Wenn es ein Trio gibt, welches die Musikwelt
nachhaltig geprägt hat, dabei aber nie den Erfolg
verbuchen konnte, den es verdient hätte, dann gebührt
Raven dieser trostlose Platz. Das Trio, das ausser einem
Line-up-Wechsel schon zur Blütezeit des «New Wave Of
British Heavy Metal» der Szene einen gehörigen Tritt
versetzte, konnte nie aus dem Schatten der übermächtigen
Iron Maiden, Def Leppard oder auch Judas Priest treten.
Selbst mit einem Major-Deal, stellte sich nicht der
Erfolg ein, den man locker mit den ersten drei Scheiben
hätte einsacken müssen. Anstelle dessen fielen die
Newcastler noch tiefer in den Sumpf und gerieten fast in
Vergessenheit. Dass sie in diesem Sumpf aber nicht
ertranken, das verdanken sie ihrer kleinen, aber extrem
loyalen Fanbasis, die immer zu ihnen hielt.
Ein Unfall des Gitarristen setzte der Truppe zudem zu.
Für sie war von Beginn weg klar, dass man das, was seit
1975 am Laufen war ohne den Saitendrescher nicht
weiterführen will. Dies gipfelte dann im neuen Album
«Walk Through Fire». Eine Scheibe, die purer, reiner und
glasklarer Metal ist und niemals was anderes sein wird.
Vorgetragen von einer Band, die nach wie vor die Bühne
als ihr Hauptbetätigungsfeld sieht. Auf dem sie immer
100 % gibt. Und das Prädikat «Athletic Metal» ist bei
dem Trio nicht nur eine leere Floskel, sondern ein mit
dem eigenen Blut unterschriebenes Zugeständnis an die
Fans. Denn die Jungs sind auf der Bühne eine verdammte
Macht! Der singende Bassist John Gallagher (JG), sein
Bruder und Gitarrist Mark Gallagher (MG) und
Schlagzeuger Joe Hasselvader (JH, ersetzt 1988 Rob
Hunter) sassen mir gegenüber, um sich meinen Fragen zu
stellen.
MF: Meine Herren, wieso hat es zehn Jahre gedauert,
bis ihr mit einem neuen Album an Start wart?
MG: Well, das war Joes Fehler (lacht)!
JH: Mark brach sich bei einem Unfall das Bein und fiel
über einige Jahre aus. Aber nun sind wir wieder «back on
the road»!
JG: Es dauerte seine Zeit, bis Mark lernte wieder auf
seinen Beinen zu gehen. Für uns war von Anfang an klar,
dass wir auf unseren Gitarristen warten würden, bis wir
wieder ins Studio gehen konnten. Dort erledigten wir
unseren Job wie immer. Aber es stimmt, es verging eine
lange Zeit bis zum neuen Werk.
MF: Hätte dieser Unfall auch das Ende von Raven
bedeuten können?
MG: Es gibt Dinge, die kannst du nicht ändern. Aber nun
stehen wir wieder auf der Bühne und bewerben «Walk
Through Fire». Und dies nach diesen unzähligen
Operationen wegen meinem Bein. Es fühlt sich gut an,
wieder zurück zu sein und dass diese endlosscheinende
Geschichte der Vergangenheit angehört. Trotzdem gehört
er zu meinem Leben, dieser langweilige und langwierige
Part meines Seins. Deshalb möchte ich auch nicht darüber
nachdenken, was hätte sein können. «We’re back and kick
some ass!» Es fühlt sich toll an, mit diesem neuen Album
im Gepäck. Eines, bei dem sich die Teile langsam
zusammengesetzt haben. Für uns hat diese CD vieles
gemeinsam mit «All For One» oder «Nothing Exceeds Like
Excess»...
JG: ...und «Architect Of Fear»…
MG: …genau. «Walk Through Fire» war für uns wie ein
Spaziergang durch unsere musikalische Vergangenheit.
Nach den Aufnahmen haben wir uns das neue Material
angehört und einige Parts verändert, weil wir noch nicht
zufrieden waren mit ihnen. Erst gestern sassen wir
zusammen. Das Album hört sich total gut an, und wir sind
mit dem Endresultat wirklich zufrieden.
JG: «Walk Through Fire» ist ein sehr starkes Werk
geworden. Der Plan dazu war schon gut, aber das
Endresultat ist noch um einiges besser ausgefallen. Die
Songs und der Sound sind grossartig. Spielen wir die
neuen Lieder auf der Bühne, fühlt sich das fantastisch
an. Es ist, so blöd wie es klingt, ein magischer Moment.
So etwas kannst du im Studio nicht planen. Das sind so
viele Teile, die zusammen passen müssen. Wichtig ist
eigentlich nur, dass das Material Arsch tritt und es
sich einfach hervorragend anfühlt. «All killer! No
filler!»
MG: Wir hatten noch nie ein Album, bei dem die
Reaktionen dermassen euphorisch ausfielen. Speziell auch
bei den Fans. Es ist unglaublich, die Leute arbeiten so
hart für ihr Geld und suchen sich aus diesem Überangebot
an neuen Veröffentlichungen ausgerechnet unsere neue
Scheibe aus. In meinen Augen ist das noch immer eines
der grössten Komplimente für die Arbeit als Musiker,
wenn sich die Fans dein Album kaufen. Der Dank geht
somit auch an unsere sehr treuen und loyalen Anhänger.
Wir lieben euch! Für dass ihr euch in all den Jahren
einen Scheiss um irgendwelche Reviews geschert habt und
uns immer ehrlich eure Meinung kund getan habt. So
konnten wir eigentlich immer tun, was wir wollten
(lacht).
JG: Die Fans wollten es nicht anders (lacht).
MG: Die wichtigsten Scheiben für uns waren sicherlich
die ersten drei («Rock Until You Drop», «Wiped Out»,
«All For One»). Und die nächste wird sicherlich auch
einer der Wichtigsten sein (lacht). So lange wir Freude
an der Arbeit haben und du uns beim Schreiben immer mit
einem Lachen im Gesicht antriffst. Aber ganz klar, die
ersten Scheiben verbinden uns mit einer coolen Zeit, in
der vieles neu und frisch war. Als dann Joe in die Band
einstieg, besannen wir uns auf unsere Wurzeln zurück.
Dies nach all den leichten musikalischen Verwirrungen
mit «Stay Hard», «The Pack Is Back» und «Life’s A Bitch».
Mit «Nothing Exceeds Like Excess» gingen wir wieder den
richtigen Weg. Das folgende «Architect Of Fear» war
garantiert eines unserer härtesten Alben. Das schlägt
dir den Kopf weg (lacht)! «Walk Through Fire» ist die
fantastische Mischung aus «Architect Of Fear» und den
ersten drei Scheiben. Mit all diesen klassischen Riffs,
die dir den Arsch versohlen. Hör dir bloss nie diese
Songs laut beim Autofahren an, wenn du angepisst bist
(lacht).
MF: Habt ihr Pläne für ein weiteres Werk?
JG: Es gibt immer Pläne für ein neues Album. Wir sind
bereit und schreiben an neuem Material. Uns wird nie
langweilig, denn uns schwirren immer neue Ideen und
Melodien im Kopf `rum.
MF: Nach all den Jahren und dem Unfall von Mark, wie
sieht es mit euren Motto «Athletic Metal» aus?
JG: Schau dir das selber an. Wir überraschen die Fans
und uns immer wieder selber, wie fit und wild wir noch
immer unsere Darbietung durchziehen.
MG: Als wir Kids waren und Konzerte besuchten, in der
vordersten Reihe standen und beim UFO oder Deep Purple
abbangten... Wir sahen all die Bands, die in Newcastle
auftraten und gaben 110 % als Fan. Als wir später selber
auf der Bühne standen war für uns klar, dass wir
dasselbe auch für unsere Fans geben werden.
JG: Würden wir unseren Auftritt nicht selber geniessen,
könnten wir auch nicht diese Bühnenshow zum Besten
geben. Wir fühlen diese Liveenergie. Sehe ich diese
gelangweilten Truppen auf den Bühnenbrettern, die kaum
einen Unterhaltungswert haben, dann bin ich total
geschockt.
MG: Du kannst einen kleinen Club nicht mit einem grossen
Festival vergleichen. Befindest du dich in einem kleinen
Club bist du den Fans bedeutend näher, während du bei
einem Festival nicht sehen kannst, ob es den hinteren
Reihen gefällt oder sie sich langweilen. Hey, aber die
Leute kommen zu dir ins Konzert und wollen einfach eine
gute Zeit verbringen. Die meisten werden ein hartes
Leben zu meistern haben und vielleicht auch Scheisse
fressen müssen. Sie wollen in einem Rock- oder
Metal-Konzert für einen Moment alles vergessen,
abgelenkt werden, durchdrehen und ihre Faust in die Luft
schlagen.
JG: Für uns spielt es keine Rolle, ob wir an einem
Festival oder in einem Club auftreten. Raven stehen auf
der Bühne und versuchen immer den Fan auf eine Reise
mitzunehmen und ihn seine Alltagssorgen vergessen zu
lassen.
JH: Es ist einfach die Energie für die Shows zu
bekommen. Jeder von uns will der Frontmann der Truppe
sein. So versucht jeder im Mittelpunkt zu stehen, was
für mich als Schlagzeuger nicht immer so einfach ist
(lacht). Stehen wir auf der Bühne können wir dieses
Gefühl nicht mehr stoppen. Die Band stachelt sich
gegenseitig an...
JG: ...der Song ist der wichtige Teil des Ganzen. Das
Komplizierte ist, alles simpel zu halten. «That’s the
deal!» Ganz ehrlich, das ist die Art, wie wir Musik
spielen. Wir stehen nicht auf der Bühne, kreuzen die
Beine und das war’s.
MF: Live-Auftritte sind aber nicht alles in diesem
Business. In der Vergangenheit hattet ihr mit Atlantic
Records einen starken und grossen Partner an eurer
Seite. Wieso hat es trotzdem nicht mit dem grossen
Erfolg geklappt?
JG: «They suck!»
MG: Gehen wir in der Musik-Geschichte in die siebziger
Jahre zurück, war ein Major-Deal das grosse Ding. Ein
Jahrzehnt später als der Independent-Sektor sich mit dem
Major-Markt verschmolz und das Gras für den «New Wave Of
British Heavy Metal» zu wachsen begann, nicht unbedingt
in Amerika, aber in Europa und SPV ein
Major-Independet-Label war, arbeiteten Leute mit
Leidenschaft in ihrem Herzen dort. Bei Major-Labels wie
Atlantic Records, die mit Truppen wie Led Zeppelin
zusammen arbeiteten, waren Leute angestellt, die sich
mehr um die Chicks, als um die Musik kümmerten.
JG: Keiner verstand da, was wir taten. Klar hatten sie
Erfolg mit dem, was sie taten. Aber, sie konnten keine
Band aufbauen, sondern profitierten von Künstlern, die
sich schon einen Namen erarbeitet hatten und auf einem
gewissen Level waren. Solche Musiker hatten ihre fixe
und grosse Fanbasis, welche die neuen Werke
bedingungslos kaufte. Die Schissen das Geld und
prostituierten sich für das Business. Ich wollte keine
Hure dieses Teufelskreises werden.
MG: Es dauerte fast zehn Jahre bis wir begriffen, was in
dieser Zeit mit uns und Raven passierte. Klar, wir
verloren alte Fans und gewannen aber auch viele neue
dazu. Wir haben unsere Lektionen gelernt und ich bin
überzeugt, dass dies für unsere weitere Zukunft sehr
wichtig war. Auch wenn im Nachhinein diese Zeit
vielleicht ein Fehler war, der uns als Band
zurückgeworfen hatte.
JG: Es spielt doch keine Rolle, ob dies nun ein Fehler
war oder nicht! Im Nachhinein haben wir vieles gelernt,
das uns als Band weiterbrachte. Auch wenn wir Zeit
benötigten, dies zu realisieren.
MF: Ihr seid nun schon seit 1987 in dieser
Konstellation zusammen. Kam es in dieser Zeit nie zu
Spannungen in der Band?
JG: Dank dieser Kombinationen an Persönlichkeiten nicht.
Unsere Musik hat viele Facetten. Es ist Heavy Metal, mit
verrückten Avantgarde-Elementen und melodischen Parts,
die dem Ganzen einen kommerziellen Anstrich verleihen.
MG: Ich erinnere mich, wie wir damals die Tour zusammen
mit Metallica spielten. Die «Kill’em All For
One»-Konzertreise. Wir traten in all den kleinen Hallen
auf. Niemand anderes absolvierte eine solche Tour.
Einzelne Truppen traten vereinzelt in solchen Clubs auf.
Dass aber jemand eine ganze Tour spielt, das war für
diese Zeit einzigartig.
JG: Wir wussten nur, dass die Truppe mit der wir auf
Konzertreise gehen sollten, die Grösste aus Kalifornien
war und dachten: «Wow! Y&T!!!» Aber es war Metallica.
Wer? Sie sollten unser Opening-Act sein. Wir starteten
die Tour und es war eine verrückte Angelegenheit.
MF: Eure Karriere ist ähnlich verlaufen, wie
diejenige von Anvil. Würdet ihr auch einen Film drehen?
MG: Wir arbeiten daran eine Dokumentation über uns
zusammen zu stellen. In wie weit sich dies mit dem Film
von Anvil kreuzt...? Ich habe ihren Film noch nicht
gesehen und kann deshalb kein Urteil abgeben.
JG: Das ist eher eine tragische Komik, die sich auch
stark mit der Persönlichkeit der Musiker
auseinandersetzt. All diese Momente, wenn man Anvil zum
Beispiel auf dem Boden sitzen sieht, wenn sie auf ihren
Zug warten. Bei uns wird sich so etwas eher mit dem
Spass auf der Bühne und im Studio befassen. Es soll kein
seltsames Dokument über Raven werden.
MG: Es ist gefährlich, dass die Band mit einer
Dokumentation nicht plötzlich in ein seltsames und
schlechtes Licht rückt und man plötzlich mit einem
Hollywood-Etikett versehen wird. Ähnlich wie damals
Spinal Tap. Du kannst die Realität auf viele Arten
preisgeben.
MF: Was sind daneben eure Pläne für die Zukunft?
MG: Joe, was sind unsere Pläne?
JH: Wir werden ein super tolles Album aufnehmen, das
auch noch super heavy ausfällt. Wir versuchen weiterhin
unsere Energie auf diesem hohen Level zu halten...
MG (mit hoher Stimme): ...das will ich sehen und hören!
MF: Besten Dank für das Interview und alles Gute für
die Zukunft, auf das ihr uns noch lange mit eurem Sound
die Ohren verwöhnen und den Arsch versohlen könnt!
MG: Exzellent (lachend)!
JG: Auch dir besten Dank für das Interview!
JH: Das Versohlen überlass mir und meiner Doublebass
(lacht).
Lange ist es her. Raven und Metallica zusammen auf
Tour >>>
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