mit der Reise.

SA: Ja, das Problem war, dass irgendwie die Autobahn gesperrt war und wir deshalb grosse Umwege fahren mussten, und darum sind wir auch viel später angekommen als geplant. Aber jetzt ist…

HE: (unterbricht) …Auf gut Deutsch, die Schweizer können nicht Autofahren, haben sich wieder über den Haufen gekugelt und wir mussten es ausbaden.

RE: Eine halbe Stunde vor Zürich, eine ganze halbe Stunde vor Zürich durften wir dann die Autobahn verlassen und mussten vier Stunden lang durch die Botanik eiern, und das kackt dann mal richtig an.

MF: Hier hättet also eigentlich etwa zwischen 14.00 Uhr und 15.00 Uhr hier sein sollen?

SA: Ja genau, und schlussendlich wurde es etwa 19.00 Uhr.

MF: Ihr seid ja nicht zum ersten Mal hier im Dynamo, gefällt es euch hier besonders oder was ist der Grund, dass ihr wieder hier seid?

HE: Ich würde sagen, dass beide Konzerte, die wir hier hatten, irgendwie herausragend waren gegenüber den Normalen. Das letzte Mal waren wir nur zu viert auf der Bühne mit Drum- und Keyboard-Computer, und das war natürlich ein Abenteuer aber… (Gelächter)

MF: Ja, und trotzdem hat es wunderbar geklungen!

HE: Ja ich denke, jeder, der das da unten im Werk 21 gesehen hat, der wird sagen: „Das war die Hölle.“ (Das Werk 21 war vollkommen überfüllt gewesen, Anm. d. Verf.) Kannst du dir ja vorstellen, wir stehen da auf der Bühne, und die Leiber wälzen sich wie in einer Lawine langsam… Bis dahin hatten wir noch nie so was erlebt.

MF: Mit Nuclear Blast habt ihr ein ganz grosses Ding gemacht, aber Nuclear Blast ist auch für ziemlich übertriebene Vermarktung bekannt. Wie steht ihr dazu?

HE: Das ist natürlich in aller Munde, also Nuclear Blast ist in erster Linie mal eine Firma, dies muss man ganz klar sagen, da arbeiten eine Menge Leute, die leben auch davon, indem sie Metal-CDs verkaufen, das sag ich jetzt mal so… Und ja, die wollen auch Geld verdienen, das ist ganz klar. Aber sonst könnte man auch jeden entlassen oder man sitzt nur blöd da. Sie sind daran interessiert, die Band möglichst geil und gross rauszubringen, dazu sind sie da. Genau das ist ihre Aufgabe, und wenn sie das nicht schaffen, dann gehen sie pleite und dann hat keiner was davon. Sie wissen, was die Leute wollen und was man ihnen verkaufen kann.

MF: Aber ich denke, es ist auch nicht zwingend euer Ziel, dass ihr zu dem neuen Album noch vier Singles dazu veröffentlicht?

SA: (lacht)

HE: Nein, hoffentlich nicht…

MF: Habt ihr da auch (einer der Band unterbricht mich, indem er rülpst) ein gewisses Mitspracherecht?

RE: Ja, ja.

HE: Ja, es ist ganz genau festgeschrieben, wie viele CDs wann und in welchen Abständen und wie oft und wo veröffentlicht werden, Singles sind, kann ich dir verraten (er darf nicht viel verraten, wegen des Vertrages, Anm. d. Verf.), in der Regel eine Option, also die kannst du machen, musst du aber nicht.

MF: Dann habt ihr also das letzte Wort?

HE: Beim Thema Singles: Ja! Ich persönlich halte überhaupt nichts von Singles. Unter uns gesagt, ich find es zum Teil sogar Verarsche und dagegen werde ich mich persönlich sträuben, denn da geht es nur um Kohle, und uns geht es hier nicht um Kohle, denn wir machen es aus Spass, und wenn es keinen Spass mehr macht, hören wir sofort auf. Aber bis dahin wird noch das eine oder das andere Jahr ins Land ziehen, und daher: Single – no way. Vielleicht, wenn wir uns mal einen Bus kaufen und dann der Bank die Raten abbezahlen müssen, dann bringen wir vielleicht mal eine Single raus, aber ich glaube, dazu wird es nicht kommen (lacht).

MF: Kommen wir mal zum neuen Album, was könnt ihr mir über „Sagas“ erzählen?

HE: Na, also musikalisch kann man sagen, dass wir das Grundkonzept von Equilibrium von „Turis Fratyr“ beibehalten werden, wir werden allerdings die Extreme noch ein wenig mehr ausloten, das heisst, wir werden stellenweise härter werden, noch bombastischer, noch melodischer, es werden noch neue Einflüsse hinzukommen, das betrifft vor allem die folkloristischen Anteile. Also, wir werden uns noch viel weiter auf die ganze Welt ausdehnen, wir werden japanische, irische, schottische Elemente, alles was uns einfach gefällt, mit einbauen, aber natürlich wie gewohnt kombiniert mit unseren Standard-Metal-Elementen.

MF: Und rein textlich?

HE: Da würde ich jetzt mal sagen: Lass dich überraschen. Es gibt natürlich Veränderungen, ganz klar. Wir werden im Grunde weitermachen, wo wir angefangen haben, und ich werde verstärkt persönliche Erfahrungen mit einflechten.

MF: Wisst ihr bereits das genaue Release-Datum der Scheibe?

HE: Nein

MF: Was schätzt ihr so: Im Sommer, oder doch schon im Frühling?

HE: Hmm… Wir schätzen gar nicht, kann man nicht sagen, weil wenn Termine von der Plattenfirma festgelegt werden und nicht eingehalten werden können… Deswegen werden wir, soweit wie möglich, eine Terminveröffentlichung vermeiden. Bis wir sicher sind, dass es auch soweit ist. Aber dadurch, dass wir die Band alle als Hobby machen und nicht hauptberuflich, sind manche Dinge halt einfach im Vordergrund.

SA: Wir brauchen so viel Zeit, wie wir dann eben brauchen.

HE: Mit so einem Schnellschuss machen wir auch niemanden glücklich, es ist zwar für den Fan, der da wartet und hofft, dass er bald ein neues Album kriegt… Normalerweise kriegst du pro Jahr ein Album, dies ist geil, wenn die Qualität stimmt, aber bei uns ist das anders. Wir sind halt exotisch, bei uns ist es einfach so, dass jeder so sein Ding durchziehen muss, Studium, Arbeit usw. Jeder kämpft sich so durch. Es macht zwar tierisch Spass auf so einem Konzert wie heute zu spielen, da hast du sooo ein Rohr in der Hose, aber davon kann ich mir nächsten Monat nichts zu Essen kaufen, klar es hat Spass gemacht, es war geil und ich erzähle es auch gerne zu Hause, aber am Montag gehe ich wieder zur Arbeit und werde wieder meine Stunden schuften müssen.

MF: Wie sieht die Zukunft von Equilibrium aus? Plant ihr noch weitere Alben?

SA: Solange sich dieser Geist von Equilibrium nicht verliert, werden wir weitermachen und wenn wir merken: Es kommt nur noch Scheiss raus und es ist nicht mehr das, was wir ursprünglich wollten… Ja, dann würden wir aufhören, aber wir sehen es vor allem so, dass es weitergehen wird.

MF: Der Festival-Sommer rückt immer näher. Könnt ihr mir verraten, wo ihr überall so spielen werdet?

HE: Ja, ich kann dir sagen, dass wir auf dem einen oder anderen Festival spielen. Wir spielen zum Beispiel auf dem Up From The Ground, auf dem Metalcamp im Slowenien, dann war da noch irgendwas Anderes, es gibt noch eines, mein persönliches Lieblingsfestival in Deutschland, da spielen wir auch, aber das kann ich dir jetzt namentlich leider nicht nennen.

MF: Ich hoffe jetzt mal, ihr meint das Summerbreeze?

HE: Nein, das Summerbreeze wird es leider für uns dieses Jahr nicht geben.

MF: Eine Frage an dich, Sandra: Du bist die einzige Frau in der Band, da ist es bestimmt nicht leicht immer mit den Jungs ständig rumzuhängen, oder täusche ich mich da?

(lautes Gelächter)

SA:Man darf natürlich nicht zimperlich sein, man darf auch nicht zu bequem sein, man muss sich durchsetzen für seine Rechte stehen, und ich trage gewissermassen schon dazu bei, dass dieses Wohl nicht untergeht. Ich werde hier ja nicht irgendwie unterdrückt oder fertig gemacht, sonst würde ich mich beschweren, aber ich lasse das auch nicht mit mir machen. Wenn man jetzt Wert drauf legt, dass alles sauber ist, dann wäre man schon ein wenig am falschen Ort, ich kann denen jetzt nicht verbieten, ihre Körperausdünstungen im Bandbus abzugeben (Gelächter), aber ja, sie sind schon in Ordnung

MF: Ich kann mir das gut vorstellen!

HE: Nee (Gelächter)

MF: Also ist es noch schlimmer?

HE: Ja (kriegt sich kaum mehr ein vor lachen)

SA: Ja, man muss sich halt einfach damit abfinden.

MF: Sandra, aber so ganz im hintersten Teil macht es dir auch Spass?

(Gelächter und ein riesiges Durcheinander)

SA: Ja natürlich macht es mir Spass, wenn ich es scheiss fände hätte ich es schon längst hingeschmissen.

HE: Jeder probiert immer möglichst gefährliche Lebensmittel zu verspeisen: Zwiebeln, Bohnen, Sauerkraut, Weissbier, alles auf einmal, alles Zeugs, das viel Gas gibt und stinkt (das Thema ginge noch weiter ins Detail, aber ich lasse es mal bleiben *gg*, Anm. d. Verf.)

MF: Ein wenig eine ernstere Frage: Von vielen „trven“ Seiten hört man öfters, dass Equilibrium den Heidentum (Paganismus, Germanentum) nicht ernst nehmen und eigentlich bloss Spass haben möchten. Wie steht ihr zu solchen Aussagen?

HE: Zum Teil haben die komplett recht, denn wir wollen nur Spass haben. Wir ziehen aber nichts absichtlich in den Dreck. Man kann das Ganze mal so betrachten: Wir transportierten auf dem letzten Album Sachen wie Geschichten, Informationen, Sagen germanischer Mythologie auf eine Weise, wie wir sie für richtig halten und haben dadurch viele, viele Leute wirklich für die Sache begeistert. Man könnte fast sagen, es hat wie eine Einstiegsdroge gewirkt: Die Leute haben was davon, wir haben was davon. Einer, der sich jeden Tag in seinem Kämmerchen verkriecht und irgendwelche Sagen durchwälzt und alles vollkommen genau nimmt, der wird halt sagen: Na ok, da haben sie aber ein wenig umgedichtet. Warum? Weil es halt einfach besser ins Lied passt. Ich kann dir eins sagen: Wenn ich jetzt in eine Buchhandlung gehe und eine Edda kaufe, dann ist die aber so oftmals umgeschrieben und übersetzt worden, da ist sowieso nur noch ein Funken Wahrheit drin. Also warum sollte ich nicht auch noch meinen Senf dazugeben dürfen? Es ist eine Art von Interpretation .Wer uns hier irgendwie angreifen möchte, dass wir nicht trve sind, der kann mir mal den Buckel runterrutschen. Eine Religion ist immer eine persönliche Angelegenheit und kann niemals verallgemeinert werden. Ich möchte aber noch hinzufügen, dass ich besonders trve bin (lacht).

MF: Ihr setzt euch vehement gegen das rechte Gedankengut ein. Denkt ihr, die Pagan-Szene leidet sehr an diesem Problem?

HE: Wir setzen uns für gar nichts ein! Wir haben seit je her den Slogan: „Politik hat in der Musik nichts zu suchen“. Nicht in unserer. Wir können anderen nichts vorschreiben, und in unserer Musik lassen wir die Politik aus dem Spiel. Jeder hat so seine eigene Meinung, geht in die Wahlkabine und stimmt ab.

SA: Und zu der Szene ist natürlich zu sagen, dass die Rechten in jeder Szene versuchen, Fuss zu fassen und es halt da besonders leicht haben, weil viele einfach ihr Gehirn nicht einschalten und entweder zwischen verschiedenen Dingen nicht unterscheiden oder sich da mitreissen lassen.

(längeres Gespräch über die Rechten an Konzerten)

MF: Zum Abschluss des Interviews: Eure letzten Worte an die Leser der Metal Factory?

HE: Wir hatten jetzt drei Konzerte in der Schweiz, und eins hat das andere getoppt und trotzdem sind sie alle Nummer eins, weil, eeh….Das erste Mal waren wir in Spiez, das war einfach, ehh, wir kommen also von München (das ist auch nicht so klein) und du fährst und fährst, die Dörfer werden immer kleiner, dann bist du plötzlich in einem Kaff, keine Sau auf der Strasse, alles dunkel und das Navigationssystem sagt: So, und nun sind wir da. Man steigt aus, sieht sich um und fragt sich: Wo sind wir denn hier eigentlich, Hase und Fuchs sagen sich gleich gute Nacht, und dann kommst du so in ein kleines Clubchen rein und die Leute flippen einfach total aus. Gehen ab wie Schmitt’s Katze! Das ist einfach krass, so was haben wir in Deutschland noch nie gehabt! Letztes Mal im Dynamo wurde bereits erwähnt, absoluter Ausnahmezustand. Gibt’s übrigens auch ein Video davon. Wir hoffen, in Zukunft auch mal ins Z7 nach Pratteln zu kommen. So oder so, die Schweiz ist einfach absolut top. Ihr habt sogar die schöneren Banknoten, in Deutschland erkenne ich heute noch nicht alles auf Anhieb, aber die Schweizer Banknoten sind sehr hübsch anzusehen und übersichtlich.

SA: Irgendwie haben wir die Schweizer einfach lieb gewonnen, unser kleines Nachbarvölkchen.

Equilibrium (im Chor): Wir danken herzlich!






Unser Yannick (2.v.l.) mit Equilibrium >>>>