Investigativer Journalismus in Verbindung mit CD
Reviews ist so eine Sache. So wurden die Newcomer
Radwaste aus dem Grossraum Brugg/Baden jüngst vom
Schreiberling eines deutschen Metal – Webzines prompt
als österreichische Band vorgestellt, was angesichts der
geographischen Distanz ein telefonisches Interview zur
Folge gehabt hätte. Glücklicherweise kann man sich aber
heutzutage im Vorfeld etwas gründlicher informieren,
sofern man will, und so trafen wir Gitarrist/Sänger
Daniel Jerosch (DJ) und Gitarrist Beat Bugmann (BB) zu
einem sehr herzlichen Gespräch im gemütlichen Fumoir -
Ambiente des Zofingers Szenelokals Zum Goldenen Ochsen,
um etwas über die Entstehungsgeschichte ihres
selbstbetitelten Debüt-Albums zu plaudern.
MF: Ich bin ja nicht gerade der ausgesprochene Thrash
Metal Fan, habe aber eure CD zum Rezensieren bekommen
und muss sagen, dass ich positiv überrascht war,
einerseits wegen Remo Häberli's sehr sauberen und
druckvollen Produktion, andererseits wegen der sehr
melodiösen Fahrtrichtung des Albums. Wenn ihr euch in
irgendeine Stilschublade einordnen müsstet, wie würde
dann diese Schublade heissen?
DJ: Ich glaube, das wäre die Schublade, die zwischen
Thrash – und Heavy Metal steckt, vor allem der Heavy
Metal Einfluss ist gross. Reiner Thrash ist es ja nicht,
man hört es ja auch unserem Drummer Manu an, unsere
Gitarrenarbeit ist ebenfalls sehr von Iron Maiden und
Megadeth beeinflusst. Vielleicht am ehesten melodischer
Thrash Metal oder Speed Metal, wobei ich anmerken muss,
dass ich bei all den Subgenres nicht so sattelfest bin.
Wir machen einfach, was uns gefällt, es hat ja auf der
CD auch Sachen, die eher rockig klingen als nach Metal,
und möglicherweise werden wir auf dem nächsten Album
Material haben, das etwas moderner klingt.
BB: Vielleicht experimentieren wir einfach ein bisschen.
DJ: Genau, wir wollen uns nicht auf einen einzigen Stil
beschränken.
MF: Ihr seid ja relativ jung, Anfang bis Mitte
zwanzig. Wie seid ihr zum Metal gekommen?
BB: Ich habe eigentlich mit AC/DC angefangen, dann kamen
Iron Maiden, und je mehr ich mich in die Materie
vertieft habe, desto mehr wollte ich, und so habe ich
selbst angefangen Gitarre zu spielen.
MF: Und welche Rolle spielten dabei Verwandte,
Bekannte, Kollegen… ?
BB: Das ist eigentlich noch eine lustige Angelegenheit.
Durch den Jugendverband Jungwacht Blauring hatte ich
Kontakt zu vielen Erwachsenen, die AC/DC und Iron Maiden
hörten, und so bin ich irgendwie reingekommen.
DJ: Bei mir war es eher so, dass mich schon als kleiner
Bub die Stromgitarren faszinierten. Ich glaube, ich habe
mit neun Jahren meine erste Billy Idol CD geschenkt
bekommen, also so richtiges achtziger Jahre Poprock
Zeugs. Aber das brachte mich auf die richtige Spur, und
hinzu kamen dann die Platten meines Vaters, Pink Floyd
und all jene Sachen, die man einfach kennen muss. Danach
kam ich als Teenager in eine Phase, in der mich Musik
nicht mehr wirklich interessierte, bis ich dann
plötzlich die Musik wieder aufgegriffen – und ziemlich
lange Saxophon gespielt habe. Ich hatte aber sehr bald
genug vom Jazz und entschied mich in der Folge direkt
für die E-Gitarre, ohne den Umweg über die Klassische
Gitarre zu nehmen, auch wenn ich zugeben muss, dass es
anfangs eher eine Modeangelegenheit war, es war einfach
cool, E-Gitarre zu spielen. Ich hörte damals Sachen wie
System Of A Down, kam dadurch auf die Metal Schiene, bis
ich dann schlussendlich auf Iron Maiden traf. Damit
hat‘s so richtig angefangen, ungefähr mit sechzehn
Jahren, was ja noch nicht so wahnsinnig lange her ist.
Ich bin musikalisch betrachtet immer noch sehr offen,
höre auch gerne elektronisches Zeug, aber Metal ist das
Einzige, das ich gerne spiele, und das ich überhaupt
spielen kann!
MF: Du hast das Saxophon erwähnt. Profitierst du
heute von der Atemtechnik, die du für dieses Instrument
einsetzen musstest?
DJ: Also klar, damals musste ich diese Zwerchfell Sachen
üben, aber heute profitiere ich vielleicht eher
unterbewusst davon. Ich bin ja nicht ein was weiss ich
wie grossartiger Mordssänger, das ist alles eher
homebrew und selfmade, anfangs habe ich einfach
mitgesungen, unter der Dusche und so. Ursprünglich
suchten wir noch einen Sänger, ich wollte eigentlich nur
Gitarre spielen, aber es ist einfach ein Elend, einen
passenden Sänger zu finden.
BB: Da gab es auch ein paar Leute…
DJ: Ja, da haben wir ein paar lustige Erfahrungen
gemacht (lacht). Irgendwann hatten wir dann die Nase
voll, und ich hab’s einfach mal probiert, und jetzt ist
es einfach so. Ich hoffe, die Band ist zufrieden mit
meiner Röhre.
BB: Also ich denke, andernfalls hätten wir es dir eh
gesagt.
DJ: Hoffentlich traut ihr euch auch (lacht)! Nein, am
Anfang war es einfach eine Notlösung, weil wir verdammt
nochmal niemanden fanden, und mittlerweile mache ich es
richtig gerne. Ich hatte allerdings noch nie
Gesangsunterricht, und das spürt man auch, wenn die
Stimme zum Beispiel zu wenig variabel ist. Das müsste man
vielleicht fürs nächste Album anschauen, damit etwas
mehr Gesangstechnik rein kommt, denn wenn schon cleane
Vocals, dann auch etwas sauberer umgesetzt. Da bin ich
meistens noch sehr unsicher. Bei den Aufnahmen hat mir
der Produzent Remo Häberli mit seinen Tipps sehr
geholfen. Eigentlich habe ich während der Recordings die
meisten Gesangsübungen absolviert, seither fühle ich
mich so fit wie noch nie beim Singen. Es wäre cool
gewesen, wenn das schon vor dem Songwriting Prozess
passiert wäre, dann wären jetzt die Songs vom Gesang her
vielleicht etwas abwechslungsreicher. Aber das ist eine
Erfahrung, die wir jetzt für das nächste Album mitnehmen
werden, das kann man halt als Momentaufnahme unserer
ersten Aufnahmesession betrachten.
MF: Gibt es abgesehen von Iron Maiden sonst noch
Bands, die euren Sound nennenswert beeinflusst haben?
BB: Also bei mir sicher Van Halen, finde ich super, und
einfach so alte achtziger Jahre Sachen, die höre ich
wahnsinnig gerne.
DJ: Beeinflussen ist schwierig zu sagen, man hört sich
einfach Sachen an und kopiert dann unweigerlich ein
bisschen, man kann das Rad nicht immer wieder neu
erfinden… auch wenn das Rad bei uns im Namen ist. Alles
was du dir anhörst, spielt ein bisschen mit rein, es gab
beispielsweise eine Phase, während der ich extrem viel
Nevermore gehört habe, man hört es glaube ich im Song
«War» etwas heraus. Vielleicht spielt auch neueres Zeug
wie Trivium mit hinein, wobei man sagen muss, dass sie
auch nur eine Exodus Kopie sind. Von daher kann man
sagen, dass wir indirekt von Exodus beeinflusst sind.
Aber wirklich genau zu sagen, was uns beeinflusst hat,
ist noch schwierig. Wir haben einfach gefunden, wir
haben zwei Gitarren, also machen wir, wenn schon,
zweistimmige Sachen.
BB: Genau, dann leben wir das Ganze ein bisschen aus!
DJ: Und die andern zwei Bandmitglieder leiden darunter!
Bis wir unsere zweistimmigen Läufe koordiniert haben,
vergehen ein paar Stunden, und sie gehen inzwischen
nebenan ein paar Bierchen trinken! Aber eben, wirkliche
Einflüsse zu nennen, ist schwierig, eigentlich schon
Iron Maiden, Megadeth, Nevermore, (überlegt kurz) und
ja, Trivium ist für mich persönlich ein Einfluss
gewesen. Aber es ist nicht so, dass ich etwas gehört
habe, und ich mir sagen musste „wow, genau das will ich
auch so spielen“!
MF: Teilt ihr euch die Gitarrensoli auf?
DJ: Eigentlich schon, wobei jeder von uns seinen eigenen
Stil hat. Ich weiss jetzt nicht, ob man das auf dem
Album gut hört.
BB: Das ist schwierig zu sagen, aber eigentlich schon.
Du bist eher der Melodiösere, ich bin eher der Shredder.
DJ: So ist es, er ist eher so der Flitzer, und ich bin
mehr der Schnulzi irgendwie (grosses Gelächter)! Ja, es
liegt einfach daran, dass er viel schneller ist als ich,
spielt auch schon länger als ich, aber irgendwann hole
ich ihn schon noch ein, keine Angst! Ich bin halt eben
eher der Rhythmusfritz, er mehr der Solofritz, aber ich
lasse es mir doch nicht nehmen, hin und wieder ein Solo
zu reissen. Ich mach‘s halt schon gerne, aber mehr die
gemässigteren, melodiöseren Sachen.
MF: Und wie sieht es mit der Doppelbelastung Gitarre und
Gesang aus?
DJ: Das ist natürlich immer ein grosses Thema, ich
glaube, das schränkt uns auch immer noch beim
Songwriting etwas ein. Es ist nicht ganz einfach für
mich, weil es nicht geplant war, dass ich überhaupt
singe. Viele Songs standen instrumental schon, da
brauchten wir noch die Texte dazu und der ganze
Lernprozess… es ist eigentlich immer noch ein laufender
Prozess, wie ich das koordiniere, und wir stimmen die
Songs schon so ab, dass sie für mich zusätzlich zum
Gesang spielbar sind. Aber das ist natürlich auch
ein Punkt, in dem wir uns verbessern wollen, ich meine,
wenn es die anderen schaffen, dann müssen wir es auch
können.
BB: Und vor allem auch der zweistimmige Gesang ist eine
Herausforderung…
DJ: …die wir bis jetzt noch nicht gross in Angriff
genommen haben, aber für künftige Projekte ist es schon
ein Gedanken wert. (Zu Beat Bugmann gewandt) Ich schaue
etwas mehr bei ihm an der Gitarre ab, und er bei mir am
Gesang. Wir sind auf jeden Fall sehr ambitioniert.
MF: Radwaste gibt es ja noch nicht so lange, circa drei
Jahre, aber dennoch klingt die Band sehr kompakt.
DJ: Das ist eigentlich noch lustig. Wie lange spielst du
jetzt schon Gitarre?
BB: Sechs Jahre.
DJ: Bei mir sind es vier oder fünf Jahre.
BB: Also ich war am Anfang richtig besessen davon. Da
stand ich morgens um sechs Uhr auf, um erst mal eine
Stunde Gitarre zu spielen, bevor ich dann zur Arbeit
ging.
DJ: Wir haben über unseren Gitarrenlehrer
zusammengefunden, und es hat einfach funktioniert. Am
Anfang versuchten wir uns an Covers, was nicht immer
wirklich klappte.
BB: Wir wollten damals auch einfach zu viel, wir wollten
gleich mit «Master Of Puppets» beginnen…
DJ… Hahaha, und das war einfach zu viel verlangt!
MF: Vielleicht hättet ihr es erst mit TNT versuchen
sollen.
Beide: Ja, genau!
DJ: An AC/DC haben wir uns noch nie versucht, da hättest
du wohl Freude dran.
BB: Ja klar!
DJ: Unser Drummer Manu ist auch praktisch Autodidakt. Er
hatte irgendwie einen Monat Schlagzeugunterricht.
BB: Dann hatte sein Schlagzeuglehrer einen Unfall, der
ihn vergesslich machte. Er vergass Termine mit Manu, bis
dieser die Schnauze voll hatte, und so brachte er sich
den Rest selber bei.
DJ: Wir pushen uns auch gegenseitig. Wir beide spielen
zwar miteinander, aber irgendwie auch gegeneinander, so
im Sinn von „schau mal, ich kann das geiler spielen als
du“. Ich glaube, das bringt schon was, wenn man sich
gegenseitig ans Limit bringt.
MF: Euer Debüt ist ja bereits im Oktober letzten
Jahres erschienen.
DJ: Also die offizielle Veröffentlichung ist eigentlich
erst in drei Tagen (16. März). Seit der Plattentaufe ist
das Album einfach über unsere Myspace Seite erhältlich.
BB: Wir haben das auch etwas verpasst, wir hätten das
Marketing parallel zum ganzen Rest laufen lassen sollen.
DJ: Es läuft halt noch sehr viel Kram nebenbei, es gibt
nicht nur die Band.
BB: Leider!
DJ: Wir sind alle berufstätig, ich bin noch in
Ausbildung, und durch Beruf, Berufsschule, Matur etc.
leidet halt die Band ein bisschen.
BB: Bei mir ist es so, dass ich in einem Familienbetrieb
arbeite, wo die Arbeitszeiten eh länger sind als in
einem herkömmlichen Angestelltenverhältnis, dazu kommt
noch eine Ausbildung in der höheren Fachschule, und das
alles fordert schon seinen Tribut.
DJ: Das war das Problem, es lief vieles parallel, und
dadurch rutschte das Marketing etwas in den Hintergrund.
Aber auch das ist etwas, das wir beim nächsten Album
besser koordinieren werden. Dazu kam ein regelrechter
Produktionsstress, selbst die Presserei wollte uns ein
Bein stellen, als uns mitgeteilt wurde, sie könnten die
Deadline nicht einhalten. Dadurch mussten wir viel
Energie dafür einsetzen, dass die CD doch noch pünktlich
zur Plattentaufe erscheint, und alles andere musste dann
etwas darunter leiden.
MF: Läuft das Ganze über ein Label oder bleibt es
beim Eigenvertrieb?
DJ: Ich bin da nicht so bewandert, muss ich sagen. Dafür
haben wir Pädu (Patrick Häberli, der Bruder des
Produzenten Remo Häberli), der das für uns erledigt. Ich
glaube, es geht erst mal als Download raus über die
verschiedenen Internet Plattformen wie iTunes, Amazon
und was es sonst noch alles gibt, dann müssen wir
schauen, wie wir das machen mit dem Vertrieb. Ich kenn
mich da gar nicht aus.
BB: Zum Glück haben wir Pädu für solche Angelegenheiten.
DJ: Ja, er ist wirklich Gold wert!
MF: Managt er euch auch?
Beide: Ja, kann man so sagen.
DJ: Aber ein Label in dem Sinn haben wir nicht. Es ist
halt nicht mehr so wie früher, wo du ein selbst
aufgenommenes Tape verschicken konntest, und schon
hattest du einen Plattenvertrag. Heute musst du High End
Kram abliefern, damit man dich überhaupt hört.
MF: Wie sehen die Zukunftspläne der Band aus?
BB: Schwieriges Thema, ganz klar!
DJ: Wir ziehen einfach unser Ding durch. Da gibt es
nichts zu träumen, wir machen uns keine Hoffnungen
darüber, dass wir irgendwie entdeckt werden.
BB: Ich denke, bleib am Boden, mach was du kannst, hol
das Beste raus und liefere Qualität ab.
DJ: Und schau, dass du immer besser wirst. Wir sind
heute schon nicht mehr ganz zufrieden mit unserem Album.
BB: Das ist auch gut so, sonst kommst du nicht weiter.
DJ: Genau, wir haben gelernt fürs nächste Mal, das
Songwriting fürs Folgealbum hat bereits begonnen. Es
läuft zwar noch sehr schleppend, aber wir bleiben am
Ball. Es wäre natürlich schon toll, wenn alles etwas
professioneller ablaufen würde, die ganze Marketing
Angelegenheit und so. Das nächste Mal lassen wir uns
etwas mehr Zeit, das erste Album war eigentlich ein
Schnellschuss, muss man schon sagen. Bei den Aufnahmen
haben wir uns schon Zeit gelassen, aber als das Ding im
Kasten war, ging alles sehr schnell. Aufgenommen haben
wir fast ein halbes Jahr lang. Das nächste Mal sollten
wir vielleicht Urlaub nehmen und das Ding in einem Zug
aufnehmen. Dieses Mal fanden die Recordingsessions nach
der Arbeit in unserem Bandraum statt, wo wir in
Eigenregie aufgenommen haben, und Remo hat danach die
Aufnahmen aufbereitet. Das nächste Mal müssen wir die
Sache professioneller angehen und uns das ganze Programm
schon im Vorfeld draufpacken, denn auf dem Debüt ist
vieles improvisiert, die Soli beispielsweise zu 90%.
BB: Bei mir war die Sache mit den Soli relativ krass.
Ich jammte vorher an Konzerten immer, nachher ging es
plötzlich darum, dass ich Soli auf eine CD bringe. Dann
sitzt du da und solltest aufnehmen und weisst nicht so
recht, was läuft!
JD: Dann kommt noch dieser da und sagt
„Ich finde das Scheisse, nochmal!“, und schon benötigt
man 200 Takes pro Solo. Da müssen wir beim nächsten Mal
schon schauen, dass vorher alles richtig sitzt.
MF: Stand euch für die Aufnahmen digitales Equipment
zur Verfügung?
DJ: Ja, sonst müsste man fast in ein Studio gehen, was
entsprechend teuer wäre.
BB: Bei uns war es so, dass wir ein Angebot hatten, die
Hälfte des normalen Preises, also 400 Franken pro Tag,
und selbst dann hätten wir uns dumm und dämlich in
Unkosten gestürzt.
MF: In dem Fall gibt es eurerseits momentan wohl kaum
Ambitionen, ins Profilager überzuwechseln und mal von
der Musik leben zu können.
BB: Das wäre natürlich das Nonplusultra.
DJ: Aber es wäre einfach nicht realistisch. Natürlich
träumen wir alle davon, aber wir sind bodenständig genug
um zu wissen, dass es eben nicht realistisch ist,
wenigstens momentan nicht. Falls es dann doch klappen
könnte, würden wir natürlich auf dieses Ziel
hinarbeiten. Aber beim aktuell überfüllten Markt ist es
extrem schwierig, überhaupt erhört zu werden.
MF: Zum Namen Radwaste. Wohnt ihr in der Nähe eines
Kernkraftwerkes?
Beide: Natürlich, natürlich!
DJ: Aber eigentlich war das nicht mal der zündende
Funke, es kommt aus dem Text des ersten Songs, in dem es
um Umweltverschmutzung geht. Der Song beruht auf dem
Buch „Der Schwarm“ von Frank Schätzing, das von der
Beziehung Mensch/Natur handelt. Ich habe gefunden,
Radwaste sei ein schönes Kunstwort, zwar eine Abkürzung
aber auch ein geläufiger Begriff im Kernkrafttechnologie
– Fachjargon. Auf Google ist der Name leider auch eine
Tücke, denn da landet man meistens auch auf den Websites
irgendwelcher Firmen für Atommüll – Endlager (lacht).
Daher wäre ein bedeutungsloses Kunstwort wirklich besser
gewesen, aber wir haben gefunden, es passt irgendwie zu
den beiden Kernkraftwerken nebenan…
BB: …und dem Endlager!
DJ: Oder Zwischenlager?
BB: Ach ja, Zwischenlager.
MF: Ich fand den Namen irgendwie selbstironisch.
DJ: Ja klar, wir sind der strahlende Abfall!
MF: Wovon handeln eure Songs? Geht es um persönliche
Erfahrungen, sind es Fantasy Geschichten oder beides?
DJ: Ja also, am liebsten haben wir schon Geschichten, in
denen es um Schwerter, Drachen und Blut geht (grosses
Gelächter). Nein, ich bin eigentlich schon Fan von
sozialkritischen Texten, und auch Umweltthemen finden
ihren Platz. Sonst können wir es schnell von A – Z
durchgehen: Der erste und der letzte Song («The Swarm Pt
I: Sedna» und «The Swarm Pt II: Contact») behandeln
Umweltprobleme, in «Fade With Light» geht es um die
Hiroshima Tragödie und darum, dass der Mensch Kriege
anzettelt, seitdem er entdeckt hat, dass er mit Knochen
und Steinen Schädel einschlagen kann. In «Retribution»
geht es um Vergeltung und unterdrückte Gefühle. Aber es
ist nicht so, dass hinter jedem Song eine persönliche
Geschichte steckt. Das ist eigentlich nur bei «Rotten
Roots» der Fall, wo es um meinen verstorbenen Vater geht.
Die anderen Songs sind eher klischeehaft, gerade «Live
Fast» behandelt den Metal Lifestyle mit einem
Augenzwinkern, solch klischeehafte Texte darf man
einfach nicht zu ernst nehmen. Wir machen Musik auch zum
Spass, und so böse Kerle sind wir ja nicht.
BB: Die Entstehungsgeschichte von «Live Fast» ist dabei
ganz lustig. Wir hatten uns am Vorabend alle ordentlich
die Kante gegeben, gingen am nächsten Tag alle völlig
verkatert in den Bandraum und fanden, dass wir einen
Song schreiben mussten, der dieses Gefühl beschreibt.
DJ: Erst im Nachhinein haben wir herausgefunden, dass
„Life fast, die young“ quasi das Lebensmotto der
Hippie-Bewegung gewesen war, das hatten wir gar nicht
gewusst.
MF: Der Opener «The Swarm Pt. I: Sedna&» und das
letzte Stück «The Swarm Pt. II: Contact» hängen
offensichtlich zusammen. Wovon handeln diese beiden
Songs?
DJ: Da habe ich mich wie bereits gesagt von Frank
Schätzings Buch „Der Schwarm“ inspirieren lassen. In
Sedna geht es um die gleichnamige Inuit Göttin, welche
mit einem anderen Gott eine Affäre hat. Zur Strafe
verbannt sie ihr Vater ins Meer, und als sie sich am
Boot festklammert, schlägt er ihr mit dem Paddel die
Finger ab. Nun sitzt sie auf dem Meeresgrund und ärgert
sich masslos darüber, dass ihre sehr langen Haare durch
unsere Umweltverschmutzung verkleben und sie sie ohne
Finger nicht reinigen kann. Und es gibt für den
Menschen, der stetig die Umwelt zerstört, keinen Weg sie
zu besänftigen. Die Natur wird zurück schlagen.
BB: Und wir müssen die Konsequenzen tragen.
DJ: Genau. In «Contact» geht es dann um den Angriff der
Natur gegen den Menschen. Das ist auch die Thematik des
Buches, dass sich die Natur rächt, und dass es nicht die
gottgegebene Bestimmung des Menschen ist, die Erde
egoistisch zu beherrschen, sondern dass wir sie mit
allen anderen Kreaturen und der Natur teilen müssen, und
dass das uns mal jemand beibringen muss, sei es auch mit
brutalen Mitteln. Selbst Karl Marx hat gesagt, dass die
Revolution nur gewaltsam funktioniert, und erst
veränderte Umstände bringen die Menschen dazu, sich auch
zu ändern. Hat zwar bei ihm nicht funktioniert, aber
vielleicht ist doch was dran. Ich fand es einfach ein
schönes Thema, und deshalb ist «Contact» auch etwas
aggressiver als «Sedna».
MF: Wer trägt die Hauptlast beim Songwriting?
DJ: Ich würde sagen, wir beide zusammen.
BB: Wobei jeder seinen Einfluss mit einbringt.
DJ: Ist natürlich nicht immer einfach, zu viert
gleichzeitig an einem Song rum zu schrauben, und so teilen
wir es uns auf. Aber es ist immer so, dass die Ideen von
allen einfliessen, und ich bin dann meistens derjenige,
der die Puzzleteile zusammenfügt.
MF: Und die Texte?
DJ: Die schreibe meistens ich, schon einfach wegen
meinen Englischkenntnissen. Aber es ist für mich kein
Muss, ich mach‘s wirklich gerne.
MF: Gibt es irgendwelche Tourneepläne?
DJ: Ja hoffentlich! Aber wie gesagt, beruflich und
ausbildungstechnisch sind wir momentan sehr eingebunden.
Sobald diese Phase durch ist, können wir das Thema
Tournee auch in Angriff nehmen, und auch da sind wir
glücklich darüber, dass uns Pädu fleissig unterstützt.
BB: Es ist schon unser Ziel, auch mal aus der Schweiz
rauszukommen.
DJ: Ja, unbedingt, und dabei wird es nicht darum gehen,
Geld zu verdienen. Hauptsache, wir können spielen.
MF: Eventuell mal als Supportact für…?
Beide: Megadeth wäre natürlich super geil!
DJ: Das wäre das absolut Grösste!
BB: Das wäre es in der Tat! Nur nicht zu viel über Dave
schwatzen, sonst bekommst du noch eins auf die Nuss,
haha!
MF: Wobei er sich ja scheinbar zum Positiven geändert
hat, seit er zum gläubigen Christen geworden ist.
Jedenfalls scheint er sein Diva – Gehabe abgelegt zu
haben und offenbar geht er jetzt auch auf die Menschen
ein, die ihn umgeben.
DJ: Genau, macht ja auch nichts, oder?
MF: Noch ein paar Abschiedsworte an die Metal Factory
Leser?
DJ: Hört euch das Album an und kauft es, (flehend) wir
sind eine arme Band, wir sind auf jeden Rappen
angewiesen (lacht)! Nein, macht was euch gefällt, und
lasst euch nicht von irgendwelchen Mode-trends beeinflussen,
vor allem was Musik anbelangt.
Unser Mirko (Mitte) umzingelt von den
Radwastlern >>>
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