Interview: Wolf Counsel

By Roger W.
 
Ein Herz aus Vinyl.


„Es ist ein Ritual, die Platte aufzulegen und dann die Texte dazu zu lesen.“

Die überschaubare Schweizer Doom-Szene hat vor zwei Jahren Nachwuchs erhalten. Wolf Counsel heisst die noch junge Band, deren Eltern zwei langjährige und erfahrene Szenegrössen sind: Bassist und Sänger Ralf W. Garcia (Requiem und Poltergeist) und Schlagzeuger Reto Crola (Requiem und Punish). Mit «Ironclad» erschien Mitte September nach «Vol. I - Wolf Counsel» bereits das zweite Album, und in diesem hohen Tempo sollte es ganz undoomig weiter gehen. So jedenfalls schätzt es Ralf W. Garcia in unserem Interview ein. Dieses wurde anlässlich einer Taktlos Metal-Ausgabe im Radio Kanal K und für Rockstation sowie YouTube geführt. Ralf erzählte dabei eindrücklich, wieso Wolf Counsel für ihn eine Herzensangelegenheit ist.

MF: Ralf, du bist innerhalb der Schweizer Metal-Szene kein Unbekannter und hast in diversen Bands gespielt und spielst immer noch bei verschiedenen Gruppen mit.

Ralf: Ja, bei Requiem bin ich immer noch aktiv. Das ist eine Death Metal-Band und eine ganz andere Richtung als Wolf Counsel. Dann bin ich seit Anfang dieses Jahres auch bei Poltergeist - also einer Basler Thrash-Band. Und dann war ich früher in Deutschland noch bei diversen Bands: Uppercut, Curare und so weiter und so fort.

MF: Man kann also sagen, du gehörst zu den Urgesteinen dieser Szene?!

Ralf: Man macht es schon lange (lacht).

MF: Spannend ist, dass gerade bei der Live-Gruppe von Wolf Counsel ausser dir vor allem Leute von Punish dabei sind. Geht der Ursprung von Wolf Counsel auch auf Punish-Musiker zurück?

Ralf: Es war ursprünglich so, dass ich Wolf Counsel gegründet hatte, weil das mir schon lange eine Herzensangelegenheit war. Und der Reto, der Drummer, der auch mit mir bei Requiem spielt, der hat mich dann überredet, dass wir das zusammen live machen könnten. Weil er ja auch bei Punish spielt, hat dann das eine das andere ergeben und so kam es dann, dass es in der Live-Formation so daher kommt.

MF: Du bist jetzt mit ihm also in drei Bands zusammen.

Ralf: Also in zwei, im Moment.

MF: Stimmt, bei Punish spielst du ja selber nicht.

Ralf: Nein (lacht). Und ich habe es auch nicht vor. Es reicht, ich habe schon genug Bands.

MF: Was beim Anschauen des CD-Booklet auffällt, ist, dass die Lead-Gitarre von einem gewissen Andreas Reinhart eingespielt wurde. Er ist aber selber nicht im Live-Lineup dabei.

Ralf: Aktuell jetzt noch nicht, das kann aber noch kommen. Das hängt damit zusammen, dass die anderen bei Wolf Counsel alle auch noch andere Bands haben. Wir müssen ein bisschen schauen, wer dann zur Verfügung steht, für Live-Shows. Also im Moment sind wir in dem Line-Up zu viert mit André und Ralph von Punish, und alles andere muss man dann in Zukunft sehen, wie man das organisiert. Andreas Reinhart hat halt bereits auf dem ersten Album die Soli gespielt und nun auch auf dem zweiten. Das hat einfach verdammt gut gepasst. Er hat ein gutes Feeling für die Art von Musik.

MF: Aber der Kern der Band bist im Grunde du, Ralf…

Ralf: …und der Reto.

MF: Ihr schreibt zusammen die Lieder?

Ralf: Genau. Ich schreibe die Songs instrumental. Dann gebe ich sie ihm und er fügt danach seine Drum-Arrangements dazu. Nachfolgend kommen Gesang und die Solos obendrauf. Anschliessend diskutieren wir zwei das aus, wie das letztendlich auf die Platte kommt, beziehungsweise im Studio aufgenommen wird.

MF: Du hast gesagt, dass Wolf Counsel für dich eine Herzensangelegenheit ist. Das heisst der Doom…

Ralf: … begleitet mich schon sehr, sehr lange. Und ich hatte glaube ich schon, ich weiss nicht mehr genau, irgendwann anfangs bis mitte der 90er-Jahre vor, in einer Doom-Band spielen zu wollen. Bloss gab es in meinem Umfeld keine, oder es hat sich nichts ergeben. Und ich kann mich noch erinnern, wie ich irgendwie bei einem trinkfreudigen Abend mal zu einem Freund in Konstanz am Bodensee, wo ich ja ursprünglich her komme, gesagt habe, dass ich jetzt eine Doom-Band gründe. „Ich muss das jetzt machen, so!“ Aber es kam dann anders, bis vor zwei Jahren. Und andere Bands kamen dazwischen, und so weiter. Aber auf jeden Fall ist es jetzt soweit.

MF: Gegründet worden sind Wolf Counsel 2014. «Ironclad» ist jetzt bereits das zweite Album. Wieso geht das bei euch dermassen schnell?

Ralf: Das ist eine spannende Frage, die nicht so einfach zu beantworten ist. Aber ich habe die Angewohnheit, dass ich ständig irgendwelche Ideen habe und mir stets irgendwelche Melodien nachlaufen. Die halte ich meistens auf irgendeine Art fest oder nehme sie umgehend auf. Und dann ergibt es sich, dass sich in mehreren Wochen oder Monaten relativ schnell ganz viel ansammelt. Und daraus kann man dann relativ schnell Songs kreieren, die natürlich möglichst gut sind. Das ist eigentlich so das Ding. Also ich bin eigentlich irgendwie wie so ein kreativer Dauerbrenner. Ich kann es nicht abstellen, das war schon immer so. Das ist beim Einschlafen, das ist in der Mittagspause, bei der Arbeit oder sonst wie. Irgendwas ist immer da, und aus dem kann man letztendlich was machen. Und ich muss es auch machen. Es muss aus mir raus, sonst fühle ich mich nicht wohl.

MF: Du schreibst auch bei Requiem mit?

Ralf: Nein, dort nur die Texte. Die Musik schreibe ich nur für Wolf Counsel.

MF: Und bei Wolf Counsel schreibst du ebenfalls die Texte?

Ralf: Ja, ebenfalls.

MF: Die Inspirationsquellen sind also laufend da?

Ralf: Die sind laufend da. Die sind aus dem Leben gegriffen. Bei Wolf Counsel sind es vor allem Dinge aus meiner persönlichen Vergangenheit oder auch Gegenwart natürlich. Da hat es sehr viel. Da sind Gefühle mit drin, Alltägliches, Szenarien wie ich die Welt betrachte. Zum Beispiel solche Dinge.

MF: Ist das für dich auch eine Art Selbsttherapie?

Ralf: Soweit würde ich nicht gehen und es als Therapie betrachten. Aber es ist ein kreatives Vehikel, um bestimmte Dinge zu verarbeiten, oder um los zu lassen.

MF: Wie schwierig ist es, das live zu präsentieren? Wenn du sagst, du verarbeitest es mit dem Schreiben, dann holst du das jedes Mal wieder zurück ins Bewusstsein?!

Ralf: Nein nein (lacht). Es ist schon so, dass wenn der Song fertig ist, also aufgenommen ist, dann ist es schon verarbeitet. Es ist nichts, was mir fortan irgendwie nachrennt, jahrelang, soweit würde ich nicht gehen. Es ist immer noch Rock'n'Roll. Das ist ganz klar natürlich Doom, und Doom ist mehr als nur irgendwie tief gestimmte Gitarren und langsames spielen und wehklagen. Das ist sehr emotionale Musik, eine sehr passionierte Art von Musik in der Stilrichtung, und das muss schon so sein.

MF: Gibt es Texte, die du nie für Requiem schreiben würdest und du sagst, das ist jetzt klar Wolf Counsel?

Ralf: Ich kann das schon gut trennen. Requiem ist eher für die nackte, harte Realität. Das ist mehr so wie eine Fernseh-News-Sendung. Also so CNN-mässig, oder Tagesschau oder so die ganzen realistischen Dinge, die auf der Welt geschehen und irgendwie transportiert oder informiert werden. Wolf Counsel haben damit ansatzweise auch was zu tun, geht aber spirituell und emotional tiefer, als die Texte bei Requiem.

MF: Das neue Album habt ihr bei V.O. Pulver aufgenommen. V.O. ist ja auch bei Poltergeist wieder aktiv.

Ralf: Er ist ein alter Freund und Wegbegleiter, und dazu ein sehr fähiger Studiobesitzer, Aufnahmekünstler, Techniker, Soundfachmann, und so weiter.

MF: Das heisst, ihr habt euch bei ihm extrem wohl gefühlt?

Ralf: Absolut. Das ist im Prinzip wie zu Hause.

MF: Habt ihr das Album in einem Stück aufgenommen oder wart ihr immer mal wieder bei ihm?

Ralf: Nein, es war am Stück. Innerhalb von einer Woche war alles fertig.

MF: Also habt ihr mal eine Woche Ferien genommen.

Ralf: Ja, genau. Und es hat sich gelohnt. Eine Woche Ferien im Baselland.

MF: Ihr bringt das Album nicht nur auf CD raus, sondern auch als Vinyl, was ihr mit dem ersten ebenfalls bereits getan habt. Ist das ebenfalls eine Herzensangelegenheit?

Ralf: Absolut. Einerseits, weil ich schön finde, wenn man ein Cover-Art-Work, also die Kunst von dem, der es gezeichnet hat, in einem grösseren Format zu Hause hat. Zudem ist es ein Ritual, die Platte aufzulegen und dann die Texte dazu zu lesen. Also die Lyrics zu lesen, während die Musik läuft. Einfach um es zu zelebrieren. Sich bewusst Zeit nehmen dafür. Was ja bei der Musik auch logisch ist, weil die ja schon langsam ist. Und damit kann man sich auch mal entschleunigen und sich Zeit nehmen. Und dann kommt noch dazu, dass ich schon glaube, dass es immer mehr Leute gibt in meinem Alter oder in unserem Alter, aber auch mittlerweile jüngere, die bewusst Freude an so was haben. Im Gegensatz zum schnellen Konsum, sich schnell was runter zu laden.

MF: Habt ihr dazu zwei verschiedene Abmischungen machen lassen? Man sagt ja, dass Vinyl anders abgemischen werden muss als die CD.

Ralf: Das ist so. V.O. hat das einmal für die CD-Version und die digitale Download-Version gemischt und dann extra fürs Vinyl. Es ist technisch gesehen keine Mischangelegenheit, sondern es hat was mit der Auflösung zu tun. Aber ich bin da kein technischer Sachverständiger. Ich habe davon keine Ahnung.

MF: Weisst du, wie gross der Aufwand dazu ist?

Ralf: Das geht relativ schnell. Da macht ein Rechner letztendlich die Arbeit. Es geht um Bits in irgendeiner Form. Weil Vinyl ja ein analoger Datenträger ist und der nur bestimmte Frequenzen bis zu einer bestimmen Hertzzahl erträgt. Und sonst passt es da gar nicht drauf.

MF: Ihr habt mir Wolf Counsel auch ein sehr starkes visuelles Konzept.

Ralf: Genau.

MF: Habt ihr das einem Künstler vorgegeben oder jemanden gesucht, der das bereits hatte?

Ralf: Es ist extra gemalt worden. Das ist von Roberto Toderico. Er ist ein italienischer Grafiker und Cover-Künstler. Er hat unter anderem auch für Künstler wie Tigers Of Pan Tang, Asphyx, Partysan Openair-Festival, Exciter, Pestilence und zig andere Bands Covers angefertigt. Er macht auch T-Shirt-Designs und so weiter. Mit Roberto arbeite ich schon relative lange zusammen. Wir kennen uns auch recht gut. Ich habe ihm am Anfang so erzählt, was mir ungefähr vorschwebt und er hat es dann umgesetzt. Das ist jetzt keine einmalige Sache, sondern ich habe mit ihm eigentlich ein festes Abkommen, dass er in Zukunft und bis ans Lebensende Wolf Counsel-Art-Works machen muss. Worüber er sich aber auch freut, weil die Zusammenarbeit so gut klappt.

MF: Er ist also eine feste Grösse für dich?

Ralf: Ja, absolut. Er ist wie ein fünftes Bandmitglied. Oder wie ein sechstes, wenn man V.O. noch dazu zählt.

MF: Ihr habt drei Konzerte im Oktober geplant. Kommen da noch mehr dazu oder ist es das mal jetzt?

Ralf: Nein, da sind noch mehr in Planung, aber es sind jetzt zwei, welche feststehen. Am 19. Oktober spielen wir in Olten im Coq d'Or und am 22. Oktober im Hirscheneck in Basel. Und dann kommen noch mehr dazu, da sind wir gerade dran. Die sind aber noch nicht alle bestätigt.

MF: Wie koordiniert ihr das alles mit den anderen Bands? Punish haben ja auch gerade ein neues Album raus gebracht.

Ralf: Eine gute Frage. Also ich denke da nicht zu fest darüber nach. Es passiert einfach das, was passiert. Wir reden, wir kennen uns ja alle und reden miteinander. Und dann wird es sich schon finden. Bisher ging das eigentlich gut aneinander vorbei, und wenn sich doch einmal Termine überschneiden sollten, muss man halt eine Entscheidung treffen oder schauen, wo die Prioritäten liegen.

MF: Du hast angedeutet, dass ihr eine Art Pool von Musikern habt.

Ralf: Ja. Das wäre zum Beispiel auch eine Variante. Dass dann zum Teil, wenn einer mal nicht kann, jemand anders spielt. Wobei ganz klar ist, dass der Reto am Schlagzeug und ich jeweils immer dabei sein werden, weil es sonst natürlich nicht geht.

MF: Das sind Sachen, die ja aktuell auch bei international bekannten Bands diskutiert werden.

Ralf: Da gibt es ja auch ein prominentes Beispiel wie AC/DC.

MF: Genau. Da wird auch gerätselt, wie die die künftig weiter machen.

Ralf: Oder auch nicht, da kann man geteilter Meinung sein.

MF: Was die Alben-Releases betrifft, hält ihr im Moment mit Wolf Counsel einen eineinhalb- bis zwei Jahres-Rhythmus. Wie geht es nun weiter?

Ralf: Auch eine gute Frage. Darüber habe ich mir noch nicht so viele Gedanken gemacht. Wie vorher erwähnt, habe ich aber schon wieder einige neue Ideen, beziehungsweise sind schon wieder ein paar neue Songs fertig. Von daher denke ich, dass es relativ realistisch sein wird, dass irgendwann Ende nächstes Jahr noch einmal ein neues Album kommen wird. Vielleicht wird es auch Anfang 2018. Wir schauen mal. Aber es geht auf jeden Fall weiter, weil das eine Band oder eine Sache ist, die mich mit Sicherheit noch sehr, sehr lange begleiten wird. Sehr lang! Bis zum Ende vielleicht! Wer weiss?

MF: Es ist also das, was bestehen bleibt?

Ralf: Absolut!