Eine Band, die ihren Weg gegangen ist.
Wenn eine Band 55 Jahre im Geschäft ist
und alle Höhen und Tiefen überlebte,
dann gebührt ihr sehr grossen Respekt.
Noch viel grösseren Respekt, wenn sie in
den über fünf Jahrzehnten mit ihrer
Musik Völker verbunden hat, bei den
wichtigsten Open-Airs auftrat und Lieder
für die Ewigkeit schrieb. Man erinnere
sich nur an «Wind Of Change», «Still
Loving You», «When The Smoke Is Going
Down», «Send Me An Angel», «Blackout»,
«Rock You Like A Hurricane», «No One
Like You» oder «Big City Nights». Dass
dabei die Mutter aller Balladen
«Holiday» nicht immer mitgezählt wird,
ist eine Freveltat. Die Herren von den
Scorpions, Klaus Meine (Gesang), Rudolf
Schenker (Gitarre), Matthias Jabs
(Leadgitarre), Pawel Maciwoda (Bass) und
Mikkey Dee (Schlagzeug) liefern noch
immer auf der Bühne ab, Abend für Abend,
und dass sie jetzt wieder an einem neuen
Album arbeiten, überrascht und erfreut
zugleich. Das Was, das Wann, das Wie und
das Warum erläuterte Klaus in einem
ausführlichen Interview, bei dem für
einen Sänger Erstaunliches ans
Tageslicht kam...
MF: Wie hast du
die Corona-Zeit erlebt?
Klaus: Bis jetzt haben wir dies
alle gesund überstanden. Anfang des
Jahres waren wir noch auf Tour in
Australien und Südostasien. Am 5. März
sogar noch in Singapur. Als wir wieder
zu Hause waren, wurde alles von Tag zu
Tag dramatischer, und als der Lockdown
kam, versuchten wir in den Kreativmodus
umzuschalten. Der Plan war, an unserem
neuen Album weiter zu arbeiten. Aus diesem
Grund kam uns der Virus fast ein
bisschen entgegen, damit wir
konzentriert und ungestört an den Songs
und den Texten schreiben konnten. Wir
fielen nicht in ein Loch (grinst), sondern
haben uns voll ins Songwriting gehängt.
Es hat unglaublich viel Spass gemacht.
Klar ist es schade, dass wir die Shows
in diesem Jahr alle verschieben mussten.
In Juli hätten wir im Planet Hollywood
in Las Vegas während eines ganzen Monats
gespielt. Zum Glück mussten nicht noch
mehr Konzerte abgesagt werden. Greg
Fidelman wird das neue Album
produzieren, der zuletzt mit Metallica
und Slipknot zusammen gearbeitet hat.
Wir hätten im Mai und Juni bei ihm im
Studio in Los Angeles sein müssen. Das
hätte sich sehr gut mit den Konzerten in
Las Vegas ergänzt. Somit trat "Plan B" in
Kraft, und wir schrieben ab anfangs Mai
bis anfangs Juni sehr intensiv in
Hannover im Peppermint Studio. Abends
schalteten wir Greg per Zoom dazu, sind
die neuen Tracks zusammen durchgegangen
und haben uns die Files hin und her
geschickt. Bis jetzt hat das alles gut
funktioniert. Der nächsten Schritte sind
Bass und Schlagzeug. Mikkey sitzt in
Schweden und Pawel in Polen. Die
Reiseeinschränkungen verhinderten, dass
wir zusammen aufnehmen konnten. Die
nächste Phase ist nicht einfach. Wir
wollen die Songs zusammen mit dem
Produzenten einspielen und damit die
Form der guten alten Achtziger
einfangen. Es ist eine spannende Zeit,
und wir lassen uns nicht unterkriegen.
Es gibt sehr viel neues Material, so
dass wir nicht auf alte Achtziger-Demos
zurück greifen müssen. Die Songs sind
brandneu, wir sind brandheiss sie für
unsere Fans einzuspielen und das Album
fett fertig zu machen.
MF: Wann ist mit der
Veröffentlichung zu rechnen?
Klaus: Das mit dem Planen ist
in dieser Zeit so eine Sache (grinst).
Wir hoffen aber, dass wir im Frühjahr
2021 veröffentlichen. So könnten wir im
Sommer die Shows in Las Vegas nachholen
und im Herbst auf Tour gehen. Dies mit
einem neuen Set und hoffentlich auch
vielen neuen Songs im Programm.
Hoffentlich haben wir dann alle wieder
in unser normales Leben zurück gefunden.
MF: Hat dich diese Zeit
des Virus auch ein bisschen
entschleunigt?
Klaus: Absolut! Wir sind die
ganzen Jahre, wir kennen es auch nicht
anders, unterwegs gewesen. Ein bisschen
vermisst man das, aber es war der
positive Effekt an der ganzen
Geschichte, dass man sich tatsächlich so
ein bisschen entschleunigen konnte.
Zuhause hat man viel mehr Zeit mit
seiner Familie verbringen und..., jetzt
hätte ich fast gesagt Freunde sehen
können (lacht). Aber die durfte man ja
nicht sehen. Dieses Geniessen mit der
Familie und nicht von einem Termin zu
anderen zu hetzen, das habe ich sehr
genossen. Wenn man die Möglichkeit hat
in seinem eigenen Studio zu arbeiten und
jeden Tag an den Songs und den Lyrics zu
feilen, gewinnt man endlos viel Zeit.
Als wir im Mai zusammen gekommen sind,
zeichnete sich auch ab, wie sich das
neue Album anhören wird. Die Lieder
warten darauf, fertig gemacht zu werden.
Mikkey hat mich vor ein paar Tagen
angerufen und gefragt: "Wann gehts denn
nun endlich los?" "They wait for you to
beat them up", war meine Antwort
(lacht). Mikkey und Pawel sind total
heiss. Wir können es kaum erwarten, dass
wir fünf wieder zusammen sind, denn in
dieser Mai-Session trafen sich nur
Matthias, Rudolf und ich. Klar hätten
wir uns auf L.A. gefreut, aber zu Hause
zu schlafen ist auch eine coole Sache.
MF: Du hast Mikkey
erwähnt, was hat sich für euch
verändert, als er bei euch in der Band
eingestiegen ist?
Klaus: Er hat unglaublich viel
positive Energie mitgebracht. Ein Tritt
in den Hintern. POWER! Es macht
tierischen Spass mit ihm zu spielen, er
ist ein toller Musiker und Drummer.
Nicht umsonst hat Lemmy über ihn gesagt, dass er
der geilste Trommler der Welt ist. Es
macht nur Freude mit ihm zusammen zu
spielen. Die Chemie passt optimal. Wir
kannten uns schon seit vielen Jahren.
Von Konzerten und Festivals, als wir
Motörhead begegnet sind. Wir waren uns
vertraut und der gegenseitige Respekt
war da. Mikkey hat sich sehr schnell in
die Scorpions-Familie eingefunden. Er
muss auch nicht ständig über den grossen
Teich fliegen, wenn in Europa was ist.
Das war mit James (Kottak, Vorgänger von
Mikkey) anders. James lebt in Los
Angeles. Mikkey in Göteborg, das nur ein
Steinwurf entfernt ist. Pawel wohnt in
Krakau. So kommen wir jetzt sehr schnell
zusammen. Es sei denn, die Grenzen sind
geschlossen (lacht).
MF: Nach 55 Jahren Scorpions, was ziehst
du für ein Fazit?
Klaus: Eine Band, die ihren Weg
gegangen ist und immer eine Live-Truppe
war. Eine Combo, die immer mit grosser
Leidenschaft live gespielt hat und sich
nie Grenzen setzte. Wir sind losgezogen
als junge Kerle, um ein Teil der
internationalen Rock-Familie zu werden.
Nach all den Jahren kann man sagen, das
ist uns ganz gelungen (lacht). Es fühlt
sich nach wie vor gut an. Die Qualität,
die diese Band auszeichnet, ist
unter anderem, dass wir nach so vielen
Jahren, Highlights und grossen Erfolgen,
noch immer hungrig sind und sich im Jahr
2020 nicht dabei verrückt vorkommt, ein
neues Album zu kreieren (lacht). Dieser
"old fashion way" (lacht) eine Scheibe
zu veröffentlichen. Nach einer so langen
Zeit müssten wir dies nicht mehr
machen, aber wir haben einfach Lust
darauf. So, wie wir es immer gemacht
haben und nicht anders kennen. Auch wenn
es aus der Mode gekommen ist, ein neues
Werk zu schreiben (lacht). Wir tun es,
weil wir es können, Freude haben,
kreativ sind und weil wir einfach
verdammt nochmal unglaublichen Spass
dabei haben. Und! Weil wir weltweit
unseren Fans nochmals so eine schöne
Überraschung machen wollen. Bei der
viele nicht mehr damit rechnen, dass die
Scorpions nochmals so hart und heavy um
die Ecke biegen. Diese Herausforderung
wollen wir nochmals annehmen. Scorpions
ist eine Band, die Geschichte
geschrieben und die Leidenschaft in all
den Jahren dafür absolut nicht verloren
hat. Wir beginnen schon wieder die Bühne
zu vermissen und im Sommer die Festivals
(grinst).
MF: Du hast gerade
erwähnt, dass das neue Werk richtig hart
werden soll. Von den Songs her oder dem
Sound?
Klaus: Beides! Wir fokussieren
uns auf viele Up-Tempo-Nummern, die
diesen "Heavy-Touch" haben. Wir
orientieren uns an den alten Klassikern,
die wir noch immer im Set spielen. Wie
«The Zoo». «Animal Magnetism» war damals
ein richtiges Heavy-Album. Das eine und
andere haben wir auch in der Richtung
auf der kommenden Scheibe. Vielleicht
fehlt da noch die eine oder andere
schnelle Nummer wie «Can't Get Enough»
(grinst). Mal schauen, was unserem
Riff-Master noch alles einfällt
(grinst). Kommen wir dann endlich alle
zusammen, wollen wir gemeinsam dieses
neue Material spielen. Das Live-Feeling
wollen wir für das neue Album einfangen
und nicht mehr separiert, wie wir dies
viele Jahre gemacht haben und wie man
sich dies auch gewohnt ist..., Mikkey
könnte locker in Göteborg seine Parts
einspielen und Pawel seine Teile aus
Krakau schicken. Aber Greg Fidelman will
die Band in einem Raum haben und diese
Attitüde einfangen. Das ist ein
spannender Prozess, bei dem wir unsere
Komfortzone verlassen. Klar haben die
letzten Produktionen mit den
schwedischen Kollegen sehr viel Spass
gemacht und es hat bestens funktioniert.
Aber der Fokus soll dieses Mal wieder
auf der Band liegen und ich hoffe, dass
sich sehr viele Lieder
heraus kristallisieren, die wir später
auch live spielen können. Es wird ein
Unterschied sein, bezüglich der
Aufnahmen und wir werden sehen, was
dabei heraus kommt. Es ist insgesamt eine
Herausforderung, schon alleine wenn wir
ein neues Album machen und nicht wissen,
ob uns die Ideen zufliegen. Man muss
sich darauf ein- und fallen lassen. Zum
Glück kam Dank der Kreativität alles
sehr schnell in Bewegung. Das Schöne
ist, dass wir dies noch immer machen
können und da draussen eine globale
Bühne ist, auf der wir spielen können
und ein paar Leute warten und sagen:
"Schön, dass die Scorpions nochmals mit
einem harten Album kommen". Eine schöne
Sache, ein gutes Gefühl und das
motiviert uns unheimlich!
MF: Was war für dich
eindrücklicher, das "US-Festival" 1983
oder das "Music Peace Festival" in Moskau 1989?
Klaus: Es gibt noch ein drittes
Festival, das man nicht vergessen darf
und das man in dem Zusammenhang erwähnen
sollte. Das "Rock in Rio" von 1985. Diese drei
Festivals waren herausragende Momente
in unserer Karriere. Das "US-Festival" hat
uns den Headliner-Status in den USA
eingebracht. Dank unserem grandiosen
Auftritt als Co-Headliner mit Van Halen,
nach Quiet Riot, Mötley Crüe und Judas
Priest. Da mussten wir schon ganz schön
Gas geben (lacht). 1985 beim Rock in Rio
waren die Scorpions eine weltweit angesagt
Band. Mit über 350'000 Fans war der
Event etwas ganz Besonderes, mit AC/DC,
Queen oder Iron Maiden. Das "Music Peace
Festival" ...als europäische Band nach
Russland zu gehen, war ein Meilenstein.
Es war sehr emotional aufgeladen, durch
die Deutsch/Russische-Geschichte. 1988
haben wir die Türe für andere westliche
Truppen nochmals ganz, ganz weit
geöffnet, als wir in Leningrad spielten.
Wie für Bon Jovi, Ozzy Osbourne,
Cinderella, Mötley Crüe oder Skid Row,
die dann mit uns zusammen 1989 in Moskau
auftraten. Wir sind gemeinsam in London
in den Flieger gestiegen und zusammen
nach Moskau geflogen, wo wir die Welt
auf den Kopf stellten.
MF: Wie schwierig waren
die Zeiten damals bei den Aufnahmen zu
«Blackout», als du Probleme mit deiner
Stimme bekommen hast?
Klaus: "The end of the road".
Anfangs der achtziger Jahre spielten wir
in tolles Live-Album in Japan ein. Wäre
alles vorbei gewesen, hätte ich mich
nicht beschweren dürfen.
Glücklicherweise habe ich nach zwei
Stimmbandoperationen..., Rudolf
protestierte vehement, als andere der
Meinung waren, einen neuen Sänger zu
suchen. Ich kämpfte, bis ich in der Lage
war, dieses extrem harte Album
«Blackout» einzusingen. Mein lieber
Freund Don Dokken half in dieser
Übergangszeit. Leider wurden die Bänder
mit ihm gelöscht. Die hätte ich gerne
nochmals gehört. Ich konnte die Lieder
für «Blackout» einsingen, es ging weiter
und glücklicherweise hat mich meine
Stimme nie mehr auf die Art und Weise verlassen.
Es fühlt sich an, wie die längste
Zugabe, die wir jemals gespielt haben
(lacht). Wäre alles vorbei gewesen,
hätte ich nicht traurig sein dürfen. Für
die Scorpions wäre es sicherlich
weiter gegangen. Aber es war ein grosses
Glück, dass die Jungs hinter mir
gestanden sind und mich gepusht haben.
Nach zwei Operationen, wenn man nicht
singen darf und keinen Piep macht, kommt
man schnell an den Rand einer
Depression. "Freunde lasst euch nicht
aufhalten und macht ohne mich weiter!"
Dieser Schritt und der Gedanke kommt
sehr schnell. Es war eine glückliche
Situation. Eine Tragödie und der Triumpf
der Freundschaft. Man hat gesehen bei
AC/DC, wenn es nicht anders geht...,
niemand ist unersetzlich. Das ist eine
Erfahrung, die einige Bands selber
erleben und durchziehen mussten. Nicht
immer zum Gefallen der Fans. Das ist
klar, denn man liebt seine Rock-Götter
so wie man sie kennt und will sie
genau so haben. Kleinste Abweichungen
werden mit lauten Protest geahndet
(lacht). Vor allem die der musikalischen
Natur (lautes Lachen).
MF: Die Tourneen in den
Achtzigern waren lang und selten mit
Day-Offs verbunden. Wie bist du nach
deiner Operationen mit dieser Situation
umgegangen?
Klaus: Dank des sehr guten
Arztes in Wien, der mich aufbaute..., alles
war ein Weck-ruf, bei dem ich wusste,
würde ich so weiter machen wie bis
anhin, mache ich alles kaputt. Ich
musste einen Weg finden, mit dieser
Herausforderung klar zu kommen und im
Jahr mehr als 150 Konzerte zu singen. In
unseren Hochzeiten haben wir deutlich
mehr Gigs gespielt. Ich musste einen
guten Weg finden, besser auf mein
Instrument, sprich die Stimmbänder, zu
achten. Ich ging viel bewusster mit der
Situation um und begann Warm-Ups zu
singen und Stimmband-Vocals-Trainings zu
machen. Auf Tour versuchte ich das Ende
noch miterleben zu können (lacht). Dafür
habe ich gerne die eine oder andere
Party ausgelassen. Geschenkt gekriegt
haben wir das alle nicht, was wir in all
den Jahren erreichten. Im Zusammenhang
mit Heavy Metal und Rock'n'Roll ist es
ein hässliches Wort, das da wäre:
DISZIPLIN! (lacht). Als Sänger in einer
solchen Band, die so im "Overdrive"
unterwegs ist, mit so viel Power und
Energie, muss man sich selber einen Weg
finden, dass man seine Leistung Abend für
Abend abrufen kann.
MF: Was war für euch
damals schwieriger? Einen Nachfolger für
«Love At The First Sting» oder für «Eye
II Eye» zu schreiben?
Klaus: Das war schwerer für
«Love At The First Sting», weil die
Scheibe ein grosser Welterfolg war. Mit
Tracks wie «Rock You Like A Hurricane»,
«Big City Nights» oder «Still Lovin'
You». Ausserdem wurde die Zeit ohne
Dieter Dirks, Ende der achtziger Jahre
auch nicht einfacher, nach einer so
langen und erfolgreichen Epoche. Das
nächste Werk war «Savage Amusement», das
noch ein sehr erfolgreiches Album war.
Wir spürten, dass wir an unsere Grenzen
kommen. Die Erfolge von «Lovedrive»,
«Animal Magnetism», «Blackout» und «Love
At The First Sting» waren so gigantisch,
dass jede neue Produktion mit einem
Riesendruck verbunden war! Ende der
Neunziger gelangten wir an einen
Scheideweg. Dieses Jahrzehnt war
einerseits gigantisch dank «Wind Of
Change» und «Crazy World», andererseits
waren es die Jahre von Grunge und
Alternative. Die Nirvanas hatten die
musikalische Welt völlig auf den Kopf
gestellt. Classic-Rock und viele Combos,
die in den Achtzigern mega erfolgreich
waren, zerbrachen, weil kein Hahn mehr
nach dieser Musik schrie. Wir haben uns
über Wasser gehalten, auch weil wir in
Südostasien sehr viele Fans haben.
Unsere Klänge fielen da noch immer auf
fruchtbaren Boden und wurden mit Platin-
und Doppelplatin ausgezeichnet, während
der Rest der Welt durch Grunge dominiert
wurde. Viele hofften, dass der "normale"
Kreislauf wieder zurück kommt, zum "good
old Rock'n'Roll». Das passierte dann
zum Glück wieder. Nach «Eye II Eye»
waren wir in einer sehr
experi-mentierfreudigen Phase, zumindest
für viele Fans, wie man weiss. Obschon
das Album gar nicht mal so schlecht war.
Aber es war für die meisten fremd. Die
Projekte, wie mit den Berliner
Philharmonikern («Moment Of Glory»), das
nun auch schon zwanzig Jahre her ist, und
«Acoustica» haben uns auf andere Weise
gefordert und 2003 wieder auf den
richtigen Weg gebracht. Mit
«Unbreakable» waren wir zurück in
unserem Fahrwasser. Die Neunziger waren
keine einfache Zeit, auch wenn sie von
einem Mega-Erfolg gekrönt waren, aber
auch eine grosse Herausforderung
bereit hielten, die wir überstehen
mussten.
MF: Dafür waren die
Achtziger enorm erfolgreich für euch.
War es schwer auf dem Boden zu bleiben?
Klaus: In Hannover sind wir
"gegrounded". Das ist eine
Mentalitäts-sache. Aber klar, Grund genug
zum Abheben hätten wir gehabt. Wer
dreimal den Madison Square Garden als
Headliner ausverkauft, mit Bon Jovi im
Vorprogramm..., tja..., das sind Momente, die
man nicht vergisst und die uns als Band
noch enger zusammen geschweisst haben.
Die Tatsache, dass wir noch immer
zusammen sind, hat sicher damit
zu tun, dass diese Geschichte, welche
die Scorpions geschrieben haben, sich sehr
schwer wiederholen lässt. Wie lange hat
es gedauert, bis da draussen ein
deutscher Act von sich reden gemacht
hat? Da waren wir jahrzehntelang alleine
auf weiter Flur. Wir wissen auch, wieso
wir diesen Status erreichten. Eben weil
wir immer abgeliefert haben. Man kann
sicher ein schlechteres Album
veröffen-tlichen oder Songs schreiben
und eine Richtung einschlagen, die vom
Kern abweicht oder nicht den Nerv der
Leute treffen. Aber! Entscheidend ist,
dass innerhalb der Band die Chemie
stimmt und sie auf der Bühne abliefert.
In dem Moment, als wir auf die Stage
gingen, ging die Post ab und die Chemie
der Scorpions hat dann immer am
stärksten seine Früchte getragen. Egal
und wo auch immer. Das hat uns als
internationale Truppe sehr, sehr, stark
gemacht.
MF: Das stimmt, denn
euch habe ich immer in den grossen
Hallen oder an Festivals in der Schweiz
gesehen. Aber auf der «Eye II Eye»-Tour
habt ihr im Zürcher Volkshaus gespielt
und habt, wie immer, ABGELIEFERT!
Vielleicht war dies sogar das
intensivste Konzert, das ich von euch
sah...
Klaus: ...ah, du warst da? Danke,
das ist am Ende, auf was es ankommt.
Damals, als wir als junge Truppe in England
spielten, war es wichtig auf der Bühne
zu zeigen, was du drauf hast. Wir haben
nach den Sternen gegriffen, aber wenn du
nicht die Mittel dazu hast, trittst du
ganz schnell wieder die Reise nach
Hannover an (grinst) und der Traum einer
internationalen Karriere ist ausgeträumt
(lacht). Aber die Engländer wie auch
die Japaner haben uns in den Siebzigern
geliebt. Von da gings in die USA, und
dank dem Fahrwasser von AC/DC, Ted
Nugent und Aerosmith haben wir sehr viel
getourt, aber dabei auch gleichviel
gelernt von diesem amerikanischen
Rock'n'Roll-Zirkus. Auf unserer ersten
US-Tour war Ted Nugent Headliner, AC/DC
waren Special Guest und wir die Opener.
1979 haben sich beide Support-Bands nach
oben gearbeitet. Damals war Amerika noch
das verrückte Rock-Land, mit all den
Rock'n'Roll-Stationen, die zu jeder
Sekunde Classic Rock sendeten. Das gab
es in Europa überhaupt nicht. Deine
Lieder auf diesen Sendern zu hören und
diese endlosen und tausenden von
Interviews die wir gaben, waren immer mit
unglaublich viel Spass verbunden. Diese
Jahre prägten uns sehr für all das, was
noch kommen sollte in den Achtzigern.
MF: Wie kam es zum
Bandnamen?
Klaus: Rudolf gründete die Band
um 1965. Er sagte, dass er einen Namen
mit internationalem Klang wollte.
Skorpion versteht jeder, als Tier oder
Sternzeichen. Kleine Viecher, die sehr
robust und gefährlich sind. Der Stachel
hat ihn damals daran erinnert, wenn sich
die Nadel vom Plattenspieler auf die
Langspielplatte senkte. Schreibst du
das heute, weiss kaum einer noch was ein
Plattenspieler ist (lacht).
MF: Wie hast du dich
über all die Jahre verändert?
Klaus: Ich hab mich ganz sicher
verändert, aber ich hoffe nicht hin zum
Schlechten (lacht). Ich denke nicht,
dass mich der Erfolg veränderte. Im Kern
bleibt man immer die Person, die man
ist, da ich in Hannover und nicht in
Hollywood aufgewachsen bin (lacht). Man
sollte nie vergessen wo man herkommt.
Ich hoffe, dass wir immer die Alten
geblieben sind. Eigentlich bin ich ein
schüchterner Typ. Wie ich am Ende auf
der Bühne gelandet bin, dazu noch als
Frontmann (lacht), das kann ich mir gar
nicht vorstellen (lacht). Je länger man
von einer Tour weg ist, desto mehr frage
ich mich: "Bin ich das? Wirklich?"
Einer, der in Rio auf die Bühne geht,
bei all diesen Leuten..., ich bin Zwilling
im Sternzeichen. Es fühlt sich an, als
würde mein Zwilling auf die Bühne gehen
und meinen Job machen und sich genau da
so wohl fühlt. Es gibt auch die private
Person. Die Zwei verstehen sich aber
ganz gut (lacht). Um auf die Bühne zu
gehen, dazu muss man geboren sein. Am
Ende weisst du gar nicht, wie du dahin
gekommen bist. Aber es scheint, dass
dies der Platz ist, welcher der liebe
Gott für mich vorgesehen hat (grinst).
Ich habe das Glück, dass ich eine super
Band fand, mit der ich noch immer sehr
viel Spass habe auf der Bühne zu stehen.
Das sind alles tolle Musiker, und dass
ich in meinem Leben so viele Kollegen
traf, gehört ja auch irgendwie dazu.
Dabei muss man aber immer mit den Füssen
auf dem Boden bleiben, sich von
diesem ganzen Starkult fern halten und
für die Fans da sein! Darum denke ich,
dass ich immer bei mir geblieben bin
(grinst). Wenn nicht, dann achtet meine
Frau darauf, dass ich auf meine alten
Tage nicht noch beginne abzuheben
(lacht).
MF: Klaus, ich bedanke
mich für diese interessante Interview,
es hat unheimlichen Spass gemacht...
Klaus: ...das freut mich, mir
auch...
MF: ...ich wünsche
euch alles Gute und hoffe, dass wir uns
bald wieder sehen.
Klaus: Martin, hab vielen Dank!
Pass auf dich auf, so dass wir uns bei
einem Konzert bald wieder sehen.
Scorpions 2020
Scorpions 1972
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