Szene! Judas Priest - Redeemer Of Souls im Härtetest
24. Juli 2014


JUDAS PRIEST - Redeemer Of Souls im Härtetest!


Es gib jeden Monat dutzende von neuen CDs die wir vorstellen. Wenn aber eine Kultband wie Judas Priest mit einem neuen Album was von sich hören lässt, dann wollen wir es genauer wissen. Ganz besonders wenn sie in den offiziellen Schweizer Album-Charts gleich auf Platz 6 einsteigt. Hier seht ihr nun die Meinung von drei verschiedenen Metal Factory-Redakteuren.
 
By Mirko: Tiefes Donnergrollen als Intro ist ja eigentlich nicht gerade originell, passt aber wunderbar als Einleitung zum dritten Priest Album nach Rob Halfords Rückkehr. Der Umstand, dass ich beim ersten Durchlauf bereits nach gestoppten siebenundzwanzig Sekunden eine meterhohe Gänsehaut hatte, war für mich ein Hinweis darauf, dass die britische Metal-Institution nach den beiden meines Erachtens zu harsch kritisierten Vorgängern „Angel Of Retribution“ und dem ambitionierten Konzeptalbum „Nostradamus“ wieder etwas ganz besonderes abgeliefert haben, ohne sich dafür neu erfinden – oder aktuellen Trends anbiedern zu müssen; und wenn der Metal God die neue Scheibe mit „Welcome to my world of steel“ einleitet, dann ist das nicht bloss ein klares Statement sondern eher schon ein Glaubensbekenntnis. Das mit dieser Textzeile eröffnende „Dragonaut“ ist ein sehr starker Midtempo-Killer versehen mit einem Riff, das sich sofort im Kopf einfräst. Weiter im eher getragenen Tempo geht es mit dem etwas kommerzieller gehaltenen Titelsong, der ganz klar an „Hell Patrol“ angelehnt ist, erst danach drücken die in Ehre ergrauten Herren mit „Halls Of Valhalla“ endlich etwas aufs Gaspedal und liefern einen epischen Hammersong ab, der auch auf dem „Painkiller“ Album einen guten Eindruck hinterlassen hätte.

Aber Judas Priest wären nicht Judas Priest, wenn sie sich einfach selbst kopieren würden, und so folgt nach diesem sehr gelungenen Einstands-Trio die erste Überraschung in Form des rhythmisch unüblichen und folkig angehauchten „Sword Of Damocles“, etwas gewöhnungsbedürftig aber auf seine eigene Art ein erhabener Song, der mit zunehmender Spieldauer zu einer waschechten Priest-Hymne wächst. Mit „March Of The Damned“ folgt die nächste Überraschung, ein cooler Stampfer versehen mit einer deutlichen Ozzy-Note in Robs Gesang. Danach wühlt das Quintett wieder in der eigenen Trickkiste. „Down In Flames“ rockt schön gradlinig über die Ziellinie, das darauf folgende „Hell & Back“ reduziert hingegen das Tempo wieder merklich und gefällt als tonnenschwerer Stampfer mit sehr geilen Leads. „Cold Blooded“ ist im direkten Vergleich dazu ein eher melancholischer Song, der aber dank dem Doublebass-Geboller im Mittelteil mehr Fahrt annimmt als man eingangs erwarten würde. Dann endlich folgt die eigentliche Verneigung vor dem Meilenstein „Painkiller“: „Metalizer“ ist die perfekte Priest Uptempo-Nummer, die wirklich keine Wünsche offen lässt. Scott Travis trommelt sich ins Nirvana, Rob singt absolut giftig, Richie und Glenn riffen und solieren, als ob der Teufel hinter ihnen her wäre, Fan was willst du mehr? Sollten sich die Herren doch noch dazu erwärmen lassen, auch künftig noch die eine oder andere Tournee zu bestreiten, dann wäre dieser Track live ein absoluter Nackenbrecher! An „Crossfire“ werden sich hingegen die Geister scheiden, Judas Priest und ein Song, der deutlich am Bluesrock kratzt, geht das überhaupt? Ich finde ja, sofern man dazu auch wirklich fähig ist, und diesen Leistungsnachweis haben Judas Priest schon lange erbracht.

Danach fällt das Album in meinen Ohren etwas ab. „Secrets Of The Dead“ versucht mit seinem orientalischen Flair irgendwie an fremden Meilensteinen der Marke „Stargazer (Rainbow) oder „Kashmir“ (Led Zeppelin) anzuknüpfen, ohne auch nur annähernd deren Klasse zu erreichen, „Battle Cry“ wäre an und für sich ein gelungener Doublebass-Kracher, aber der sehr trockene, schon fast sterile Sound nimmt der Nummer den Drive etwas raus. Ein Bisschen mehr Rohheit, und „Battle Cry“ hätte neben „Dragonaut“, „Halls Of Valhalla“ und „Metalizer“ zu den absoluten Höhepunkten des Albums gehört. Und die abschliessende Ballade „Beginning Of The End“ ist zwar gelungen, aber ich hätte mir an ihrer Stelle lieber etwas Handfestes gewünscht. Aber da man ja ab einem gewissen Alter nie wissen kann, wie und ob es mit einer Band weitergeht, könnte man diesen Titel auch als akustisch umgesetzten Abschied von den Fans auffassen, somit ist Gemecker hier fehl am Platz.

Fazit: Das siebzehnte Priest Album überzeugt als Ganzes absolut. Es kann zwar nicht an die Glanztaten vergangener Tage anknüpfen, befindet sich aber immer noch Lichtjahre entfernt von den uns allen bekannten bandeigenen Rohrkrepierern, und ich meine damit nicht nur „Jugulator“ und „Demolition“. Alles in Allem ist es sehr beeindruckend zu hören, zu welch grossartiger Leistung die alten Herren verstärkt durch den deutlich jüngeren Richie Faulkner noch fähig sind, gleichermassen in kompositorischer und handwerklicher Hinsicht, und glücklicherweise auch auf den Gesang bezogen. Natürlich macht sich die altersbedingte Patina, die mittlerweile auch Rob Halfords göttliches Organ überzieht, hier und da hörbar, aber der Mann verfügt im Vergleich zu manchem Jungspund immer noch über eine sehr kräftige Charakterstimme, welche ihresgleichen sucht. Tolle Scheibe, Hut ab!
Mirko B.
Punkte: 9.2 von 10
 

By Rockslave: Eigentlich standen die Zeichen mehr als nur auf Halbmast, als Gitarrist und Songwriter K.K. Downing Ende 2010 nach satten vierzig Jahren Bandzugehörigkeit (!) seinen unmissverständlichen Ausstieg verkündete. Obwohl das schöngeredete Konzeptalbum «Nostradamus» (2008) kein Geniestreich war, lieferten Judas Priest in der Folge unerwartet gute Konzerte ab und entschädigten so ihre Fans auf die bestmögliche Art und Weise. Doch es sollte unerwartet noch viel besser kommen und dafür steht ganz klar ein Name: Richie Faulkner! Praktisch aus dem Nichts trat die quasi jüngere Kopie von K.K. ins grelle Scheinwerferlicht und erspielte sich vergleichsweise in Lichtgeschwindigkeit die Gunst der restlichen Bandmembers und noch viel wichtiger..., die der Fans! Die Krönung dessen war die live mitgeschnittene Show aus dem Apollo Hammersmith in London, wo im Frühling 2012 die epochale «Epitaph»-Tour als letzte grosse World-Tour ihren würdigen Abschluss fand. Auch wenn der gute Richie es dabei manchmal mit seinen Gesten etwas übertrieb, überzeugte er mit seinem exzellenten Spiel auf der ganzen Linie und ich behaupte jetzt mal kühn, dass es «Redeemer Of Souls» ohne Richie, mindestens zum jetzigen Zeitpunkt, nicht geben würde! Der Jungspund verpasste seinen grossen Vorbildern den richtigen Kick und das hört man auf dem neuen Album an jeder Ecke! So untrüglich nach sich selber haben Judas Priest schon sehr lange mehr geklungen. Bereits der Opener «Dragonaut» haut mit seinem Groove alles weg und man kann es kaum glauben, dass wir das Jahr 2014 schreiben und brandneuem Material der Oberpriester lauschen dürfen! Der Titeltrack gerät danach auch ganz ordentlich, ehe dann «Halls Of Valhalla» für den nächsten Höhepunkt besorgt ist. Man höre sich da mal, nebst dem galoppierenden Rhythmus, Rob Halfords Vocals an, einfach nur geil.

Die Songs sind grundsätzlich eher im Midtempo-Bereich angesiedelt, aber Drummer Scott Travis bringt es dennoch mehrmals fertig, donnernde Double-Bass Parts so unter zu bringen, dass die Chose manchmal glatt etwas schneller daher kommt, als sie tatsächlich ist. Herrlich auch das satt rockende «Down In Flames» und spätestens beim Beginn von «Hell & Back» mit wunderbar bollerndem Bass von Ian Hill zeigt der Metal God, dass seine Stimme zumindest im Studio immer noch top ist und die ganze Band hörbar an den Songs gefeilt hat. «Cood Blooded» ist dafür ein gutes Beispiel, hier stimmt einfach alles und mit «Metalizer» werden gar noch die «Painkiller»-Zeiten in Erinnerung gerufen. Als perfekter Kontrast dazu folgt anschliessend mit «Crossfire» ein eher ungewöhnlicher Song, der jedoch gleichzeitg wieder zu 100 Prozent Priest verkörpert, genial! Gänsehaut verursacht letztlich auch das brandheisse «Battle Cry» und eine ganze Stunde Musik (!) könnte man nicht besser als mit der Hammer-Ballade «Beginning Of The End» abschliessen. Freunde, ich bin echt geplättet und schwinge gerade ein ziemlich breites Grinsen im Gesicht. Für das reguläre Album mit insgesamt dreizehn Songs gibt es bereits fast die Höchstwertung und wer nun denkt, dass das alles war, stellt fest, dass ich ganz bewusst die "Deluxe Edition" anspreche sowie wärmstens empfehle, denn da folgen nochmals fünf tolle Songs, die keinesfalls B-Ware darstellen. Und damit wird die Bewertung unausweichlich wie sonnenklar zugleich: «Redeemer Of Souls» ist die Überraschungsscheibe des Jahres und auch wenn die früheren Glanztaten nicht mehr erreicht werden können, setzen die Briten die Messlatte abermals ziemlich hoch an, und ich weiss echt nicht, ob sich da ein gewisser Herr Downing nun bis aufs Ende seiner Tage fortwährend in den Arsch beissen wird. Die wenigen hierzu stattfindenden Konzerte der kommenden Zeit sollte, nein darf man sich ausserdem keinesfalls entgehen lassen, because the Priest is still alive!
Rockslave
Punkte: 10 von 10


 

By Tinu: Die britische Metal-Legende Judas Priest gehört zu den stilprägendsten Truppen im Metal-Sektor. Nicht nur die über mehrere Oktaven gehende Stimme von Rob Halford, sondern auch das Gitarrenevangelium Downing/Tipton setzten Massstäbe, an denen sich viel Nachahmer versuchten und gnadenlos scheiterten. Was K.K. und Glenn aus ihren Instrumenten zauberten und sich dabei gegenseitig um den Verstand duellierten, sucht noch heute seinesgleichen. Gestartet als lupenreiner Blues-Rock (schon fast Kraut-Rock), entwickelte sich die Combo von Album zu Album zum Vorreiter des Heavy-Metals («New Wave Of British Heavy Metal»). Das Quintett wandelte sich in den Folgejahren stetig. War «Point Of Entry» ein eher rockigeres Werk, flossen «Screaming For Vengeance» und «Defenders Of The Faith» direkt aus den englischen (Heavy-)Metal Stahlwerken. «Turbo» ging bei den Fans schon fast als poppige Scheibe durch und erreicht damit eine Mainstream geprägtes Publikum um mit «Painkiller», schon fast mit einer thrashigen Nuance, die Truppe wieder auf die Metal-Schiene zurück zu bringen. Das letzte Studioalbum «Nostradamus» hinterliess bei Vielen einen zwiespältigen, schon fast Judas Priest unwürdigen Eindruck. Jetzt, knapp sechs Jahre später, steht «Redeemer Of Souls» in den Verkaufsläden. Wie präsentiert sich die Band auf dem neuen Silberling, nach der sagenumwobenen «Epitaph»-Welttour? – Was waren das für Gottes gleiche Konzerte! – Wie wird sich der neue Gitarrist Richie Faulkner zusammen mit Glenn Tipton bei den neuen Tracks ergänzen und vielleicht sogar duellieren? Wie kann Rob mit seiner Stimme glänzen? Etwas, das in den letzten Jahren immer wieder zu wilden Diskussionen führte, weil Mister Halford auf der Bühne nicht mehr dermassen überzeugen konnte, wie in den achtziger Jahren. Aber hey, Rob geniesst gerade sein 63. Lebensjahr und garantiert kein Shouter wird mit mehr als sechs Jahrzehnten seine Screams und Shouts noch in der Höhe abliefern, wie mit 30 oder 40 Jahren!

Grundsätzlich ist es immer schwierig, ein neues Werk der Jungs mit ihrem grandiosen Backkatalog zu vergleichen. Ein neuer Streich wird da wohl niemals die Messlatte von «British Steel», «Screaming For Vengenace», «Defenders Of The Faith» und «Painkiller» erreichen oder übertreffen. Startet die neue Scheibe mit den Textzeilen «Welcome to my world of steel…» lässt sich erahnen wohin die Reise geht. Nämlich zurück zu den Anfängen von Judas Priest, quer über die erfolgreichen Tag bis ins hier und jetzt. Eine Art «Best Of»-Judas Priest erklingt mit all den wichtigen Elementen, welche die Truppe berühmt und erfolgreich gemacht haben. «Redeemer Of Souls» ist der Zwitter aus «Stained Class» («March Of The Damned»), «Rocka Rolla» («Crossfire»), «Point Of Entry» («Down In Flames»), «Painkiller» («Redeemer Of Souls») und «Defenders Of The Faith» («Battle Cry») über dem immer eine gewichtige Portion «Angel Of Retribution» thront und somit alles, was man von Judas Priest kennt verbindet. Die fantastische Gitarrenarbeit von Richie und Glenn packt nicht nur beim Opener «Dragonaut» den Hörer an den Eiern. Das Solo-Duell beim Eröffnungstrack erinnert an selige «Defenders Of The Fait»-Zeiten und macht Laune auf mehr! Rob singt bedeutend tiefer als in seiner Hochphase. Dies wird einigen Nörgler wieder Wasser auf ihre Hass-Rädern spülen. Diese kommen allerdings bei den wenigen aber gekonnt eingesetzten Schreien («March Of The Damned», «Halls Of Valhalla» und «Crossfire») ins Stocken. Als Highlights und Anspieltipps gehen «March Of The Damned» mit seinem schwerfälligen Rhythmus (man ist inmitten des Marsches der Verdammten), die Abrissbirne «Metalizer», das an Running Wild und Piraten-Sounds erinnernde «Halls Of Valhalla», das an «Bloodstone» («Screaming For Vengenace») erinnernde «Cold Blooded» und das von der Gitarre getragene «Battle Cry» zu nennen. Fazit: Scott Travis trommelt erneut souverän und Arsch tretend, Ian Hill pumpte noch immer seine Bassläufe in die Umlaufbahn, das neue Gitarrengespann lässt nix anbrennen und rifft und duelliert sich die Seele aus dem metallenen Körper und Rob konzentriert sich auf das, was er heute noch singen kann. «Redeemer Of Souls» ist ein sehr gutes und abwechslungsreiches Album geworden, das sicher kein Überflieger ist, aber die meisten der neuen Platten locker aussticht.
Tinu
Punkte: 8.5 von 10