Interview: Phantom 5

By Tinu
 
Verstaubte Downloads auf Festplatten.



Claus Lessmann wird man für immer und ewig mit seiner ehemaligen Truppe Bonfire in Verbindung bringen. Doch Dinge ändern sich, ob man will oder dazu gezwungen wird. Aus der Not wurde eine Tugend gemacht und Claus formierte zusammen mit Michael Voss (Casanova, Mad Max), Robby Boebel (Frontline) und Schlagzeuger Axel Kruse (ehemals Jaded Heart) die Band Phantom 5. Beim Debütalbum griff noch der ehemalige Skorpion Francis Buchholz in die vier dicken Saiten. Mit dem zweiten Werk «Play To Win» hat die Combo ein bärenstarkes Album veröffentlicht, welches bei uns zurecht beim Oktober CD-Tipp von Platz 1 grüsst. Wie es zum neuen Album gekommen ist, erzählt Claus beim Interview. Dass dabei seine musikalische Vergangenheit auch zur Sprache kommt, ist logisch.

MF: Ihr habt bei uns im Soundcheck den ersten Platz…

Claus: …Martin, dafür wollte ich mich sowieso bedanken! Das Review ist hammermässig, und da freue ich mich wirklich riesig darüber! Das geht runter wie Öl! Du arbeitest lange darauf hin, machst dir viele Gedanken über die Songs und versuchst einen guten Job zu machen. So freut man sich, wenn man solche Kritiken bekommt. Ganz ehrlich, ich war total baff! Super! Echt, da freue ich mich!

MF: Wie habt ihr die neuen Lieder geschrieben? Im Team oder jeder in seinem eigenen Kämmerlein?

Claus: In der Regel schreiben wir die Songs zusammen. Es kommt aber vor, dass einer von uns alleine einen Song ausarbeitet. Robby hat wieder ganz viele Riffs geliefert. Daraus bastelten wir uns die Tracks zusammen. Das Songwriting ging locker von der Hand. Hast du ein Album komponiert, das bei den Fans gut ankommt, hast du Bammel beim Nachfolger. Man ist dann ein bisschen nervös. Aber ich war überrascht, wie viel Kreativität in uns allen steckt. Das hat im Endeffekt alles ein bisschen einfacher gemacht. Irgendwie fällt es mir auch leichter, neue Lieder zu schreiben. Vielleicht liegt dies auch an der guten Chemie, die zwischen Michael und mir herrscht. So fällt auch ein gewisser Druck weg, da er ein genialer Songschreiber ist.

MF: Was war für dich bei «Play To Win» anders als beim Debütalbum?

Claus: Das ist schwierig zu sagen. Ich glaube, es hat sich nicht viel verändert, da wir dort ansetzten, wo wir beim letzten aufhörten. Wir hatten das Gefühl, dass wir noch lange nicht am Ende sind mit unseren Songs und haben einfach unser Potenzial ausgeschöpft.

MF: Ist Phantom 5 für euch ein Projekt oder eine richtige Band?

Claus: Das ist ein schwieriges Thema. Es ist ein Projekt. Der Unterschied… Ich denke, das präzisiert deine vorherige Frage noch ein bisschen. Ich denke, dass Phantom 5 bei uns allen in den Köpfen als Band abläuft. Der Name Projekt ist immer ein bisschen negativ behaftet. Keine Ahnung warum, aber es ist leider so. Als wir die neuen Tracks schrieben, hat jeder das Ganze als richtige Band gesehen. Man stellt sich die Lieder vor, wie sie klingen könnten, wenn man sie auf der Bühne spielt. Deswegen glaube ich, dass es eine Mischung aus Band und Projekt ist. Zu einer Band gehört dazu, dass man live performt. Soweit sind wir momentan noch nicht. Das Denken, das Arbeiten und die Kreativität geschieht als Band. Das führt dann vielleicht auch dazu, dass Phantom 5 mehr nach einer Band klingen, als manch anderes Projekt.

MF: Das Ziel bei euch ist eine Tour oder Konzerte zu spielen?

Claus: Ob dies das Ziel ist, weiss ich nicht (grinst). Es liegt viel an mir selbst, da ich nach diesem mehr als schmerzhaften Split von Bonfire noch nicht bereit bin, wieder auf die Bühne zu gehen. Zwischenzeitlich traten zu viele rechtliche Probleme ans Tageslicht. Aus diesem Grund wehre ich mich noch ein bisschen dagegen auf die Bühne zu gehen, da ich noch immer Angst vor rechtlichen Konsequenzen habe. Würde auf einem Plakat oder in einer Ankündigung stehen: "Claus Lessmann, Bonfire" und nicht Ex-Bonfire, weil es schlicht vergessen wurde, habe ich wegen Markenrechtsverletzung schon wieder eine Klage im Hause. Da habe ich momentan keinen richtigen Bock drauf. Bei mir hat im Moment der richtige Funke noch nicht gezündet, der mich zurück auf die Bühne bringt, obwohl sich viele Leute dies wünschen. Es wird vielleicht so kommen, aber da muss noch eine gewisse Zeit vergehen.

MF: Dann muss dieser Split sehr schlimm gewesen sein, wenn es einen Musiker wie dich davon abhält, wieder auf die Bühne zu gehen!?

Claus: Jetzt ist Ruhe eingekehrt, aber es war schon ziemlich heftig. Es gab ein paar Akustik-Sets mit Michael und mir. Eines davon war in der Slowakei, bei dem die ganz harte Fraktion am Start war. Da gehen wir Beide raus auf die Bühne, bewaffnet mit zwei akustischen Gitarren, spielten eine dreiviertel Stunde und die Leute hatten Spass dabei. Die Mischung aus Phantom 5-, Casanova- und Bonfire-Songs schien den Anwesenden zu gefallen. Dann war ich dieses Jahr im Olympia-Stadion zusammen mit Andreas Gabalier auf der Stage. Die eine Nummer, die wir zusammen aufführten, hat sehr viel Spass gemacht. Da denkt man sich schon: «JA! Da willst du hin, auf die Bühne». Aber wie gesagt, mit Phantom 5 auf die Stage zu gehen, da bin ich noch nicht bereit dazu. Das war eine schlimme Zeit, die noch ein bisschen im Bauch liegt. So traurig, wie es ist, aber so ist es eben…

MF: …absolut, denn ich finde dich nach wie vor einen der geilsten Sänger, Performer und Entertainer, die man sehen und sich anhören kann!

Claus: Martin, was willst du trinken (lachend), ich bestelle uns was!

MF: Wer hatte eigentlich die Idee zu Phantom 5?

Claus: Die stammte vom Frontiers Records Boss Serafino Perugino. Der hat eines kühlen Winterabends, sofern es diese überhaupt in Italien gibt (lacht), die Idee und darum Michael angerufen. Serafino hatte eine genaue Vorstellung dieser Band… Ich sag' auch schon Band (grinst). Er hatte eine genaue Vorstellung dieses Projekts und wer alles dabei mitspielen sollte. So rief mich Michael kurz vor Weihnachten an und wollte wissen, ob ich Bock darauf hätte. "Warum nicht? Ich bin ja eh bei Bonfire raus!" Ich hatte Lust dazu. So sassen wir zusammen und sprachen, was wir denn da machen könnten. Die anderen Musiker hatten auch alle Bock und schwuppdiwupp war die Truppe zusammen.

MF: Wie kam's zum Bandnamen?

Claus: Es war ein anderer Namen geplant. Serafino hatte da auch schon weitergedacht (grinst). Er wollte die Band Supremacy nennen. Aus rechtlichen Gründen, weil es schon eine Band aus Südamerika mit diesem Namen gibt, haben wir uns für einen anderen Namen entschieden. Axel tauchte dann mit dem Namen Phantom 5 auf. Den fanden wir alle cool. Es ist heute nicht mehr einfach einen klingenden Namen zu finden, der nicht schon besetzt ist.

MF: Lohnt sich heute noch der Aufwand eine Platte zu komponieren und zu produzieren, wenn man damit kein Geld mehr verdient und, wie ihr, auch nicht auf Tour geht?

Claus: Das ist immer schwierig, sich für so was zu entscheiden. Die Verkäufe sind nicht mehr, wie sie mal waren, in den guten alten Zeiten. Nur noch die Superstars verkaufen heute viele Alben. Willst du Scheiben an den Endkonsumenten bringen, muss auch von der Plattenfirma ein grosses Engagement an den Tag gelegt werden. Das hat sich zu früher aber drastisch verändert, und somit bleibt nur noch das Auftreten. Leider Gottes ist es so, aber was willst du dagegen machen? Mir tut es unheimlich weh, dass die Wertigkeit einer CD oder grundsätzlich von Musik dermassen gering geschätzt wird. Es stecken viel Herzblut, Arbeit und Kosten drin. Am Schluss verstaubt deine Arbeit als Download auf irgendwelchen Festplatten. Ein Cover ist heute nicht mehr wichtig, denn dies wird nicht einmal mehr runtergeladen. Das ist schon übel, was da teilweise abgeht. Dinge wie Spotify, bei denen das neue Werk schon am Veröffentlichungstag zu erhalten ist… Wieso soll ich mir dann noch eine CD oder ein Vinyl kaufen? Das ist den ganzen Verkäufen für die Bands nicht sonderlich förderlich. Die Abrechnung, die du dann für dein Album bekommst, ist sehr gering. Wie willst du dich über Wasser halten, wenn du nicht mehr live spielst? Da sind wir dann auch wieder beim Thema. Die Veranstalter zahlen auch kaum was. Das ist wie beim Fussball. Da werden Traumgagen für die Topverdiener bezahlt, aber unten, wo es auch gute Spieler gibt, da ist kein Geld mehr vorhanden. So wird die Luft für neue Bands sehr sehr dünn.

MF: Darum ist es ganz ganz wichtig, dass ihr auf die Bühne geht!

Claus (lachend): Das sagen viele, aber ich brauche da noch ein bisschen Zeit.

MF: Ist es für dich heute noch ein Privileg Musiker zu sein?

Claus: Da habe ich ehrlich gesagt noch nie darüber nachgedacht. Das was ich mache, mache ich unheimlich gerne. Man kann in einer gewissen Weise tun, was man möchte. Ja, jetzt wo ich kurz darüber nachdenke (lacht), ist es ein Privileg, Musik zu machen. Es macht unheimlich viel Freude, wenn du Menschen mit deiner Musik erreichst und ein positives Feedback dafür bekommst. Das macht schon Spass und ist sehr befriedigend.

MF: Was war für dich früher wichtig, und was ist es heute?

Claus: Freundschaft, Gesundheit und Harmonie waren für mich schon immer wichtig. Das hat sich bis heute nicht geändert. Das ist eine Sache, für die du ewig kämpfen musst und manchmal auch enttäuschst wirst. Das sind wertvolle Geschichten, die ich nicht missen möchte. In der Beziehung hat sich für mich nix geändert.

MF: Wie wichtig ist für dich die Balance zwischen Musik und Privatleben?

Claus: Das ist oft schwierig zu trennen, ist aber schon wichtig. Musiker zu sein, ist ab und zu damit verbunden, dass man in einer wirklichkeitsfremden oder Traumwelt lebt. Es ist vielleicht nicht allen Musikern vergönnt, diese Träume in der Wirklichkeit zu leben. Träume sind was Wunderschönes. Gerade in der Musik kann man sich gut entfalten und gestalten, dass dies wahr werden kann. Dann ist die Balance, die Bodenständigkeit zur richtigen Realität unheimlich wichtig. Geht die Balance flöten, sind schon viele Truppen an Drogen zu Grunde gegangen. Darum ist es sehr wichtig, die Balance oder die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Freundschaft, Harmonie und Familie sind unheimlich wichtig, da oft Zeiten kommen, in denen du durchhängst. In diesem Moment sind diese Personen sehr wichtig, um dich aufzufangen.

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Claus: Mal schauen, was das neue Album hergibt und wie es bei den Leuten ankommt. Vielleicht kommt der Punkt, an dem ich sage, jetzt macht es klick und wir werden vielleicht ein paar Festivals spielen. Da muss man abwarten.

MF: Claus, danke für das Interview und weiterhin alles Gute.

Claus: Danke Martin, das wünsche ich dir auch.