Heaven Shall Burn ist mehr eine Erscheinung als eine Band. Aus der
ehemaligen DDR hervorgekommen und Ende der 90er Jahre gross
geworden, sind die 5 Jungs aus Thüringen zurzeit das Aushängeschild
für Metalcore in Deutschland. Fast drei Jahre mussten wir auf ihr
neues Album „Veto“ warten. Grund genug für Metal Factory, Maik
Weichert, seines Zeichens Gitarrist und Songwriter der Band, zu
interviewen.
MF: Hallo Maik – wie geht’s?
Maik: Mir geht’s gut, nur das Wetter könnte etwas besser sein.
MF: Du hast heute schon einen ziemlichen Interviewmarathon hinter
dir. Machst du das öfters? (Anm. der Red. hat zuvor 3 Stunden lang
Interviews gegeben)
Maik: Eigentlich nicht. Ich mach das nur alle paar Mal, wenn
eine neue Scheibe rauskommt. Aber keine Angst, ich bin nicht etwa
abgespannt oder so.
MF: Was sind denn die schlimmsten Fragen, die du gestellt bekommen
hast?
Maik: „Ja, sag doch mal was zu deiner Band. Wie seid ihr
zusammengekommen?“ Also alles, wo man merkt, der Journalist ist zu
faul, `ne Bandbio zu lesen. Das sorgt bei allen Musikern für
schlechte Laune, generell. Aber ansonsten muss ich ehrlich sagen,
dass die Qualität von Fragen echt zugenommen hat. Scheinbar ist es
einfacher geworden, sich über eine Band im Internet zu informieren.
Und dann kommen viel, viel interessantere Fragen.
MF: Weisst du, es ist wirklich mal cool, einen Gitarristen für ein
Interview am Start zu haben. Meistens sind das ja vor allem die
Frontsänger. Darum habe ich grad ein paar Fragen. So vom Amateur zum
Pro?
Maik: Ja, mehr als ein bisschen spiele ich auch nicht Gitarre,
keine Angst. Also im Vergleich zu der Grösse von Heaven Shall Burn
bin ich wirklich ein lausiger Gitarrist. Muss ich ehrlich zugeben.
MF: Bist du Lead oder Rhythm-Guitar?
Maik: Nein, der Lead ist Alex. Ich spiele manchmal ein paar
Harmonien und so, aber die Lead Gitarre, wenn du so willst, ist
schon der andere Gitarrist. Der ist auch viel, viel besser auf der
Gitarre als ich. Aber dafür schreibe ich die Songs.
MF: Was ist das für eine Gitarre, die du zuletzt verwendet hast, ich
meine, die gelb-orange, auf der Custom draufsteht, ist das eine Paul
Reed Smith?
Maik: Ja, das ist eine Paul Reed Smith 24. Diese 25 Jahre
Anniversary Edition. Genau.
MF: Wie viele Gitarren hast du insgesamt?
Maik: Oh, das weiss ich gar nicht so genau. Vielleicht fünfzehn,
zwanzig, wenn ich jedes starre Brett mit Saiten zähle, dass bei mir
daheim rumliegt. Auf jeden Fall nicht alles Paul Reed Smiths. Ich
bin aber auch kein Gitarren-Fanatiker.
MF: Ohne Berufsgeheimnisse zu verraten, aber wie bekommst du deine
Verzerrung hin?
Maik: Meinst du das jetzt live oder im Studio? Denn das macht
schon nochmal ein Unterschied. Also, das Live-Setup benutzen wir
nicht im Studio. Da verwenden wir immer verschiedene Sachen.
MF: Im Studio?
Maik: Im Studio ist es heutzutage üblich, dass man Gitarren
nicht mehr doppelt. Aber wir spielen immer noch zwei
Rhythmusgitarren ein. Das macht schon vieles aus. Im Studio weiss
ich gar nicht, was sonst noch für Amps da sind, aber einen grossen
Anteil am Sound macht ein Peavey 50 Watt 50 Classic Modell. Da wird
auch ge-reampt und das Andere, bin ich mir gar nicht sicher, was das
für ein Modell war. Aber die Hauptsache ist wirklich das Mixen am
Ende. Was da noch an EQ hergeschoben wird, ist dann wirklich nochmal
ganz, ganz wichtig für die Verzerrung. Und das alles mit einer PRS
24 Custom.
MF: Wenn ihr auf Tour geht, nehmt ihr alle euer eigenes Equipment
mit, oder verwendet ihr das Equipment des Veranstalters?
Maik: Das ist unterschiedlich. Mittlerweile werden wir als Band
genug ernst genommen, dass wenn wir irgendwohin fliegen und unser
eigenes Equipment nicht mitnehmen können, die Veranstalter das Zeugs
mieten, das wir haben wollen. Ein paar Pedale nehmen wir aber
trotzdem immer mit. Also, ein Equalizer, zwei Noise-Gates und einen
Tubescreamer haben wir dann meistens dabei.
MF: Das neue Album heisst Veto. Was wollt ihr damit aussagen?
Maik: Veto ist ein kurzes, prägnantes Wort für eine Attitüde.
Nicht mit mir. Ich sage meine Meinung, ich hebe meine Hand, ich
widerstrebe. Dafür steht Veto und dafür steht das Album. Da es ein
international bekanntes Wort ist, fanden wir es ganz passend.
MF: Ihr hört euch irgendwie… skandinavischer an, auf der neuen
Platte. Ist das eine bewusste Entwicklung?
Maik: Ja, da magst du Recht haben. Die Melodien sind auf der
aktuellen Platte stärker in den Vordergrund gerückt. Aber das ist
jetzt nicht eine neu erworbene Entwicklung. Wir haben auch schon vor
zehn Jahren und mehr „Dismember“-Riffs geklaut. Viel Einfluss kommt
auch von „Boltthrower“ und eine andere Band, die wir alle verehren,
ist Edge of Sanity. Da kommt hauptsächlich die Schwedenkante her,
was die Melodie angeht. Aber das ist die Schnittmenge, die wir schon
immer hatten. Dass es im neuen Album etwas offensiver rüberkommt,
ist glaube ich, die Soundveränderung. Dadurch, dass der Sound jetzt
etwas klarer ist, kommen die Melodien noch etwas mehr raus.
Vielleicht nimmt man dadurch den Unterschied zu vorher etwas
bewusster wahr.
MF: Aus dem Pressetext entnommen; „Habt ihr viel Zeit aufgewendet um
euren Sound zu verbessern.“ Auf was habt ihr euch da konzentriert?
Mir als Laie fällt da kein grosser Unterschied auf.
Maik: Ja, das ist so. Wer Heaven Shall Burn kennt, merkt nach 30
Sekunden, dass wir da spielen. So soll’s auch sein. Aber die letzte
Platte war zu laut gemixt, zu stark übersteuert. Da haben wir in der
Vergangenheit ein paar Fehler gemacht, haben das aber jetzt
abgestellt.
MF: Ihr arbeitet ja viel mit anderen Bands zusammen. Wie zum
Beispiel „Born From Pain“ Wie kommt das?
Maik: Es gibt halt oft Sachen, die andere Bands besser können.
Die laden wir dann bei uns ins Studio ein. Wer könnte den Refrain in
einem Coverlied von „Blind Guardian“ besser singen als der Sänger
von „Blind Guardian“ selbst? Oder für den einen Song, „Die Stürme
rufen dich“. Mit dem deutschen Text. Da wollten wir so ein bisschen
Hardcore geshoutetes haben. Und da ist der Sänger von „Born From
Pain“ super gut darin. So verbinden wir das Angenehme mit dem
Nützlichen, können mit guten Kumpels abhängen, mit denen man schon
immer was machen wollte und bringen auch gleich noch den Song voran.
Ohne Name-Dropping betreiben zu wollen. Am Ende ist das dann die
Eier legende Wollmilchsau. Durch die Verbundenheit mit anderen Bands
erreicht man gleich mehrere nützliche Aspekte auf einmal.
MF: Mit wem würdest du auch noch gerne ein Split Album aufnehmen?
Maik: Mal sicher mit Caliban eins zu machen wäre cool. Und
ansonsten? Mit Rammstein. Das wäre auch fett!
MF: Das solltest du unbedingt aufgleisen.
Maik: Haha. Nö, das ist eher, glaube ich, eine Illusion.
MF: Seid ihr denn nicht so verbunden mit Rammstein?
Maik: Also, persönlich jetzt nicht. Aber ansonsten verbindet uns
einiges mit Rammstein. Es ist eine Band die wie wir auch aus der
Ostdeutschen Musikszene kommt. Die waren in der ehemaligen DDR als
Punkbands unterwegs. Die ersten Rammstein Shows haben in unserer
Gegend stattgefunden. Wir haben als Kind Rammstein vor hundert
Leuten spielen sehen, als sie noch Demos verschenkt haben. Das ist
schon beeindruckend, wenn man die ganz kleine Anfänge der Band
gesehen hat und wie sie sie eine solche Riesen Weltkarriere hinlegt
haben. Das ist dann schon beeindruckend. So gesehen, sind wir schon
mit der Band verbunden. Auch wenn man persönlich nicht viel damit zu
tun hat.
MF: Mir gefallen die Erläuterungen zu den einzelnen Songs, die ihr
da habt. Zum Beispiel ist eins eurer Songs, ich glaube, „Hunters
Will Be Hunted“ Seah Shepherd gewidmet, oder „53 Nations“. Hockt ihr
da zusammen und denkt euch, „wem sollen wir ein Song widmen?“ oder
hört ihr euch die Songs im Nachhinein an und denkt, spontan: „lass
uns diese Triolen und diesen Breakdown „Sea Shepherd“ widmen?“
Maik: (Lacht) Ne, das hat mit dem Thema des Textes zu tun. Die
Texte zu den Songs sind, wenn man nicht weiss, worum es geht,
relativ allgemein gehalten. Und um den Leuten Anhaltspunkte zu
geben, und um auf interessante Dinge hinzuweisen, kommt es vor, dass
wir einen Song einem bestimmten Thema widmen. „Hunters Will Be
Hunted“ ist den Leuten gewidmet, die einen Kampf aufnehmen gegen
Umweltverbrecher die im internationalen Gewässer Jagd auf Wale
machen. „53 Nations“ ist zwar nicht den spanischen Brigaden
gewidmet, aber handelt von den Soldaten, die da gekämpft haben.
MF: Offiziell seid ihr als „Metalcore“ registriert, in der Praxis
ist es ja schwer, nur eine Nische auszufüllen. Wie, meinst du, wird
sich die Metalcore Szene weiterentwickeln?
Maik: Also ich denke es sollten auf jeden Fall mehr Zweige
entstehen, wo dann das Elektronische eine grössere Rolle spielt. In
den extremeren Richtungen, sprich Metalcore wird sich nicht mehr
vieles verändern, genauso wie Death Metal sich nicht mehr gross
verändert hat.
MF: Mir ist es beispielsweise aufgefallen, dass es einen klaren
Trend zu Progressive und Post-Metal gibt. Werdet ihr auch mal was in
diese Richtung machen?
Maik: Sicher nicht als „Heaven Shall Burn“. Ich will nicht
ausschliessen, dass irgendjemand von uns ein Soloprojekt in diese
Richtung macht und sich damit beschäftigt. Aber als „Heaven Shall
Burn“ wird das sicher keine Rolle spielen. Wir haben da unsere
Trademarks, haben unsere Marke entwickelt und werden dieses Konzept
nicht verändern.
MF: Themenwechsel. Ihr seid ja alle Veganer. Bist du auch Straight
Edge?
Maik: Wir sind Streng Vegetarier und Veganer, ja. Nicht alle
Veganer.
MF: Bist du auch „Straight Edge“?
Maik: Also wegen „Straight Edge“, das ist ein Gerücht, dass sich
hartnäckig hält. Aber wir waren noch nie eine „Straight Edge“ Band.
Es gibt ein paar Leute, auch ich, die sind „Straight Edger“. Aber zu
keinem Zeitpunkt waren wir alle „Straight Edger“. Da haben wir auch
nie Texte darüber gehabt, oder so. Es scheint, weil wir aus der
Metal Core Szene kommen und weil das eine Zeitlang modern war und
so, da hält sich dieses Wikipedia-Gerücht hartnäckig. Aber auf jeden
Fall beurteilen wir danach keine Leute. Es gibt so viele „Straight
Edger“ die Arschlöcher sind und so viele Leute, die Parties machen
und voll cool drauf sind. Das eine hat mit dem anderen nichts zu
tun.
MF: „Straight Edge“, das heisst: keine Drogen, kein Alkohol, keine
Groupies.
Maik: Das fällt mir nicht so schwer. Ich hab‘ einfach keinen
Bock drauf.
MF: Nicht mal auf Groupies?
Maik: Für Groupies bin ich zu schüchtern und für das Andere ist
mir meine Gesundheit zu schade.
MF: Auch Groupies können auf die Gesundheit schlagen.
Maik: (Lacht) Ja, da hast du Recht.
MF: Ich habe gehört, dass du Jura studierst. Hast du jetzt schon
deinen Doktortitel erhalten?
Maik: Den habe ich noch nicht erhalten, weil die Arbeit noch
nicht veröffentlicht ist. Aber ich habe sie abgegeben und wohl ganz
gut abgeschnitten.
MF: Arbeitest du noch auf deinen alten Beruf?
Maik: Ich habe als Jurist bei der Uni an der Doktorarbeit
gearbeitet. Aber ich bin jetzt nicht als Anwalt tätig. Ich
beschäftige mich eher wissenschaftlich mit Jura. Sozusagen als
Rechtswissenschaftler und nicht als Anwalt.
MF: Arbeitet ihr alle noch auf euren alten Berufen, oder ist’s jetzt
100 % Heaven Shall Burn?
Maik: Ich habe zum Beispiel bei einer Software Firma als
Rechtsberater gearbeitet. Aber das habe ich dann neben der
Doktorarbeit aufgegeben weil Musik und Arbeit dann doch Zuviel war.
Und jetzt bin ich grad am Überlegen, ob ich noch was studiere. Auf
jeden Fall werde ich nicht nur Musik machen.
MF: Du scheinst ja auch sonst noch zu schreiben!?
Maik: Wie kommst du denn darauf?
MF: Ich habe einen deiner Berichte über deinen Aufenthalt in Island
gelesen.
Maik: Ah das meinst du. Ja, das ist eine relativ regionale
Zeitung, deshalb wunderte ich mich, dass du das weisst.
MF: Bruder Google…
Maik: Ach, so!
MF: Kommen wir zur wichtigsten Frage. Wann kommt ihr in die Schweiz
zurück?
Maik: Im April werden wir am Loudfest dabei sein!
MF: Werdet ihr auch sonst durch die Schweiz touren, oder kommt ihr
nur an Festivals?
Maik: Ja einmal kommen wir mit einer Headliner Tour in der
Schweiz vorbei. aber wenn sich gute Festivals anbieten, sind wir
meist dabei. So kann man so auch gut neue Leute erreichen und Leute
kennenlernen von anderen Bands.
MF: Vorher wart ihr in Russland?
Maik: Ja wir sind gerade da her gekommen.
MF: Wie war’s?
Maik: Hat riesig Spass gemacht, war nicht mal so kalt wie bei
uns. Bei den Russen, da steppt auf jeden Fall die Kuh. Es ist kein
Geheimnis, dass die Russen feiern können. So machen die das auch bei
Metal-Shows. Die machen keine Gefangenen. Die sind richtig
enthusiastisch dabei, was auch rüberkommt. Natürlich ist alles etwas
kleiner, als wenn etwa Rammstein in Russland spielt. Aber die
dortige Tour hat einen Riesen Spass gemacht, wir waren bereits zum
dritten oder vierten mal dort und immer wieder gerne.
MF: Habt ihr zu vielen „Wall of Deaths“ aufgerufen?
Maik: Das haben die ganz von alleine gemacht. Das einzige, was
jedes Mal für mich schwierig in Russland ist, ist denen
klarzumachen, dass ich kein Vodka trinke. Das ist superschwierig.
MF: Wird ja wie Wasser getrunken.
Maik: Ja. Heisst auch Wässerchen übersetzt.
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