Debut-Album nach 35
Jahren.
Wie der Phönix aus der Versenkung ist die deutsche
Frauenband Rosy Vista nach über dreissig Jahren wieder in der
Musikszene angekommen. Erst jetzt hat der Vierer seine
erste CD veröffentlicht, denn 1985 erschien mit «You
Better Believe It» "nur" eine EP mit fünf Songs. Dass es
eine Frauentruppe nicht immer einfach hat, weiss
Sängerin Andrea Schwarz. Hat sie doch die Tiefen des
Business am eigenen Leib erfahren und musste für ihre
eigenen Ideale kämpfen, um nicht in einen vorgefertigten
Topf gepresst zu werden. Aber die Lady hat sich
aufgerappelt und versprüht heute eine Lebensfreude und
Energie, dass sich manche Mittezwanziger eine
gehörige Portion davon abschneiden können. Mit dem ersten
Longplayer («Unbelievable») im Gepäck und vielen Stories
aus der Vergangenheit entwickelte sich ein lockeres
Gespräch, in welchem die Deutsche offen über das
Geschehene und das Bevorstehende berichtete. Der
Sängerin merkt man an, dass sie zusammen mit ihren
"alten" Bandkolleginnen Anca Graterol (Gitarre) und
Marina Hublek (Schlagzeug) sowie dem neusten Mitglied
Angela Mann (Bass) wieder die Bühnen rocken will. Sie
will Spass haben, mit dem Publikum eine gute Zeit
verbringen und rocken ohne Ende.
MF: Wieso habt
ihr euch nach 35 Jahren wieder reformiert?
Andrea: Der Grund war, dass wir schon immer ein Album
machen wollten. Leider haben wir uns damals relativ
schnell aufgelöst. Über all die Jahre waren wir immer
miteinander befreundet und trafen uns regelmässig. Mit
Anca habe ich 26 Jahre lang Musik gemacht. Im
Mittelpunkt stand aber immer dieser Longplayer (grinst).
Die Songs lagen im Demo-Stadium fertig produziert vor.
Noise Records erwarteten damals von uns Hits (lacht).
Gibt es im Hardrock-Métier Hits? Ausser man heisst Bon
Jovi oder Europe! So kam es, dass wir uns irgendwann
trafen und einstimmig sagten: "Leute, lasst uns das nun
endlich machen" (grinst). Wenn nicht jetzt, wann denn?
MF: Was war der Grund, dass ihr 1989 die
Band aufgelöst habt?
Andrea: Zum einen
wurde ich krank und zum anderen unterstützte uns die
Plattenfirma überhaupt nicht mehr. Die haben uns damals
fallen gelassen. Anders kann man es nicht sagen. Sie
hatten kein Interesse mehr an uns, weil wir keine Hits
produzierten und wir keines mehr an ihnen, weil wir
keine Unterstützung mehr bekamen (lacht). Damals war das
so ein Konglomerat, bestehend aus dem damaligen Scorpions
Management, dem Label und einem Verlag. Wir haben die
immer das Trio Infernale genannt (lacht). Die Drei haben
ständig beratschlagt, was wir anziehen müssten, wenn wir
auf die Bühne gehen oder uns präsentierten. Mein Gott,
wir waren so jung und hatten keinen Plan. Das passiert
uns heute garantiert nicht mehr (grinst). Wir geben so
wenig wie möglich aus der Hand und das ist auch gut so.
Damals lag alles in der Verantwortung von den Dreien, und
damit sind wir gar nicht klar gekommen.
MF: Klingt so ein bisschen nach dem Motto: Wir
vermarken Rosy Vista. Sex sells!
Andrea:
Auf jeden Fall! Damals gab es nur eine
Männer Hardrock Szene. Zu der Zeit fing es erst an, dass
Frauen Musik spielten. Da spreche ich nicht von der
Schlagerszene, das ist was anderes. Aber Hardrock und
Punk… Nina Hagen war eine Vorreiterin. Die Band und wir
als Musikerinnen waren eher Objekte, denn Subjekte. Für
mich als Sängerin war dies ein grosses Problem, da wir
uns mit gewissen Aussagen auseinander setzen mussten.
Teilweise kamen wir nicht klar damit. Logisch wollten
wir auch Alben verkaufen. Damals in den achtziger Jahren
sahen ja selbst die Typen aus wie Frauen (lacht). Da
waren alle mega aufgebretzelt, geschminkt und hatten die
Haare toupiert. Das haben wir als Frauen auch gemacht,
aber bei uns hatte es ein anderes "Gschmäckle", wenn du
weisst, was ich meine (lacht). Was für uns damals noch
zusätzlich ganz ganz schlimm war, war, dass wir musikalisch
besser als die Männer sein sowie uns als Band
viel mehr und uns immer wieder beweisen mussten. Das ist heute
wesentlich einfacher. Es gibt viele tolle Frauenbands,
die Hardrock oder Heavy Metal spielen. Das finde ich
toll und je mehr, desto besser (grinst zufrieden).
MF: Welche Erinnerung hast du an die
Bandgründung?
Andrea: Anca kam aus
Rumänien. Dort spielte sie in der Band Catena. Diese
Truppe war dort sehr erfolgreich. Trotzdem ist sie, wie
viele andere Musiker auch, nach Deutschland geflohen.
Damals war dort noch alles unter dem kommunistischen
Regime von Ceaușescu. Als ich Anca zum ersten Mal sah,
dachte ich nur: "Was für eine Frau! Lange schwarze Haare
bis zum Hintern runter". Wir kamen ins Gespräch und sie
fragte mich, ob ich singen könne. Na ja, konnte ich das
(lacht)? Wir probten und es funkte. Wir suchten eine
Schlagzeugerin. Mit einer spielten wir zwei Konzerte,
die ist dann aber schwanger geworden. Bassistin Guiness
Hellmann war damals schon dabei. Am 29. März, an meinem
Geburtstag, kam eine kleine Person mit unglaublichem
Berliner Akzent zu uns (lacht). Die hat bei uns
gespielt, ist geblieben und das war Marina Hlubeck. Nach
einem Abschiedsgig in Berlin ist sie zu uns in die WG
gezogen (grinst). Alle zusammen in einer grossen WG und
kein Geld vorhanden (lacht), so ist es mit jungen
Musikern.
MF: Wieso habt ihr 1985 nur eine 5-Track
EP veröffentlicht?
Andrea: Jaaa, das ist
auf dem Rücken dieses Triumvirats entstanden (lacht).
Man war skeptisch, wollte abtasten und ausprobieren, wie
man uns verkaufen konnte. Die Produktionskosten für eine
EP waren nicht so hoch wie für ein ganzes Album,
obwohl wir den Arsch voller Songs hatten (grinst).
Heute spielen wir diese Tracks alle, und sie sind auch
auf «Unbelievable» gelandet. Nicht alle, denn wir haben
noch ganz, ganz viel Material (grinst zufrieden). Es gab
diese Diskussionen, ob wir Geld investieren sollten,
aber man entschied sich damals dann doch lieber nur,
fünf Lieder zu veröffentlichen.
MF: Was ist der Grund, dass das neue
Album «Unbelieveble» getauft wurde?
Andrea: Das ist die logische Schlussfolgerung (lautes
Lachen), des Titels «You Better Believe It» unserer EP.
Die ganze Geschichte mit uns ist so unglaublich, wenn
man nun sieht, dass wir nach über dreissig Jahren wieder
zurück gekommen sind und ein neues Album
veröffentlichten. Rosy Vista haben heute wieder dermassen
ein grosses Interesse geweckt und wir geben wieder so
viele Interviews wie damals zwischen 1985 und 1987.
Früher, weil wir eine Frauenband waren und Hardrock
spielten. Heute haben wir die Aufmerksamkeit, dass wir
nach 35 Jahren (lautes Lachen) unser Debüt-Album
veröffentlichten. Dass wir uns wieder
zusammengeschlossen haben und spielen, das ist schon
unglaublich nach dieser langen Zeit. Das ist total geil
(grinst stolz und zufrieden)!
MF: Ist es
leichter als früher für euch?
Andrea: Insofern, dass wir keine Kosten
mehr für ein Studio haben, da wir bei Anca aufnehmen
können (grinst). Wir sind nicht mehr zwanzig Jahre jung
und wissen heute wie der Hase läuft. Für die Leute, die
mit uns zusammenarbeiten, ist es nicht mehr so einfach
(lacht). Weil wir auch wissen, was wir wollen. Es gibt
Dinge, die machen wir nicht mehr, und das ist auch gut
so. Klar freuen wir uns, wenn wir gute Rezensionen
kriegen und die Leute auf unsere Musik abfahren. Dass
wir Live-Gigs spielen können, darauf freuen wir uns ganz
fest. Vielleicht können wir 2020 auf eine Tour
aufspringen. Ich weiss es nicht, hoffe es aber ganz fest
(grinst).
MF: Wurden deine Hoffnungen, Erwartungen
und Wünsche mit der Musik erfüllt?
Andrea: Ein ganz klares NEIN (lacht)! Ich möchte, dass
sie jetzt erfüllt werden. Auch wenn wir schon auf
grossen Bühnen spielten, ich möchte da wieder hin, aber
auch auf kleine Stages. Wir als Band möchten spielen,
spielen, spielen und nochmals spielen. Wo, ist erstmals
völlig wurst. Gerne auch auf Festivals oder wenn man
auf der Bühne steht und die Sonne im Meer verschwindet
(grinst zufrieden). Aber für diesen Sommer wird es nicht
mehr reichen, da die Plätze auf allen Open-Airs schon
belegt sind. Ausser eine Truppe fällt spontan weg.
MF: Dann wünsche ich euch, dass es
viele, viele Konzerte geben wird…
Andrea: …wir werden zusammen mit der tschechischen Band
Citron spielen. Die sind in ihrer Heimat eine grosse
Nummer, und so werden wir in einer 6'000er Halle auftreten,
und wer weiss, vielleicht klappt es dann auch mal in der
Schweiz (grinst).
MF: Danke für das Interview und
Kompliment, denn man merkt dir die Freude und den Willen an,
wieder losrocken zu wollen!
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