Die deutschen Mittelalter-Rocker In Extremo erfreuen
uns in ihrem 16. Bandjahr mit dem brandneuen Album
«Sterneneisen». Darauf gibt es einen guten Mix zwischen
ernsthaften und nachdenklichen Liedern. Sänger Micha
«Das letzte Einhorn» erzählte mir gut gelaunt, um was es
bei einigen, speziellen Songs geht. Aber auch die
Zusammenarbeit mit Kreators Mille und Unheiligs Der Graf
blieb nicht unerwähnt. Bei so viel Heavy Metalverwunderte
es dann doch, dass Micha mit Totenköpfen und
Pommesgabeln eher wenig anfangen kann. Dafür liebt er
die Stadt Zürich umso mehr. Auf zu einem Gespräch, bei
welchem der Geist von In Extremo sehr deutlich zum
Vorschein kommt, die Liebe zu Zürich, Mille und der Graf
sowie Totenköpfe und Pommesgabeln.
MF: Hallo Micha, wie geht es dir?
M: Mir geht es eigentlich ganz gut. Ich bin ein bisschen
müde, aber das macht nichts. Das bin ich mir gewohnt
(lacht).
MF: Aber es ist anders, als wenn du auf Tour bist?
M: Ja, das ist total anders. Du gibst den ganzen Tag
Interviews. Wir freuen uns als Band, dass so viele Leute
wissen wollen, dass wir ein neues Album am Start haben.
Das ist sehr schön.
MF: Wie unterscheidet sich denn deine jetzige Müdigkeit
im Vergleich zu derjenigen der Tour?
M: Auf Tour bist du eigentlich ständig auf Adrenalin. Du
gehst spät ins Bett und wachst früh auf, und hast
eigentlich definitiv immer Schlafmangel. So geht es mir
jedenfalls immer. Ich bin wahrscheinlich schon ein paar
Millionen Kilometer in Nightlinern gelegen. Aber ich
schlafe immer schlecht in Bussen. Und dann am Ende der
Tour siehst du aus, wie… naja (lacht). Nicht gut. Aber
da überwiegt dann doch alles die Freude auf Tour.
MF: Anders gesagt: Du hast jetzt zwar weniger Adrenalin,
dafür mehr Schlaf?
M: Ja, richtig. Aber eigentlich auch nicht mehr Schlaf.
Ich sitze jeden Tag in einem Flieger oder bin irgendwo
auf einer Autobahn unterwegs, um von A nach B zu reisen.
Es ist ein anderes Müde sein.
MF: Kommen wir zum neuen Album. Mir war das Wort des
Albumtitels, also «Sterneneisen», bisher völlig
unbekannt. Wie seid ihr auf dieses Wort gekommen?
M: Einfach durch Zufall. Normalerweise sind wir die
Loser, die immer in letzter Minute einen Albumtitel
erfinden müssen. Aber dieses Mal war der Albumtitel
bereits früher, also im August da. Es könnte auch
September gewesen sein. Ich glaube es war Pymonté, der
einfach mal «Sterneneisen» gesagt hat. Und wir: «Ja, was
ist Sterneneisen?» Ich glaube das ist ein Wort, das dir
sofort hängen bleibt. Jetzt wissen wir natürlich, was
Sterneneisen ist. Das Wort ist einfach kraftvoll, es hat
Romantik, es hat Fernweh, es hat das alles mit drin. Und
es ist einfach ein schönes Wort.
MF: Mit Eisen habt ihr ja fast das deutsche Wort für
Metall drin.
M: (überlegt und lacht) Ja, wir kommen ja
auch aus Deutschland! Sterneneisen ist ein nicht
verglühter Meteorit, der auf die Erde knallt und den
Kern darin nennt man Sterneneisen. Daraus wurde zum
Beispiel der Sage nach das Arthus-Schwert geschmiedet.
Aber die letztendliche Bedeutung von diesem Sterneneisen
ist «Glücksbringer» und bedeutet einfach: Schau positiv
nach vorne, lass den ganzen Scheissdreck und die ganzen
negativen Energien einfach nicht an dich ran. Wir sind
eine lebensbejahende Band. Und das Wort passt deshalb
einfach zu uns. Genau wie das Metagramm, der
siebenzackige Stern, der aus der griechischen Mythologie
kommt und der dasselbe besagt: Lass nichts Böses an dich
ran und schau nach vorne. Und das finde ich einfach
klasse.
MF: Das Wort «Stern» kommt jetzt auch in vielen Liedern
vor. War das ein Leitthema, das euch so inspiriert
hat, dass ihr genug Lieder und genug Themen zu diesem
Wort gefunden habt?
M: Nein, überhaupt nicht. Wir haben noch nie ein
Konzeptalbum gemacht. Wir fangen an zu arbeiten, und es
ergibt sich dann alles. Sowie bei «Mein rasend Herz» zum
Beispiel. Da haben wir plötzlich festgestellt, dass
plötzlich neun Lieder über Seeromantik da waren. Das
passiert einfach. Wir sind nicht die Typen, die jetzt
sagen: «Jetzt machen wir dies und das.» Das ergibt sich.
Der Faden mit den Sternen hat sich dann fortgeführt. Und
es hat einfach alles zusammen gepasst. Also so mit dem
Albumtitel und dann mit dem Cover dazu. Ich meine
lustiger als auf diesem CD-Cover geht’s es ja gar nicht
mehr, oder? Es ist der Hammer. Und es hat auch etwas mit
Freiheit zu tun. Im Stile von der räudige Rüdenhaufen
ist unterwegs und markiert in der Welt herum. Und das
Ganze geschieht so mit einem Pippi Langstrumpf-Flugzeug.
Das ist doch Klasse.
MF: Es sieht nett und verspielt aus. Eigentlich so wie
das Album klingt. Okay, nett ist zu schwach, aber
verspielt…
M: Also nett? (lacht) Also gefällt dir das Album? Uns
gefällt es auch.
MF: Ja, ich habe es bis jetzt erst einmal gehört. Aber
ich fand es schon mal toll.
M: Das ist gut, denn der erste Eindruck ist immer der
wichtigste.
MF: Das Wort «Stern» kannst du aber trotzdem noch immer
hören.
M: Natürlich. Ich kann auch das Album nach wie vor
hören. Ich habe die Songs zwar schon mehrere hundert Mal
bei der Entstehung im Studio gehört, aber das gehört
dazu. Und Stern ist ja auch nichts Böses. Stern ist
Klasse. Wer sitzt nicht gerne mal am Flüsschen am See
oder am Waldrand mit einem Glas und einer Zigarette in
der Hand, vielleicht noch mit einem schönen Fräulein im
Arm, und guckt einfach in die Sterne. Was Schöneres gibt
es doch nicht, oder?
MF: Das ist so. Mit Specki habt ihr einen neuen
Schlagzeuger. Wie gross war sein Einfluss aufs neue
Album?
M: Genau so gross, wie von jedem anderen auch. Der hat
vom ersten Tag, als er bei uns war, die gleichen Rechte
und Pflichten und war ein vollständiges Mitglied von In
Extremo. Und der macht seinen Mund auf, genau wie jeder
andere. Er hat dem Album auch sehr gut getan, muss ich
sagen.
MF: Wie unterscheidet sich seine Arbeit von seinem
Vorgänger?
M: Er hat einen anderen Charakter. Man muss dazu sagen,
dass die Trennung mit Rainer in beiderseitigem
Einverständnis war. Er hat einfach mit der Familie und
mit anderen Sachen andere Wege vor. Und da haben wir
eigentlich schon so viel darüber geredet. Ich möchte
diese alte Kamelle nicht noch einmal hervorholen. Wir
haben unsere Tränen dafür verweint und haben mit Specki
einen richtig guten Ersatz. Wir haben mit Specki ein
neues Mitglied, das sich die Seele vom Leib trommelt.
Ich möchte keinen anderen Schlagzeuger mehr haben.
Punkt.
MF: Das Lied «Auge um Auge» behandelt die Todesstrafe,
aber auf sehr schöne und ungewöhnliche Weise.
M: Das ist ein sehr tiefgründiger Text. Deutsche Texte
zu erklären ist eigentlich immer doof, denn darum sind
sie ja Deutsch, dass sie jeder versteht und das Gefühl
mit aufnimmt. Die darin vorkommende Person fragt zum
Schluss: «Was habe ich dir eigentlich angetan?» Weisst
du, jetzt wird mir eigentlich nochmals bewusst, dass mir
die Sache mit dem bescheuerten Onkelz-Sänger eingefallen
wäre. Der Typ ist einfach bescheuert. Der war schon
immer bescheuert und wird auch immer bescheuert bleiben.
Der ist noch nicht einmal für seine Bescheuertheit
entschuldigt, weil er zwei Menschen mit ihrer
Behinderung zurück gelassen hat. Das ist einfach asozial
hoch 80 und dieser Mensch dürfte nie wieder auf die
Strasse kommen! Punkt! Fertig! Ich sehe das wirklich so.
Diese Tat ist unverantwortlich.
MF: Ist die Art und Weise wie du darüber singst auch die
Art und Weise wie ihr in der Band über solch kontroverse
Themen diskutiert?
M: Ja natürlich. Wir schreiben ja auch die Texte
zusammen. Früher war das anders. Da war ich dafür
verantwortlich. Und irgendwann geht natürlich dein
Wortschatz aus. Wir machen als Familie alles zusammen.
Und das finde ich total Klasse. Dadurch kommen viel
bessere Texte zustande. Wir diskutieren stellenweise auch
über Sätze und Worte. Und das finde ich total Klasse.
Das ist auch ein schöner Lernprozess, um sein Ego
wegzustecken. Das ist einfach schön.
MF: Das zeigt aber auch, dass ihr nicht so dieses
Schwarz-Weiss-Denken habt, sondern auch die grauen
Farbtöne akzeptiert.
M: Ja natürlich (lacht). Na klar, das macht man einfach.
Wir sind ja auch Leute, die mit offenen Augen durch die
Welt gehen. Und es ist nicht alles Gold was glänzt.
MF: Oh sehr schön. Das ist gleich der nächste Titel, den
ich ansprechen möchte. Bei welcher Täuschung seid ihr in
den letzten Jahren reingefallen? Welchem Gold seid ihr
nachgerannt?
M: Eigentlich gar keinem. Uns geht es gut und wir sind
auch sehr dankbar dafür. Es gab einmal einen Fall, und
das darf man ruhig erzählen, der die Band 2002 oder 2003
fast zur Auflösung getrieben hat. Wir hatten damals ein
Management, ohne jetzt Namen zu nennen, das uns Schwarz
auf Weiss um 450‘000 Euro beschissen hat. Das ganze
Tourgeld und auch die Einnahmen der ersten
Plattenverkäufe - alles war weg. Solche Menschen haben
in der Musikszene eigentlich nichts zu suchen. Aber die
machen heute wieder Bands. Aber ich bin so fair und
nenne keine Namen. Aber man sieht sich immer zweimal im
Leben. Das war so das grösste Lehrgeld, welches wir
bezahlt haben. Aber das andere Lehrgeld, das man so
nebenbei mal bezahlt, so durch Unachtsamkeit und so, das
gehört einfach zur Entwicklung einer Band. Und daraus
sollte man auch positive Schlüsse ziehen. Und selbst mit
dem damaligen schweren Rückschlag, haben wir uns einfach
die Hand gegeben und gesagt: «Okay, wir schauen nach
vorne. Abgehakt.» Denn anders geht es nicht.
MF: Der Text behandelt also dieses Erlebnis?
M: Der Text selber… Also «Gold» liegt einfach auf der
Strasse. Das ist einfach eine Geschichte, in der zwei
Freunde, die sich lebenslange Freundschaft geschworen
haben, losziehen und reich werden wollen. Das Gold ist
ja nur die Metapher dafür. Die Beiden haben sich
Freundschaft geschworen und der eine missachtet dann die
Freundschaft, sticht ihn ab und lässt ihn (zitiert aus
dem Lied:) «und ich begrab in Dreck begangene Meilen».
Das ist ein sehr guter Satz dafür. Und der kommt ja auch
im Lied vor. Und da kommt dann der Zeigefinger und sagt:
«Gold ist nicht immer das, was glänzt». Es schändet die
Ehrfurcht, lenkt das Böse. Der Text sagt eigentlich
alles aus.
MF: Bei «Viva La Vida» beginnst du mit ziemlich
verkaterten Gesang. Ich nehme mal an, dass du nüchtern
warst, als du das gesungen hast?
M: Selbstverständlich. Ich bin auch immer nüchtern auf
der Bühne. Das meine ich echt ernst. Ich habe die
Fähigkeiten, die Stimmen so zu verstellen. Den Song
kannst du am Anfang auch gar nicht anders singen. Das
hat schon was Kultiges finde ich. Wir hatten in
Deutschland viele Listening-Sessions und die ganzen
Journalisten haben darauf reagiert, als der Song anfing.
Jeder schmunzelte bei dem Ding von vorne bis hinten mit.
Wer kennt das nicht? Morgens um sieben aus der Kneipe
raus zu kommen, völlig straff zu sein. Und dann hat man
die Sonnenbrille vergessen, scheisse. Und das gehört
einfach zum Leben dazu. Viva la Vida! So ist es, klar.
MF: Es war also für dich nicht schwer, diesen
verkaterten Gesang hin zu bringen?
M: Nein, es war nicht schwer (lacht).
MF: Mit «Stalker» singt ihr über ein anderes, heikles
Thema. Habt ihr Erfahrungen mit Stalkern gemacht?
M: Ja, das hat man schon. Es ist aber einfach eine
Geschichte. Und wir sind ja auch Vorreiter und greifen
auch mal ganz normale Themen an. Das finde ich auch
legitim und in Ordnung. Und Stalker kannst du jeden Tag
auf der Strasse sehen. Wie oft ist es schon passiert,
dass eine Frau auf der Strasse ankam mit: «Können sie
mir helfen, ich werde hier…» Oder was auch immer. Es ist
einfach ein Thema, dass auf der Strasse liegt. Das kann
man jeden Tag sehen, lesen oder hören. Und es war
einfach mal an der Zeit, sowas auf zu greifen.
MF: Mir hat erst kürzlich mal jemand davon erzählt. Ich
wusste gar nicht, dass es dermassen schlimm sein kann.
M: Das kann es wirklich sein. Aber mir persönlich ist es
noch nicht passiert. Ich weiss mich dann schon zu
wehren. Aber es gibt Leute, die können damit nicht so
umgehen und das ist… Das gibt es natürlich auch, klar.
MF: Was beim neuen Album auffällt, ist, dass In Extremo
keine musikalischen Grenzen kennen. Ist das das, was
die Band auch ausmacht?
M: Natürlich. Wir haben das schon immer so gemacht. Wir
haben auch schon immer mit Gästen zusammen gearbeitet,
mit denen keiner gerechnet hatte. Und das aus ganz
vielen verschiedenen Genres. In Extremo gehen mit
offenen Augen durch die Welt. Wo sind die musikalischen
Grenzen? Das heisst ja nicht dass, weil wir einen
Dudelsack haben, dies und das nicht machen dürfen. Das
wäre einfach albern. Musik ist auch etwas zum
Ausprobieren. Es macht einfach auch Spass, sich
weiter zu entwickeln. Es gibt auch Leute, die sagen: «Macht
doch wieder ein Album wie «Weckt die Toten!» Warum? Das
haben wir ja schon vor 14 Jahren gemacht! Das noch
einmal zu machen, wäre albern. Man sollte sich einfach
weiter entwickeln. Es gibt auch Leute, die jammern: «Jetzt
machen sie Kommerz.» Das finde ich genau so bescheuert.
Ich meine, gucke dir heute die Radio- und
Medien-Landschaft an, in Deutschland, Österreich und der
Schweiz. Wobei ich nicht genau weiss, wie es in der
Schweiz ist. Da rollen sich mir schon mal die Fussnägel
hoch vor Fremdschämen. Und wenn ich eine Band, die ich
mag (und ich bin auch Fan von Bands) im Radio oder am
Fernsehen hören und sehen kann, dann freue ich mich
darüber und zeige nicht noch mit dem Finger «jetzt
machen sie Kommerz». Das muss nicht sein. Das ist genau
wie bei den Journalisten. Der möchte ja auch, dass seine
Zeilen die ganze Welt liest. Und so geht’s es Musikern
auch. Und eine Band, die sagt: «Wir wollen nicht berühmt
werden. Wir wollen im Keller unsere Musik machen.»
Besteht aus ganz dreckigen Lügnern, das meine ich ernst
(lacht).
MF: Die wollen dann einen auf krassen Underground
machen. Aber wenn sie dann die Chance erhielten, Musik
die ganze Zeit und bezahlt zu machen, würden die auch
nicht nein sagen.
M: Das meinte ich damit, klar.
MF: Damit du Musik die ganze Zeit machen kannst,
brauchst du einen gewissen Erfolg.
M: Ja, und dafür sind wir wirklich sehr dankbar. Weil
wenn du dir die Geschichte von In Extremo ansiehst, dann
ist das für uns der Hammer. Das hätten wir uns nie
gedacht, dass wir es soweit schaffen werden. Uns hat
auch keiner etwas geschenkt. Wir haben immer gearbeitet
und haben an uns geglaubt und zusammen gehalten. Das ist
total wichtig. Wir haben jetzt irgendwie fünf goldene
Schallplatten hängen und wurden fünfmal zum Echo
nominiert oder was weiss ich. Da kann ich wirklich nur
danke sagen. Wirklich im Ernst: Danke schön den Leuten,
die das ermöglichen.
MF: Du hast vorher die Gäste auf euren Platten
angesprochen. Einer auf diesem Album war ja Mille von
Kreator, der deutsch singt. Auch sehr ungewöhnlich.
M: Das ist übrigens das allererste Mal, dass Mille deutsch
singt!
MF: Sehr schön. Ich habe gelesen, dass er schon lange
Fan von euch ist.
M: Ja, und ich meine Kreator..., wer kennt die nicht?
Diese Band wird in Deutschland einfach unterschätzt. Das
ist natürlich von der Musikrichtung her Geschmackssache.
Aber diese Band vertritt Deutschland wirklich überall
auf der Welt und die Leute stehen drauf. Und das finde
ich klasse. Die hätten einfach mehr Respekt verdient,
finde ich. Mille… man kennt sich durch die Festivals,
man kennt sich einfach auch schon sehr lange. Und Mille
habe ich angerufen, weil der Song fertig war und wir
dachten, dass da ein Gastsänger drauf passen würde. «Oh,
der ist ziemlich hart, da passt Mille!» Also habe ich
Mille angerufen und er hat schlicht geantwortet: «Wann
und wo?» Mehr nicht. Das ist doch geil! Oder? Ja, das
ist Mille!
MF: Der ist Klasse. Er hat einfach eine sehr schräge Art
von Humor.
M: Den haben wir auch. Und das passt auch sehr gut
zusammen. Glaube mir das (lacht). Und der andere, der
mitgesungen hat, ist Der Graf von Unheilig. Da sind wir
auch sehr dankbar dafür. Wir kennen ihn schon seit es
Unheilig überhaupt gibt. Wir haben ihn damals, wenn wir
auf irgendwelchen Gothic-Festivals gespielt haben,
gesehen. Und ich kenne ihn auch noch von der Zeit, als
er vor 50 Leuten in Clubs gespielt hat. Dem hat auch
keiner etwas geschenkt. Und ich kann nur sagen, dass er
sich trotz dem grossen Erfolg in keiner noch so geringen Art
und Weise verändert hat. Ich hab ihn jetzt wieder ein
paarmal gesehen. Wir haben miteinander gesprochen und
haben uns besucht. Der hat sich wirklich nicht
verändert. Der ist wirklich der Alte geblieben, wie er
wirklich ist. Und er geht mit seinem Erfolg sehr gut um.
Und die Leute, die ihm Kommerz vorwerfen… Das meinte ich
vorhin. Wenn ihr seine Musik mögt, dann freut euch doch
daran. Mensch, wie viele Künstler in Deutschland gibt
es, mit denen man sich identifizieren kann? Das ist doch
klasse, wenn man das kann. Und ich finde es wirklich
auch schön und bin sehr froh, dass wir mit ihm zusammen
gearbeitet haben. Das war total entspannt. Der Graf ist
ein sehr intelligenter und kluger Mann, der genau weiss, was
er macht. Und der hat eine positive Einstellung, das
muss man echt sagen. Und er denkt auch an andere.
MF: Wie hast du seinen Aufstieg erlebt? War das für dich
überraschend, dass es jetzt dermassen mit ihm aufwärts
ging?
M: Ja, total. Ich meine, damit hat er ja selber nicht
gerechnet (lacht). Das ist manchmal so. Und das kann man
ihm einfach nur gönnen.
MF: Mit «Schau zum Mond» greift ihr das Thema «Fernweh»
auf.
M: Das ist eigentlich mehr eine versteckte
Werwolf–Geschichte. Das ist ein Fantasy-Ding. Aber es
hat auch etwas Fernweh, Romantik und eigentlich alles
drin. Das Lied muss man hören. Da sind ein paar
versteckte Sachen drin, die aber gar nicht versteckt
sind.
MF: Bei euren vielen Tourneen werdet ihr wohl eher Heim-
als Fernweh haben?
M: Nein, nein. Wir machen jetzt ab April einzelne
Show-Cases, also kleine Clubs, um die Platte
vor zu stellen. Wir spielen ab April bis Ende des Jahres
85 oder 90 Shows, aber das weltweit. Wir werden viel
unterwegs sein. Und wer In Extremo dieses Jahr noch
einmal erleben möchte, muss heuer kommen, weil 2012 wir
ein Jahr lang komplett Pause machen. Das heisst, dass
wir 2012 nur maximal vier bis fünf Festivals im Juni
oder Juli spielen, mehr nicht. Und das auch nur an
speziellen Festivals. Ansonsten reisen wir durch die
Welt. Also je nach Person. Der eine wird bei seiner
Familie sein, der andere reist oder macht dies oder das.
Wir gehen uns einfach mal aus dem Weg.
MF: Heisst das, dass ihr fühlt, dass ihr mal Abstand vom
Ganzen braucht?
M: Also jetzt nicht von den Freunden und auch nicht von
dem Ganzen. Wir sind jetzt seit fast 16 Jahren
unterwegs. Und ich möchte mal wieder reisen. Und jeder
von der Band möchte mal was anderes machen. Ich bin eine
Reisetante. Ich werde mich im Januar 2012 mit Rucksack
aufmachen und über ein halbes Jahr durch die Welt
tingeln.
MF: Schön. Ist das auch so eine Art, wie man versucht,
die Band auch langfristig am Leben zu erhalten? Weil es
gibt viele Bands, die durchgebrannt sind.
M: Diese Gefahr sehe ich bei uns nicht. Ich weiss auch,
dass wenn wir nach einer Tour nach Hause kommen, dann
alle zueinander sagen: «Oh, gut, dass wir uns mal vier
Wochen nicht sehen!» Nach vier Tagen rufen wir uns aber
schon wieder gegenseitig an. Wir werden auch in der Zeit
2012 miteinander in Kontakt bleiben. Aber wir haben das
mal so beschlossen. Und dann treffen wir uns im
November/Dezember 2012 zum ersten Mal wieder und kommen
dann mit einem Boomerang zurück.
MF: Dann wünsche ich euch eine gute Auszeit. Wobei wir
uns jetzt erst mal auf die kommende Tour freuen. Da
werdet ihr ja zuerst von Fiddlers Green und später von
Ohrenfeind begleitet. Das sind wahrscheinlich alles alte
Freunde von euch?
M: Das sind alte Bekannte. Wir haben letztes Jahr ja
unser eigenes Festival gemacht. Das war zum 15-jährigen
Bestehen von In Extremo. Das war klasse und die beiden
Bands haben da auch mitgespielt. Fiddlers Green kennen
wir auch schon lange. Das sind total entspannte, nette
Typen. Und das passt auch. Das ist so eine richtig geile
Einheitsband, die ist der Hammer. Da zuckt einfach das
Bein mit, auch wenn man kein Folklorist ist. Das macht
einfach Spass und bringt gute Laune. Und wir sind eine «gute-Laune-Band».
Wir sind auch eine Show-Band. Und das gehört einfach
dazu. Ohrenfeind sind eine ganz andere Kategorie. Die
sind aber auch sehr speziell. Entweder mag man sie, oder
hasst sie. Aber so geht es, glaube ich, jeder Band
(lacht). Es sind einfach gute Typen.
MF: Passen dann eure ernsten Texte zu dieser Show und
Party oder ist Show nicht gleich Party?
M: Das kann man so sehen. Es kommt auch darauf an, wie
man diese nachdenklichen Texte rüber bringt. Ich meine,
wir haben schon immer Mut für so was gehabt, auch mit
speziellen Leuten zusammen zu arbeiten, oder uns an
Themen ran gewagt, die keiner nimmt. Oder nimm doch mal
eine Ballade von uns. Die sind manchmal schon fast
schlagerähnlich. Es braucht auch sehr viel Mut, so was
mal zu bringen. Ich kann mich erinnern, dass wir «Aufs
Leben» gespielt haben. Oder auf Wacken haben wir damals
«Die Gier» gespielt. Da waren 100‘000 Leute da. Und die
ersten 20 Reihen, oder soweit wir gucken konnten, haben
geweint. Da waren die dicksten Heavy Metal-Fans mit
ihren Frauen im Arm. Das ist der Hammer! Also einfach
auch mal Gefühle zuzulassen. Und nicht zu sagen (äfft
nach): «Oh, was machen sie den jetzt für eine Ballade!»
Das sind einfach Gefühle, die mal da sind. Die werden
aufgeschrieben und gespielt. Und die Leute nehmen das
an. Und das finde ich klasse. Sich einfach auch mal
nicht zu schämen. Musik bewirkt sowas, und das finde ich
klasse. Sowas zu schreiben und auf zu nehmen, bedarf auch
einer Stange an Mut. Und wir haben den Mut.
MF: Das bringt dann auch wieder Abwechslung an Konzert.
Wenn man Slayer nimmt, dann ballern die einfach mal
durch, was bei der Band auch ok ist. Aber ein paar
ruhige Klänge dazwischen machen die Ohren wieder frei.
M: Ja klar. Ich meine durchballern kann ich bei Slayer.
Respekt vor dieser Band. Aber bei denen weiss ich nie,
welches Lied die jetzt gerade spielen. Das ist alles
Geschmackssache. Das ist aber einfach eine Hammer-Band.
Kann man nicht anders sagen.
MF: Bleiben wir zum Schluss beim Metal. Du hast mal
gesagt, dass du Mühe hast mit Totenköpfen und
Pommesgabeln. Heisst das, dass es nie ein In
Extremo-T-Shirt mit Pommesgabeln oder Totenköpfen geben
wird?
M: Es gibt bei uns sogar Seemanns-Totenköpfe. Aber ich
persönlich würde zum Beispiel niemals dieses
Teufelszeichen machen. Damit spielt man nicht. Ich mache
lieber das Friedens-Zeichen, das passt besser zu mir.
Und ich brauche mir auch kein Totenkopf-Emblem zu
machen. Irgendwann passiert das sowieso und dann sind
wir selber Totenköpfe, irgendwie eins achtzig frostfrei.
Aber zu Lebzeiten brauche ich das nicht. Den einzigen
Totenkopf, den ich irgendwo hissen würde, ist der von St.
Pauli (lacht).
MF: Und In Extremo haben ja genug eigene Identität, dass
die so was brauchen würden.
M: Mit Sicherheit, ja. Wir nehmen erst mal den
siebenzackigen Stern.» Sieben Zacken, sieben Macken».
Kommt im Text vor.
MF: Wir sind am Ende. Was möchtest du euren Fans noch
sagen?
M: Wir freuen uns, wenn ihr an unsere Konzerte kommt.
Ich kann nur sagen, dass Zürich in Europa eine meiner
Lieblingsstädte ist. Und ich bin sehr, sehr oft auch
privat hier. Das ist eine Hammer-Stadt. Ich habe mir
sogar schon mal überlegt, hierher zu ziehen, das ist
kein Witz.
MF: Was macht Zürich denn so speziell für dich?
M: Es ist eine der positivsten Multikulti-Städte, die
ich kenne. Das ist wirklich wahr und das kann man nicht
wirklich beschreiben. Das fühlt man einfach. Also mir
geht es jedenfalls so. Ich rauche gerne Parisienne, und
die Schweiz ist das einzige Land, wo ich mir Parisienne
aus dem Zigarettenautomaten ziehen kann. Hammer!
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