Interview: Lordi
By Rockslave
Die Finnen haben in diesem Jahr mit ihrem grandiosen Sieg am "ESC" in Athen ohne Zweifel für die Schlagzeile in der Musikwelt schlechthin gesorgt. Durch den ganzen Medienrummel, der aus dem Pro- & Contra-Lager wochenlang und umfangreich genährt wurde, passierte genau das, was unserer sonst zumeist gebeutelten Szene nicht zuteil wird, nämlich dass (fast) die ganze Welt Anteil an diesem Geschehen nahm..., ja zwangsläufig nehmen musste! Mit Sicherheit wurden so Heerscharen von jungen Fans, die erst seit kurzem Bock auf Rock und Metal haben, erst dadurch darauf aufmerksam. Somit gebührt Lordi in mehrfacher Hinsicht der aufrichtige Dank unserer Szene für diesen unbezahlbaren Werbespot in eigener Sache! Dass die Nordländer aber mehr drauf haben, als nur ein "Hardrock Hallelujah", bewiesen sie auf ihrer aktuellen Herbst-Tour durch unsere Breitengrade. Bevor die Schweizer Show am Abend jedoch stieg, hatte ich die Gelegenheit, im Hotel X-Tra mit Bassist Ox und Gitarrist Amen ein gepflegtes Interview abzuhalten. Dass dabei die strikte Auflage von wegen keinerlei Fotos eingehalten werden musste (am Nachmittag rannte noch kein Bandmember mit Kostüm und Schminke rum...), war natürlich echt schade, aber letztendlich verständlich wie verschmerzbar. Auch dazu beigetragen hat der Umstand, dass ich, wie eigentlich erwartet, auf völlig relaxte und coole Musiker traf, die munter drauf los plauderten, viel zu lachen hatten und sich je länger je mehr bewusst wurden, was sie in der Musikwelt ausgelöst haben. Doch lest selber... (OX = Ox, AM = Amen)

Bevor ich mit meinen Fragen loslegte, sagte Amen gleich lachend zu mir, ich solle ihm keine schwierigen Fragen stellen, da er erkältet sei!

MF: Wie kann ich sicher sein, dass ich hier entsprechend die richtigen zwei Band-Members vor mir sitzen habe?

OX: Du musst..., musst uns einfach glauben... (lacht) - du kannst dir nicht sicher sein... (lacht)

AM: (lacht ebenfalls und streckt mir seinen Artist-pass entgegen, wo Amen drauf steht...)

MF: Was hat sich seit dem glorreichen Tag in Athen in euren Leben geändert?

AM: Meinst du generell oder...

MF: ...als Bandmember!

AM: Die Chemie innerhalb der Band hat sich nicht verändert, wie sind immer noch dieselben Musiker. Natürlich hat sich unser Terminplan verändert, wie sind sehr beschäftigt zur Zeit.

OX: Einige von uns mussten ihre Jobs deswegen aufgeben.

AM: Der Auftritt in Athen war für uns wie eine feine Sache..., wir haben nun viel Aufmerksamkeit von den Medien, aber verändert hat sich sonst nichts...

OX:...wir sind immer noch die gleiche Rock'n'Roll Band wie vorher!

AM: Wir machten halt an diesem Abend, wie unser Drummer (Kita - MF) immer sagt, einen Job, für den man sonst fünf Jahre braucht..., es ist definitiv der bisherige Höhepunkt unserer Karriere.

MF: Wie ist er..., der "Geschmack des Erfolges"? Süss, sauer.., und was für Gedanken kommen euch dabei in den Sinn oder welche Gefühle habt ihr?

OX: (lacht) Weisst du..., ich glaube nicht, dass er süss ist..., aber..., ich weiss nicht... (lacht wieder)

AM: "Smell of the success"... (lacht weiter) - nun ja..., eine wirklich gute Frage!

OX: Ja...

AM: (stösst einen lauten Seufzer aus und hält einen Moment inne...) - weisst du, (muss wieder lachen) - ich weiss es nicht, weil..., wie du in der ersten Frage gesagt hast, von wegen, ob du sicher sein kannst, wer wir sind. Wir können immer noch uns selber sein..., normale Leute, die zum Beispiel in ein lokales Geschäft ihre Milch und eine Zeitschrift kaufen gehen können, ohne erkannt zu werden. Von dieser Seite her fühlen wir den Erfolg nicht, aber sobald wir unsere Kostüme anziehen, werden wir zu Rockstars...

OX: ...dann ändert es..., ya...

AM: ...und diese Kostüme riechen ziemlich! Vielleicht ist das...

OX: ...ya..., der Schweiss...

AM: Ja... (kann das Lachen nicht unterdrücken)

MF: Wie war der erste Teil der Tour im September und welche speziellen Momente und Situationen gab es da?

OX: Wir waren so beschäftigt, dass wir nur einen Tag Zeit hatten, die Show (in Finnland) einzuüben. Wir wussten noch nicht recht, wie es werden würde, aber jetzt ist alles gut und der erste Gig war sehr cool.

AM: Natürlich gibt es immer Probleme am Anfang. Zum Beispiel als beim Opener des ersten Gigs meine Gitarre nicht funktionierte..., solchen Sachen passieren häufig...

OX: ...und die Journies hören dann nur den ersten Song und schreiben entsprechend darüber, obwohl es danach wieder gut war!

AM. Genau! Über meinen Guitar-Sound..., und dann benutzen wir natürlich Pyros und weitere Effekte..., einfach was möglich ist. In Schweden zum Beispiel hatte wir eine mächtige Pyro-Show und war es nicht in..., Kopenhagen, wo wir keinerlei Pyros benutzen durften...

OX: ...ja, ich glaube.

AM: Wie auch in Deutschland einmal..., das ist immer schade, denn wir wollen das immer so gross machen, wie möglich. Besondere Ereignisse..., hmm..., alles war gut, sehr gut..., wir hatten viele Fans..., es war einfach toll.

MF: Über mehrere Jahre hinweg habt ihr euch euer Monster-Image geschaffen. Dann wurdet ihr von der Presse unmaskiert abgebildet. Was habt ihr heute für ein Verhältnis zur Presse?

OX: Nun..., eigentlich immer noch gleich..., ach..., ich weiss nicht...

AM: (lacht) - Nach Athen wollte jeder Bilder von uns ohne Masken haben. Das gab uns schon etwas auf den Geist..., der Punkt ist der: Wir waren schon immer maskiert, nicht nur für den ESC". Wir wollen unsere (echten - MF) Bilder nicht in der Zeitung sehen! Das störte und schon etwas..., aber in Finnland standen eigentlich alle hinter uns, bis auf eine verfluchte...

OX: ...zwei Zeitungen!

AM: Zwei Zeitungen..., ja..., die ein paar Bilder von uns veröffentlicht haben. Sie mussten aber damit aufhören, da viele Leute darob sehr angepisst waren und weil wir für sie nationale Helden sind, die nicht angerührt werden dürfen. In Schweden gab es ein paar Zeitungen und in Deutschland...

OX: Ja, das war so, aber sie hatten unter anderem auch falsche Bilder publiziert...

MF: Wie die von Children Of Bodom...

OX: ...ya - (lacht)

AM: (lacht ebenfalls) - ja, das war echt lustig..., Alex Laiho (COB) mochte das gar nicht! Er traf uns diesen Sommer mal und fragte sich, was denn da abgehe..., was das mit ihm zu tun habe?!!

MF: Ich denke jetzt mal, dass ihr hier in Zürich ganz normal shoppen gehen könntet, ohne dass euch irgend jemand hinterher rennt. oder?!!

OX: Ya!

AM:Ya, ya! Das ist sehr wichtig für uns..., wir kamen gestern hier an und ich ging dann zur Shopping-Meile, ohne dass mich jemand erkannt hätte. Ich trank einen Kaffee...

OX:...und wir gingen in eine Bar.

MF: In eurer Heimat Finnland hat Rock und Metal einen anderen Status. Sogar die (offizielle) Landesregierung ist stolz auf euch! Könnt ihr mir diese Tatsache näher erläutern? Und was können wir von euch lernen?

AM: (lacht gleich wieder drauf los...) - oh..., du stellst wirklich gute Fragen..., oh Gott..., ich weiss nicht. Die Sache mit dem "ESC" war so einmalig für die Finnen..., da drehten alle durch und jeder wähnte sich als Freund von uns sein. Sogar der Prime Minister wollte mit uns auf's Bild und sagte "yeah"! Er dachte wohl, dass er so noch eine paar Stimmen von jüngeren Leuten für sich holen kann.

OX: Er sagte, ermag Heavy Metal, aber ich weiss nicht, ob das wirklich wahr ist!

AM: (lacht) - ja..., und dann übereichte uns der Minister einen Schlüssel..., ein Art Preis für besondere Leistungen. Das Ganze macht irgendwie schon Spass, kommt gleichzeitig aber schräg daher, weil..., wir reden hier von Rock'n'Roll und hängen plötzlich mit dem Prime Minister ab! Warum...?

MF: Als Erinnerung für die Ewigkeit!

AM: Ja!

MF: Ihr wurdet von religiösen Führern kritisiert und als Beispiel drei griechischen Organisationen aktiv bekämpft. Was haltet ihr von diesem lächerlichen Verhalten?

AM: Exakt, es ist lächerlich! Ich denke, viele Leute nehmen das Leben viel zu ernst. Sie verstehen nicht..., natürlich...

OX: Sie kümmern sich nur um ihr altes Weltbild...

AM: ...ich kann verstehen, wenn man das erste Mal Bilder von Lordi sieht..., diese Monster und sich fragt: "Was ist das denn?" Satans-Verehrer, Teufel, etwas in dieser Art..., was auch immer. Wie gesagt, ein gewisses Verständnis bringe ich ja auf, aber die Leute nehmen das viel zu ernst und verstehen nicht, dass das nur Entertainment, Spass ist! Ich habe kein Mitleid mit ihnen...

OX: ...sie sind es, die Hilfe brauchen! (lacht laut)

AM: (lacht sich halbtod) - sie brauchen Hilfe..., das ist gut!

MF: Eine letzte Frage zu Masken und Kostümen: Wie heiss habt ihr darunter während einer Show?

AM: Es ist die Hölle...

OX: ...sehr heiss und man bekommt kaum Luft.., wirklich heiss. Wer er (zeigt auf Amen) zum Beispiel seine Stiefel auszieht, rinnt jede Menge Schweiss daraus..., jeden Abend.

MF: Das ist wohl der "Geruch des Erfolges"...

AM: Yeah! Genau... (lacht) - der Preis der Erfolges...

OX: Ja..., das ist er!

AM: Von wegen bemerkenswerten Situationen auf der Tour, wie du vorhin gefragt hast: Da war mal was mit Kita, unserem Drummer, der echt einen Moment weg war und von Rettungskräften mit Sauerstoff versorgt werden musste!

MF: Lordi bedeutet demnach harte Arbeit...

AM: Ja..., das ist es, yeah! Du kannst nicht eine Flasche Vodka trinken, ins Kostüm schlüpfen und dann auf die Bühne gehen! Das geht überhaupt nicht..., man muss Wasser trinken..., Kaffee..., jeden Tag. Es ist wirklich eine harte Sache.

MF: Lass uns über die Musik sprechen: Warum habt ihr diesen Stil gewählt und nicht etwa Death Metal?

AM: Ich denke, das liegt an uns..., weisst du, in den 80ern waren wir alle Teenager und kriegten die Musik quasi per Muttermilch. Bands wie Twisted Sister oder Kiss..., aber wir hören natürlich auch viel andere Musik wie System Of A Down oder so, aber unsere Wurzeln liegen klar in den 80ern. Darum ist das normal für uns, diese Art Musik zu spielen..., und es ist die beste Musik auf der Welt, was braucht es anderes?

MF: Es gibt ein paar ehemalige Musiker von Lordi. Enary (Vorgängerin von Awa - MF) war ein langjähriges Mitglied. Ist es nun nicht hart für sie, euch jetzt als erfolgreiche und berühmte Band zu sehen?

Amen gab zu verstehen, dass dies sicher so sei, aber aufgrund der Differenzen, die kein Geheimnis seien, ging es einfach nicht anders. Er habe sie seit dem Split (2005 - MF) nicht mehr gesehen und sie sei aber auf niemanden der anderen böse gewesen. Sicher wird sie enttäuscht sein, wenn sie die jetzige Situation sieht, aber sie spiele zur Zeit in zwei Bands, habe ihre eigene Karriere und er wünsche ihr alles Gute.

MF: Neben den Kostümen offeriert ihr euren Fans eine tolle Bühnen-Show mit vielen Effekten, darunter üppig Pyros und Feuer. Ist es aufgrund der sicherheitstechnischen Auflagen schwierig, in diesem Zusammenhang geeignete Auftrittsorte zu finden? War nicht in Kopenhagen was...?

OX: Ya...

AM: ...ich weiss nicht, ob wir in Kopenhagen..., hatten wir da Pyros?

OX: Ich glaube, wir hatte da welche...

AM: ...ok! Aber in Deutschland ging es an zwei Orten nicht.

OX: Ja, da durften wir nix machen..., und wie es hier ist, weiss ich nicht...

AM: Ich glaube, hier dürfen wir...

OX: ...ich hoffe, dass wir hier welche haben..., ich weiss es nicht.

MF: Der Innenraum hier (in Zürich - MF) ist sehr hoch...

AM: ... (Amen fragt einen anwesenden Techniker und kriegt ein klares "Ja" zur Antwort). - Yeah..., Rock'n'Roll!

Einer im Raum sagt: Nur ein Feuerchen!

AM : (lacht laut) - nur eines...

MF: Einfach ein grosser Knall am Schluss...

OX: ...und zur falschen Zeit! (beide lachen laut drauf los)

AM: Natürlich lieben uns viele Fans auch einfach so und die Pyros sind die Erdbeeren auf der Spitze des Kuchens. Aber es ist eigentlich nicht unser Ding, wir sind nicht wie Rammstein. Trotzdem..., wir mögen das Zeug und machen auch Gebrauch davon. Die Leute verstehen aber nicht, dass wir eben aufgrund von lokalen Vorschriften zwischendurch nichts bringen können. Es ist schwierig, ihnen das zu erklären.

MF: Ihr mögt euch sicher noch an das Drama mit Great White erinnern, als 100 Leute gestorben sind...

OX: Ja...., das war schrecklich! Man muss den Vorschriften der Sicherheitsleute Folge leisten, die wissen schon, was sie tun müssen...

AM: ...auf jeden Fall!

OX: Wir wollen niemanden umbringen!

AM: Natürlich nicht! (kichert)

MF: Für meinen Geschmack ist das Intro beim neuen Album "The Arockalypse" zu lange geraten und müsste am Ende der CD platziert sein. Es geht mehr als dreieinhalb Minuten, bis endlich Musik kommt!

AM: Aha..., du kannst ja skippen...

MF: Habt ihr keine Diskussionen darüber geführt?

AM: Natürlich! Weisst du..., "The Arockalypse" ist unser drittes Album und wir hatten bisher auf jedem ein Intro drauf. Wir möchten, dass unsere Alben damit beginnen..., aber du hast schon recht, wir haben viel darüber gesprochen..., dass es so lang sei und die Leute es nicht verstehen. Wir haben jedoch auch viel positives Feedback erhalten und es ist nicht wirklich ein Intro...

OX: ...es ist eine Geschichte.

AM: Ja..., eine Art Einführung in das Album..., aber..., ich weiss nicht..., ich skippe da immer!

(kollektives Gelächter im Interview-Raum...)

AM: Die grosse Sache ist, dass Dee Snider (von Twisted Sister - MF) einen Sprech-Part darin hat..., er hat es einfach gemacht. Aber wir haben viel darüber gesprochen...

MF: ...und die Idee dazu, von wem stammt die? Von der ganzen Band oder Mr. Lordi?

AM: Ich denke, das Meiste davon stammt von Mr. Lordi..., ja..., ja.

MF: Und zum Schluss: Die letzten Worte für alle Schweizer Lordi-Fans und Leser unseres WebZines Metal Factory lauten...?

AM: Oh yeah..., ahhh..., (da kam kurz was auf finnisch und OX schmunzelte sogleich)

OX: Das ist immer der schwierigste Part!

AM: Du weisst ja, was man immer sagt..., hey..., danke, dass ihr an uns glaubt...

OX: ...ya ya...

AM: ...es ist toll euch zu sehen, eine tolle Show zusammen zu erleben und so weiter. Wir tragen sehr gute Erinnerungen von der Schweiz in uns. Ich habe hier gute Freunde, die vorher Fans der Band waren und mir jetzt nahe stehen. Das ist wirklich toll und sonst in keinem anderen Land geschehen! Ich hoffe, heute Abend einige davon zu sehen und ich kann trotzdem sagen: Danke, dass ihr an uns glaubt!

OX: Ja..., danke von Lordi.

MF: Ok..., vielen Dank an euch!

AM: Danke dir..., ok..., du hast wirklich gute Fragen gestellt!

OX: Yeah!

MF: Oh..., danke!