Interview: The Order
By Mirko B.


«Back To The Future» lautet für Gianni Pontillo die Devise der Stunde, der ich mir angesichts der von der Vergangenheit inspirierten und gleichzeitig der Zukunft zugewandten neuen THE ORDER - Scheibe «1986» vorbehaltslos anschliessen kann. Trotz eines nicht abreissen wollenden Interview – Marathons nahm sich Gianni für uns viel Zeit und entpuppte sich im Verlauf eines sehr entspannten Gespräches nicht nur als überaus auskunftsfreudiger und sympathischer Interviewpartner, sondern auch als durchaus traditionsbewusster Vertreter der hiesigen Metal Szene.

MF: Verglichen mit dem Album «Rockwolf», das vor drei Jahren erschienen ist, seid ihr jetzt zu traditionelleren Tönen zurückge-gangen. «Rockwolf» wies einige moderne Elemente auf, die auf 1986 nicht vorkommen, ihr habt also sozusagen einen stilistischen Schritt zurück gemacht. Wie kam es dazu?


Gianni: Also, Bruno (Spring, Gitarrist) hatte angefangen Songs zu schreiben, und da haben wir sofort gemerkt, dass diese Songs nach Van Halen und den ganzen Achtziger Bands klingen. Danach war die Entscheidung ganz einfach, gehen wir Back To The Future, nicht Back To The Roots, wenn wir schon solche Songs schreiben, dann orientieren wir uns eben am Sound der Achtziger. Ich habe dann noch «Long Live Rock'n'Roll» geschrieben, eigentlich im klassischen Whitesnake Stil, und danach war der Fall eigentlich klar. Wir haben uns einfach in diese Richtung bewegt, ohne dass wir es geplant hatten, es ist einfach passiert.

MF: Mit Tracks wie «Mama I Love Rock'n'Roll” oder «Sex, Drugs & Rock'n'Roll” Hat sich ein Album wie «1986» eigentlich fast angekündigt.

Gianni: Wir haben einfach versucht, das Ganze auf dieser Schiene zu behalten. Natürlich kann man heute den Sound von damals nicht mehr wirklich authentisch reproduzieren. Wir haben alles so einfach wie nur möglich gehalten, und ich finde, es ist uns ein Stück weit gelungen.

MF: Jetzt werde ich ein bisschen provokativ. Ich will keine Geburtsdaten verraten, das geht niemanden etwas an, wobei du ja Dein Geburtsjahr im Text von «Sex, Drugs & Rock'n'Roll” eigentlich schon selbst verraten hast. Als die NWOBHM mit Bands wie Judas Priest, Motörhead, Iron Maiden, Saxon, Angel Witch usw. so richtig ins Rollen kam, bist du gerade auf die Welt gekommen. Im titelgebenden Jahr 1986 warst du noch keine zehn Jahre alt. Wie hast du die Achtziger Jahre musikalisch betrachtet wirklich miterlebt?

Gianni: Ich bin mit einem Kumpel aufgewachsen, der Andreas, der ein paar Jahre älter ist als ich, und der hörte damals solchen Sound. Zudem hatte mein Vater sehr viele Platten, Tom Jones und ähnliches Zeug. Ist zwar kein Metal, aber Musik im Allgemeinen war immer sehr präsent in meinem Leben. Mit acht Jahren habe ich bereits angefangen zu singen, z.B. auf italienischen Hochzeiten. Andreas hörte also bereits Mitte der Achtziger Jahre solchen Sound, und als ein paar Jahre später Guns n' Roses in Erscheinung traten, war das für ihn der Mega-Boom, und da zog ich gleich mit, das war für uns natürlich der Oberhammer. Danach ging alles sehr schnell. Ich kam von Guns n' Roses auf Skid Row, danach auf Metallica, dann kam ein Sprung zurück zu Pink Floyd, ich gab mir also ein richtiges, musikalisches Durcheinander. Danach wurde ich beinharter Savatage Fan, das war eine meiner absoluten Lieblingsbands. Ich sage absichtlich "war", weil es sie ja leider nicht mehr gibt, wobei Jon Oliva's Pain auch sehr geil sind, das muss einfach gesagt werden. Criss Oliva bleibt als Gitarrist einfach unerreicht, wobei die neue Savatage – Generation mit Al Pitrelli und Zak Stevens natürlich auch sehr wertig war. So bin ich einfach in diese Szene hinein gerutscht.

MF: Der Album Opener «The Power Of Love» hat mich sofort an Whitesnake in ihrer 1987er - respektive «The Slip Of The Tongue» Phase erinnert”, und bei «Under The Rain» kam mir spontan «Home Sweet Home» von Mötley Crüe in den Sinn. Habt ihr euch im Vorfeld des Aufnahmeprozesses bewusst mit dieser Ära befasst, alte Scheiben hervor gekramt… ?

Gianni: Nein, nein, ich höre einfach allgemein altes Zeug. Die von dir erwähnten Whitesnake Scheiben nehme ich oft hervor, genau so Glenn Hughes, Deep Purple… diese Sachen höre ich mir praktisch täglich an. Und die anderen Jungs sowieso, Bruno z.B. ist ein riesiger Dokken und Judas Priest Fan, es war also überhaupt nicht so, dass wir bewusst solche Sachen angehört haben, um selbst wieder dort hin zu gelangen, überhaupt nicht. Das ist bei uns irgendwie immer präsent. Wir haben auch bei den Aufnahmen nicht darauf geachtet, dass es nach der oder jener Band klingt. Wir schreiben einfach Songs, und wenn du dich in diesem Gebiet bewegst, dann kommt automatisch das Gefühl auf, ein Song könnte nach der Band XY klingen.

MF: Und wie sieht es mit Rockmusik aus den Siebzigerjahren aus, Stichwort «Ledpurplesabbathlizzydc» (Textzeile aus dem «Rockwolf» Opener «Sex, Drugs & Rock'n'Roll»)?

Gianni: Das sind einfach alles Bands, die ich mir anhöre, danach sage ich ja auch, worum es dabei geht: "The ones who make my head shaking around". Das sind einfach jene Bands, die mich geprägt haben. Led Zeppelin sowieso, eine der allergrössten Bands, leider sieht man sie live nicht mehr, die letzte Reunion ist auch schon wieder ein paar Jahre her, obwohl sie noch fit wären und es noch könnten, das finde ich sehr schade. Natürlich war der Drummer John Bonham prägend für die Band, und nach seinem Tod haben sie sich ja aufgelöst.
Ist einfach so, Deep Purple, AC/DC, alles Bands, die mich geprägt haben.

MF: Demzufolge hast du als sehr junger Mensch, nachdem du zum ersten Mal mit dieser Musik in Berührung gekommen bist, rückwirkend auch die alten und sehr alten Sachen für dich entdeckt.

Gianni: Genau so ist es. Mit 23 oder 24 habe ich angefangen, mir den wirklich alten Stoff anzuhören, es wäre gar nicht anders gegangen. Mit 15, 16 Jahren war ich Guns n' Roses, Skid Row und Savatage Fan, aber es ist wie es ist, man geht immer voraus, immer mit der Zeit, hört sich die aktuellen Sachen an, und irgendwie kommt man dann an einen Punkt, an dem man wissen will, was mit der Musik ist, die vorher da war. Und dann merkst du plötzlich, dass es heute keine Bands mehr gibt, die Songs wie z.B. »Kashmir» schreiben. Das sind einfach Hymnen, Queen ist auch so eine Band. Wenn ich heute ein 10 oder 15 Jahre altes Kind hätte, das z.B. Muse hören würde, dann würde es automatisch von sich aus zurück gehen und auf Bands wie Led Zeppelin, Deep Purple, AC/DC und viele andere Bands stossen. Das sind jene Leute, die diese Musik kreiert haben. Das sind die Grundlagen, und entweder nimmst du sie mit, oder du nimmst sie nicht mit. Ich denke, dass viele junge Fans, die heute z.B. Metalcore hören, gar keine Ahnung haben, woher dieses ganze Zeug überhaupt her kommt. Wenn man einen fragen würde "kennst du Led Zeppelin?", dann würde er das sicher bejahen, hätte aber in Wirklichkeit keine Ahnung davon, was die überhaupt gemacht haben. Und vor allem als Musiker muss man solche Sachen einfach kennen. Bei einem Normalsterblichen, was jetzt ein bisschen hart klingt, ist es ja ein Stück weit egal, aber wenn du Rockmusik machst und nicht weisst, wer diese Bands sind, dann hast du definitiv etwas verpasst.

MF: Die nächste Frage hast du eigentlich schon beantwortet, wie wichtig die wegweisenden Dekaden, Siebziger und Achtzigerjahre, den anderen Jungs von The Order eigentlich sind…

Gianni: Noch wichtiger als mir, die sind ja zehn Jahre älter als ich! Die haben das alles miterlebt und sind mitten in jener Zeit aufgewachsen, die kennen das alles.

MF: Ganz was Anderes: Als ich vor ein paar Jahren den Namen The Order zum ersten Mal gehört habe, dachte ich zunächst an eine militärisch angehauchte Industrial Band, so was Ähnliches wie Rammstein, nur noch einen Tick extremer. Stattdessen ist The Order eine klassische Hard Rock und Metal Band. Was steckt hinter diesem Bandnamen?

Gianni: Bruno Spring, unser Gitarrist, hatte für GurD einen Song geschrieben. The Order ist irgend so eine Community in Amerika, bei der es auch wirklich um militärische Thematiken geht. Ich weiss jetzt ehrlich gesagt nicht, wieso dass er einen Song namens The Order geschrieben hat, aber er fand den Namen einfach geil. Das Lied ist bei GurD nicht angenommen worden, also hat er den Titel einfach als Bandnamen benutzt, klingt halt gut. Es ist "die Bestellung" oder "die Ordnung", man kann viele Bedeutungen hinein interpretieren. Irgendwie passt der Name nicht wirklich zur Band, und irgendwie doch.

MF: Ganz besonders geil finde ich das Wortspiel im Titel von «Reorder The Disorder»!

Gianni: Ja genau, ich benutze so was noch oft, in einem anderen Song , ich glaube auf «Metal Casino», erwähne ich den Namen ebenfalls. Aber ich weiss es nicht mehr genau, das ist alles so weit weg, ich schreibe inzwischen so viele Songs!

MF: Lust auf ein kleines Frage – Antwort – Spiel?

Gianni: Ja sicher!

MF: Analoge oder digitale Aufnahmetechnik?

Gianni: Am liebsten analog.

MF: Am liebsten analog? Mit dieser Antwort hatte ich jetzt nicht gerechnet!

Gianni: Ja, definitiv. Am liebsten analog, aber es geht praktisch nicht. Ich komme auf Pure Inc. zu sprechen, was vielleicht nicht sehr angebracht ist, aber egal. Deren Album «Parasites And Worms» ist analog im Bandraum aufgenommen worden, mit einem 24-Spuren Harddisc Recorder. Also Rec, spielen, oder singen, nicht gut, Stop, zurückspulen, punch in… wirklich so! Für dieses Album haben wir irgendwie ein Jahr gebraucht, ist ja auch egal, wir haben im Bandraum aufgenommen und bei VO (Pulver, Sänger/Gitarrist von GurD) abgemischt. Aber eben, wir haben ein Jahr gebraucht! Klar, wir arbeiten alle, wir hatten nicht die Zeit, um diese Scheibe fertig zu machen, sonst wären wir in 2-3 Monaten fertig geworden. Analog ist halt ein extremer Aufwand, aber ich liebe den analogen Sound. Und mit der digitalen Technik kannst du einfach alles machen. Du kannst aus Scheiss-Stimmen gute Stimmen machen!

MF: Monitorboxen oder In Ear Monitoring?

Gianni: Gute Frage! Bei Slädu (Slädu And Friends, Rockprojekt rund um den Gitarristen / Komponisten Zlatko «Slädu» Perica) In Ear, bei The Order Monitorboxen.

MF: Und was lieber?

Gianni: Kann man so nicht sagen. Es ist einfach so: Mit In Ear kannst du deine Stimme schonen, vor allem wenn du auf grossen Bühnen bist und den Sound deiner Mitmusiker auch noch brauchst und du die Monitorboxen nicht überstrapazieren willst, weil es sonst irgendwann zu Rückkopplungen kommt, zudem hörst du dich selbst auch besser. Wenn du hingegen auf kleineren Bühnen bist und gute Monitorboxen hast, dann bevorzuge ich diese.

MF: Kabel- oder Funkmikrofon?

Gianni: Eigentlich Kabel.

MF: Wegen dem Sound.

Gianni: Definitiv ja. Aber es ist heutzutage recht schwierig. Kein Sänger nimmt mehr sein eigenes Mikrofon mit, ich mache es auch nur noch gelegentlich. Dann kommst du in der Location an, und dort hat es einfach Funkmikrofone, dann musst du nehmen, was es hat. Und wenn die Bühnen dann so gross sind, weniger bei The Order aber bei Slädu And Friends schon, dann gibt es mit Kabelmikrofonen einen riesigen Kabelsalat. Aber grundsätzlich bevorzuge ich Kabel.

MF: Jetzt bin ich gespannt: Vinyl, CD oder mp3?

Gianni: (Wie aus der Pistole geschossen) Vinyl! Ich habe zwar nicht so viele Vinylplatten, aber die die ich habe, höre ich mir zu Hause regelmässig an. Eigentlich höre ich mir zu Hause grundsätzlich Vinylplatten an, ausser ich muss beispielsweise etwas einstudieren oder so, dann sind es automatisch mp3-Files, iTunes… und im Auto natürlich CDs, Vinyl wäre natürlich schon geiler, aber es wäre wohl schwer da noch etwas zu hören!

MF: Das nächste Medium: Videocassette, DVD oder Blu-ray Disc?

Gianni: Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung was Blu-ray ist. Habs zwar schon gehört, muss so ein megamässiges High Definition Ding sein, aber ich habe mir noch nie eine Blu-ray angeschaut. DVDs guckst du automatisch, aber ich kaufe mir keine mehr, ich habe Apple TV. Da kannst du dir via iTunes eine Videothek einrichten. Zahlen, downloaden, Film anschauen und gut ist, da musst du dir keine DVDs mehr kaufen. Und Videocassetten… naja, einen Videorecorder habe ich glaub' ich nicht mehr.

MF: Die nächste sehr seriöse Frage: Puch Maxi, Ciao, Vespa oder Yamaha Motorroller?

Gianni: So geil! Ein Ciao Moped hatte ich mit sechzehn, danach bin ich auf Puch Maxi umgestiegen. Ich fand, das geht eher in Richtung Harley, das war eher so mein Ding. Ciao war eher was für die Boys, die Sunnyboys und Angeber, Puch Maxi dagegen war das Moped für die Rocker. Eine Vespa habe ich nie gehabt, und Yamaha Roller… wenn schon, dann eher Vespa, und zwar Old School Vespa mit drei Gängen!

MF: Du stehst auf der Bühne und schaust ins Publikum. Was siehst du lieber, die hochgereckte, geballte Faust, die Pommesgabel oder das Smartphone, das alles aufnimmt?

Gianni: Also erstens sehe ich nicht so viel, und ich sehe auch nicht mehr so gut, was auch super ist, so sehe ich die Gesichter nicht und auch nicht, was die Leute sonst noch machen. Aber wenn dann die geballte Faust, das ist schon geil, und die Pommesgabel natürlich. Und die iPhones, das ist halt die heutige Generation. Wenn sie mich danach auf Facebook stellen und markieren… die Qualität ist einfach abartig! Die Aufnahmen klingen super, dafür finde ich diese Geräte schon geil. Ich war letzthin am Pearl Jam Konzert und habe es auch aufgenommen. So was musst du einfach aufnehmen, wobei ich es nur für mich aufnehme, das sind so Momente, die man für sich einfach festhalten muss. Aber wie gesagt, am liebsten habe ich die Faust!

MF: Manowar!

Gianni: Genau, Manowar. Oder Pantera, das ist mein Ding! Oder Down, ich stehe sehr auf Down!

MF: Zum Abschluss eine hohle Floskel oder ein kerniges Statement von Gianni Pontillo an die Fans? Gib alles!

Gianni: Also, es ist halt schwierig irgendetwas zu sagen, weil die richtigen Metaller treue Menschen sind. Wenn sie einmal Metal hören, werden sie immer Metal hören. Eigentlich hätte ich eine Message an jene, die nicht solchen Sound hören: Gebt dieser Musik eine Chance, es ist ein echt geiler Sound! Geht zurück in die Siebziger-, Achtzigerjahre, hört Euch an, was damals alles abgegangen ist. Es gibt so viel gute Sounds, zieht Euch dieses Zeug rein, und kommt an die Konzerte, denn sie sind das Wichtigste, was Rockbands brauchen. Vor allem heutzutage, denn sorry, Lady Gaga… das kanns nicht wirklich sein, oder? Geht einfach an Rock Konzerte, auch wenn die Gitarren dröhnen und der Sänger ein bisschen shoutet, Ihr findet da einfach eine geile Stimmung. Das ist meine Message an die Leute da draussen.


Unser Mirko (l) mit Gianni Pontillo >