Interview: Journey
By Rockslave
Ein Interview mit Journey? Klar, mache ich, null Problemo! Das sagt sich zu Beginn leicht, aber dann macht man sich schon ein paar Gedanken darüber, denn obwohl hier in Europa nie so bekannt wie in der Heimat, sprechen wir hier von einer weltbekannten Band, die über 75 Millionen Platten verkauft hat! Das Interview würde Neil Schon mit mir führen..., aha, das ist doch der, der nebst seinen Anfängen bei Santana und der Gründung von Journey auch bei Bad English und Soul Sirkus dabei war, Neil Schon Folks!!

Das ist also nicht irgendwer und der hat sicher schon zig hunderte von Interviews geführt. Tja, was könnte man ihn also fragen, dass er nicht nach fünf Minuten wieder aufsteht und davon läuft? Nach der Bestätigung des Interviews beschäftigte mich diese Frage ein paar Tage lang. Schliesslich setzte ich mich hin und bereitete mich so wie immer vor. Wer nun denkt, dass das Gespräch im Tourbus oder gar in einem luxuriösen Hotelzimmer statt fand, liegt daneben! Es wurde draussen (!) bei der Eisbahn abgehalten und neben uns wurde gleich auch noch Keyboarder Jonathan Cain befragt. Unsere Liane spannte ich dabei kurzfristig (Dank an Mario Hug - MV!) als Foto-graphin ein und so konnte nichts mehr schief gehen.

MF: Hi Neil! Ist es korrekt, dass du mit Journey nach 2007 (mit Jeff Scott Soto) und 2009 (erstmals mit Arnel Pineda) erst das dritte Mal in der Schweiz spielen wirst?

Neil Schon: Pfrrr... (prustet vor sich hin) - mit Journey? Ich vermute mal ja..., keine Ahnung! (lacht) - Ich erinnere mich nicht daran...

MF: Hast du mit Bad English jemals bei uns gespielt?

Neil Schon: Ich glaube nicht, und wenn, dann weiss ich es nicht mehr. Ich pflege viel zu trinken und kann mich nicht an viel erinnern. Wenn du mich über die Gegenwart befragst, weiss ich alles. Die Vergangenheit ist die Vergangenheit. Ich kann nicht sagen, im welchem Jahr welches Album gemacht wurde und all diese Sachen. Du bist womöglich besser darüber informiert.

MF: Einige Dekaden lang waren Journey sehr erfolgreich in den Staaten, eine grosse Stadion-Band. Wart ihr zu gross, um nicht früher (ausser ein paar Gigs in den 80ern) in Europa zu spielen?

Neil Schon: (kichert) - Nein, ich war so wie jeder andere auch, der anonym geblieben ist. (lacht/kichert weiter) - die einen waren/wurden es, die andern nicht. So ist es nun mal und wir sind jetzt hier und da.

MF: Aber ihr habt einige Konzerte in den 80ern...

Neil Schon: ..., was für Fragen sind denn das? Versuchst du solchen Mist fest zu halten?

MF: Nein! (sehr langgezogen)

Neil Schon: Nein..., (lacht) - ich glaube aber schon!

MF: Nein, nein...

Neil Schon: ...nein nein. (von da an schaltete Neil den Hebel glücklicherweise um und wusste einiges zu erzählen!)

MF: 2006 kamen Journey zurück nach Europa und ihr habt dann an Festivals wie dem Sweden Rock gespielt...

Neil Schon: Ja!

MF: Für meine Begriffe war die grosse Herausforderung oder besser gesagt der "Big Bang" der unglaubliche Auftritt am BYH!!!-Festival 2009! Warst du wirklich überzeugt davon, dort vor 20'000 Metal-Maniacs bestehen zu können?

Neil Schon: Um dir die Wahrheit zu sagen, ich wusste nicht, was mich erwartet. Weisst du..., Journey sind Journey und wir klingen nun mal so. Wir können nicht über Nacht oder in zwei Stunden zu einer Heavy Metal Band werden. Als ich ins Publikum sah, waren da einige Typen, die schwarze Gesichtsbemalung und schwarze Fingernägel trugen. Da dachte ich, dass wir alle Balladen raus nehmen und mehr so das "dunklere Rock-Material" von «Escape» (1981) und «Frontiers» (1983) spielen sollten. Es scheint so, dass man diese Alben hier in Europa recht gut kennt, noch besser als die "Greatest Hits", die in den Staaten viel besser ankam. So spielten wir dann also «Edge Of The Blade», «Chain Reaction» oder «Dead Or Alive». Jedermann wusste, dass wir diese Songs schon lange nicht mehr im Set hatten und jetzt halt wieder. Wir änderten das, um die Situation angenehmer zu gestalten. (lacht)

MF: Es war einfach der Hammer...

Neil Schon: ...viele Leute erwarteten, dass wir da untergehen, aber wir erhielten danach starke Reviews..., ich erinnere mich. Wir können das nachfühlen..., viele haben uns eine lange Zeit nicht gesehen. Man wusste nicht, was wir musikalisch im Stande sind zu tun, weil gewisse Songs wurden zu Hits und dann dachte jedermann, dass alles so klingt. Sie glaubten nicht an uns, was auch immer. Doch unser Genre der Songs, die wir jeden Abend zum Spielen aussuchen, reicht von A bis Z. Da gibt es viele Unterschiede und wir spielen auch eine Menge verschiedener Stile. Wir können definitiv rocken, und wenn wir wollen, tun wir es!

MF: Die Geschichte, wie ihr Arnel Pineda gefunden habt, hört sich wie ein Märchen an, ein fabelhaftes Wunder...

Neil Schon: ...sie stammt von mir! (lacht laut) - Nein..., natürlich nicht! Es ist ein eine wahre Geschichte..., ich hörte seine Stimme, nachdem ich zwei Tage lang gesucht hatte und mir jedes Voice-Mail anhörte, das ich aus dem Bereich Rock und Soul abgreifen konnte. Ich hörte mir alle an, von denen ich dachte, sie wären fähig dazu. Dann sah ich diesen einen Link zu seinem Namen, der mich zu einem Cover eines Survivor Songs führte. Eigentlich war ich bereits frustriert und klickte da halt einfach mal drauf. Und dann war ich freudig überrascht darüber, was ich da hörte. Da fragte ich mich wirklich, wer ist denn das? Dann klickte ich weiter und kam so auf seine Website. Dort hörte ich mir in dieser Nacht etwa vierzig verschiedene Clips an..., es wurde sehr spät..., früh am Morgen für mich. Er war in einer kleinen Cover-Band und sang alles von AC/DC, Aerosmith, Led Zeppelin..., Journey, Heart, Sting..., du siehst, und ich fragte mich dann ernsthaft, was er nicht kann! Ich hatte bisher noch keinen gehört, der dies so, einem Chamäleon gleich, umsetzen konnte. Nachdem ich mir alles von ihm angehört hatte und es klang alles gut, gefiel mir seine natürliche Stimme bei unseren Songs. Er brachte sich mehr ein als alle anderen und ich fand, dass er über eine hohe, tenorartige und kräftige Stimme verfügt, die Steve Perry bei all unseren alten Songs hatte. Und es gibt nicht viele solcher Stimmen da draussen, die so voll klingen. Es gibt viele Schreihälse, aber er hatte es definitiv drauf. Ich habe mit vielen guten Sängern zusammen gearbeitet..., Paul Rodgers, Sammy Hagar..., wer auch immer. Ich habe sie alle gehört..., und mit vielen was gemacht. Ich wusste, dass Arnel weiter kommen wollte und sagte, das ist unser Mann, der isses! Dann versuchte ich Kontakt zu ihm aufzunehmen und fragte mich, wo er denn zu finden ist..., Los Angeles oder New York? Nein..., er war in Manila! Ich konnte das nicht glauben und sagte dann aber, das ist er..., den müssen wir kriegen. So mussten wir zusammen den Papierkrieg angehen, ein Visa besorgen, so dass er einreisen konnte.

Dann bemerkte ich, dass es für alle Leute aus den Philippinen ungemein schwie-rig ist, eine Einreisegeneh-migung für die Staaten zu erhalten. Zum Glück war einer der Behörde ein Fan von uns und so liessen sie Arnel ins Büro rein, wo er gleich was vorsang. Dann konnte er schliesslich für drei Monate bleiben, was sehr kurz war, und so gingen wir umgehend ins Studio, wo wir mit den Aufnahmen zu «Revela-tion» (2008) anfingen. Das war 'ne geile Sache..., wir nahmen also die beiden CDs auf..., und die eine war ja ein Remake der «Greatest Hits». Ich war nicht wirklich darauf aus, und dann nahmen wir, glaube ich zumindest, «Lights» auf und es klappte gleich beim ersten Take. Und so lief es dann bei jedem Song. Arnel sang das mit Leichtigkeit und meinte, das sei nicht so schwierig. Da fingen wir mit dem Schreiben neuer Songs an, weil es wirklich so geplant war..., Walmart (grosse, amerikanische Warenhauskette - MF), die ja die Scheibe(n) in den U.S.A. heraus gebracht haben, wollten eigentlich keine ganze neue Platte, sondern nur den Re-Release der «Greatest Hits», von Arnel eingesungen, und vielleicht zwei, drei neue Songs dazu. Da machte ich mit dem Mangement einen Deal und sagte, dass wir die «Greatest Hits» machen, aber nur wenn wir gleichzeitig eine neue CD machen können. Dann fragten sie nach dem neuen Material und wir antworteten, dass wir noch nichts hätten, dieses aber schreiben werden. So ging das ab..., und ich schrieb dann jeden Tag etwas, Jonathan (Cain - MF) ebenfalls. Ich fing im Studio mit der Musik an und ging dann nach Hause in mein Demo-Studio, um die Sachen auszuarbeiten und tagsdarauf mitzubringen. Dann übernahm Jonathan postwendend die Texte und passte sie meinen Phrasen an. Danach brachten wir die Songs zu Arnel, auf dass er sich das Material drauf packt und am nächsten Tag beherrscht. Auf diese Weise entstand die ganze Scheibe und wir hatten eigentlich nicht mal gross was vorbereitet, nahmen zuerst zwei Songs probeweise auf und danach gleich alles, bevor er wieder zurück in seine Heimat musste.

MF: Die Band wurde 1973 gegründet. Wird es demnach eine Tour zum 40-jährigen Jubiläum im Jahre 2013 geben?

Neil Schon: Was wird da sein?

MF: Zum 40-jährigen...

Neil Schon: ...ahhh..., jetzt verstehe ich..., ich denke nicht, dass wir das hinkriegen... (lacht) - doch doch, ich denke schon, dass das passieren wird. Es ist jetzt erst ein paar Wochen her, als wir das 30-jährige Jubiläum vom Album «Escape» feiern konnten. Und..., yeah..., selbstverständlich wird das geschehen. Wir werden sehen...

MF: Zu Beginn deiner Karriere hast du, zusammen mit Gregg Rolie, in der Band des grossen Carlos Santana mitgespielt. Warum habt ihr damals die Gruppe verlassen und triffst du ihn gelegentlich noch?

Neil Schon: Ich sehe Carlos, um zuerst den zweiten Teil deiner Frage zu beantworten, ziemlich oft, wenn ich zu Hause bin. Wir sind eigentlich wieder gute Freunde geworden und wer weiss, vielleicht spielen wir ja eines Tages wieder mal zusammen, was grossen Spass bereiten würde. Und ich und Gregg verliessen die Band damals nicht, sondern sie fiel halt auseinander. Zu der Zeit waren grosse Mengen von Drogen im Spiel und gewisse Leute versagten dann im Studio. Carlos hatte eine genaue Vorstellung davon, was er wollte und wir versuchten mitzuhalten. Er war (wie ich) ein grosser Mahavishnu-Fan, wollte aber in eine andere Richtung gehen. Unsere musikalischen Vorstellungen gingen dann allerdings auseinander, mehr dahin wie das auf dem dritten Album, wo ich auch mitgespielt habe, doch ich hatte zwei Jahre lang eine tolle Zeit und hätte keine bessere Chance kriegen können.

MF: Bad English und Soul Sirkus waren weitere, tolle Bands, wo du dabei warst. Was bevorzugst du, eher weichere oder härtere Sounds?

Neil Schon: Weisst du..., ich mag beides, tendiere aber möglicherweise dahin, dass ich das mag, was meine Fans mögen. (lacht) - Nur..., es ist verrückt..., das was ich gerne auf der Bühne spiele, ist manchmal genau das Gegenteil von dem, was die Fans von mir erwarten in dem Sinne, was ich spielen soll! Sie möchten mich melodiös spielen sehen, dann wieder einfach, mit "singender" Gitarre und so weiter. Ich finde das soweit ja alles gut, aber um auf die Frage zurück zu kommen, auf der Bühne bevorzuge ich mehr zu rocken, als Balladen zu spielen. Ich mag Power-Balladen, die ein bisschen heavier sind und Journey haben in den frühen 80ern oder den späten 70ern ja mehr solche Songs gebracht. Eigentlich haben wir manches davon "erfunden"..., das mag ich..., aber auf das weichere Zeig stehe ich nicht so, stand ich nie, doch das warf stets die grössten Singles ab und so musste ich meine Schnauze halten! (lacht laut)

MF: Die Songs von «Eclipse» und «Revelation» sind brillant! Habt ihr hierfür nur neues Material verwendet oder auch auf ältere Sachen zurück gegriffen?

Neil Schon: Das Meiste davon ist brandneu, aber es gab ein paar Sachen, die ich vor langer Zeit mal gemacht hatte. Zum Beispiel von «She's A Mystery» (von der «Eclipse» - MF) hatte ich die ganze Musik bereits in den 90ern geschrieben. Dann kann es manchmal vorkommen, dass ich etwas schreibe und es dann wieder vergesse. Dann sitze ich manchmal mit meinem Recorder da und wenn wir daran waren zu arbeiten, gehe ich zurück und schaue, was ich alles habe. Einzelne Parts und sehr oft sind es gar nicht fertige Songs oder gar nur Riffs. Wenn ich mal was im Kopf habe, ein Riff, den Groove, dann setze ich das alles mal grob zusammen. Dann lehne ich mich zurück, höre mir das an und denke, dass das ein guter Anfang für etwas Neues werden könnte. Bei «She's A Mystery» war eigentlich, bis auf ein paar geänderte Arrangements oder wie die Strophen anfingen, alles ziemlich so, wie ich es damals gemacht hatte. Aber alles andere ist neu!

MF: Du als amerikanischer Staatsbürger..., was magst du mehr..., den "American way of life" oder unsere europäischen Gepflogenheiten?

Neil Schon: Nun, ich hasse die Raucherei bei euch, das sag ich dir also! (lacht) - Von daher "mag" ich die amerikanische, rauchfreie Lebensweise, die überall vorherrscht..., ich reagiere allergisch darauf, weil ich zu rauchen und trinken pflege. Wenn du aber aufhören willst, ist das das Letzte was du riechen willst. Aber um ehrlich zu sein, kenne ich eure Lebensart nicht wirklich, weil ich hier nie lange genug gelebt habe. Aber ich bin sicher, dass mir viele Orte gefallen würden. Wenn ich mich irgendwo niederlassen oder bleiben würde, könnte ich dir darauf eine bessere Antwort geben. Aber ich bin immer unterwegs und bewege mich rasch woanders hin. Wenn ich einen Day Off habe, gehe ich jeweils in die Stadt und laufe da viel umher, lese viel über Geschichte, versuche mich zu informieren und sehe mir so viel an wie möglich. Aber wir sind immer unterwegs..., da bleibt nicht viel Zeit.

MF: Wie viele Gitarren besitzt du, welches ist dein absolut bevorzugtes Modell und sind dir schon welche durch Diebstahl abhanden gekommen?

Neil Schon: Ehhmm..., ich habe ein paar verloren, die mir gestohlen wurden. Als ich bei Bad English war, wurde uns in Los Angeles ein ganzer Truck mit vielen alten Sachen geklaut! Das war wirklich hart und kaum mehr zu beschaffen. Sonst habe ich eine originale Les Paul, die ich während der Zeit mit Santana gespielt habe. Die stammt von 1969 glaube ich..., und dann hatte ich ein paar weitere, alte Gitarren. Dazu noch eine ganze Menge Einzelstücke und Custom Gitarren von vielen verschiedenen Leuten.

Dann holte Neil richtig aus und beschrieb viele Details seiner Gitarren und die Geschichte seiner Zusammenarbeit mit den Leuten von Les Paul, die dann aber wegen Meinungsverschiedenheiten aufgelöst wurde. Anschliessend wandte er sich den Gitarren von Paul Reed Smith zu, die er mit Vorliebe bis heute spielt. Er rühmte dabei die Verarbeitungsqualität und den Top-Sound gleichermassen. Aktuell besitzt Neil gegen 160 Gitarren, die auf Nachfrage von Liane in klimatisierten Räumen (eines Proberaumes) unweit seines Wohnortes aufbewahrt werden. Dazu stehen in seinem Hauses etwa zehn Gitarren rum und Neil sitzt oft vor dem Fernseher, dreht die Lautstärke runter, stöpselt die Gitarre in einen kleinen Amp ein und spielt dabei vor sich hin.

MF: Welche Mitteilung möchtest du zum Schluss unseren Lesern von Metal Factory und allen alten wie neuen Schweizer Journey Fans noch überbringen?

Neil Schon: Nun..., wir schauen vorwärts..., und spielen für euch alle. Die Tour läuft sehr gut und ich kann es kaum erwarten, auf grösseren Festivals aufzutreten, weil ich das eigentlich vorziehe. Ich mag die Enge von kleineren Locations nicht so und wenn wir das nächste Mal wieder kommen, spielen wir von 7'000 bis 10'000 Leuten. So sollte das laufen und ich werde eine gute Zeit haben!

MF: Cool..., vielen Dank!

Neil Schon: Ich danke dir!

Anschliessend an das Interview konnten wir Neil noch spontan für eine Rockstation-ID gewinnen und nach den gemeinsamen Fotos ging es nicht mehr lange, bis Journey als Headliner des «Spirit Of Rock» auf der Bühne standen.



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