Interview: Shakra

By Tinu
 
Die Leiter rauf und runter...


«High Noon» war für Shakra ein "High Success"! Die Rückkehr von Sänger Mark Fox war die einzig richtige Entscheidung und präsentierte eine Truppe auf Tour, welche sich von Konzert zu Konzert steigerte und energiegeladene Shows zum Besten gab. Kaum war der letzte Ton beim letzten Auftritt verklungen, standen die beiden Gitarristen Thom Blunier und Thomas Muster, zusammen mit der Rhythmussektion Roger Tanner (Drums) und Dominik Pfister (Bass) schon wieder im bandeigenen Studio und zimmerten mit Mark die neuen, genialen Songs zusammen. Die Entstehungsgeschichte zu «Snakes And Ladders», die Gedanken zu «High Noon» und ein paar Kommentare zur Bandhistorie erzählt uns im folgenden Interview Thom Blunier auf seine humorvolle Art.

MF: Album Zwei nach dem Wiedereinstieg von Mark. Wie ist diese "Reunion" für dich verlaufen?

Thom: Sehr gut und viel besser als erwartet (grinst). Die Befürchtungen, dass es in die gleiche Richtung gehen könnte, wie wir es schon mal erlebten, waren sicher vorhanden. Wir verstehen uns so gut wie noch nie zuvor. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass wir alle älter geworden sind (grinst). Wir wissen, wo der andere seine wunden Punkte hat, und dann lässt man die Stichelei auch beiseite. Es gab keine Situation, bei der man sich im stillen Kämmerlein hätte zurückziehen müssen, um ernsthaft über das Problem zu sprechen. Ich glaube, dass dies zu den besten Zeiten gehörte, die wir in der Band verbrachten.

MF: Ich denke, das sah man auch auf der Bühne, da seid ihr zu einer extremen Einheit zusammengewachsen, wenn man den ersten Gig im Z7 mit dem letzten vergleicht…

Thom: …das sollte ja auch so sein (lächelt)! Viele Bands proben nicht, aber wir treffen uns sehr viel im Proberaum. Trotzdem bist du nicht immer auf diesem "fucking" Level wie nach einer zweiwöchigen Tour. Nachdem du jeden Abend analysiert hast und sich eine gewisse Routine einschleicht, so dass du deine Nervosität ablegen kannst. Die begleitet uns noch immer (grinst). Beim ersten Gig im Z7 bist du logischerweise aufgeregter, als vor dem drittletzten Konzert.

MF: Wie nervös warst du vor dem ersten Auftritt?

Thom: Nervös… Man weiss nicht, wie werden die neuen Lieder vom Publikum aufgenommen. Haben wir genügend Zeit im Proberaum verbracht, um "tight" abzuliefern? Wie wird der Sound sein und wie passt das Licht? Es sind viele Fragezeichen vorhanden und Unsicherheiten, die sich erst mit der Zeit verflüchtigen. Es ist immer wieder was Neues, und du hast keine Ahnung, wie du auf der Bühne reagieren wirst, wenn du unter Strom stehst.

MF: Wie unsicher warst du bezüglich des Publikums und wie dieses Mark wieder empfangen wird?

Thom: Diesbezüglich war ich relativ entspannt. Es hat sich früh abgezeichnet, dass die Fans von der Idee, dass wir wieder zusammen spielen, sehr angetan waren. Vielleicht haben die Leute, die es scheisse fanden, ihre Gefühlslage gar nicht kommentiert (grinst). Die, welche es cool fanden, gaben uns eine unglaubliche Power. Das hat dazu geführt, dass wir sehr selbstbewusst durchstarten konnten. Wir waren eher unsicher, wie die neuen Lieder aufgenommen werden und nicht, ob Mark nochmals akzeptiert wird. Mit ihm war es ein vertrautes Gefühl, da wir zusammen die erfolgreichste Zeit verbrachten. "Aha, wir sind wieder zusammen und eine Einheit!" So, wie es sich gehört (lacht). Ich hätte nie gedacht, dass ich das jemals sagen würde, ABER es ist tatsächlich so!

MF: Wie lange habt ihr an den neuen Liedern zu «Snakes And Ladders» geschrieben?

Thom: Ehm… (grinst). Sie haben nicht lange (lacht) an den neuen Songs geschrieben. Kein Track stammt von mir. Alle Ideen kamen von Mark Fox und natürlich Thomas Muster. Gehen wir ins Studio, stehen die Songs. Diskussionen führen wir vorher.

MF: Wo siehst du die Unterschiede zwischen «High Noon» und «Snakes And Ladders»?

Thom: Für mich gehen die Songs weiter. Alleine beim letzten Track «The End Of Days» bin ich der Meinung, dass wir noch nie eine solche Idee umsetzten. Auch etwas wie «Rollin‘», das eher in die Rolling Stones-Richtung geht, ist für uns völliges Neuland. Die Tracks gehen "back to the roots", wenn man dieses ausgelutschte Wort verwenden darf. Das Album beinhaltet keine modernen Elemente, sondern eher Experimente, die ihre Wurzeln mehr in der Vergangenheit haben. Welche Art von Musik hörten wir und mit welchen Songs sind wir aufgewachsen? Was hat uns bewegt, und wieso sind wir überhaupt bei dieser Musik stecken geblieben? Was ist wichtig? Das war das Grundgerüst für die Lieder. Meine Produktion macht aus einem Uriah Heep Track keinen Heep-Track von früher, sondern einen Song, wie Shakra auf der Bühne klingen.

MF: Wenn du heute einen Song schreiben würdest, fiele dir das viel einfacher als früher?

Thom: Nein! Natürlich nicht, eher im Gegenteil! Damals hattest du ein weisses Blatt vor dir, auf welches du zeichnen konntest, was du wolltest. Jeder von uns hat schon fast alles gezeichnet. Trotzdem fällt uns immer wieder etwas ein. Aber einfacher als früher ist das definitiv nicht. Dass du dich nicht auf einem Pfad verirrst, auf dem du schon spaziertest, ist sehr schwierig.

MF: Was führte zu den sehr dezenten Keyboard- und Streicher-Einsätzen?

Thom: Das liegt daran, dass Dominik (Pfister, Bass) sehr gerne Keyboards spielt (lacht). Thomas Muster hat schon bei den Demos die Keys dezent eingesetzt. Dominik hat alles eingespielt. Ich finde das wirklich cool, dass man so einen Farbtupfer rein bringen kann und die Songs so "breiter" werden. Es sind ja nicht diese monumentalen Orgelwände zu hören (lacht).

MF: Wie entstand der Titel des neuen Werkes?

Thom: Tja, es war für alle klar, dass die Scheibe «Eleven» heissen wird (lacht) und dass wir den Release auf den 11.11. setzen, natürlich mit elf Tracks. Von Beginn weg hatten wir grosse Freude an dieser Idee. Aber je länger wir darüber nachdachten, desto blöder fanden wir diese Geschichte (lacht). Spätestens als wir an die Ausarbeitung des Covers gingen und eine Elf zeichneten, wussten wir, dass sich dies im Sand verlaufen wird. So stellten wir die Grundidee schnell in Frage. Daraus entstand «Snakes And Ladders», dieser unfassbar geile Titel (grinst). Das Leiterlispiel mit allen Auf- und Abstiegen haben wir nur zu oft in unserer Karriere erlebt. Du gehst ein paar Stufen hoch und fällst gleich wieder auf die Schnauze. Musst dich besinnen, sprich würfelst und gehst weiter. Es fiel uns wie Schuppen aus den Haaren… So ist doch unser ganzes Leben, ein einziges Leiterlispiel. Die Songs existierten schon vor dem Albumtitel. Zusammen mit der Schlange und dem Würfel auf dem Cover ist das echt geil geworden. Ja, es hat was Autobiografisches. Mit den Sängern hatten wir nicht immer Glück. Peter, unser erster Shouter, musste aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Mit Mark hatten wir beim ersten Mal viel Stress und John Prakesh verlor plötzlich die Freude an der Musik. Viele andere Truppen hätten forfait gegeben und sich aufgelöst. Das war unser Auf und Ab. Die anderen Ups And Downs kennt jede Truppe. Mit dem Business, dem Proben und Kämpfen, dass es immer weiter geht. Das ist ganz normal, aber die Sänger-Geschichte hat bei uns viel Substanz gekostet.

MF: Bevor «Snakes And Ladders» veröffentlicht wird, habt ihr noch die Balladen-CD «Life Tales» veröffentlicht. Interessanterweise nur bei Universal und nicht bei AFM…

Thom (völlig überrascht): …was? Ein Balladen-Album (grinst)? Das war eine Idee von Universal. Unsere Bedingung war, dass wir keine grossen Aufwand haben. Neue Songs wollten wir für diese Scheibe nicht komponieren, da unsere Priorität und das Augenmerk auf «Snakes And Ladders» lag. Grundsätzlich wollte Universal das Album auf den Valentinstag hin veröffentlichen. Das fand ich eine gute Idee. Eine Balladen-CD als Geschenk zum Valentinstag. Das hat aber nicht ganz so geklappt wie erhofft (grinst). Wie so vieles nicht… Und schon sind wir wieder bei «Snakes And Ladders» (lacht). Irgendwann erschien die Scheibe dann doch (grinst).

MF: Gab dies Ärger mit AFM?

Thom: In der Schweiz sind wir bei Universal unter Vertrag und in der restlichen Welt bei AFM. Diese Balladen-Scheibe wollte nur Universal veröffentlichen.

MF: Wie stark sind die Hoffnungen beim neuen Album auf einen hohen Charteinstieg in der Schweiz?

Thom: Hätten wir im Januar veröffentlicht, wäre die Möglichkeit, dass man hoch in die Charts einsteigt, bedeutend grösser. Mit «High Noon» waren wir auf Platz 2 und mit dem Vorgänger «Powerplay» auf Platz 1. Aus diesem Grund gehen wir davon aus, dass wir nicht nur auf Platz 100 einsteigen werden. Nun releasen wir im November. Das führte zu ein bisschen Stress, da ich den schönen Sommer nur im Studio verbrachte (grinst). Ich gehe davon aus, dass unser Album anhand der vielen anstehenden Veröffentlichung eher ein bisschen weiter hinten in den Charts einsteigen wird. Vielleicht verkaufen wir aber ein bisschen mehr, weil das Weihnachtsgeschäft vor der Türe steht.

MF: Wie hast du dich, der Thom, in den letzten Jahren als Person verändert?

Thom: Oh mein Gott, der ist alt geworden (grinst). Nächstes Jahr feiert er seinen 50. Geburtstag und merkt, dass alles schon eine gewisse Zeit andauert. Manchmal erschrecke ich, wenn ich merke, dass etwas vor 15 Jahren passierte. Die Zeit rast nur an dir vorbei, das ist unglaublich! Ob ich ruhiger geworden bin? Nein, ich glaube nicht. Ich feiere mehr und habe mehr Kopfschmerzen als früher (grinst). Je älter man wird, desto mehr Freunde hast du. Da gehst du weg und alle offerieren dir ein Bier, obschon man merkt, dass man schon lange kein Bier mehr wollte (lacht). Früher passierte dies nie, da ich keine Freunde hatte, immer in meinem Kämmerlein an meinen neuen Ideen arbeitete und viel übte. Heute spiele ich schlechter Gitarre, dafür habe ich mehr Freunde (grinst).

MF: Was war früher für dich wichtig, und was ist es heute?

Thom: Früher war ich eher ein Einsiedler. Ein zynischer… Ich habe mich zurückgezogen und war alleine. Ich übte viel und setzte mich mit den Produktionen auseinander. Früher war es mir zu langweilig auf dem Land, und heute geniesse ich die Ruhe. Heute schätze ich Beides, sprich Ruhe und Rambazamba mit der Band. Zudem habe ich unfassbar viele Freunde, früher waren es nur zwei (grinst). Man lernt geniessen. Dass der Wein besser schmeckt und ihn nicht nur runterschüttet. Das sind kleine Dinge, die man mehr schätzt.

MF: Du warst für mich immer auch ein genügsamer Mensch. Hast du etwas vermisst und hättest vielleicht auch gerne mehr Gas gegeben mit Shakra oder ist der Erfolg genau der Richtige in der korrekten Geschwindigkeit?

Thom: Wir haben immer so viel Gas gegeben, wie möglich war. Zu den «Rising»-Zeiten bemerkten wir einen gewissen kommerziellen Erfolg. Es besuchten auch mehr Leute unsere Konzerte. Dabei verpassten wir den Punkt, das Ganze noch ernster oder gewissenhafter anzugehen und haben einiges vielleicht zu unprofessionell betrieben. Wir wussten vielleicht auch nicht, wo wir noch härter oder fokussierter hätten arbeiten müssen. Die erfolgreichen Truppen von früher wurden von grossen und wichtigen Leuten oder Managern beraten. Auch wir hörten uns viele Meinungen an, aber uns fehlte das Vertrauen in diese Aussagen oder zu wenig. Damals investierte kein Mensch mehr eine Million in eine junge Band. Zu diesem Zeitpunkt («Rising») hätten wir vielleicht mehr aus uns machen können. Ob wir erfolgreicher geworden wären? Wären wir konsequenter am Ball geblieben, wer weiss, was alles möglich gewesen wäre. Natürlich habe ich mir mehr erhofft. Ich wäre doof, wenn man etwas seinem ganzen Leben unterordnet und kaum davon leben kann sowie der Meinung ist, das ist okay. Wer zahlt schon gerne viel Steuern und verdient nichts? Wir alle wären gerne erfolgreicher gewesen und hätten gerne mehr Geld verdient. Trotzdem verstehe ich, dass wir nicht den gleichen Erfolg hatten wie Michael Jackson. Gewisse Defizite sehe ich und verstehe, wieso andere erfolgreicher waren. Gerecht ist das Business sowieso nie. Mit dem Alter lernst du Dinge zu akzeptieren, und du darfst nie hadern.

MF: Dann wünsche ich dir weiterhin viel Erfolg! Den habt ihr euch redlich und bedanke mich für das Gespräch.

Thom: Danke dir für das Gespräch. Hat, wie immer, Spass gemacht. Wir sehen uns auf Tour.