Am 9.März fanden sich Overkill im Rahmen der Tournee
zu ihrem aktuellen Album "Ironbound" im Dietikoner
Sounddock 14 ein, um viele neue Songs live vorzustellen
und natürlich auch alte Hits zu spielen. Metal Factory
ergriff die Gelegenheit, den sympathischen Mastermind
Bobby "Blitz" Ellsworth zu einem Interview zu treffen,
um ihn mit Fragen rund um die Themen Musik und Politik
konfrontieren. Wie der treue Overkill-Fan weiss, befasst
Sänger Bobby sich gerne mit wirtschaftlichen und
politischen Geschehnissen, was dazu führt, dass die New
Yorker Truppe sich regelmässig auch in ihren Songtexten
mit diesen Themen auseinandersetzt. Der liebenswerte
Lockenkopf genoss es sichtlich, mal nicht
ausschliesslich über seine Musik zu sprechen und hatte
einige interessante Dinge zu erzählen. Aber immer schön
der Reihe nach...
MF: Hallo Bobby! Wie geht es dir und was macht die
Gesundheit?
BE: Erstaunlich gut, obwohl ich mir ja gerade eine
Zigarette angezündet habe. Immer kurz vor einer Tournee
steigt meine Laune enorm, und ich versuche jedes Mal,
mich ernsthaft darauf vorzubereiten. Ich bin mir nämlich
durchaus bewusst, wieviel Glück ich habe, mit meinen
über fünfzig Jahren noch immer auf der Bühne zu stehen.
Ich habe einen wunderschönen dreijährigen Schäferhund,
mit dem ich sehr lange Spaziergänge unternehme. An den
Wochenenden sind wir draussen in den Wäldern und legen
weite Strecken zurück, was meiner Gesundheit natürlich
sehr zuträglich ist.
MF: Fein, freut mich zu hören! Wie verläuft die Tour
denn bisher? Seid ihr soweit zufrieden?
BE: Es läuft überraschend gut, weit über meine
Erwartungen hinaus! Gestern in Frankfurt waren wir sogar
ausverkauft! Wir spielen täglich vor 700 bis 1000
Personen, zumindest in Deutschland und Grossbritannien.
Ich weiss noch nicht, was wir die nächsten Tage in
Italien und Österreich zu erwarten haben, doch bisher
waren wir sehr zufrieden. Wenn man vor den vielen Leuten
auf der Bühne steht, dann beginnt die Halle zu
pulsieren, und wenn das passiert, dann wird die Show
umso intensiver. Doch letzten Endes ist die Leidenschaft
des Publikums dafür verantwortlich, auf welchem Level
sich die Show abspielt. Für uns ist es bisher eine sehr
gute Tournee und wir erleben eine schöne Zeit!
MF: Mit den Reaktionen zu "Ironbound" seid ihr sicher
auch zufrieden, oder? Die Medien und die Fans sprechen
sehr positiv darüber.
BE: Oh ja, absolut! Aber so arrogant das vielleicht auch
klingen mag, ich habe nichts anderes erwartet. Das liegt
ganz einfach daran, dass wir solide sind. Bei uns weiss
man immer, was einen erwartet. Wir spielen ganz normalen
Thrash Metal und lockern ihn hin und wieder mit
Elementen wie Punk Rock oder etwas Rock n' Roll auf, und
genau das scheinen die Leute zu wollen, denn die Reviews
in den gängigen Magazinen waren sehr, sehr gut!
MF: Meiner persönlichen Meinung nach klingt "Ironbound"
so gut, dass man es für ein Best Of-Album halten könnte.
BE: Oh wow! Das ist mal ein echt grossartiges
Kompliment, vor allem weil es von dir kommt! Ich meine,
du bist seit 1987 ein Overkill-Fan und kennst unser
ganzes Programm! Ich bin so begeistert, dass du mit acht
Jahren schon ein Fan von uns warst! Wenn wir heute noch
achtjährige Fans hätten, dann würde ich mit Overkill
weitermachen bis ich achtzig wäre, hahah! Aber jetzt
sorgen wir erst mal dafür, dass dein Sohn auch ein Fan
von uns wird! (heiteres Gelächter)
MF: Hahah, ja das wäre was! Wir werden sehen, was die
Zukunft bringt! Erzähl uns doch mal etwas über die
Songtexte des aktuellen Albums.
BE: Gerne! Ich werde jetzt aber nicht jeden Song einzeln
durchnehmen, sondern es zu verallgemeinern versuchen.
Wenn ich an meine bisherigen Songtexte denke, dann denke
ich immer an die Stimmung, in der ich während des
Schreibens war. Es ist nicht einfach, etwa ein Dutzend
Songs auf einem Album aneinander zu reihen, ohne sich
dabei auch mal zu wiederholen. Auf "Ironbound" hört man
wiederholt heraus, dass 2009 für mich persönlich ein
verdammt gutes Jahr war. Songtexte von Overkill mögen
sicher manchmal düster sein, doch sie heben auch die
Sonnenseiten hervor und betonen diese. Manchmal betonen
sie aber auch die Schattenseiten, damit man im
Nachhinein die Sonnenseiten umso mehr zu schätzen weiss.
2009 war ein gutes Jahr! Ich wurde 50 Jahre alt und
hatte eine grossartige Party mit Overkill, meiner
Familie, Unterstützern der Band wie z.B. Fan-Clubs... Wow, war das ein cooles Jahr! Ich habe all die damals
entstandenen positiven Gefühle quasi mitgenommen auf
meinen weiteren Lebensweg. Ich habe kapiert, dass ich
während meiner schweren Zeiten nie wirklich allein war
und viel Unterstützung hatte. Ich denke, dass dieser
positive Grundtenor all unserer Lyrics stets auf die
Fans überschwappt und sie aufbaut, sonst hätten wir
vermutlich keine achtjährigen Fans oder solche, die uns
seit bald dreissig Jahren unterstützen. Das funktioniert
auch deshalb so gut, weil es eine grün-schwarze Armee
ist. Um deine Frage so präzise wie möglich zu
beantworten: die Lyrics drehen sich nach wie vor um das
klassische Schema "Wir gegen die anderen", sei dies nur
politischer oder welcher Art auch immer. Für mich geht
es auf "Ironbound" vor allem darum, dass die Texte in
einer konstruktiven Stimmung geschrieben worden sind und
dass möglichst viele Fans das spüren.
MF: Wundervoll beschrieben! Dürfen die Fans eine neue
DVD erwarten?
BE: Wir haben in der Band darüber gesprochen und würden
das wirklich gerne tun. Wir sind in erster Linie eine
Live-Band und stehen sehr gerne auf der Bühne, daher
wäre es sicher toll für die Fans, wenn sie sich
Show-Mitschnitte daheim anschauen könnten. Eine Live-DVD
wäre sicher angesagt, aber ich denke, dass Nuclear Blast
kein Interesse daran hat. Wir haben ja im Jahre 2002 die
"Wrecking Everything" gemacht, eine Live-DVD. Irgendwie
kann ich mir aber nicht vorstellen, dass sowas in
nächster Zeit drinliegt, weil sie es einfach nicht
wollen. Wahrscheinlich entscheidet irgendein Buchhalter
in einem Büro darüber und denkt sich, dass die
Produktion einer DVD ihren finanziellen Aufwand nicht
mit dem Gewinn einholen kann. Aber ich verstehe solche
Entscheidungen durchaus, da die Verkäufe in der
Musik-Branche nach wie vor sehr schlecht laufen. Man
muss seinen Arsch hoch kriegen und auf Tour gehen, wenn
man sich seine Brötchen verdienen will.
MF: Ihr habt mit Nuclear Blast einen Vertrag über
drei Alben gemacht, somit haben wir glücklicherweise
noch zwei weitere Alben vor uns. Arbeitet ihr schon an
eurem nächsten Werk?
BE: Nein, noch nicht so richtig. Wir haben auch noch
keine Vorstellung davon, wie die nächste CD werden soll.
Das war bei "Ironbound" auch so; das Album nahm erst
Form an, als wir daran zu arbeiten begannen. Glück und
Genie liegen da sehr nah beieinander. Manche halten sich
für musikalische Genies, dabei hatten sie einfach nur
Glück. Die Lyrics und die Musik auf "Ironbound" passen
herrlich zusammen, doch ich kann noch nicht sagen, ob
das auf dem nächsten Album auch so sein wird. Ich kann
mich nur bemühen, meinen Vorstellungen keine Grenzen zu
setzen, denn mein Leben wurde stets durch die
Vorstellung beflügelt, dass es keine Grenzen gibt, auch
in unserer Musik nicht.
MF: Bei unserem letzten Zusammentreffen sprachen wir
über Geheimgesellschaften. In letzter Zeit äussern sich
vermehrt Musiker aus dem metallischen Bereich zu
sogenannten Verschwörungstheorien...
BE: Oooh ja! (guckt interessiert)
MF: ...zum Beispiel Jon Schaffer von Iced Earth oder
Dave Mustaine...
BE: Mhm, richtig!
MF: Wie denkst du darüber, dass solche Themen in
letzter Zeit immer mehr Anhänger finden und auf offene
Ohren stossen?
BE: Ich erinnere mich noch sehr gut an unser letztes
Gespräch vor drei Jahren. Wir sprachen über...
MF: Skull and Bones.
BE: Korrekt! Diese Geheimgesellschaft, welcher
amerikanische Präsidenten seit unzähigen Jahren
angehören. Hmmm... wie ist meine Meinung dazu... Ich
halte es grundsätzlich für eine gute Sache, wenn solche
Dinge an die Öffentlichkeit geraten. Es stellt sich die
Frage, ob die heutige Welt nur deshalb so läuft wie sie
läuft, weil solche Gesellschaften sie leiten. Man muss
allerdings differenzieren und sich intensiv genug damit
befassen, um dabei für sich selber festzustellen, wie
die Wahrheit aussieht. Ich bin kein Fanatiker, doch ich
weiss gerne Bescheid. Vor Jahren habe ich mal ein Buch
über diese Themen gelesen und dann noch eine
Dokumentation geschaut, so fing es bei mir an. Darauf
hin habe ich mich noch genauer damit befasst und vieles
recherchiert. Leider wissen die meisten Menschen
überhaupt nichts über solche Geheimgesellschaften, das
ist schlimm! Denn wenn etwas geheim gehalten wird, dann
ist es doch offensichtlich falsch, darum müssen diese
Dinge aufgedeckt werden, und zwar auf einem hohen Level!
MF: Woran liegt es deiner Meinung nach, dass die
meisten Menschen kein Interesse an dermassen wichtigen
Themen zeigen?
BE: Womöglich ist ein genereller Mangel an Wissen dafür
verantwortlich. Wir haben in den Vereinigten Staaten ein
Sprichwort dafür, "Ignorance is bliss", also
"Unwissenheit ist ein Segen". Den meisten Leuten ist es
einfach zu belastend, zuviel zu wissen, da viele von
ihnen in erster Linie bemüht sind, mit einem Lächeln
durch ihr Leben zu gehen. Die meisten ahnen zwar, dass
die Regierungen das Volk total verarschen, doch viele
haben Angst davor, hinter den Vorhang der politischen
Bühne zu blicken und die Wahrheit zu erfahren, denn je
mehr man weiss, desto mehr Anspannung kann entstehen.
Andere Leute wiederum können mit dem Druck dieses
riesigen Wissens sehr gut umgehen, was sich durchaus
auch beruhigend auswirken kann. Es gibt einem doch eine
Art Freiheitsgefühl, wenn man gebildet ist, oder?
MF: Oh ja, absolut! Und du bist ja ein gebildeter
Mann, darum wüsste ich gerne deine Meinung über die
derzeitige weltpolitische Lage.
BE: Hey hey, ich mag deine Fragen!
MF: Oh? Danke sehr!
BE: Die Welt scheint sich in einem grossen Wandel zu
befinden. Der mittlere und nahe Osten wird immer der
Siedepunkt des Geschehens sein, und das hat nichts mit
Religion zu tun, sondern mit politischer Verfolgung und
egoistischen Interessen. Das sieht man zur Zeit in
Ägypten und Libyen. Diese Revolutionen sind notwendig,
damit das Volk sich von seiner Regierung befreien kann,
und ich bin der Meinung, dass Afrika diese Befreiung
braucht. Der Rest der Welt ist bereits mehr oder weniger
frei, falls man das überhaupt so nennen kann. Sogar
Indien ist auf dem Weg zu einer demokratische Basis und
wird sich selbst mit der Zeit aus der Armut retten
können. Viele Westler fürchten sich vor dem Mittleren
Osten, doch in Wirklichkeit ist das nicht die Furcht vor
Einzelpersonen, sondern ganz einfach Angst vor gewissen
extremen Ideologien. Aber viele Menschen dort sind doch
so wie wir! Man kann zum Beispiel mit einem Ägypter
zusammen an einem Tisch sitzen und mit ihm die neue CD
von Megadeth hören, während er seiner Freundin per
iPhone eine sms schreibt. Es gibt insofern keine
Unterschiede zwischen uns. Ach, man sollte das mit dem
Mittleren Osten viel lockerer sehen! Gib den Leuten dort
Fast Food, Mobiltelefone und Flachbild-Fernseher, dann
wird niemand mehr für die Taliban arbeiten wollen, hahah!
Ich weiss, es klingt simpel, aber ich denke mir, dass
man das alles nicht so aufbauschen sollte. Es gibt
zuviel Panikmache seit 9/11...
MF: Wenn ich mich richtig erinnere, dann hältst du
9/11 für einen Inside Job. Denkst du, dass die Wahrheit
über dieses Ereignis nach all den Jahren noch ans Licht
kommen wird?
BE: Hmm, interessante Frage... darüber habe ich bisher
noch gar nicht nachgedacht. Hmm... also ich halte dieses
Thema offiziell für abgeschlossen. Seither sind viele
andere Dinge passiert, die das Volk beschäftigt halten.
Dieses Ereignis hat einen enormen Eindruck hinterlassen,
der vermutlich grösser als jede Wahrheit ist, die man im
Nachhinein darüber herausfinden könnte. Es war etwas
Einzigartiges in der amerikanischen Geschichte,
vielleicht sogar in der Weltgeschichte. Doch die
Menschheit ist träge und stellt deshalb immer weniger
Fragen betreffend des wirklichen Tatherganges. Aber das
ist nur mein eigener Eindruck.
MF: Du hast einmal gesagt, dass du organisierte
Religionen für gefährlich hältst, und diese Ansicht
teile ich. Wie ist deine Meinung über die grossen
Religionsgemeinschaften der heutigen Zeit?
BE: In Bezug auf Religionsgemeinschaften denke ich, dass
sie sicher ihre Berechtigung haben. Es sind die
Menschen, die Religionen verdrehen und missbrauchen.
Allerdings halte ich Anhänger grosser Religionen, und
vor allem des Christentums, nicht gerade für sehr klug.
Oder lass es mich so erklären: viele Menschen beten
oftmals aus egoistischen Motiven irgendeinen Gott an,
oder auch weil sie Angst haben. Wir sprachen ja vorher
über diese Angst vor dem Mittleren Osten, die bei und in
den Vereinigten Staaten weit verbreitet ist. Bei uns
denken sie, dass die Moslems alle in der Wüste leben und
sich den ganzen Tag mit Schusswaffen und Bomben
beschäftigen, dabei führen diese Menschen doch ein
normales Leben, fahren ihre normalen Autos und haben
ihre normalen Jobs. Aber ich weiche ab... Meiner Meinung
nach sind organisierte Religionen vor allem für eines
gut: um Verantwortung abzugeben. Wenn man an eine
Religion glaubt, dann muss man selber nicht mehr viel
nachdenken und fühlt sich klein. Und wenn man klein ist,
dann hat man weniger Verantwortung und schummelt sich
leichter durch das Leben, weil ein anderer einem die
Last abnimmt. Ach, es ist manchmal verflucht...
MF: Verflucht? Jetzt gibst du mir aber ein gutes
Stichwort! Gibt es etwas Neues von deinem Nebenprojekt
The Cursed?
BE: Hahahah, ein toller Übergang! Nein, viel Neues gibt
es da nicht. Ich zupfe mit Dan Lorenzo ein bisschen auf
der Gitarre rum, und wir schreiben uns ein paar Riffs
auf. Hin und wieder gehn wir zusammen essen, aber es
muss sicher zwei Jahre her sein, seit wir zusammen im
selben Raum sassen und ernsthaft komponiert haben. Wir
gehen eher zum reinen Vergnügen in mein Studio, legen
ein Tape ein, lassen die Drum-Maschine laufen und albern
herum. Da ist kein Bassist, kein Drummer... nur Dan und
ich.
MF: Somit ist The Cursed weiterhin ein lockeres Hobby
für dich?
BE: Ja, so zum Ausgleich.
MF: Okay, kommen wir zur letzten Frage! Wie lautet
deine Message für die Schweizer Fans?
BE: Es ist immer wieder schön hier zu sein! Ich erinnere
mich an unsere 1986er Tournee, da spielten wir... hmm,
war es im Volkshaus?
MF: Das könnte sein. Das Volkshaus war damals die
übliche Location für Metal-Konzerte.
BE: Yeah, es muss das Volkshaus gewesen sein! Wir haben
1987 mit Helloween dort gespielt. Das war meiner Ansicht
nach unsere erste richtige Tour, und wann immer ich mich
an unsere erste richtige Tour erinnere, denke ich an die
Schweiz. Hmm... 2011 minus 1986... ich rechne lieber
nicht nach, wieviele Jahre das sind, hahah! Aber es sind
sehr viele Jahre! Es sind extrem viele Jahre der
Unterstützung durch unsere Schweizer Fans. DAS ist Grün
und Schwarz! (heiteres Gelächter)
MF: Grossartig, dass du die Schweiz mit einer so
schönen Erinnerung verbindest!
BE: Yeah, die Schweiz ist cool! Hey, kommst du heute
Abend an unsere Show?
MF: Ich werde da sein! Danke für das Interview und
alles Gute für die Zukunft!
BE: Danke auch dir! Für die super Fragen und den
langjährigen Support!
Unsere Maiya mit Bobby >>>
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