Livereview: Axel Rudi Pell - Rebellious Spirit

12. Februar 2014, Pratteln - Z7
By Tinu (tin) und Rockslave (rsl)  -  All Pics by Rockslave
Logbuch, 12. Januar 2014, die Segel sind gehievt und der stolze Zweimaster schaut dem aufkommenden Sturm unerschrocken entgegen. Das nasskalte Wetter und der grosse Ansturm der Besatzung (ausverkaufte Hütte im Z7) lassen auf ein siegreiches Gefecht hindeuten. Die Wellen peitschen an die Reling und mit einem breiten Grinsen steht Kapitän Pell und seine Mannschaft auf der Brücke. Der neue Galeerentaktgeber Bobby Rondinelli (ehemals Rainbow und Doro) und der kampferprobte Steuermann Johnny Gioeli sind die Eckpfeiler neben dem blonden Gitarrenvirtuosen. Speziell Johnny hat in unzähligen Fahrten immer bewiesen, dass keine Meerenge zu schmal, kein Sturm zu wild und keine Reise zu langweilig wird. Er ist der Zeremonienmeister, der aus jedem noch so mittelmässigen Konzert einen berauschenden Event macht. In wie weit sich der Fünfer locker durch den Sturm («Into The Storm», der Titel des neuen Albums) segelte und dabei keinen Mastbruch erleidet, wird sich später zeigen. Denn bevor der Wind die Segel zerfetzen und die spitzigen Wellen über die Planken des Piratenschiffes peitschen und ein ruhiges Stehen unmöglich machen werden, standen die Schiffsjungen von Rebellious Spirit auf dem Deck und sicherten Back- und Steuerbord ab. (tin)

Rebellious Spirit

Die aus der Nähe von Balingen stammende Formation hatte die Gelegenheit, sich einem grösseren Publikum vorzustellen. Und genau dort in Balingen am «Bang Your Head» 2013 sah ich die jungen Kerle zum ersten Mal auf einer Stage stehen. Morgens um 10 Uhr weckten sie die Alkoholleichen auf und legten eine wilde, mitreissende und tighte Show auf die Bretter. Die Erwartungen waren somit hoch. SEHR HOCH! Und konnten nicht erfüllt werden. Jannik (Gesang, Gitarre), Jens (Bass), Corvin (Gitarre) und Silvio (Schlagzeug) waren zwar bemüht und dadurch sehr wahrscheinlich auch gehemmt und blockiert. Die Spritzigkeit, wie sie in Balingen noch zu sehen war, fehlte gänzlich. Die freche Art der Ansagen vom Sommer wich und liess dagegen einen routinierten, schüchternen Jannik auf der Bühne blass und alt aussehen. Damals in Balingen faszinierte mich die «leck mich am Arsch»-Attitüde, in Pratteln langweilte mich die Performance nach drei Songs und ich bevorzugte den Smalltalk mit einer Besucherin. Schade, dabei können Songs wie «Rock It», «You're Not The Only One», «Gone Wild» und der zum Mitsingen animierende «Let's Bring Back» die Lücke zwischen Sleaze- und Metal-Rock problemlos schliessen. «Guten Abend, wir sind Rebellious Spirit und wir werden jede Menge Spass haben». Dies Ansage schien ein Versprechen zu sein, das sich aber nicht bewahrheitete. Ob es daran lag, dass die Truppe zum ersten Mal in der Schweiz spielte, oder am Z7? Wo blieb der Pfeffer, die Bewegung, das packende Element? Selbst die Coverversion von Bon Jovis «You Give Love A Bad Name» konnte die Besucher nur teilweise aus der Reserve locken. In wie weit der Aufruf von Jannik, dass sich die Fans doch ihre Shirts und die CD «Gamble Shot» am Merchandisingstand besorgen sollen, auch Folge geleistet wurde, kann ich nicht beurteilen. Bloss dass ich nach diesem Auftritt einmal mehr schreiben muss, dass Erwartungen oftmals das Killerkriterium von allem sind und der Jubel wie Applaus nach dem letzten Ton durchaus zu hören waren, aber im ausverkauften Z7 dennoch schon fast verblassten. (tin)

Setliste: «Lights Out» - «Rock It» - «Sweet Access Right» - «You're Not The Only One» - «Gone Wild» - «Change The World» - «You Give Love A Bad Name» - «Cry For You» - «Let's Bring Back».


Axel Rudi Pell
Die deutsche Antwort auf Ritchie Blackmore (Ex- Deep Purple) hat sein eigenes Flaggschiff seit Ende der 80er gewassert und konnte seither noch jedem (Trend-) Sturm trotzen. Ein Blick auf die frühere Bandgeschiche bringt hervor, dass mit Charlie Huhn, Rob Rock und gar Jeff Scott Soto schon einige Hochkaräter im Lineup des Chefs mittun konnten. Ohne die Musik von damals abzukanzeln oder unwichtiger erscheinen zu lassen, begann jedoch die Geschichte der Band Axel Rudi Pell neu, respektive spätestens 1998 mit der Verpflichtung von Johnny Gioeli (Hardline). Seither sind im Zweijahres-Rhythmus Studio-Alben erschienen, die ohne diesen Hammer-Sänger bedeutend weniger relevant wären. Als grosser Fan von Deep Purple, Rainbow, Whitesnake, Dio, Black Sabbath und Konsorten rissen mich die germanischen Rainbow allerdings nicht nachhaltig vom Hocker. Dass dennoch einige Tonträger (der Gioeli-Ära) in der persönlichen Tonträger-Sammlung stehen, spricht allerdings für sich selber. Live war die Geschichte auch durch den langjährigen Drummer Mike Terrana geprägt, der mit seinem extravaganten Spiel (inklusive seiner gefürchteten Soli) zum Markenzeichen wurde. In der Gegenwart und in Zusammenhang mit dem brandneuen Album «Into The Storm» gibt es nun am eben erwähnten Instrument einen Wechsel zu verzeichnen. Kein Geringerer als Bobby Rondinelli, zu dessen Palmares, nebst den eingangs erwähnten Bands, bekanntlich auch Black Sabbath, Blue Öyster Cult, The Lizards und noch ein paar mehr gehören, hat nun hinter den Kesseln Platz genommen, respektive ist schon auf dem Album zu hören. Das weckte mitunter mein Interesse, mir dies nach längerer ARP-Abstinenz wieder mal live anschauen und hören zu gehen, zumal die neuen Songs mehr als nur einen guten Eindruck hinterlassen. Schief gehen konnte heute Abend, nota bene vor ausverkaufter Kulisse und mit mächtigem ARP-Backdrop (inklusive zwei kleineren Stage-Flags mit dem Album-Cover) somit eigentlich nichts. Zudem galt es, den überraschenderweise hüftlahmen Rebellen aus Balingen aufzuzeigen, wie man es besser macht.

Den Auftakt machte dann gleich der an sich sackstarke Album-Opener «Tower Of Lies»…, wenn ich hätte wählen können…, aber die Wahl fiel auf das schwer Rainbow-lastige «Burning Chains». Zur allgemeinen Überraschung passierte hierbei (noch?) nicht so viel. Wo war der allgemein erwartete Drive, der bollernde Bass von Volker Krawczak und vor allem die Gitarre des Meisters? Zuerst dachte ich, da zu Beginn ja noch im Fotograben stehend, dass dies hinten eh besser klingen würde, aber ein wenig später dort angekommen, hörte sich das Ganze nach wie vor viel zu harmlos an. Anstatt ordentlich Druck auszuüben (Ritchie Blackmore war da früher gefühlte zehnmal lauter), kratzte es oben weg sogar und dies eigentlich durchgehend! Somit musste es einmal mehr der grandiose Johnny Gioeli richten und der gab, wie immer, auch diesmal alles. Das tat der  Neue in der Band grundsätzlich auch, aber im Vergleich zu Zappel-Philipp Mike Terrana wirkte Bobby Rondinelli geradezu einschläfernd. Dass Letzterer sein Drum-Solo deutlich kürzer ausrichtete, war dann hingegen wieder ein Gewinn zu Gunsten eines Songs mehr.

Was die Setliste der aktuellen Tour angeht, so würde ich auf jeden Fall nicht in der Haut von Axel stecken wollen, als dieser hierzu abermals seinen Backkatalog abklappern musste. Nebst insgesamt vier neuen Songs von «Into The Storm» wurde nur noch «Between The Walls» (1994) mit zwei Vertretern («Warrior» und «Casbah») ins Rennen geschickt. Ein guter Teil setzt sich derweil aus einigen Titeltracks der jeweiligen Alben, wie «Nasty Reputation» (1991), Oceans Of Time» (1998) oder «Mystica» (2006) zusammen, und «Call Her Princess» (1989) setzte schliesslich den jahrmässigen Markstein hin zum Beginn der Karriere unter dem ARP-Banner, die heuer am BYH!!!-Festival zum 25-jährigen Bandjubiläum mit einer Special-Show gewürdigt wird. Dabei wird der epische über zehn Minuten lange Titeltrack «Into The Storm» (Highlight des heutigen Abends!) sicher auch zur Aufführung gelangen. Was mir weitaus weniger gefiel, war das von wegen sold out viel zu teilnahmslose Publikum. Da hätte ich mir deutlich mehr Emotionen gewünscht, aber das Ganze passte sich niveaumässig wohl der für sonstige Z7-Verhältnisse erstaunlich ungenügenden Soundqualität an. In Balingen wird das im Sommer hoffentlich deutlich besser abgemischt! (rsl)

Setliste: «Intro/Burning Chains» - «Nasty Reputation/Strong As A Rock (Medley)» - «Long Way To Go» - «Oceans Of Time» - «Hey Hey My My» - «Warrior» - «Keyboard Solo Ferdy Doernberg» - «Into The Storm» - «Drum Solo Bobby Rondinelli» - «Before I Die» - «Mystica» - «Too Late/Call Her Princess/Jam/Eternal Prisoner/Too Late» -- «The Masquerade Ball/Casbah» - «Rock The Nation».