Interview: W.A.S.P.

By Tinu
 
Die Bibel wurde von Menschen geschrieben.



Blackie Lawless ist entgegen anderer Meinungen nach wie vor einer der interessantesten Interviewpartner. Einer, der ruhig und überlegt Antworten gibt. Einer, der sich von seinen Frühtaten mit «Animal (Fuck Like A Beast)» entfernt hat und seit Jahrzehnten mit packenden Texten die Menschheit berührt. Und er ist einer, der sich auch an seine Interviewpartner zurück erinnert. Wenn ich vergleiche, wie locker einmal mehr das Gespräch mit ihm war, wie freundlich sich Mister Lawless gab und dies vergleiche, dass einen Tag später ein deutscher Gitarrenheld von seinem Sohn sehr unfreundlich «geschützt» wurde und man sich nur noch verarscht vorkommt (wie sagte ein Tourmanager einmal… Ein TM sollte im Dienste der Band agieren!), gebührt Blackie Lawless ganz klar eine dicke fette Medaille für seine äusserst zuvorkommende Art!

Das Gespräch fand im Tourbus statt. Relaxt mit Jogginghosen und Pullover bekleidet sass mir der Hüne gegenüber. Wenn er mit seiner tiefen Stimme spricht, hat dies etwas Erhabenes und fast Väterliches. Er ist auch einer, der keine Frage scheut, aber auch gerne Gegenfragen stellt. Lest, was der W.A.S.P.-Mainman zu sagen hat, wie es zum neuen Album kam, mit welchen Handicaps sich der Ami auseinanderschlagen musste und wie er zum Glauben kam. Etwas, das man sich kaum vorstellen konnte, wenn man die ersten Scheiben und Texte kennt. Doch das ist Geschichte, aber eine, welche die Musikwelt nachhaltig beeinflusste.

MF: Blackie Lawless, beim letzten Interview hast du mir erzählt, dass nach der damaligen Tour eine Operation an deiner Schulter notwendig sei. Wie gehts dir heute?

Blackie Lawless (lachend): Tja, mit einem MRI startet alles. Die Erfahrung ist meistens, dass dabei nichts entdeckt wird. Die Männer in Weiss sahen absolut nichts. Nach einer weiteren Tour hatte ich das Gefühl, dass mein Kopf an drei Stellen knackste. Was nach einer normalen Operation aussah, die eine Stunde dauerte, legte ich mich plötzlich drei Stunden unters Messer. Ich bekam eine Schlinge, die ich sieben Wochen tragen musste und unterwarf mich einer Reha für sechzehn Wochen. Verstehst du (grinsend)… Es tat weh, was soll ich sagen, es war eine sehr schmerzliche Angelegenheit.

MF: Aber heute ist alles in Ordnung?

Blackie Lawless: Ja, die Schulter ist grossartig. Aber dann bekam ich zwei Jahre später das Problem mit meinem gebrochenen Bein. Direkt unter der Hüfte war alles gebrochen und der Bruch teilte alles bis runter zum Knie. Ich weiss, dass mit einem 18 Inch langen Titanstift alles zusammengehalten wird. Das macht die Schulter bedeutungslos. Ich war also in den letzten Jahren beschäftigt (mit einem breiten Grinsen).

MF: Da stellt sich wohl kaum die Frage, was sich in den letzten Jahren bei dir alles verändert hat?

Blackie Lawless: (lachend): Nein, nicht wirklich! Aber ernsthaft. Viele Leute fragten mich, wieso es sechs Jahre dauerte, bis ich mit dem neuen Album um die Ecke kam. Mit dem Songwriting starteten wir im Frühling 2011, direkt nach meiner Schulteroperation. Im Sommer 2012 waren wir sechs Monate für die «30th Anniversary Tour» unterwegs. Dann kam mein Unfall mit meinem Bein. Nimmt man diese ganzen gesundheitlichen Dinge weg, arbeiteten wir vielleicht knapp zwei Jahre am neuen Album. Alles geschah in unterschiedlichen Stufen. Es war ein Fluch, aber auch ein Segen. In der Vergangenheit hatten wir nie den Luxus, genügend Zeit zu haben, um sich hinzusetzen und zu sehen, was wir zusammen kreierten. Es war immer so, dass wir zum Schluss kaum mehr Zeit hatten, sich aus der Distanz das neue Werk anzusehen. Sich auch fragen zu können, ob wir das Material überhaupt mögen. Dieses Mal hatten wir durch die unterschiedlichen Abschnitte immer wieder den Luxus, sich hinsetzen zu können und das Vollbrachte kritisch zu würdigen. Das hat bei «Golgotha» sicher zu einem besseren Endresultat geführt. Ob es nun das beste W.A.S.P.-Album aller Zeiten ist, spielt keine Rolle.

MF: Beinhaltet «Golgotha» das Beste aus der Vergangenheit?

Blackie Lawless: Das würde ich so nicht sagen. Als wir 2011 mit dem Schreiben der neuen Lieder starteten, beschäftigten wir uns für drei Monate mit dem Grundgerüst. Manchmal spielten wir keinen Ton, sondern sprachen nur über Ideen oder wie wir einen Song umsetzen könnten. So verstrichen einige Tage, an denen wir kaum Musik spielten oder konkret etwas aufnahmen. Es wurde nur stundenlang diskutiert. Wir hatten den grossen Luxus, dass wir tun und lassen konnten, was wir wollten. Das Schöne daran war, dass wir nicht ein Album machen mussten, weil wir ein Album machen mussten! Verstehst du, was ich meine? Viele andere Truppen, die so lange im Geschäft sind wie wir, tragen ein musikalisches Erbe mit sich herum. Alleine aus dieser Vergangenheit haben sie die Leichtigkeit das beste Album zu schreiben, das sie jemals komponiert haben. Veröffentlichst du heute als neue Band dein Debüt… Das ist wie eine Supporttour als Opening Act für eine renommierte Truppe. Gehst du auf die Bühne und keiner kennt dich, wirst du von den Fans wie durch ein Mikroskop untersucht. Sie kennen den Headliner, aber dich nicht. Da musst du Songs spielen, die für die nächsten zwanzig bis dreissig Jahre den Zeitgeist überleben. Viele Bands sagen mir, dass sie was ganz Neues kreiert hätten. Meine Frage: «REALLY?» (grinst). Da höre ich sehr viele Dinge aus anderen Liedern heraus. Was ich damit sagen will: Schreiben wir neue Lieder, müssen die um einiges besser sein, als unsere Klassiker, die wir seit Jahrzehnten spielen, damit die Leute überhaupt davon Kenntnis nehmen. Darum ist unser neues Album, wie dasjenige eines Opening Acts.

MF: Alle Leute sprechen bei W.A.S.P. nur von «The Crimson Idol» oder «The Headless Children», als die besten W.A.S.P.-Scheiben. Wie wichtig waren für dich «Still Not Black Enough» oder die beiden «The Neon God»-Scheiben?

Blackie Lawless: (überlegt lange): Auf all diesen Scheiben gibt es Elemente, die gut sind. Das Problem eines jeden neuen Albums ist dieses Opening Act-Flair. Du hast acht bis zehn Lieder, welche die besten sind, während der ganzen Songwriting-Zeit. Was ist dabei die Balance? Sind 80% der Songs gut und 20% soso-lala? Oder umgekehrt? Meinen Jungs sage ich immer… Es ist wie bei einem Rennen mitzulaufen. Du rennst gegen die Zeit um der Beste zu sein, der du sein kannst. Läuft einer vor dir, spielt dies keine Rolle. «Do to be the best, you can be!» Es hat viele gute Momente auf diesen Scheiben. Speziell «Still Not Black Enough». Viele Fans sagten mir, dass diese Scheibe wie ein Weckruf war. Leider bekam «Still Not Black Enough» nie die Aufmerksamkeit, weil sie direkt nach «The Crimson Idol» veröffentlicht wurde. Einige der Nummern kannst du problemlos auf «The Crimson Idol» oder «The Headless Children» stellen, und sie würden die Bedeutung bekommen, die ihnen zusteht. Aber alle Bands kämpfen mit einem solchen Umstand.

MF: Wie wichtig ist «Eyes Of My Maker» vom neuen Album für dich?

Blackie Lawless: Als wir mit «Golgotha» starteten, hatten ich keine richtige Idee, wohin das Album gehen würde. Es gab eine Ansammlung an Songs und ich vertraute den Nummern, dass sie richtig gut waren. «Eyes Of My Maker» war einer der ersten Songs, die wir komponierten. Ich schaute mich nach Ideen um. Das Konzept hinter diesem Lied ist: Würde Satan mit Gott ein Gespräch führen, würde er ihm die Frage stellen: «Why did you make me like this?» Als ich den Text dazu schrieb, realisierte ich erst später, dass ich über die Menschheit schrieb. Dabei schaue ich nicht auf meine Karriere zurück, sondern fasste zusammen, was um uns herum passiert. Ich hoffe, dass viele Leute ein Lied davon singen können, was ich mit diesem Text meine. Vielleicht finden sie sich selber in dieser Story wieder? All die jungen Bands, welche den Metal verteidigen (schmunzelt), das ist nicht das, was ich mit meinem Texten aussagen will (lachend). Das ist ja auch nichts Falsches. Aber ich versuche, einen Film in Wörtern zu kreieren. Malen, eine Skulptur erstellen, was auch immer, aber es soll etwas Reelles vorhanden sein. Hat es dafür in der heutigen Zeit einen Platz, kann nichts Falsches daran sein. Das hat sich seit «The Headless Children» bei uns etabliert. An diesem Punkt habe ich meine Einstellung zu den Texten geändert und habe nie mehr zurück geschaut!

MF: Wie wichtig ist Religion heute für dich?

Blackie Lawless: Das ist mein Leben! Ich (überlegt)… Es ist nicht einfach, darauf eine kurze Antwort zu geben. Es ist die Energie in meinem Leben. «Absolutely!» Seit meinem 18. Lebensjahr war ich nie mehr in einer Kirche. Niemand hat mich aufgefordert dies zu tun, wenn immer ich wollte, hätte ich es tun können. Viele Fragen stellten sich mir und ich glaubte dabei nicht an die Kirche. Ich siedelte nach Kalifornien über. Zwanzig Jahre lang sah ich diese Bomben in der Welt und stellte fest, dass ich nicht über Gott enttäuscht war, sondern über die Menschen. So überdachte ich meine Haltung und machte mir Gedanken über die Religion, aber nicht über die organisierte Religion! Ich entdeckte die Wahrheit für mich, nachdem ich mir in meinem Kopf all meine Fragen stellte und wollte nicht in der Ewigkeit aufwachen und merken, dass ich all die Jahre falsch lag. Verstehst du? Ich wollte es für mich selber heraus finden. Ich sah die Wahrheit hinter der Bibel. Es gibt 66 Bücher, geschrieben von 40 unterschiedlichen Autoren, verteilt auf eine über 2000 Jahre dauernde Periode in drei unterschiedlichen Kontinenten. Alle wurden von Menschen geschrieben. Das ist die eine Wahrheit, aber nicht die komplette! Das Manuskript beinhaltet den Atem von Gott. Die Schreiber wurden davon inspiriert. All diese Autoren kannten einander nicht. Alle Fragen sind in einem Satz beantwortet. «That's freak me out!» Ich realisierte, dass vier Leute, nicht 40… Setz vier Menschen in einen Raum, stell ihnen die gleiche Frage und du wirst nie die gleiche Antwort erhalten. Eines Morgen erwachte ich und fand den wahren Gott, bedingt durch das wahre Wort. Alles veränderte sich. Von dem Moment an, als ich die Wahrheit fand, hatte ich keine Angst vor der Ewigkeit. Je tiefer ich in die Aussage eintauchte, desto klarer wurde mir, was wirklich die Aussage in der Bibel war und meinen Kopf frei machte. Ich weiss, dass es eine längere Antwort war, aber ich kann dies nicht nur kurz beantworten.

MF: Besten Dank für dieses Interview, das einmal mehr sehr interessant war!

Blackie Lawless: Danke dir! Wie gehts dir? Es ist eine Zeit vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben…