Über die Magie einer wahren Band.
Endlich hatte ich anlässlich der Release des neuen
Motörhead-Albums „Bad Magic“ das riesige Vergnügen, Mikkey Dee, den
Drummer von Motörhead, kennen zu lernen und interviewen zu dürfen.
Wir trafen uns am Greenfield-Festival zum Gespräch und Mikkey
erzählte mit Snus in der Backe von spontanem Recording, was geht mit
anderen Bands (Kind Diamond?!) und was er jungen Bands für einen Rat
mit auf den Weg geben würde.
MF: Hey Mikkey, wie war die
Anreise, ihr standet ja wohl im Stau?
Mikkey: Ja,
da waren wohl Bauarbeiten im Gange. Aber wir haben es ja noch
geschafft.
MF: Vielen Dank, dass du dir Zeit nimmst
für Metal Factory. Gratuliere zum neuen Album! Ich durfte ja zum
Glück schon reinhören.
Mikkey: Ah gut, und was
denkst du, wie fandest du es?
MF: Es gefällt mir echt
gut, vor allem das Drumming am Anfang von „Shoot Out All Your
Lights“, das ist sehr ungewöhnlich.
Mikkey: Ja, da
habe ich mal etwas Neues ausprobiert, schön, dass es dir aufgefallen
ist.
MF: Warum heisst das Album „Bad Magic“?
Mikkey: Ohje, ich weiss es nicht. Wir konnten keinen Songtitel
finden, der sich auch als Albumtitel geeignet hätte. Manchmal ist es
total einfach, einen auszusuchen, aber diesmal hat uns keiner
überzeugt. Letztes Mal hatte ich die Idee für den Albumtitel
„Aftershock“, dieses Mal kam Lemmy mit dem Titel „Bad Magic“ an und
wir fanden, dass das gut klingt und entschieden uns dafür.
MF: Auf „Bad Magic“ ist auch ein Rolling Stones-Cover und zwar
„Sympathy for the Devil“. Warum habt ihr das ausgesucht für die
Scheibe?
Mikkey: Es wurde eigentlich für ein
anderes Projekt gemacht, aber es hat uns dann so gut gefallen, dass
wir den Titel auf der Scheibe haben wollten.
MF: In einem älteren Interview mit dir habe ich
gelesen, dass ihr jeweils nur einen Monat braucht, um ein neues
Album zu schreiben und aufzunehmen. Seid ihr immer noch so schnell?
Mikkey: Ja, es ist wirklich schnell, aber bei uns
ist das einfach auch ein sehr spontaner Vorgang. Wenn wir etwas
geschrieben haben, das uns gefällt, dann nehmen wir es auf und
machen weiter. Wir sind nicht überperfektionistisch und machen uns
Sorgen um jedes Detail.
MF: Denkst du, dass das bei
anderen Bands oftmals zu viel gemacht wird? Dass man sich dann
verrennt und nicht vorwärts kommt?
Mikkey: Ich
glaube schon, ja. Aber für manche Künstler ist das eine gute Art zu
arbeiten, bei uns funktioniert das aber einfach nicht. Ich habe
schon immer so meine Musik geschrieben: einfach den ersten Wurf
aufgenommen und nicht zu viel darüber nachgedacht. Es ist eine
ungewöhnliche Art, Musik zu schreiben und aufzunehmen, aber es fühlt
sich gut an.
MF: Ist das auch der Grund, warum ihr eurer Musik so
stark treu bleibt? Ihr lasst euch ja wirklich von keinerlei Trends
beeinflussen.
Mikkey: Ja, das hat sicherlich was
damit zu tun. Wenn wir unsere Songs eingehend analysieren und immer
wieder umschreiben würden, würde es die Authentizität zerstören.
Dieses spontane Vorgehen funktioniert für uns einfach am besten.
MF: Dieses Jahr werdet ihr quasi permanent auf Tour
sein und es gibt eine weitere Ausgabe von der Motörboat-Cruise - ihr
feiert ja euer 40jähriges Bestehen. Macht dir das Tourleben nach all
den Jahren immer noch Spass?
Mikkey: Ja, natürlich
- wenn es uns keinen Spass mehr machen würde, könnten wir das gar
nicht durchstehen. Man muss irgendwie dafür gemacht sein, entweder
man liebt es oder man hasst es.
MF: Gibt es einen
oder mehrere spezielle Events, auf die du dich besonders freust?
Mikkey: Wir waren gerade in Südamerika, das war
wirklich aufregend - und es war extrem heiss. Aber ich mag es
einfach allgemein auf Tour zu sein, und gerade Festivals wie dieses
hier machen sehr viel Spass, denn man trifft viele Leute und Bands,
die man lange nicht gesehen hat. Oftmals ist es dann fast familiär.
MF: Hast du denn überhaupt noch Zeit für dein
Nebenprojekt - die schwedische All Stars-Truppe „Nordic Beast“ - da
du ja mit Motörhead fast das ganze Jahr hindurch auf Tour bist?
Mikkey: Leider nicht wirklich, wir haben dieses
Projekt auf Eis gelegt, denn wir haben einfach alle keine Zeit
dafür. John (Norum, Gitarrist von Europe - Anm. MF) ist mit Europe
sehr beschäftigt und ich bin mit Motörhead voll ausgelastet zur
Zeit. Wir beide werden sicherlich wieder etwas zusammen machen, wir
wissen aber noch nicht was genau - und vor allem wann. Er ist ein
super Gitarrist und wir verstehen uns sehr gut, da wird also
sicherlich mal noch etwas kommen. Mit Nordic Beast haben wir einige
Shows gespielt und hatten viel Spass dabei, aber wir sind nicht
vorwärts gekommen mit dem Projekt und da habe ich es aufgeblasen.
MF: Nordic Beast ist ja ein skandinavisches Projekt
- du und John ihr lebt beide in Schweden. Wie macht ihr das bei
Motörhead mit den Proben - oder probt ihr gar nicht zusammen?
Mikkey: Doch doch, wir proben entweder in London oder
in L.A., wo eigentlich unsere Homebase ist. In L.A. nehmen wir auf,
wir schreiben dort die Songs und wir proben meistens auch dort. Ich
habe selbst 11 Jahr in Kalifornien gelebt und jetzt reise ich
zwischen Schweden und Kalifornien hin und her.
MF: Bist du denn in Göteborg, wo du lebst, trotzdem
immer noch aktiv in der Metal Szene unterwegs, auch wenn du oft weg
bist?
Mikkey: Ich kenne die Leute schon noch, bin
aber natürlich nicht mehr so aktiv involviert wie in den 80er
Jahren…
MF: Und bist du es noch nicht leid, dass
jeder dich fragt, wann du wieder bei King Diamond spielen wirst?
Mikkey: Oooooh Mann, das. Ja. Das scheint vielen
Leuten ein Anliegen zu sein. Ich habe lustigerweise grad heute mit
Andy (La Rocque, Gitarrist von King Diamond, Anm. MF) gesprochen,
zum ersten Mal seit einer sehr langen Zeit. Er hat mich grade vorhin
angerufen, als ich im Hotel ein Schläfchen gemacht habe. Sie gehen
auf eine grosse Tour, die Mayhem-Festival-Tour in den Staaten, das
geht wohl nächste Woche los. Wer weiss, vielleicht werde ich
irgendwann wieder was mit King Diamond machen, es ist sicherlich
nicht unmöglich.
MF: Aber Motörhead ist halt einfach ein full time
job, oder?
Mikkey: Ja, Motörhead ist das wichtigste
für mich. Und ich bin sehr vorsichtig mit neuen Projekten - wenn ich
nicht genug Zeit habe, lasse ich es liebe sein, als halbe Sachen zu
machen. Wir spielen so oft und das braucht so viel von meiner
Energie, dass ich eigentlich nichts daneben machen kann. Und wenn
ich bei etwas nicht Vollgas geben und es perfekt machen kann, dann
mache ich es lieber gar nicht.
MF: Welche Musik hörst du dir privat an?
Mikkey: Ich höre mir echt so ziemlich alles an - alles zwischen
Himmel und Hölle. Es kommt sehr darauf an, was ich grade mache und
in welcher Stimmung ich bin. Auf Tour höre ich mir zum Beispiel nur
selten Rock oder Metal an, das ist mir dann einfach zu stressig. Ich
würde zum Beispiel nicht unser neues Album anhören, da würde ich
voll durchdrehen (lacht)!
MF: Gibt es irgendeine junge Metalband, die du
besonders magst oder die dir besonders aufgefallen ist in letzter
Zeit?
Mikkey: Oh, da gibt es so viele, es ist sehr
schwierig, nur eine oder zwei zu nennen. Ich wünschte manchmal nur,
dass junge Bands etwas mehr Durchhaltevermögen zeigen und länger
dranbleiben. Mir scheint, dass viele nur ganz schnell richtig gross
und berühmt werden wollen. Was viele dieser jungen Musiker nicht
verstehen ist, dass man eigentlich gar keine Band ist, bevor man
nicht zehn Jahre zusammen auf einer Bühne gestanden hat. Da passiert
dann nämlich die wahre Magie, wenn dieselben Jungs oder Mädels
zusammen auf Tour gehen, miteinander gute und schlechte Tage erleben
und gemeinsam all diese Erfahrungen sammeln - und sich abstrampeln
aber nicht aufgeben. Ich glaube, dass es sehr lange braucht, bevor
man richtig gut aufeinander eingespielt ist - sowohl musikalisch als
auch menschlich. Und es gibt sehr wenig Bands, die sich diese Zeit
geben.
MF: Ist das der Rat, den du jungen Bands mit auf den
Weg geben würdest?
Mikkey: Ja genau! Bleibt
zusammen, kommt miteinander klar! Und seid nicht zu neidisch auf
Ruhm und Erfolg. Ich weiss genau, wie sich diese beiden Dinge
anfühlen - und ich habe trotzdem mein ganzes Leben gekämpft. Ich
habe mit fünf Jahren angefangen Schlagzeug zu spielen und hatte mein
erstes Konzert mit sieben. Und ich habe einfach immer weiter
gemacht, bin mir selbst treu geblieben und gebe nicht auf.
MF: Wie wenn man einen Marathon läuft: bleib einfach nicht
stehen. Hör nicht auf zu laufen.
Mikkey: Genau das
ist es: halte nicht an. Don’t get tired, don’t stop running.
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