Prelistening: Slipknot - All Hop Is Gone
By El Muerte
Dass uns Pressefritzen bei Gelegenheit gerne mal ein Knüppel zwischen die Beine geworfen wird, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr - Wo in der Vergangenheit Strategien wie mit Beeps versetzte Songs, in hundert Audio-Schnippsel zerschnittene Platten und auf Computer nicht abspielbare Scheiben zum täglichen Brot gehörte, setzt Roadrunner Records die Latte nun erneut eine Stufe höher: Die Platte kommt nicht mehr zu uns ins Postfach, wir gehen zur einzigen Kopie in Europa hin!

So geschehen am 23. Juli 2008, als ich mein Hinterteil doch tatsächlich aus dem komfortablen Umfeld meiner eigenen vier Wände nach Zürich wuchten musste, um zusammen mit zwei Handvoll weiteren Presse- und Promoheinis unter Anleitung einer Roadrunnerabgesandten aus England das neue Werk der neun Maskenfetischisten aus Iowa zu begutachten. Und weil man sich bei einer so hochoffiziellen Gelegenheit natürlich in optimale Startposition rücken möchte, habe ich mich natürlich ganz professionell vorbereitet - Und zwar den aktuellen Artikel zum Thema aus dem deutschen «Metal Hammer» gelesen. Das mag jetzt irgendwie nicht so doll wirken, aber dafür gibt's dabei höchst kontroverse Informationen: Während die beiden Bandleader Joey Jordison (Drums, auch bei den Murderdolls aktiv) und Corey Taylor (Gesang, Fronter bei Stone Sour) die neue Platte sowieso erst mal als grundlegend super betrachten, ziehen James Root (Gitarre, auch bei Stone Sour) und vor allem Shawn Crahan (Perkussion, Fronter bei Dirty Little Rabbits) eine ganz andere Bilanz: Während erstgenannter die Platte als nicht ausgereift und eher weniger nach seinem Geschmack bezeichnet, greift letztgenannter zu weitaus drastischeren Aussagen - Slipknot wären für ihn ein Fluch, und «All Hope Is Gone» sowieso nicht in seinem Interesse. Und zu guter Letzt dann auch noch die Bestätigung von der offiziellen Seite: Namen werden nicht genannt, aber während den Aufnahmen ging's einigen Bandmitgliedern an den Kragen. Wortwörtlich.

Tja, und die Platte? Das unter widrigsten Umständen Meisterwerke entstehen können, wissen wir nicht erst seit Metallica's schwarzem Album - Aber wie hat sich die aktuelle Lage auf «All Hope Is Gone» ausgewirkt? Um's kurz und schmerzlos zu machen: «All Hope Is Gone» fehlt der Fokus und die Vision - wobei nicht wirklich klar ist, welcher Punkt dabei stärker ins Gewicht fällt. Während Songs wie die Vorabsingles «Psychosocial» und der Titeltrack überdurchschnittlich stark ausfallen, verpufft die Wirkung des grössten Teils der restlichen Stücke überraschend schnell. Auf die Frage «Welchen Track wollt ihr nochmal hören?» weiss ich keine Antwort. War's das? Hab' ich was verpasst? Klar, «Gematria» thrasht angenehm nach vorne, «Vendetta» kommt schön perkussiv, «Butcher's Hook» erinnert an Meshuggah-Mässiges Riffing, «Gehenna» verfügt über schräge Gesangs-Harmonien, und «Snuff» führt die Balladenanleihen aus aus dem Vorgänger «Vol. 3» mit verzerrten Hammond-Sounds weiter, aber… interessante Details stehen noch lange nicht für gute Songs. Es war ja klar, dass ich als hyperaktiver Musikfreak mich in «Vol 3» verbeissen würde - Aber «All Hope Is Gone» fehlt beinahe jeglicher neu aufgegriffener Pfad des Vorgängers. Die Songs sind oft extrem geradlinig, aber wo andere Bands das mit ausgefeilten Instrumentationen wieder wett machen, tauchen auf dieser Platte sogar in der Gitarren-Fraktion oftmals das eine oder andere Fragezeichen auf. Soli gibt's ein paar, gerifft wird ordentlich, aber wie gesagt - Die Songs werden dadurch nicht besser.

So, nochmal zum mitschreiben: Ich höre mir die Platte beim offiziellen Release gerne noch mal an - Aber vorläufig bin ich enttäuscht. Im Nachhinein wirkt «All Hope Is Gone» eher als Spielfeld für Joey Jordison's Drumattacken, daran ändert auch die knackie Produktion nix. Immerhin habe ich jetzt in etwa eine Ahnung, woher der Album-Titel kommt… Wie Corey im Intro «.execute.» proklamiert, «It appears that we have reached the edge, that zenith where stimuli and comatose collide». Auf den Punkt genau, mein Guter.