Interview: Tinta Leal
By Steve Butcher


Tinta Leal haben soeben ihr vielbeachtetes erstes Album auf den Markt gebracht. Warum es Sinn macht ein Album in Eigenregie unter die Leute zu bringen, und warum astreiner Hardcore dem Deathwalzer von Requiem weichen musste, verrät uns Tinta Leal Mastermind und Ex-Requiem Vierseiter / Grunzer im Interview mit Metal Factory.

MF: Zum Einstieg eine Huhn-oder-Ei Frage, was war zuerst, die Entscheidung bei Requiem auszusteigen, oder sich an einem eigenen Projekt zu wagen?

Ralf: Die Idee etwas Eigenes zu erschaffen bzw. aus dem Nichts etwas aufzubauen begleitete mich schon recht lange, wobei ich ja in den letzten 7-8 Jahren auch immer mal wieder an diversen unterschiedlichen Projekten in der Schweiz und Deutschland beteiligt war. Während dieser ganzen Zeit bei Requiem spielte ich teilweise ja auch noch in anderen Bands gleichzeitig. Aber der Wunsch und der letztendliche Anstoss, endlich mal was Eigenes zu machen, war schon einige Zeit vor meiner Entscheidung bei Requiem auszusteigen in meinem Kopf.

MF: Tinta Leal sind eine intereuropäische Band mit Mitgliedern aus verschiedenen Ländern, wie probt man bei so grossen Distanzen?

Ralf: Nun ja, also ich würde Tinta Leal eher als multinationale Band bezeichnen. Immerhin sind Leute mit Spanischer-, Deutscher-, Kroatischer- und auch Schweizer Nationalität mit dabei, was aber für das Proben überhaupt nicht relevant ist. Wir haben in etwa einen Altersdurchschnitt von um die 40. Von daher proben wir sowieso nicht regelmässig zwei-oder dreimal die Woche, was man eventuell noch mit Mitte 20 gemacht hätte. Jedenfalls wohnen alle momentan mehr oder weniger in der näheren Umgebung. Zudem spielen José (Guitars) und Steve (Drums) noch in diversen bekannteren (u.a. Gurd) und auch unbekannteren Bands hier in der Nähe. Westi (Bass) spielte jahrelang in Deutschland in Bands (Guerilla, Contradiction) und aber auch in Zürich (Vale Tudo). Tom Kuzmic (Guitars) war im Studio als Gast tatkräftig mit dabei und spielt bekanntlich ja hauptamtlich bei Cataract. Gemeinsames Proben vor Live Shows oder Studioaufnahmen ist somit gar kein Problem.

MF: "Take Control!" spritzt nur so vor frische und Unbekümmertheit, woher kommt das?

Ralf: Das höre ich in letzter Zeit immer wieder, was uns natürlich sehr freut, dass dies so rüber kommt. Wir bzw. ich wollte da etwas machen, was durch und durch authentisch, echt, rotzig, räudig und ehrlich sein sollte. Es hatten sich zudem auch viele Themen bei mir angesammelt in den letzten Jahren, welche ich so noch verarbeiten konnte. Die Wut im Bauch war da und angepisst genug war ich auch bei den Aufnahmen. Sterile Sounds und Technik spielten absolut keine Rolle. Uns ging es darum dieses Feeling auf der Platte rüber zu bringen, was V.O. Pulver (Gurd) in seinem Little Creek Studio auf eine phantastische Weise eingefangen hat. Musikalisch müssen wir da nix mehr beweisen, von daher ist uns das schon mal völlig egal. Ein weiterer Grund, warum alles so frisch rüberkommt evtl. ist die Tatsache, dass ich mit überhaupt keinen Erwartungen an die Sache heran gegangen bin. Musik machen für mich ist in erster Linie Spass zu haben, kreativ zu sein und eine positive Message rüber zu bringen (für diejenigen, welche es interessiert). Das Streben nach einer Art von hohlem, bedeutungslosem, nichtsagendem Erfolg habe ich, bzw. da kann ich für uns alle sprechen, schon vor einigen Jahren vollständig abgelegt zum Glück. Von daher vermutlich die Unbekümmertheit, welche man wohl so den Song anhört.

MF: Mit Tinta Leal verabschiedest du dich vom Death Metal und spielst HC in Reinkultur, ist HC deine heimliche Liebe?

Ralf: Heimlich ist bzw. war diese „Liebe“ nie. Das ist eher die Musik, welche mich als Kiddie/Jugendlicher sehr stark und vielleicht sogar am Meisten geprägt hat. Ich habe Mitte/Ende der 80er einen grossen Teil meiner Freizeit im örtlichen autonomen Jugendzentrum verbracht und konnte so Konzerte von Bands wie Poison Idea, Negazione, Mucky Pup, Exploited usw. miterleben, was mich damals wie auch heute noch begeistert. Klar habe ich die Entstehung und Entwicklung des Death Metal auch hautnah miterlebt und schätze dies immer noch. Dennoch gab es die ganze Zeit immer eine Koexistenz von Metal/HC und Punk auf meinem privaten Plattenteller mit u.a. D.R.I., Cro-Mags, Black Flag, Negative Approach, GBH, SSD, Verbal Abuse, S.O.I.A. usw. HC/Punk hat mich also immer über all die Jahre fast täglich begleitet und somit ist dieser musikalische Weg jetzt für mich persönlich völlig natürlich. Anscheinend geht das aber auch vielen anderen so, dass sie im Laufe des Älterwerdens, sich wieder ihrer Wurzeln voll bewusst werden und auch selbst als Musiker diesem Weg dann folgen.

MF: Mit Tinte Leal gehst du den kompletten D.I.Y Weg, was sind die Vorteile?

Ralf: Unabhängigkeit ist sicherlich der grösste Vorteil überhaupt. Wir haben keinerlei Verträge unterschrieben. Sämtliche Vertriebs-Kooperationen für die Schweiz bzw. Europa z.B. sind per Handschlag und mündlichen Abmachungen entstanden, mit guten, erfahrenen, ehrlichen Personen, welche ich schon seit Jahren kenne. Erfahrungsgemäss investieren die meisten Firmen unter dem Strich sowieso sehr wenig in eine Underground-Band. Ausnahmen sind da eher sehr rar. Am Ende bezahlen die meisten Bands sowieso alles selbst, also damit meine ich den Studioaufenthalt, etwaige Promo usw. Also warum sollte es mir dann irgendwie wichtig sein, dass auf der Platte ein Logo eines Labels drauf ist.

Promotion und Marketing ist zu dem aus meiner Sicht auch nur dann wirklich effizient, wenn die ausführenden Leute wirklich hinter Deiner Musik stehen und authentisch bzw. sich ehrlich dafür einsetzen. Dies ist ebenso recht selten, dass man es mit entsprechenden Leuten zu tun hat. Auch hier macht es für mich demnach mehr Sinn dies selbst zu erledigen. Der Nachteil ist vielleicht, dass es natürlich unheimlich viel Arbeit ist und das Budget nicht sehr gross ist. Wobei das Budget bei einem Label auch nicht viel grösser ist meistens. Und was den erhöhten Arbeitsaufwand angeht, nehme ich das sehr gerne in Kauf, wenn ich mich dann aufgrund dessen nicht mit irgendwelchen „Möchtegern“-Geschäftsleuten rumärgern muss. Eine Kooperation mit einem ehrlichen Label, für z.B. eine coole Liebhaber- Vinylproduktion schliesse ich dennoch nicht aus, sofern es keine Verträge gibt und wir die Leute persönlich kennen. Und wenn nicht, dann halt nicht.

MF: Euer Debut hat durchwegs positive Kritiken bekommen, ist trotzt D.I.Y mit einer "grösseren" Tour zu rechnen?

Ralf: Die Rückmeldungen waren wirklich sehr überraschend für uns. Damit hatten wir nicht gerechnet. Vor allem nicht, dass sich auch grössere Metal- Printmagazine wie Legacy und Rock Hard plötzlich für uns interessierten. Aktuell sind wir dabei Shows für Herbst/Winter dieses Jahr zu buchen. Dabei werden vor allem einige Shows/Wochenenden in Deutschland sein. Zudem hier in der Deutschschweiz und aber auch in der Region Lausanne, Genf u.a. Geplant sind darüber hinaus ein paar Kurztrips mit 3-4 Shows am Stück in Portugal, Spanien und BeNeLux für 2014. Eine grössere Tour ist jedenfalls nicht geplant, aber auch nicht ausgeschlossen. Wir lassen das Alles auf uns zu kommen und entscheiden je nach Möglichkeit, Chance bzw. Situation was wir dann machen werden. Zudem spielen die anderen ja auch noch zum Teil in anderen Bands, von daher kommt es immer mal wieder darauf an, ob sich das Alles unter einen Hut bringen lässt.

MF: Widmest du dich in Zukunft anderen Projekten, oder steht der Fokus momentan komplett auf Tinta Leal?

Ralf: Jetzt aktuell hat Tinta Leal sicherlich Priorität. Wir haben einige neue Songs bereits fertig und werden dieses Jahr noch eine EP aufnehmen, mit dem Ziel dies dann auf Vinyl und digital zu veröffentlichen. Allerdings habe ich noch zwei andere Projekte nebenher am Laufen, bei welchen ich aber ausschliesslich als einerseits als Bassist bzw. als Texter und „Schreihals“ beteiligt bin. Das sind Kollaborationen mit langjährigen Freunden, welchen ich dabei helfe ihre eigenen kreativen Wünsche umzusetzen. Nummer 1 ist aber für mich aktuell sicherlich TINTA LEAL.

MF: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit Tinta Leal!

Ralf: Vielen Dank Steve für den Support! Alles Gute, bleibt gesund und geniesst Euer Leben. Saludos & Cheers