Es kommt
eher selten vor, dass man ein Interview genau am Tag des Releases eines neuen Albums
buchen kann. Bei Godiva wurde es aber möglich und damit war meine erste Frage bereits
festgelegt. Die Basler legen mit ihrem selbstbetitelten Erstling im "Full
Lenght"-Format ein mehr als respektables Stück Schweizer Metal vor, das sich bestens
im internationalen Vergleich schlägt. Die Mithilfe von Tom Naumann (Primal Fear), der ein
sehr freundschaftliches Verhältnis zur Band pflegt und teils gar mit ihnen zusammen auf
der Bühne stand (wie zuletzt am vergangenen Dezember in Bätterkinden), erwies sich als
Glücksfall. Godiva wurden optimal in Szene gesetzt und die Produktion bringt den nötigen
Druck. Das wären also alles Eigenschaften, die meinen Interview-Partner eigentlich in
Jubelstimmung versetzen sollten, vor allem am heutigen Tag. Warum dies zu Beginn unseres
Gesprächs nicht zwingend so war, verriet mir ein etwas gestresster Mitch Koontz (b), der
es vom Büro aus nicht ganz nach Hause schaffte
und mir deshalb gleich per Handy aufläutete.
MF: Genau am heutigen Tag kommt eure Debüt-CD in die Läden. Wie fühlt sich das
an?
Mitch: Es ist ein gutes Gefühl..., aber für mich irgendwie..., wie soll ich sagen?
Vorwiegend ein gutes Gefühl, aber gewisse Zweifel sind dennoch da. Kommt das Teil da
draussen an bei den Leuten und finden sie es auch wirklich geil? Schauen wir mal..., aber
auf jeden Fall sind wir in erster Linie glücklich, ein Traum für uns alle ist in
Erfüllung gegangen. Heute europaweit und am 14. Oktober auch in den Staaten.
MF: Auf was gründet denn deine Skepsis? Gibt es einfach zu viele Alben auf dem
Markt?
Mitch: Also, wir sind schon überzeugt von der CD, keine Frage, aber da war soviel
Herzblut dahinter und wir mussten lange um den Deal kämpfen..., was auch immer. Weisst
du..., wenn die Zweifel auch nur ganz gering sind, dann fragt man sich, ob es gut
herauskommt. Wenn die CD dann floppen sollte, dann denkst du "scheisse, jetzt haben
wir alles gegeben und nun das".
MF: Vielleicht hast du bereits unser Special mit der Review des Albums gesehen...
Mitch: ...ja, ich habe sie gelesen! Vielen Dank für die Review..., super!
MF: Das (neue) Album ist für Schweizer Verhältnisse extrem gut geworden. Seid
ihr nun bereit, die Welt zu erobern?
Mitch: Ja..., ja! Auf jeden Fall..., wir sind jetzt daran zu schauen, dass wir die Sache
jetzt auch live promoten können. Danke nochmals für die Komplimente, die du uns da
machst. Das freut einen natürlich und tut gut, wenn man, wie schon gesagt, soviel
Herzblut eingebracht hat. Ich hoffe nun, dass alle Leute so denken.
MF: Selten wird (heute) in der Szene das Rad neu erfunden. Trotzdem habt ihr es
geschafft, nicht bloss als billige Kopie dazustehen. Wie seid ihr an diese Aufgabe
herangegangen?
Mitch: Nun, das haben wir einfach so gemacht..., vorher war ja (die Band) Granit, früher
eine Coverband. Da spielten wir in vielen Schweizer Clubs..., also ich würde sagen, wir
sind praktisch in jedem Pub der Deutschschweiz mit Hard Rock-Covers aufgetreten. Nach
einer gewissen Zeit hatten wir genug davon und es gab personellen Wechsel in der Band. Da
sagten wir uns, dass wir nun eigenes Material spielen wollen, weil wir definitiv genug
hatten von den Covers. Eine Zeitlang mag das ja noch lustig sein, aber irgendwann hat man
keinen Bock mehr und will kreativer sein. So entwickelte sich das langsam, begleitet von
einem weiteren Besetzungswechsel. Zum Schluss enstand das Line-Up, so wie es heute
dasteht. Da entschlossen wir uns, ganz neu anzufangen, einen neuen Bandnamen anzunehmen
und stilistisch härter zu werden. Ich bin ja ein ausgesprochener Priest-Fan..., oder auch
Primal Fear gehören zu meinen Faves. Pesche (Gander), unser Schlagzeuger steht auch total
auf diese True Classic Metal-Schiene. Die einzige Vorgabe, die wir uns gegeben hatten,
war, dass wir einfach härter spielen wollten. In der Folge haben wir drauflos geschrieben
und so entstanden die Songs. Tom Naumann, unser Produzent, kam dann ein paar Mal vorbei
und mit ihm zusammen arrangierten wir unser Material etwas um. So, wie man das halt
üblicherweise macht. Dann gingen wir ins Studio und brachten es auf diese Weise auf's
Band.
MF: Ein grosses Plus ist die stimmliche Variabilität von Anthony de Angelis. Von
wem kamen die Impulse für diese Art Gesang? Warum zum Beispiel nicht generell hoch?
Mitch: Also ich als grosser Verehrer von Rob Halford hätte es am Liebsten so gesehen..,
wenn ich ganz ehrlich bin..., hmm..., trotzdem bin ich der Meinung, dass es auf Dauer
langweilig werden würde, und genau das hätte uns dann vielleicht zu einer billigen Judas
Priest-Kopie gemacht. Obwohl er (Anthony) das durchaus bringen könnte, aber darunter
würde die Abwechslung leiden. Anthony selber sagte, dass er die tieferen Sachen auch
singen kann und das den Leuten zeigen will. Ich glaube, der Mix ist ganz gut geraten.
MF: Tom Naumann, der mit seiner Arbeit viel zum Gelingen der CD beigetragen hat,
ist selbst Musiker. Sind Musiker generell die besseren Produzenten?
Mitch: Hmm..., das ist eine schwierige Frage, die du mir da stellst. Nun..., jeder gute
Produzent kann (muss) mindestens ein Instrument spielen. Sonst kann man sich nicht in die
Sache hineinversetzen. Das ist jetzt meine persönliche Meinung..., ich könnte mich auch
täuschen.
MF: Eure Musik hat ja eine deutliche Schlagseite zu Judas Priest. Was ist deine
persönliche Meinung zur Reunion der Jahres?
Mitch: Als ich das gehört hatte, sprang ich jauchzend durch das Büro..., (lacht) für
mich ist das natürlich eine Wahnsinnssache, dass der Metal God endlich wieder zurück
ist..., zu Hause, sozusagen. Nichts gegen Ripper Owens..., er hat einen fantastischen Job
gemacht. Ich würde sogar sagen, dass er live besser war, als Halford im gleichen
Zeitraum. Aber er (Owens) ist eben nicht Halford..., das ist das Gleiche wie bei (Iron)
Maiden. Blaze Bailey ist ein begnadeter Sänger, aber die eisernen Jungfrauen ohne Bruce
Dickinson..., das war eben auch nichts. Es gibt gewisse Konstellationen von und in Bands,
die eben vom Songwriting her sein müssen, sonst fehlt einfach die Magie, die eigentlich
herrschen sollte. Als Priest-Fan war das für mich natürlich die Nachricht des Jahres...
MF: ...nicht nur für dich!
Mitch: (lacht)
MF: Viele Musiker, wie einige von euch auch, spielen im Gegensatz zu früheren
Zeiten häufig noch in anderen Bands. Was sind die Gründe dafür und kann man so immer
100% (oder mehr) für die jeweilige Gruppe geben?
Mitch: Da muss ich zuerst dazu sagen, dass in der Bio, die du wohl zur Promo-CD erhalten
hast, noch ein Fehler drinsteckt. Ich spiele schon seit einer Weile nicht mehr bei Avanish
mit, sondern zu 100% bei Godiva, dies noch zur Richtigstellung. Anthony ist auch ganz bei
der Band, während Pesche (Gander, d) noch bei Kirk spielt. Eigentlich mehr zur Aushilfe,
wobei dies ein dehnbarer Begriff ist. Er springt im Moment für die vorhandene Lücke ein.
Managementseitig ist er aber auch voll bei Godiva dabei. Bei Sammy ist es so, dass Kirk
eben sein "Baby" ist. Seine Motivation dabei ist, dass er, neben unserem Sound
auch gerne Melodic Power Metal spielt. Wir versuchen, dies unter einen Hut zu bringen, was
ganz gut klappt. Die beiden (Sammy und Pesche) haben zwar etwas mehr zu tun, aber sie
können sich deswegen trotzdem voll einbringen.
MF: Es gab bisher wohl kaum ein Jahr, in dem soviele Bands, meist noch mit neuen
Alben, in der Schweiz auftreten oder schon aufgetreten sind. Gerade der Herbst hat es
gewaltig in sich. Kommt das Godiva bezüglich des allgemeinen Interesses entgegen oder ist
das womöglich ein erheblicher Nachteil?
Mitch: Das ist jetzt eben die Frage..., ich denke mal..., die Priest-Reunion kommt uns vom
Stil her sicher gelegen und das wird wieder einen Boom des Classic Heavy Metal auslösen.
Iron Maiden ist im September erschienen..., Alice Cooper ja heute..., es ist mit der
heutigen Wirtschaftslage schon schwierig. Da überlegt sich der Fan, wie er seine Kohle in
Sachen CDs anlegt. Vielleicht gefällt ihm ja die Godiva, aber daneben als Iron Maiden Fan
kauft er sich dann eben deren CD, was durchaus verständlich ist. Wiegesagt..., ich lasse
mich da gern überraschen und vom Gegenteil überzeugen, aber grundsätzlich ist es
schwieriger für eine Newcomer-Band.
MF: Im Moment ist doch der reine Overkill am Laufen..., Iron Maiden (zum zweiten
Mal), Def Leppard, Metallica, Motörhead und, und und..., früher gab es sowas in dieser
Dichte nicht.
Mitch: Ja, es ist brutal im Moment, was da abgeht. Es gibt auch sehr viele kleine
Indie-Labels, die eine Unzahl von Bands signen und wirklich alles auf den Markt werfen.
Das macht es (uns) natürlich schwierig, da irgendwie hervorzustechen. Wir haben es jetzt
einfach versucht, mit der bestmöglichen Produktion anzukommen und uns von diesen
Low-Budget Produktionen abzuheben. Wenn der Fan unser Produkt kaufen will..., (was kostet
heute eine CD im Handel? Mindestens CHF 26.90 im Media-Markt denke ich) dann hat er
verdient, die möglichst beste Produktion zu bekommen. Wir versuchen es auf diese Weise,
uns von den anderen abzugrenzen. Ob es klappt? Das weiss ich nicht.
MF: Ich habe euch das letzte Mal ja in Bätterkinden an der X-Mas Rocknight
gesehen. Ich fand dabei die Show-Einlagen von Anthony völlig daneben (Mitch lacht
bereits). Werden diese künftig beibehalten und falls ja, warum?
Mitch: Die werden wir auf jeden Fall beibehalten. Wie genau..., das kann ich dir noch
nicht sagen, wir sind noch daran, das Konzept zu erarbeiten. Bei uns herrscht dazu die
Meinung, dass wir den Zuschauern live etwas bieten wollen. Live bedeutet nicht nur hören,
sondern auch sehen. Es gibt genug Bands, die einfach auf die Bühne stehen und ihre Köpfe
schütteln. Wieso sollten wir also das Gleiche machen? Wir wollen einfach etwas mehr
bieten. Ob das nun jemand gut findet oder nicht, ist ihm selbst überlassen. Aber die
Erfahrung hat gezeigt, dass sich an Konzerten..., du hast es in deinem Bericht als
peinlich bezeichnet, die Waage immer etwa fünfzig zu fünfzig verhält. Die Hälfte
findet es absolut geil und die anderen empfinden es dann eben als ziemlich peinlich...
MF: ...für mich besteht ein grosser Unterschied zwischen dem, was jetzt auf der
CD zu hören ist und dem, was ich im vergangenen Dezember gesehen und gehört habe. Ich
habe den persönlichen Eindruck, dass ihr das eigentlich gar nicht mehr nötig hättet und
euch stattdessen mehr auf die Musik als gesamte Band zusammen mit Anthony's toller Stimme
besinnen solltet. Womöglich leidet Euer Image deswegen mal etwas darunter, ich weiss es
nicht...
Mitch: ...ja warum? Wie du sagst..., genau durch das ist dir der Name Godiva geblieben. Du
muss dir vorstellen..., der Anthony..., er ist, unabhängig davon, dass er jetzt bei uns
ist, das lassen wir jetzt mal weg - Für mich persönlich ist er in der Schweiz einer der
besten in seinem Bereich. Er ist auch sonst ein spezieller Typ, ein sehr lieber Kerl. Das
ist einfach er..., was soll ich dazu noch sagen? Ich habe bemerkt, dass wenn Anthony seine
Show abziehen kann, er um ein Vielfaches besser singt, weil er damit sich selber sein
kann. Du schreibst (in der Review), wir sollen mit der Mannschaftsleistung überzeugen...,
das machen wir..., plus die Show!
MF: Godiva werden derzeit als heissester Metal-Act der Schweiz angepriesen. Dazu
eine etwas zukunftsgerichtete Frage: Gibt es die Band in drei bis fünf Jahren noch?
Mitch: Das hoffe ich doch schwer und die Zeichen dazu stehen gut. Es ist immer schwierig,
soweit eine Prognose zu machen, das ist klar. Aber wir haben nächstes Jahr vor, wieder
ins Studio zu gehen und das zweite Album herauszugeben. Das ist eigentlich bereits im
Planung..., mehr oder weniger. Du weisst ja, wie das geht..., wir sind schon am
Songwriting für das neue Album, während wir uns auf die Live-Aktivitäten zum aktuellen
Album vorbereiten. Wir haben Einiges vor mit dieser Band!
MF: Gibt es schon konkrete Tour-Pläne für 2004? Wen würdet ihr gerne supporten,
wenn ihr die Wahl hättet?
Mitch: Dazu kann ich ein konkretes Beispiel nennen..., ich pflege sehr gute Beziehungen
zum Primal Fear-Camp, auch zu Mat Sinner. Ich lernte Tom (Naumann) kennen, bin auch sonst
viel in Deutschland drüben und habe viel von diesen Leuten lernen können. Sie
unterstützen uns, wo sie können. Wenn es zum Beispiel Fragen gibt, dann kann uns so ein
alter Hase wie Mat Sinner, der schon lange im Geschäft ist, in Sachen Management sehr
kompetent Auskunft geben, auch Tom Naumann selbstverständlich. Wir hätten eigentlich im
März 2004 zusammen mit Primal Fear und Brainstorm auf Tour gehen können. Jetzt besteht
aber folgendes Problem: Wer finanziert das? Deshalb ist es leider nicht zustande gekommen.
Das wäre natürlich ein Traum gewesen..., der grösste wäre natürlich mit Judas Priest
auf dessen Reunion-Tour (lacht)! Wir schauen nun, dass wir in der Schweiz ein paar Gigs
spielen können..., noch dieses Jahr und für 2004 mal sehen, was wir machen können. Wir
hoffen, dass wir auf eine gute Tour aufspringen und zwei Wochen mit unserem Material durch
Deutschland touren und es entsprechend vorstellen können. Vordergründig ist aber die
Schweiz wichtig für uns..., dass wir ein paar Konzerte spielen können.
MF: Wer wirklich was vom Zaun reissen will, muss bald einmal raus aus der Schweiz.
Würdet ihr nächstes Jahr, falls möglich, in Balingen beim BYH!!!-Festival auf die
Bühne steigen?
Mitch: Sofort! Das wäre ein Riesentraum..., dieses und vorletztes Jahr war ich dort...
MF: ...ich war die letzten fünf Jahre dabei...
Mitch: ...ist das wahr? Ich träume jedes Mal davon, auf dieser Bühne zu stehen..., und
irgendeinmal werden wir da (oben) sein, da bin ich überzeugt!
MF: Noch eine Frage aus aktuellem Anlass. Am 9. November 2003 spielen unter
anderem Granit in der Galery in Pratteln. Wie muss man sich das vorstellen..., in der
heutigen Konstellation mit Godiva und Kirk?
Mitch: Granit haben sich reformiert und zwar in der alten, ursprünglichen Besetzung! Das
hat mit Godiva oder Kirk nichts mehr zu tun.
MF: Aha..., o.k..., und weil ich dich als Gesprächspartner habe, kann ich mir die
Frage nach dem Artwork, das ja auf deine Kappe geht, natürlich nicht verkneifen. Hast du
auch beruflich damit zu tun?
Mitch: Nein, das ist nur hobbymässig..., leider! Digital Artwork ist eines meiner grossen
Hobbys neben der Musik und macht grossen Spass. Wenn also eine Band (da draussen) ein
Cover braucht, dann soll sie sich bei mir melden!
MF: Was du unseren Lesern und/oder den Machern der Metal Factory noch sagen
wolltest, ist: ?
Mitch: (zuerst kurzes, betretenes Schweigen in der Leitung...) ...nun ja..., mit dieser
Frage habe ich gerechnet (lacht laut). Ich finde, die Metal Factory ist ein absolut geiles
Mag, da muss ich euch allen ein Kompliment machen..., ich gehe sogar regelmässig rein und
wenn ich eine Band suche, dann gehe ich dort über die Links...
MF: ...danke vielmals!
Mitch: ...und den Schweizer Metal-Fans: Stay Metal und bleibt am Ball! Wir bringen den
Heavy Metal in der Schweiz schon wieder rauf..., kein Problem!
MF: Mitch..., besten Dank für das Gespräch...
Mitch: ...ich danke dir!
MF: ...und auf bald!
Mitch: Würd' ich meinen und sonst spätestens live on stage.
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