Livereview: Armored Saint - Beyond Dystopia

12. November 2018, Pratteln – Z7
By Rockslave
Wenn man darüber sinniert, welche Bands leider nie den Erfolg einheimsen konnten, der ihnen eigentlich aufgrund der Güte des Songmaterials zugestanden hätte, dann gehören Armored Saint mit Sicherheit auch dazu! 1982 gegründet, stand die Truppe zwei Jahre später mit ihrem legendären Debüt «March Of The Saint» voll in den Startlöchern. Auch «Delirious Nomad» (1985) und «Raising Fear» (1987) boten feinste Metalkost, die sich durch den ausdruckstarken Gesang von John Bush auszeichnete und von den Songwriter-Qualitäten des Gründungsmitglieds und Gitarristen Dave Prichard (R.I.P.) profitierte. Das Line-Up hielt leider nicht lange, und als der Deal mit Chrysalis nach der Live-Scheibe «Saints Will Conquer» (1988) verkaufsbedingt flöten ging, folgte zwei Jahre später der unfassbare Tod von Dave. So wurde «Symbol Of Salvation» (1991) unter der Ägide von Metal Blade als neuem Label zum kompositorischen Vermächtnis dieses begabten Musikers. Fast eine Stunde dauert das abwechslungsreich gehaltene Überwerk und wurde nun auf der aktuellen Tour mitunter komplett durchgespielt. Die Schweizer Support-Band Beyond Dystopia schlug sich derweil wacker.

Beyond Dystopia

Von den Schweizer Grunge-Rockern aus Thun hatte ich zuvor noch nie was gehört. Als das Trio die Bühne des Z7 betrat, hätte ich rein von der äusseren Erscheinung her spontan auf Amis oder Skandinavier getippt. Bevor also eine Ansage von Leadsänger und Gitarrist Basil Aemmer erfolgte, blieb die Herkunft im Verborgenen. Vor einer leider ziemlich spärlichen Kulisse von ein paar Dutzend Fans versuchte die Band mit ihrem Alternative Post Grunge etwas Stimmung in die Bude zu bringen. Ganz zu Beginn waren die Reaktionen auf diese Mucke eher zaghaft bis ziemlich diskret. Das Ganze passte stilistisch nicht wirklich zum Headliner. Grunge und Heavy Metal sind halt schon arges Zweierlei. Aber ab dem Moment, wo sich Beyond Dystopia als Schweizer Combo zu erkennen gaben, nahm die Resonanz spürbar zu. Getragen von voluminösem Leadgesang und kräftig beigesteuerten Backing Vocals von Bassist Sam Fischer groovten sich die Berner Jungs durch einen soweit soliden Set. Stilistisch konnte mich der Auftritt jedoch nicht abholen, obwohl mich der Sound und vor allem der Gesang von Basil mehr als einmal an Pivi R. Pieren und die leider verblichene Baselbieter Rock-Band Excentric erinnerte. Diese fuhren ja ebenso auf der Alternative-Schiene und rockten seinerzeit allerdings eindringlicher als Beyond Dystopia heute Abend. Zudem eckte über die Distanz der für meinen Geschmack letztlich zu dominant vorgetragene Gesang der Herren Aemmer und Fischer zunehmend bei mir an und liess die Aufmerksamkeit deshalb in raschem Tempo schwinden. Nichtsdestotrotz konnte die Truppe ihrem Publikum einen durchaus anteilnehmenden Schlussapplaus entlocken, und das unerwartete Zugeständnis für einen zusätzlichen Song rundete schliesslich knappe vierzig Support-Minuten ab. Handwerklich ging die Chose weitgehend in Ordnung, liess aber bezüglich Tightness und Agilität, trotz teils schwingender Matte von Basil, schon noch etwas Luft nach oben übrig!

Armored Saint
Man kann das getrost als Geschenk des Himmels betrachten, dass uns die amerikanische Underground Metal-Institution Armored Saint im 91-er Ur-Lineup endlich wieder einmal in der Schweiz beehrt. Ältere Fans unter den MF-Lesern mögen sich vielleicht noch daran erinnern, dass die Amis damals, genauer am 15. November 1991, im Zürcher Hallenstadion als Support für die Scorpions auf deren «Crazy World»-Tour aufspielten! Seither sind viele Monde ins Land gezogen und nach insgesamt, respektive zusammengezählt total zehnjähriger Szene-Abstinenz, haben John Bush (v) und seine Mannen seit 2006 definitiv wieder Blut geleckt und seither mit «La Raza» (2010) sowie «Win Hands Down» (2015) , gefolgt vom Live-Dreher «Carpe Noctum» (2016) neues Material raus gehauen, das unverkennbar die alten Trademarks weiterhin aufrecht erhält. Im Zuge des Re-Releases von «Symbol Of Salvation» warfen Armored Saint auch den Live-Motor wieder an und setzten auf den alten Kontinent über. Dass diese Kult-Scheibe mit original 57 Minuten Spieldauer am Stück durchgespielt wird, war nicht zwingend zu erwarten, zumal 27 Jahre nach dem ursprünglichen Release kein rundes Jubiläum ansteht. Doch seis drum, sprich ist völlig egal, und so kamen die letztlich etwa 200 Leutchen vor Ort in den Genuss einer exzellenten Show, die noch lange nachhallen wird. Als Ouvertüre und zum Anwärmen so zu sagen, spielte die topmotivierte Band gleich mal drei alte Kracher wie aus einem Guss, ehe dann eben während gut einer Stunde die zweite Raketenstufe gezündet wurde! Was da dann vom Stapel gelassen wurde, trieb einem als Alt-und Neu-Fan glatt die Freudentränen ins Gesicht! Ruhelos angetrieben von der mörderischen Rhythmus-Maschine mit Joey Vera (b) und Gonzo Sandoval (d) brillierte Frontmann John Bush inmitten des Riff- und Soli-Gewitters seiner Sidekicks Phil Sandoval und Jeff Duncan. So erstrahlten diese bald einmal drei Dekaden alten Schoten in gleissendem Licht und empfahlen sich für die definitive Aufnahme in den Metal-Olymp.

Was dieses Jahrhundert-Album auszeichnet, ist die rhythmische wie tempomässige Bandbreite, die den roten Faden dennoch immer klar erkennen lässt. Mit dabei war natürlich auch die gnadenlos geile Halbballade «Another Day», die dem verstorbenen Freund Dave Prichard gewidmet wurde. Überhaupt boten Armored Saint eine überragende Performance und gingen in ihren Kult-Songs voll auf. Die Gesangsstimme von Master Bush ist immer noch so schneidend wie damals und bei «Symbol Of Salvation» nutzte John die platzmässige Begeben- wie Gelegenheit vor der Bühne spontan aus, mischte sich weitersingend mitten unter die Fans und setzte sich für einen Moment gar auf den Boden. Wie verdammt gut diese Songs immer noch sind, wurde einem unter anderem auch bei der Stadion-Hymne «Burning Question» bewusst. Cool war dann natürlich zu Beginn von «Tainted Past», dass der Part auf der Akustik-Gitarre albumgetreu wiedergegeben wurde. Mein persönliches Highlight folgte jedoch bei «Spineless»! Da zeigte sich wieder einmal, wie geilste Hammer-Songs fast vergessen gehen, wenn man sie nicht immer regelmässig am Ohr hat. Damit ging so zu sagen der offizielle Part des Sets zu Ende. Die Band blieb danach jedoch geschlossen auf der Bühne und setzte nach dem Verdanken der verschiedenen Dienste der ganzen Tour-Crew, inklusive dem Bus-Driver, zur zugabenmässigen Schlussoffensive an. Im Sinne des Brückenschlages zur Gegenwart folgte zuerst «Win Hands Down», der Titel des aktuellen Studio-Albums und mit dem Ur-Kracher «Can U Deliver» zeigten die Amerikaner beim letzten Europa-Konzert der Tour, dass sie immer noch eine verdammt heisse Truppe sind! Nach schweisstreibenden 105 Minuten Spielzeit ging dieses denkwürdige Konzert zu Ende, und der einzige Wermutstropfen war das Auslassen von «Mad House» (kein Anthrax-Cover!) - Könnte nun gut sein, respektive es ist schwer zu hoffen, dass Armored Saint im nächsten Jahr zu uns zurück kehren und einige Festivals beehren werden. Das wäre schlicht der Oberburner!

Setliste: «March Of The Saint» - «Long Before I Die» - «Chemical Euphoria» -- «Reign Of Fire» - «Dropping Like Flies» - «Last Train Home» - «Tribal Dance» - «The Truth Always Hurts» - «Half Drawn Bridge» - «Another Day» - «Symbol Of Salvation» - «Hanging Judge» - «Warzone» - «Burning Question» - «Tainted Past» - «Spineless» -- «Win Hands Down» - «Can U Deliver».