Interview: Mystic Prophecy

By Tinu
 
Gelebte Träume und wertvolle Erinnerungen.



Seit 2001 ziehen Mystic Prophecy in die metallene Schlacht, liefern immer wieder tolle Metal-Werke ab und sind auf der Bühne eine um jeden Fan kämpfende Einheit. Die treibende Kraft hinter der Truppe ist Roberto Dimitri Liapakis oder kurz gesagt R.D. Liapakis. Mit dem neusten Streich «War Brigade» zeigt sich der Fünfer wieder von der besten Seite, haut Riffs und treibende Rhythmen im Sekundentakt aus den Boxen und überzeugt neben der Härte immer wieder mit einem geilen Refrain. Metal at its best! Neben seiner Metal-Vorliebe trägt R.D. aber auch eine hardrockende Seite in seinem Herzen, und diese lebt er mit Devil's Train aus. Wie der gebürtige Grieche alles unter einen Hut bringt und wie es dazu kam, dass er mit dem heutigen Ozzy-Gitarristen Gus G. die ersten Mystic Prophecy-Alben einspielte, könnt Ihr in den folgenden Zeilen nachlesen.

MF: Wie hast du damals Gus als Gitarristen für dich entdeckt?

R.D.: Ich habe die Lieder zum ersten Album geschrieben und suchte einen guten Gitarristen. Damals habe ich noch Annoncen in den Magazinen (grinst) geschaltet. An die vierzig Bewerber haben sich gemeldet, Gus war auch dabei. Zuerst fiel er bei mir durch, weil jeder zu der Zeit den Spleen hatte, wie Yngwie Malmsteen zu spielen und ihn zu kopieren, aber nicht sein eigenes Talent zeigte. Beim letzten Song entdeckte ich jedoch, dass Gus genau das spielte, was ich mir von einem eigenständigen Gitarristen wünsche. So bin ich mit ihm in Kontakt getreten, und da er ein Landsmann von mir ist, ging alles nochmals schneller. Das grösste Problem war, dass ich Gus so hinbiegen wollte und musste, dass er nicht nach Yngwie klingt, sondern nach Gus. Nach einer Weile hat das gut geklappt. Dass er jetzt bei Ozzy gelandet ist, macht mich sehr stolz. Gus und ich sind noch immer sehr gut befreundet und uns verbindet mehr als nur die Musik. Wir sind auch familiäre Freunde geblieben. Ich bin super happy, dass er es soweit geschafft hat und ich ziehe den Hut für seine Leistung wie die damit verbundene Arbeit!

MF: Du hattest immer wieder Lineup-Wechsel in der Band. Wie schwer ist es überhaupt, ein konstantes Bandgefüge am Leben zu erhalten?

R.D.: «Only the strong survive!» Wir sind alle berufstätig und haben unsere Familien. Da ist anders, als mit 25 Jahren. Da drückt noch nicht der Schuh, dass man Geld verdienen und seine Rechnungen bezahlen muss, oder eine Familie zu ernähren hat. Reicht das mit der Musik nicht, muss ich andere Wege gehen. Leider kostet dieser Zug andere Dinge, das heisst du kannst deinen Musiktraum nicht mehr oder nur bedingt verfolgen. Mit Familie und Kindern wird es sowieso noch viel schwieriger. Rock'n'Roll ist eine Lebenseinstellung. Alle Musiker, die bei Mystic Prophecy spielten, waren hochtalentierte und gute Mucker. Das kostet alles seine Zeit und die Band ist auch immer grösser geworden. Der Frau zu Hause drückt der Schuh, sie will in den Urlaub fahren (lacht), dann kommt der Knabe heim, es gibt nur noch Stress und sie zieht den Kurzen. Ich höre Rock'n'Roll seit ich sechs Jahre alt bin. Mein erstes Album war «Master Of Reality» von Black Sabbath. Als ich die Scheibe zum ersten Mal gehört habe, war ich völlig geflasht und fragte mich, was das denn für ein komisches Zeug ist (grinst). Tagelang ging mir der Sound nicht mehr aus den Ohren raus. So bin ich Fan geworden, und das hat sich bis heute nicht verändert. Die Musik ist für mich ein Alltagsventil. Mit meiner Musik erlebe ich etwas, habe Spass mit meinen Jungs und dabei gehts nicht immer nur ums Geld. Diese Dinge, die ich erlebe, kann mir keiner mehr nehmen. Irgendwann gehe ich in Rente oder kann mit 80 Jahren meinen Enkelkindern erzählen, was ich alles erlebte und welche verrückten Leute ich kennenlernte. Das ist alles unbezahlbar.

MF: Hattest du Träume mit der Musik?

R.D.: Nein, hatte ich nie. Ich sah viele Musiker und Bands kommen und gehen. Uns gibt es noch immer, und das ist eine Supersache, dass ich mit meiner Band noch immer ein Teil dieser Szene bin.

MF: Du hast gesagt, Neid gibt es nicht. Gibt es aber ein Unverständnis, dass andere Band erfolgreicher…

R.D.: …ja, aber was ich gut finde und was nicht, spielt keine Rolle. Was die Fans gut finden und warum, das ist ein anderer Punkt. Viele lieben dich für das was du machst, und andere hassen dich. Es kann sein, dass Bands, die ich nicht talentiert finde, trotzdem irgendwie den Nerv von vielen Leuten treffen und durch die Decke gehen. In dieser Szene gehört auch ein gewisses Glück dazu, das akzeptiere ich. Ich bin ein glücklicher Mensch, habe eine Familie, einen Job und ein geile Band. In so schwierigen Zeiten wie sie momentan sind, in der du kaum Musik verkaufst und mit einer Band nicht wirklich überleben kannst, da habe ich doch echt Glück, dass ich noch immer mit einer Truppe da bin!

MF: Wie war es für dich, zum ersten Mal eine Platte von dir in den Händen zu halten?

R.D.: Das war eine tolle Sache mit der «Vengeance». Ich bin voll hinter der Scheibe gestanden. Wenn ich sie mir heute anhöre, denke ich "Uiih" (grinst). Die Anfangsphase ist immer ein Lernprozess. Man hört mit den Jahren, wie man sich entwickelt und freut sich umso mehr, weil man diesen qualitativen Unterschied hört. Das war damals eine tolle Sache, seine eigene Scheibe in den Händen zu halten. Die schlimme Sache ist, du wirst nie die perfekte Scheibe aufnehmen. Im Nachhinein, wenn ich mir das Album anhöre und mehr Zeit habe, um mich auf die Lieder zu konzentrieren, kommen immer wieder Dinge ans Tageslicht, die man ändern würde (grinst). Verstrickt man sich aber in der Perfektion, verliert die Musik an Natürlichkeit.

MF: Wieso hast du die Scheibe selber produziert?

R.D.: Ich wusste immer, wo ich meine Band vom Klang her hinsteuern will. Ich wollte dabei nicht wie Stratovarius, Iron Maiden oder Grave Digger klingen. Diese Originale wirst du niemals kopieren oder toppen können. Darum versuchte ich immer das zu machen, was ich für Mystic Prophecy richtig finde. Dabei habe ich immer unterschiedliche Dinge angehört und mich getraut, diesen Sound selber zu machen. Mit den Jahren hat dies gut funktioniert.

MF: Wie gross ist die Gefahr einer eigenen Betriebsblindheit, wenn man die Lieder schreibt und auch produziert?

R.D.: Eigentlich kaum. Ich will der Band geben, was zu ihr passt. Das Problem haben viele Produzenten, die mit einer bestimmten Produktion erfolgreich waren und dann alle Bands so klingen lassen. Du musst den Truppen ihr eigenes Gesicht geben.

MF: Thema Texte…

R.D.: …ich will mir ein Konzept ausdenken, und wir Griechen sind ja Weltmeister, was das Erzählen von Geschichten betrifft (grinst). Ob Troja, Götter oder Halbgötter, wir haben alles (lacht). Das Cover muss mit dem Titel und den Texten harmonieren. Ich will den Leuten ein stimmiges Paket abgeben. Eine fröhliche Melodie kann nicht mit dem Text über einen Toten stattfinden. Das funktioniert nicht, und das Gesungene muss eine Verbindung mit der Musik eingehen. Aber, verkaufst du 10'000 Alben, werden vielleicht 150 bis 200 Leute deine Texte lesen. Die meisten Hörer sind diesbezüglich sehr oberflächlich. Viele kennen gerade mal den Chorus oder den Titel des Liedes. Das ist ja auch nicht Schlimmes.

MF: Wie kam es zu Devil's Train?

R.D.: Devil's Train ist die andere Seite meines Gesichtes (grinst). Mit dieser Musik bin ich gross geworden. Led Zeppelin, Deep Purple. Wir sind an den Arbeiten zur dritten Scheibe und möchten, wenn sich die Möglichkeit bietet, eine Tour spielen. Als Newcomer-Band zu touren ist immer sehr schwer, und man braucht ein Schweinegeld, um als Support zu spielen. Zuerst musst du dir einen Namen machen, dazu benötigst du zwei Scheiben und mit der dritten sieht man dann, was sich ergibt. Devil's Train kommen gut an und verkaufen auch gut. Aber da müsste man auch mit einer passenden Band touren. Ich mache beide Bands mit dem gleichen Enthusiasmus. Wäre dies nicht so, könnte ich zu Hause bei meiner Frau und meinem Kind bleiben. Wichtig ist auch, dass sich die beiden Bands unterscheiden, sonst würde ich mir selber ins Bein schiessen (grinst). 2010 waren Mystic Prophecy zusammen mit Stratovarius auf Tour. Da hatte ich die Devil's Train Songs auf meinem Laptop und habe dazu gesungen. Jörg Michael (damals Trommler bei Stratovarius) fragte mich, wer denn dies sei, das ist der pure Wahnsinn. Was für ein geiler Rock'n'Roll, da hätte er völlig Bock mitzuspielen. Ich sagte: "Wir suchen noch einen Trommler" und so ist er bei Devil's Train eingestiegen (grinst). Da wir ebenfalls einen Basser suchten, stieg auch Jari Kainulainen (ehemals Stratovarius, heute Masterplan) ein. So schloss sich der Kreis.

MF: Du hast immer wieder geile Coverversionen auf den Alben. Sei es zum Beispiel oder «American Woman» oder «Crazy Train».

R.D.: Markus (Pohl, Gitarrist bei Mystic Prophecy) ist ein Ozzy und Zakk Wylde Fan. Die Ideen dieser Covers stammen von ihm und er spielt das Material sehr gut. Die Tracks hören sich wie ein Lied von Mystic Prophecy an und nicht wie bei Ozzy. Wenn wir was haben, das Spass macht, dann nehmen wir dies auf. Bei Devil's Train… «American Woman» ist eine geile Nummer, und die haben wir Devil's Train kompatibel gemacht. Das entsteht aber meistens aus einer Laune heraus. Eins zu eins zu kopieren macht keinen Sinn, da wird das Original immer besser sein (lacht).

MF: Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, ein reines Cover-Album aufzunehmen?

R.D.: Ich will jetzt nicht zu viel verraten (grinst)…

MF: …nächste Frage…

R.D.: …genau, nächste Frage (grinst). Das nächste Mystic Prophecy-Album ist unser zehntes und da wollen wir etwas Spezielles für unsere Fans machen.

MF: Was war für dich früher wichtig, und was ist es heute?

R.D.: Die Leute die ich mag, meine richtigen Freunde, meine Familie sind mir heute sehr wichtig. Gesund zu sein und wenn man glücklich ist, kann man andere Dinge machen, die Spass machen! Das bedeutet, dass es damals gute Zeiten gab, wie auch heute (grinst). Schau mal, ich habe meine Frau, mein Kind, meine Freunde und konnte mein Hobby, meine Lieblingsmusik zu einer Halb-Professionalität machen. Ich spiele vor Leuten und erlebe was. Ich bin ein glücklicher Mensch. Wie viel Geld brauche ich um glücklich zu sein? Bei vielen ist genug eben nicht genug, darum sollte jeder wissen, was reicht.

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

R.D.: 2017 wird ein kreatives Jahr. Songschreiben steht dabei im Mittelpunkt. 2018 will ich dann eine neue Devil's Train und eine neue Mystic Prophecy veröffentlichen, und wenn wir wieder eine solch stressfreie Tour wie diese mit Grave Digger spielen können, was will man mehr? Weder mit den Musikern, noch mit der Crew gab es irgendwelche Troubles. Da merkt man einfach, dass eine solch grosse Band es nicht mehr nötig hat, einen Support über den Tisch zu ziehen. Höre ich da andere Stories… Einen solchen Kindergarten braucht kein Mensch.

MF: Dann wünsche ich dir viel Erfolg und weiterhin alles Gute.

R.D.: Vielen Dank dir und alles Gute.