Es geht nicht ohne
John Norum.
Europe haben sich mit den letzten drei Alben
musikalisch verändert und sind in eine rockigere,
klassischere Richtung gegangen. Dabei ist das Quintett
um Sänger Joey Tempest aber immer eines geblieben. Eine
der besten Live-Bands, die es gibt. Zusammen mit John
Norum (Gitarre), John Levén (Bass), Mic Michaeli
(Keyboards) und Ian Haugland (Drums) ist seit mehr als
vierzehn Jahren wieder die Truppe unterwegs, für welche sich 1984 mit
«Wings Of Tomorrow» die Türe zur weiten Welt öffnete,
um dann 1986 mit «The Final Countdown» den ganz
grossen, weltweiten Erfolg zu feiern. Heute, knapp dreissig
Jahre später, rocken die Herren noch immer, als gäbe es
kein Morgen und haben mit «Walk The Earth» eines der
wohl besten Alben ihrer Geschichte veröffentlicht.
MF: Sag mal, ist «Walk The Earth» das Album
geworden, das ihr schon immer schreiben wolltet?
Joey: Nach wie vor sind wir sehr, sehr zufrieden mit dem
Album, es ist ein Wunder. Die Songs entstanden aus dem
Nichts und entwickelten sich zu dem, was sie wurden. Mit
dem elften Werk konnten wir etwas so Magisches umsetzen.
Und ja, es gehört sicher zu den besten
Veröffentlichungen, die wir komponierten (grinst
zufrieden)! Es ist einfacher für uns, neue Lieder zu
schreiben, weil wir als Team zusammen komponieren. Klar,
die meisten Ideen stammen von mir, und schon als ich
sehr, sehr jung war, schrieb ich die meisten Lieder. Ich
glaube, ich war zehn Jahre alt, als ich meinen ersten Song
schrieb. In der heutigen Zeit ist es erstaunlich, zu
welch guten Songwritern wir gewachsen sind. Ob dies nun
Mic, Ian oder die beiden Johns sind. Es macht viel mehr
Spass so zu komponieren. Arbeiten wir an einer alten
Idee oder kreieren was ganz Neues… Es macht Spass und
fühlt sich grossartig an!
MF: Kannst du denn heute die Songs
schreiben, die du schon immer schreiben wolltest, ohne
grossen Druck von aussen oder einer Plattenfirma?
Joey: Ja, da hast du recht. Die grossen
Labels aus New York behalten sich immer eine gewisse
Kontrolle vor (grinst). Heute ist dies einfacher. Die
Musik gehört uns, und wir können bestimmen, wie sie zu
klingen hat. Zudem haben wir nun die Leute in unserem
geschäftlichen Umfeld, die verstehen, was wir wollen
(lacht). Es war für mich sehr wichtig «Walk The Earth»
in den Abbey Road Studios in London aufzunehmen (lautes
Lachen)! Das Wichtigste! Ich lebe in London (lacht). Ich
fuhr am Morgen ins Studio und am Abend wieder nach Hause
zu meiner Familie. Das ist eine sehr einfache Geschichte,
die ich über all die Jahre immer wieder versuchte
umzusetzen. Ich habe meine Jungs immer versucht zu
überzeugen, das nächste Werk in London aufzunehmen. Als
die Idee mit den Abbey Road Studios reifte, erklärten
mich die meisten für verrückt (lacht). Viele der Alben,
welche wir persönlich lieben, wurden da aufgenommen.
Zudem ist es eines der besten Studios der Welt. In den
Mauern schlummert dieser Geruch des Erfolges und eines
musikalischen Aufbruchs. Pink Floyd, The Beatles, Led
Zeppelin sind nur ein paar Bands, welche die Musikwelt
nachhaltig veränderten.
MF: Welches ist
für dich das beste Album, welches du jemals
veröffentlicht hast?
Joey: Mit Europe? Wow, das ist eine sehr schwierige
Frage… Die letzten drei Alben sind dermassen wichtig für
uns! Mit «Bag Of Bones», «War Of Kings» und «Walk The
Earth» haben wir eine neue Richtung eingeschlagen. Wir
liessen unsere musikalische Vergangen-heit hinter uns
liegen und bogen an der Kreuzung in eine neue Richtung
ab. Alle in der Band lieben diesen neuen Weg. Verstehe
mich nicht falsch, wir sind noch immer stolz auf die
vorherigen Werke. Alleine mit «Wings Of Tomorrow»
unterschrieben wir einen Major-Deal und dies hievte uns
auf ein neues Level! Ohne diesen grossartigen
Produzenten Kevin Elson wäre «The Final Countdown» nie
zu dem geworden, was es heute noch ist und «Wings Of
Tomorrow» öffnete uns die Türen zur Welt!
MF: Sind die letzten drei Alben für dich
ein Schritt zurück zum Classic Rock, vielleicht auch zu
euren musikalischen Wurzeln?
Joey: Es
war eine organische Entwicklung, die sich sehr schnell
verinnerlichte. So kamen unsere alten Einflüsse
automatisch ans Tageslicht. Bist du jung, zwischen 15
und 25, erlebst du die wichtigste Zeit, welche dich und
dein Herz beeinflusst wie verändert. Heute kommen diese
Dinge wieder automatisch ans Tageslicht.
MF: Man wird nicht älter, sondern nur
weiser…
Joey (grinsend): …hey, wir sind
noch immer 29 Jahre jung (lacht)…
MF:
…seit knapp zwei Jahren…
Joey
(grinsend): …genau Martin, du hast es erfasst!
MF: Der Erfolg mit «The Final Countdown», ist oder
war dies ein Fluch oder ein Segen?
Joey:
Wir lieben es noch heute diese Tracks zu spielen. Das
ist das Wichtige für uns. Zwischen den Fans und der Band
besteht eine grosse Verbindung mit diesen Liedern. Wo
immer wir diese Songs auch spielen, sei es bei einem
Familien-Festival in Dänemark, beim Hellfest oder
dem Download-Festival, kommen alle vor die Bühne und
singen diese Tracks mit. Das ist schon etwas
Aussergewöhnliches. Dieses Album hat uns weitere Türen
geöffnet (grinst).
MF: Habt ihr euch
jemals als Rockstars gefühlt?
Joey:
Niemals! Ich war immer zu sehr mit dem Fokus auf die
Band beschäftigt. Mit dem Planen und dem Vorantreiben
(grinst). Da fehlte mir die Zeit, ein Rockstar zu sein
(lacht). Es waren diese neunzig Minuten auf der Bühne, die
ich immer genoss und immer geniessen werde. Unser
Background ist das Musikalische, das ist das
Wichtigste. Wir wollten damals, als wir Konzerte
besuchten, Ian Paice (Deep Purple) spielen sehen. Wenn
Ian auf seine Snaredrum schlug, war das was ganz
Besonderes. Oder wenn Gary Moore zu sehen war,
konzentrierten wir uns auf ihn. Oder bei einer
Rainbow-Show Ritchie Blackmore zuzusehen. Seine Technik
faszinierte uns, wir fuhren nach Hause und übten wie
besessen (grinst). Ich denke, die Leute verstanden, dass
wir als Musiker und nicht als Rockstars wahr genommen
werden wollten.
MF: In meinen Augen seid ihr auch eher
eine Live-Band denn eine Studio-Combo, weil ihr auch
immer härter auf der Stage spielt…
Joey:
…ja, viel härter auf der Bühne! Dieses Feeling
versuchten wir auf den drei letzten Alben
rüber zu bringen. Den Moment einzufangen und nicht zu viel
an den Tracks zu schrauben. Darum bin ich auch überzeugt
davon, dass wir mit den letzten drei Scheiben mehr
unsere Live-Seite zeigten.
MF: Wie schwer war für euch das Comeback
mit «Start From The Dark»?
Joey: Es hat
sehr viel Spass gemacht, da John Norum wieder in der
Band war. Ich schrieb einige Nummern zusammen mit ihm.
Es hat einfach nur Spass gemacht. Die ersten Nummern,
die wir schrieben, war «Start From The Dark» und «Got To
Have Faith». John hatte das Riff und ich die Melodie
dazu. Wir spielten dies den anderen vor und alle
wussten: «Let's go!» Es war eine aufregende Zeit. Kevin
Elson kam als Produzent zurück. Es fühlte sich wie ein
neuer Start für uns an. Es war und wurde eine lange
Reise, und seit diesem Zeitpunkt haben wir sechs Alben
veröffentlicht.
MF: Wie gross war der Druck oder die Hoffnung mit dem Comeback?
Joey: Wir haben uns deswegen nie Gedanken gemacht. Als
wir «Secret Society» veröffentlichten… Für dieses Album
nahmen wir in Stockholm in den Kingside Studios auf. Wir
wollten nicht Druck spüren, sondern einfach unseren Weg
gehen. Unseren Zielen folgen, ohne auf die Erwartungen
anderer zu achten. Entscheidungen in der Band zu treffen
und sie nicht von aussen beeinflussen zu lassen. Das war
eigentlich der einzige Druck (lacht), zu sich selber zu
stehen.
MF: War dies dann auch die
erfolgreichste Zeit für dich mit Europe?
Joey: Okay, die Tour zu «The Final Countdown» war
immens. Alles was darauf folgte, war unglaublich. Aber
auch die Zeit bei den Aufnahmen zu «Last Look At Eden»
war sehr aufregend und erfolgreich. Das dritte Album,
seit wir wieder am Start sind… Hör dir Nummern wie den
Titeltrack, «New Love In Town» oder «The Beast» an. Das
sind grossartige Lieder, welche uns eine neue, jüngere
Fanschicht zugänglich machte.
MF: Welches war die schwierigste Zeit für euch?
Joey: Weisst du, alles was
passiert hat seinen Grund und bewegt dich. Als John
Norum und ich mit der Zusammenarbeit in den Achtzigern
stoppten… Das war eine komische Situation. Kee
(Marcello) ersetzte ihn auf den nächsten beiden
Studioalben. Es war eine sehr schwierige Zeit für mich,
weil John und ich Europe gründeten. Seit sechs Werken
ist er wieder bei uns und es fühlt sich an, als sei
mein Bruder zurückgekehrt. Es war damals komisch, diese
Freundschaft zu beenden.
MF: Wie wichtig
ist für dich die Balance zwischen Band und Privatleben?
Joey: Ich habe zwei Jungs zu Hause, vier
und elf Jahre alt. Sie bedeuten mir alles. Es sind zwei
Dinge im Leben, die ich behalten möchte. Diese Band mit
diesen unglaublichen Jungs, mit denen ich so viel
erlebte und meine Familie. Für diese zwei Dinge
arbeitete ich immer sehr hart. Planen wir eine Tour muss
immer genügend Zeit für die Familie bleiben…
MF: …da hat dich das Vaterwerden und -sein
nachhaltig verändert…
Joey: …ja,
definitiv! Hast du keine Kinder, kannst du dies nicht
verstehen. Bist du Vater…
MF: …ja, bin
ich…
Joey: …auch wenn du keine Kinder
hast, kannst du ein tolles Leben führen. Du bekommst
durch deine Kinder sehr viel Liebe zurück, musst dich
aber der Verantwortung stellen (grinst). ABER! Es ist
wie ein neuer Start und eine neue Dimension in deinem
Leben. Das ist sehr COOL!
MF: Was war für
dich in der Vergangenheit wichtig, und was ist es heute?
Joey: Heute meine Familie glücklich zu
machen und hart dafür zu arbeiten. In der Vergangenheit
lebte ich 24/7 in zwölf Monaten für die Band (lautes
Lachen). Es hat funktioniert, aber es gibt da noch
andere Dinge, für die es sich lohnt zu leben.
MF: Hast du dich über all die Jahre
verändert?
Joey: Gute Frage, das musst
du vielleicht mein Umfeld fragen, wie das dies
wahr genommen hat. Ich denke… Als ich jung war, stand mir
mein Ego ab und zu im Weg (grinst). Darum habe ich
einige Dinge verändert (lacht).
MF: Danke für das tolle Interview!
Joey: Danke dir für das angenehme Gespräch
und die guten Fragen, alles Gute für die Zukunft!
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