Irgendwie ist es still geworden um die Jungs von Pink
Cream 69. Schlagzeuger Kosta ist mehr als Tourmanager
für Helloween unterwegs, Bassist Dennis hat sich einen
sehr guten Namen als Produzent erarbeitet und Sänger
David ist auf vielen Projekten zu hören. So bleibt wenig
Zeit für die eigentliche Band. Als Support der soeben
absolvierten Helloween/Stratovarius-Tour stand das
Quintett dann endlich wieder mal auf der Bühne.
Interessanterweise wieder mit ihrem ersten Sänger Andi Deris, der seit Jahren hinter dem Mikrofon von Helloween
steht. Gitarrist Alfred Koffler nahm sich im Tourbus
Zeit für einen entspannten und gemütlichen Plausch.
MF: Koffel, wie ist es für dich wieder mit deinem alten
Sänger auf Tour zu gehen?
AK: Schwer zu sagen, weil heute Abend die erste Show
ist. Aus diesem Grund kann ich dir diese Frage erst in
ein paar Tagen beantworten. Aber ich denke, dass es eine
gute und entspannte Angelegenheit wird. Die alten
Streitereien und der ganze Kram sind verjährt.
MF: Hattet ihr über all die Jahre Kontakt
miteinander?
AK: Wir pflegten keinen Kontakt mehr. Irgendwann
wechselte Helloween zu Bottom Row, die das Management
übernahmen. Die gleiche Firma ist ja schon längere Zeit
auch für uns zuständig. Dadurch, dass unser Trommler
Kosta als Tourmanager für Helloween tätig ist, kam auch
wieder der Kontakt zu Stande. Es war für mich
überraschend, dass wir auf diese Tour aufspringen
konnten und ich habe nicht damit gerechnet. Irgendwann
kam eine Mail von Bottom Row, ob wir nicht Bock hätten
als dritte Band die Deutschland-Dates und den
Schweizer-Gig mitzuspielen. Natürlich haben wir sofort
zugesagt. Obschon wir überhaupt keine Möglichkeit hatten
zu proben. Einerseits war dies ein Sprung ins kalte
Wasser und auf der anderen Seite spielen wir nun auch
schon viele Jahre in dieser Besetzung zusammen, so dass
wir den Autopilot anschmeissen konnten (lacht).
MF: Könnt ihr denn heute von der Musik leben?
AK: Nicht ausschliesslich. Das ist heute auch schwierig.
Die Wenigsten können sich nur durchs Musik machen
ernähren und davon leben. Da müsste man schon richtig
viele Platten verkaufen oder tourmässig viel unterwegs
sein. Der nötige Erfolg dürfte dann auch nicht fehlen.
Du weisst das selber. Der CD-Markt und das ganze
Drumherum ist geschrumpft. Trotzdem ist es Fun und purer
Rock’n Roll. Logisch, wenn man Millionen verdienen würde
und einen Ferrari vor der Türe stehen hätte (lacht)...
Aber es macht auch so Spass!
MF: Wie schwer ist es für euch die Band fürs Studio
oder eine Tour zusammen zu bringen? Dennis produziert
viel. Kosta ist auf Tour und David hat viele Projekte am
laufen...
AK: ...das ist eigentlich relativ einfach. Für diese
Tour war es vielleicht ein bisschen schwierig Daten zu
finden, an denen wir proben konnten, darum haben wir
überhaupt nicht geübt und werden die erste Probe heute
Abend auf der Bühne haben. Das ist ab und zu etwas
schwierig, aber an und für sich ist jeder immer sofort
für Pink Cream 69 bereit alles stehen und liegen zu
lassen. Das ist wie eine alte Ehe. Wir sind nicht mehr
täglich zusammen und saufen die Nächte durch, aber wenn
es darum geht zu spielen, sind wir immer alle gleich
Feuer und Flamme.
MF: Welchen Stellenwert hat heute die Band für dich?
AK: Klar, die Truppe ist nicht mehr der einzige
Lebensunterhalt, wie das früher der Fall war. Aber wenn
eine Mail kommt, ob wir spielen wollen, dann sind wir
sofort dabei. Trotzdem, dass alle ihre Side-Jobs haben
ist PC69 für alle noch immer die grösste Priorität. Auch
wenn wir noch immer regelmässig neue Scheiben
veröffentlichen, sind die Abstände dazwischen grösser
geworden. Dem klassischen CD-Tour-CD-Tour-Rhythmus sind
wir entwichen. Pink Cream gehen dann ins Studio, wenn
wir denken, dass wir gutes neues Material zusammen haben
und zu 100 Prozent glücklich damit sind. Ein halbgares
Produkt kommt für uns nicht in Frage.
MF: Wie sieht es mit deiner Hand aus?
AK: Schon seit einigen Jahren schlage ich mich mit einer
fokalen Dystonie herum, die gewisse Bewegungsabläufe
einschränkt. Das Ganze läuft ohne Schmerzen ab und ist
nicht mit einer Sehnenscheidenentzündung zu vergleichen.
Was ja eine häufige Gitarristenkrankheit ist. Diese
fokale Dystonie ist eher ein Steuerungsproblem. Sie ist
noch nicht richtig erforscht und es sind auch keine
Gelder für die Forschung vorhanden. Es ist eine seltene
Musikerkrankheit und trifft einen von Zehntausend. Diese
Krankheit schränkt mich ein, das Schlechte ist, es wird
nicht besser, das Gute ist, es wird aber auch nicht
schlechter. Trotzdem musste ich meine Spielweise extrem
umstellen, um überhaupt weiterspielen zu können. Viele
andere Betroffene haben ihre Karriere an den Nagel
gehängt. Wieso ich nicht? Wahrscheinlich bin ich eine
Kämpfernatur, ich weiss es nicht. Ehrlich gesagt, war
ich schon oft davor... Gerade zu dem Zeitpunkt, als
nicht klar war... Es gibt gerade einmal einen
Spezialisten in Deutschland, der sich mit dieser
Krankheit auskennt. Es dauerte zwei Jahre, bis ich eine
Diagnose bekam. Da war ich erleichtert, weil ich endlich
wusste was los war. Zugleich war ich aber auch
frustriert, weil keine Heilung möglich ist. Ich stand
oft davor, alles hinzuwerfen. Mit dem Rückhalt der
Truppe... Da haben wirklich alle zusammengehalten und es
war nie eine Diskussion, dass ich rausfliegen würde. Wir
haben Uwe (Reitenauer) als zweiten Gitarristen in die
Band geholt. So hat die Sache wieder gepasst. Es war
eine schwierige Zeit, weil ich nicht wusste, wie es
weitergeht. Versuche ich das Positive herauszuziehen,
dann hat es meinen Horizont erweitert. Es gibt auch
andere Dinge im Leben, die wichtig sind und viele, die
nur an einem seidenen Faden hängen. Solche, die man
selber nicht in der Hand hat.
MF: Die letzte Live-CD und -DVD wurde an einem Abend
aufgenommen. Ist man da besonders aufgeregt, weil man
das Bewusstsein mit sich rum trägt, dass alles klappen
muss?
AK: Der Luxus, dass man von einer ganzen Tour eine
Scheibe zusammenschneiden kann, konnten wir uns nicht
leisten. Dieses Budget ist bei einer Band wie Pink Cream
69 nicht vorhanden. So bestand bei uns schon ein
gewisser Druck und man ist doch ein bisschen nervöser,
als sonst. Dann noch vor Heimpublikum, das ist immer so
eine Sache (lacht). Ich spiele lieber überall in der
Welt, als zu Hause in Karlsruhe. Nicht weil ich die
Leute nicht mag (lachend), sondern weil ich einen Tick
angespannter bin.
MF: Auf der DVD ist neben dem Konzert aus Karlsruhe
noch ein Gig von der zweiten, der «One Size Fits
All»-Tour aus Japan zu sehen. Kamen da bei dir
irgendwelche Erinnerungen hoch, als du dir das wieder
angesehen hast?
AK: Wow, wir waren einiges jünger (lachend) und es war
eine andere Besetzung, noch mit Andi am Gesang. Das war
schon ein Flashback. Es war damals eine andere Zeit.
Auch wenn alles etwas posiger ausfiel, waren wir nicht
vergleichbar mit Poison. Trotzdem haben wir aufs Outfit
geachtet. Es war die Zeit und die Art von Musik. Schaust
du dir private Bilder an, die 20 Jahre alt sind, denkst
du doch auch oft, mein Gott, wie habe ich da bloss
ausgesehen. Mit all den Klamotten und den Frisuren. Das
geht wahrscheinlich jedem so. Das geht mir ähnlich, wenn
ich Fotos sehe, die von 1989 stammen.
MF: Wie habt ihr euch damals gefunden. Ihr kamt ja
alle aus Karlsruhe?
AK: Wir alle, bis auf Dennis, haben uns schon lange
gekannt. Karlsruhe ist nun nicht die Millionenmetropole.
So kannte man sich untereinander. Kosta und Andi haben
schon zusammen Musik gespielt, wie auch Kosta schon mit
mir Musik fabrizierte. Der einzige Aussenstehende war
Dennis. In einem Musikerfachblatt hatten wir eine
Anzeige laufen, dass wir einen Basser suchen. Auf einer
Autobahnraststätte trafen wir uns zum ersten Mal. Man
hat sich super verstanden und nach der ersten Probe war
eh alles klar. Wir waren damals schon länger mit
Plattenfirmen in Kontakt, speziell auch mit CBS. Die
hatten grosses Interesse und ich denke, dass der Deal
mit ihnen auch so zu Stande gekommen wäre, hätten wir
diesen Nachwuchswettbewerb nicht gewonnen. Der Sieg da,
war nur noch das I-Tüpfelchen.
MF: Habt ihr damals jemals daran gedacht, dass sich
dieser verschworene Haufen vom Sänger trennen würde?
AK: Es wurde viel darüber geschrieben. Der Ausstieg kam
überraschend und keiner hat damit gerechnet. Andi hatte
die Offerte von Helloween bekommen und hatte sie
angenommen. Wie das Ganze ablief, war nicht bis ins
Letzte okay. Aber es ist passiert und mittlerweile ist
die Angelegenheit verjährt und es ist viel Gras darüber
gewachsen.
MF: War das damals auch eine Art Prüfung, dass vieles
möglich ist in diesem Business?
AK: Klar, heute würde man mit einer solchen Situation
anders umgehen. Zu dem Zeitpunkt waren wir alle noch
frisch im Business und es war schwer mit dieser
Situation umzugehen. Inzwischen würden wir die Sachen
locker und «professioneller» sehen. Damals war es schon,
wie du gesagt hast, ein eingeschworener Haufen bestehend
aus Freunden. Es war ein Schlag mit dem Hammer vor den
Kopf. Dinge passieren und wir haben Gott sei Dank mit
David schnell einen Ersatz gefunden mit dem wir zu 100
Prozent glücklich waren.
MF: Nach dieser Trennung kamen zwei eher untypische
Alben raus («Change», «Food For Thought»). Wie siehst du
die beiden Scheiben heute im Nachhinein?
AK: Andi hatte die Band verlassen, es kam ein neuer
Sänger, und es war der Versuch einer Neufindung. Wohin
die Truppe gehen sollte und was wir am besten können.
Für den klassischen Pink Cream 69-Sound waren es zwei
experimentelle Scheiben. Wobei ich denke, dass es schon
sehr wichtig war diese Platten zu kreieren. Diese beiden
CDs finde ich nach wie vor sehr, sehr geil. Man muss
einfach sagen, sie passen nicht unter die Überschrift
PC69! Das war eine andere Band und das hat viele Fans
irritiert, was ich absolut verstehen kann. Monatelang
haben wir uns da mit Proben und Recordings in die
Platten reingefunden. Der Fan bekommt das Endprodukt,
kennt die alten Sachen und das Album ist für ihn ein
Schlag ins Gesicht. Damals haben wir uns darüber keine
grossen Gedanken gemacht. Vielleicht sind wir ein
bisschen blauäugig an das Schreiben der Stücke
rangegangen. Es bestand kein Plan dahinter, dass wir
etwas machen müssen oder neue Märkte erschliessen
wollten. Im Nachhinein muss man sagen, dass es für die
Fans eine schwerverdauliche Kost war. Wenn du eine
AC/DC-Scheibe kaufst, dann willst du auch AC/DC hören.
Nicht, dass die dann plötzlich klingen wie Iron Maiden,
sonst würde ich ja eine neue Platte von Iron Maiden
kaufen (lacht). Da wo AC/DC drauf steht, sollte auch
AC/DC drin sein. Genaugleich wie bei uns. Nur war dies
bei diesen beiden Scheiben nicht mehr der Fall. Es stand
zwar Pink Cream 69 drauf, diese Combo war aber nicht
mehr drin.
MF: Die Trennung von Andi blieb bis heute aber die
einzige. Was zeichnet euch da aus?
AK: Auch damals bei meiner Handgeschichte. Wäre ich da
ausgestiegen, hätte sich die Truppe aufgelöst. Es war
für alle klar, dass wir zusammen weitermachen, nach
einer Lösung suchen, oder wir lassen es.
MF: Hättest du bei einem ähnlichen Angebot wie Andi
es erhalten hat, die Band verlassen?
AK: Keine Ahnung, das wäre reine Spekulation. Darüber
habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Klar gab es hier
und da schon mal Anfragen. Aber die waren nie der Rede
wert. Klopft nun aber eine grosse Truppe an deine Tür,
wird sich wahrscheinlich jeder zumindest Gedanken
darüber machen. Wäre das eine Option, die einem
weiterbringt? Auch finanziell? Das war bei mir aber nie
die Frage.
MF: Was wird uns die Zukunft bringen? Gibt es ein
neues Album?
AK: Wir sind stetig am Schreiben von neuem Material. Das
ist ein konstanter Prozess. Ein Studiotermin ist noch
nicht gesetzt. Haben wir eine Hammerscheibe zusammen,
dann werden wir ins Studio gehen und eine neue Platte
aufnehmen. Mit jedem Album waren wir absolut zufrieden
und sind zu 100 Prozent hinter jedem Song gestanden. So
soll es auch zukünftig sein.
MF: In diesem Sinne, besten Dank fürs Interview und
geniesst die Tour.
AK: Danke auch dir für das Interesse an Pink Cream 69.
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