Interview: Tankard
By Tinu
Bierkenner und -liebhaber, Musterschüler der Weight Watchers, Serien- und Soapdarsteller, Thrash-Ikone, Schlagersänger und bekennender Fussball-Fan. Das alles ist Gerre (AG), der Sänger von Tankard. Er ist einer der witzigsten Interviewpartner, den man sich vorstellen kann und somit bleibt ein Gespräch mit ihm immer unterhaltsam. Als Unterstützung zum neuen Werk «Vol(l)ume 14» rief eines Montagsabends der Schreihals pünktlich bei mir zu Hause an. Was sich daraus entwickelte, lest ihr am besten gleich selbst.

MF: Wie würdest du das neue Album einstufen und abgesehen davon, dass es eh das Beste ist (Gerre lacht), was hat sich geändert?


AG: Nun ja, ich würde nun nicht so weit gehen und behaupten, dass dies das beste Album von uns ist (lacht). Vergleicht man «Vol(l)ume 14» mit den letzten paar Veröffentlichungen, dann hört man klar heraus dass wir den Produzenten gewechselt haben. Auch wenn wir immer mit Andy Classen zufrieden waren, wollten wir einmal was Neues ausprobieren und das Ganze mit einem Back-to-the-roots-Klang versehen. Ich denke, so klingt die neuste Scheibe auch. Alles ist etwas erdiger, jedes Instrument hört man klar heraus und im Vergleich zu den letzten Scheiben ist noch immer alles Tankard geblieben. Purer Thrash, mit einem grösseren Schuss Melodie. Es war eine komplett andere Arbeitsweise mit Michael Mainx. Speziell beim Gesang haben wir viel Zeit und Arbeit investiert. So sind wir mit dem Endresultat ganz zufrieden. Man ist ja auch keine 20 mehr und lässt nicht jede Kritik durch. Aber wir haben einmal mehr die volle Bandbreite an Kommentaren abbekommen. Von «es ist sowieso immer das Gleiche» bis zu «was ist das denn für ein lascher Sound?»... Nun gut, wir wollten diesen Schritt gehen und sind, wie schon gesagt, ganz zufrieden.

MF: Es gibt viele Bands, die haben sich über all die Jahre entwickelt, nicht immer zum Besten und andere sind geblieben wie AC/DC. Allerdings waren die Erfolgreichsten immer die, welche immer das Gleiche fabrizierten...

AG: ...wir setzen uns nicht ein Jahr vor Release einer neuen Platte hin und überlegen uns was Trendy ist und wie wir nun zu klingen haben. Die neuen Songs kommen aus dem Bauch heraus. An diesen Ideen wird ziemlich lange herumgefeilt, gebastelt und hin und her geschoben. Dann fährt man ins Studio und ist gespannt, was als Endresultat herauskommt. Wir erarbeiten keinen Plan oder sagen uns, dass es wie immer klingen muss. Die besten Songs versuchen wir best möglichst vorzubereiten und mit denen gehen wir ins Studio. Tankard kreieren die Musik, die sie lieben und genau das kommt im Endeffekt dabei heraus (lacht). Wenn es dann heisst, wir machen immer das Gleiche, erwidere ich, dass wir unserem Stil treu geblieben sind. Trotzdem klingt die Band nicht mehr wie zu «Zombie Attack»- oder «Chemical Invasion»-Tagen.

MF: Ihr seid seit 10 Jahren im gleichen Line-up zusammen. Geht euch da das Schreiben von neuen Tracks auch lockerer von der Hand?

AG: Gerade wenn man sich in einem etwas fortgeschritteneren Alter bewegt, wie wir (lacht), ist es echt von Vorteil, wenn man auf ein stabiles Line-up bauen kann. Es ist ein grosser Unterschied, wenn du einen neuen Mann mit 22, oder mit 40 Jahren in eine Truppe einbauen musst. Tankard ist eine ganz homogene Combo. Bei dieser Platte hat unser Gitarrist Andreas Gutjahr alle Songs geschrieben. Das hat sich so ergeben, weil wir anderen zu wenig Zeit dafür hatten. So bekomme ich dann CDs mit neuem Liedgut, bei denen versuche ich meinen Gesang drauf zu basteln. Dann treffen wir uns wieder bei Andy in seinem kleinen Homestudio und fügen die beiden Teile zusammen.

MF: Woher nimmst du deine Inspirationen für die Texte?

AG: Bei mir existiert eine kleine Datei auf der ich all meine verrückten Ideen sammle (lacht). Zwei Leute helfen uns bei den Lyrics. Einerseits ist das unser alter Gitarrist Andy Bulgaropoulus, der 1998 die Band verlassen hat, und andererseits ist es unser Roadie Harald. Die kriegen die Themen vorgegeben und dabei versuchen wir immer eine gesunde Mischung an witzigen und ernsthafteren, seriöseren Texten zu gestalten. Das hat sich nicht geändert. Ich werde bei «Vol(l)ume 14» ganz oft gefragt: «...ihr macht ja jetzt seriöse Texte wie bei «Black Plague» und «The Agency»...», dabei haben wir die schon vor 15 Jahren geschrieben und versucht eine gesunde Mischung zu kreieren. Das ist auch nix Neues (lacht).

MF: Haben eure Fans die Mischung mit diesen Bier-Texten und den doch eher ernsthafteren Teilen immer verstanden oder gab es da auch schon mal Ansagen, was wollt ihr denn eigentlich?

AG: Persönlich finde ich Lyrics schon sehr wichtig. Das ist ein nicht zu unterschätzender Baustein eines Songs. Aber ich prognostiziere nun, dass bei den Fans eher die Musik im Vordergrund steht. Da kommt nicht viel Feedback in Bezug auf die Texte zurück. 1985 haben wir unser zweites Demo «Alcoholic Metal» getauft. Das war natürlich auch etwas ironisch gemeint, da zu der Zeit der grosse Krieg zwischen Poser und Thrasher ausgebrochen war. Seit diesen Tagen haben wir dieses Image weg. Am Anfang unserer Karriere haben wir auch alles nur erdenkliche getan und dazu beigetragen (lacht), das muss man auch ganz klar sagen. Mitte der neunziger Jahre versuchten wir uns davon zu distanzieren mit Werken wie «Two-Faced» und «The Tankard». Das hat uns dann aber auch keiner mehr abgenommen. Heut zu Tage kokettieren wir damit, machen uns echt selber einen Spass daraus und nehmen nicht mehr alles so Bierernst (lacht). Tankard war, ist und bleibt auch immer eine Band, bei der diese Kombination aus Thrash und Spass existiert. Auf der Bühne kannst du bei einem Lied mit einem ernsteren Text auch Spass haben, wenn du ihn spielst. Das ist unsere Philosophie.

MF: Wart ihr euch dieses Bier-Images nie leid?

AG: Das werde ich öfters gefragt, da diese Truppe immer nur auf dieses Image reduziert wird. Eine gute Liveband, bei der immer Party herrscht. Das kann einen schon ein bisschen ärgern. Aber wie gesagt, wir haben uns das auch selber eingebrockt (lacht). Aus diesem Grund brauchen wir uns nicht zu beschweren. In erster Linie kommt es auf die Musik an. Die verbinden wir mit unserer eigenen Art von Humor und haben echt noch immer viel Spass dabei. Sollte uns der eines Tages abhanden kommen, dann müssen wir den Laden ganz schnell dicht machen. Das ist ganz klar.

MF: Gab es nie von einer Bierbrauerei das Angebot, dass sie euch werbemässig unterstützen?

AG: Ja, diese Idee gibt es seit gefühlten 100 Jahren. Wir haben uns auch erst kürzlich mit einer Brauerei getroffen. Binding Bier aus Frankfurt. Das war ein total nettes Gespräch, bei dem wir ein paar Ideen durchgesponnen haben. Schlussendlich haben die Herren auf mehrere E-Mails von uns überhaupt nicht mehr reagiert. Wahrscheinlich waren wir diesen Geschäftsherren dann doch nicht seriös genug (lacht). Nun ja, eine Brauerei mit einem seriösen Anstrich und als Werbeträger eine Truppe mit so wilder Musik... Keine Antwort ist auch eine Antwort (grinst). Es wäre fair gewesen, wenn wir eine einfache Absage erhalten hätten.

MF: Wieso habt ihr dann nicht gleich das eigene Bier gebraut? Dann hättet ihr auf euren Konzerten nur diesen Gerstensaft verkaufen können.

AG: Diese Idee gab es sicher, wie auch in den achtziger Jahren das Warlock-Bier (lacht). Vielleicht ist Tankard auch eine zu kleine Truppe für so was? Ideen gibt es immer genug und deren vieler. Da haben wir auch einen unerschöpflichen Fundus.

MF: Was ist denn mit euren alten Scheiben? Die kann man nirgends mehr kaufen.

AG: Da habe ich heute Nacht noch eine kleine Nachtschicht, die es zu erledigen gibt. Es sind zwei Booklets die korrigiert werden müssen. Im Laufe des Frühjahrs werden alle «Noise»-Alben von «Zombie Attack» bis zu «The Tankard», wie auch die Live-Scheibe «Fat, Ugly And Life» nochmals von Universal rereleased. Damals wurde Noise Records von Sanctuary aufgekauft. Die haben den ganzen Katalog 2005 schon mal wieder veröffentlicht. Die CDs sind mittlerweile alle wieder ausverkauft. Sanctuary wurde von Universal geschluckt. Da die nun nicht gerade die kleinste Firma sind, war es nicht gerade einfach, dort einen Ansprechpartner zu finden. Wir wollen keine Millionäre werden, sondern nur dass die CDs erhältlich sind. Gerade an unseren Konzerten trifft man alte Säcke, die mit uns alt geworden sind, aber auch viele junge Leute zwischen 17 und 19 Jahren, die neu den Zugang zu unserem Sound gefunden haben. Für die ist es unmöglich die alten Alben zu kaufen. Das kann und darf nicht sein. Aber, alles ist in Arbeit und ich bin echt gerade am verzweifeln. Spätestens im April/Mai 2011 sollte dann alles wieder erhältlich sein. Es wird das gleiche Bonusmaterial mitveröffentlicht, wie damals 2005. Alleine aus dem Grund, weil wir nichts anderes mehr in der Hinterhand haben (lacht). Wir arbeiten momentan auch mit Highroller Records zusammen, die alles auf Vinyl veröffentlichten, das es bis anhin nicht zu kaufen gab. Angefangen von «Disco Destroyer», über «Kings Of Beer», «B-Day» bis zu «The Beauty And The Beast», wird das in einer ganz kleinen Auflage in den Verkaufsladen gestellt. Mit unterschiedlichen Vinylfarben und teils anderen Covers. Als Schmankerl wird es die beiden ersten Demos auf Vinyl geben. Etwas für die ganz Wahnsinnigen.

MF: Gibt es von euch noch eine zusammenhänge Tour oder fokussiert ihr euch nur noch auf Wochenend-Konzerte?

AG: Ja, wird sind die «Weekend-Warriors», die im letzten Song der neuen Platte beschrieben werden. Ein autobiographisches Statement (lacht). Wobei das ist ein falsches Wort...(lacht). Nun ja, es ist ein Song über uns, um es mal knapp zu sagen (lacht). Alle in der Band sind berufstätig. Tankard war schon immer eine semiprofessionelle Truppe. Klar, würde jetzt ein Superangebot in die Stube flattern, müssten wir nachdenken, wie wir das logistisch und von der Zeit her richten könnten. Schlussendlich kommen wir auch so auf unsere 30 Konzerte im Jahr und spielen vermehrt an Wochenenden.

MF: Spricht man von den grossen Thrash-Bands aus Deutschland, redet man immer von Destruction, Kreator und Sodom. Tankard waren aber auch immer am Start. Stört es dich dann nicht auch, dass man bei den Grossen, Tankard immer aussen vor lässt?

AG: Diese Frage wurde mir jetzt auch nicht zum ersten Mal gestellt (lachend). Nein, das stört mich nicht. Kreator muss man da ein bisschen rausnehmen, da sie Europas erfolgreichste Thrash-Band und live sehr präsent sind. Klar kennt man sich untereinander, mir gefallen auch die drei genannten Combos gut. Da ich selber ein grosser CD-Sammler bin habe ich alles der drei Truppen in meinem Schrank liegen. Abgesehen eines Demos ohne Schmier von Destruction. Letztendlich kann ich nur für uns als Band sprechen. Das Dilemma hängt vielleicht auch damit zusammen, dass man uns immer ein bisschen belächelt hat und wir dieses Image weghaben. Aber nach 28 Jahren kann ich das Rad nun auch nicht mehr zurückdrehen (lachend).

MF: Was hat dir die «Rock Guerilla» vom Rock Hard an Publicity eingebracht?

AG: Das ist eine sehr schwierige Frage (lacht), gut dass ich heute bei Sinnen bin (lachend). In erster Linie haben Bobby (ehemals Trommler von Sodom) und ich das einmal aus Spass gemacht. Geplant war nur eine Folge. Die kam bei den Leuten dermassen gut an, so hat mich Götz vom Rock Hard angerufen und das gemacht was er sehr gut kann, nämlich die Leute zu belabern. Er hat uns mit Lobeshymnen beworfen, so dass wir beide weich geworden sind. Das Ganze hat sich zu einem Selbstläufer entwickelt. So waren die beiden Truppen Sodom und Tankard immer wieder im Gespräch. So was schadet dem Bandnamen auch nicht. Einen richtigen Gratmesser dafür gibt es nicht. Es macht aber immer total Spass. Nach einigen Minuten sind wir beide warm gelaufen und dann flutscht alles von selber. Vor knapp zehn Tagen waren wir in München auf dem Bavaria Filmstudio Gelände und haben diese «Sturm der Liebe»-Geschichte gedreht. Da fährt man im Zug zurück nach Hause und denkt: «Wie geil ist das denn? Da liegt man jeden Morgen im Bett, schaut sich den Scheiss an und hat die kranke Idee da einfach mal mit zu spielen».

Das Ganze kam ins Rollen durch einen aufmerksamen Rock Hard Leser, der gelesen hat, dass ich «Sturm der Liebe»-Anhänger bin. Seine Freundin arbeitet dort in der Maske. So erreicht ein super netter und langer Brief mit Autogrammkarten das Rock Hard. Und alles kam ins Rollen, dass Bobby und ich in drei Szenen mit Text mitgespielt haben. Rund um diesen Event fabrizierten wir eine Rock Guerilla DVD. Das war schon ein Highlight in unserer Moderatorenkarriere (lacht). Die Schauspieler waren da auch alle ganz locker. Der Regisseur hat uns auch gelobt. «Ihr dürft wiederkommen!» Ich weiss jetzt nicht, ob er uns einfach nur schnell weghaben wollte (lacht). Die eine Szene hat beim ersten Take geklappt. Das war total witzig. Wir sollten im Restaurant sitzen und essen. Zwei Minuten bevor die Szene losging kam der Regisseur und sagte: «Ich habe euch so gut im Bild, ihr müsst euch über was unterhalten.» Ich schlug dann vor, dass wir die letzte Tournee als Thema nehmen. Bobby wollte das proben. Ich mit meinem kleinen Mundwerk war der Meinung, dass wir dies nicht benötigen. Nach dem ersten Take war ich mir nicht so sicher, ob dies nun so toll war. Der Regisseur brüllt dann von hinten: «Das war ein AS!!!» und alle am Set haben geklatscht. Das war schon sehr witzig. Der eine Page meint in der Pause. «Ihr Jungs macht das echt cool. Was denkt ihr, was da ab und zu für Schauspieler ankommen, die überhaupt nichts gebacken kriegen.» Das war schon sehr, sehr witzig, auch mal hinter die Kulissen zu kucken.

MF: Wenn wir schon beim Spass sind, es gibt noch die andere Band namens Tankwart. Da gab es in der Vergangenheit zwei CDs von euch. Ist da noch was Weiteres geplant oder ist das Thema abgeschlossen?

AG: Ich würde es mal so sagen. Das Projekt gibt es eigentlich nicht mehr, weil es die anderen Bandmitglieder leid waren, Songs nachzuspielen. Darum gibt es da auch keine weiteren Pläne. Aber, man soll niemals nie sagen und vielleicht wache ich eines Morgens mit einem total kranken und kaputten Gedanken auf, was man mit dieser Truppe nochmals machen könnte.

MF: Auf den Rock Guerillas DVDs hat man auch gesehen, wie du diverse Kilos abgespeckt hast. Wir kam es dazu, dass du bei den Weight Watchers eingestiegen bist?

AG: Weil ich mit denen einen Millionenvertrag habe (lacht). Wir haben in der Schweiz gespielt und da haben während des kompletten Konzertes zwei Fans je einen riesengrossen Kleber dieser Firma in die Luft gehalten. Dabei habe ich mich bepisst vor Lachen. Vor fünf oder sechs Jahren war ich schon mal dabei. Zieht man das nicht durch gibt es diesen Jojo-Effekt. Anfangs 2009 habe ich mit einem guten Kumpel von mir, der auch etwas korpulenter ist, hin und her überlegt, was wir gegen unsere Pfunde tun wollen. Alleine kriegt man ja nie so richtig den Arsch hoch. So haben wir unsere alte Leiterin angerufen und haben dies dann durchgezogen. Weihnachten war aber eine harte Zeit und nun muss man versuchen wieder bei der Stange zu bleiben.

MF: Gerre, ich danke dir für das lustige und informative Interview!

AG: Danke für das nette Gespräch, ohne das übliche Blablabla. Übrigens ist der Schwegler ein Supertyp (spielt bei Eintracht Frankfurt DEM Fussballverein für Gerre) und du bist der Erste, der mich nicht nach Fussball gefragt hat!