Livereview: China - Charing Cross - Dark Sky - Crown Of Glory
14. März 2009, Transilvania, Erstfeld (UR)
By Roger W.
Irgendwie war dieser Abend nicht so 100 Prozent das Gelbe vom Ei, oder das erträumte Headbanger-Paradies. Denn obwohl sich sämtliche Bands sehr Mühe gaben, so etwas wie Stimmung aufkommen zu lassen, schafften es diese nie, über die ersten zwei „Reihen“ rüber zu schwappen. Das Publikum verzog sich lieber an die Bar und schaute von dort passiv zu. Woran das lag, ist schwierig zu sagen, denn sämtliche Bands verfügten über ein beachtliches Niveau. Auch die Ausrede, dass die Halle nicht voll genug war, lasse ich nicht gelten, kam doch bei ähnlicher „Fan-Dichte“ im Z7 schon sehr gute Stimmung auf. Irgendwie schien das Publikum an einer extrem ansteckenden Müdigkeit zu leiden. Trotzdem war es ein schöner Abend, an dem vor allem die Luzerner Hard Rocker Charing Cross überraschend klar die beste Show gaben.

Crown Of Glory
Keine Ahnung wie oft ich die Power-Metaller Crown Of Glory bereits live erleben durfte. Klar ist mir aber, dass ich diese Band auch schon in besserer Verfassung gesehen habe. Ob’s an der im Moment ungelösten Schlagzeuger-Frage lag (Martin gab den Austritt, und ex-Schlagzeuger Merz half kurzfristig aus), ist schwierig zu sagen. Jedenfalls hatten Crown Of Glory auch schon mal mehr Feuer im Allerwertesten als an diesem Abend. Dies bedeutet allerdings auf Crown Of Glory bezogen, dass sie immer noch zig Mal besser waren als manch andere ähnliche Band. Denn Songs wie „Raven’s Flight“, „Spirit“ oder „Inspiration“ funktionieren live nicht nur hervorragend, sondern werden auch fulminant gespielt. Die beiden Gitarristen Markus und Hungi strickten geschickt gemein-sam mit Philipp einen Soundteppich aus Rhythmus und Soli, der von Bassist Jonas und Merz am Schlagzeug getragen wurde. Kommt hinzu, dass Sänger Heinz unermüdlich das Publikum zum Mitklatschen und Mitsingen animierte und gegen Ende das Eis auch ein wenig brechen konnte. „Keep The Flame“ und „The Calling“ setzten schliesslich den Schluss-punkt eines Auftrittes, der für Neulinge toll, für ältere Fans aber eher durchwachsen war. Es bleibt zu hoffen, dass Crown Of Glory möglichst bald einen permanenten Schlag-zeuger finden, mit dem sie zusammen mutig und unerschrocken die „Metal“-Welt erobern wollen.

Dark Sky
Optisch gewöhnungsbedürftig präsentierte sich die bereits 1982 in Rottweil gegründete Band Dark Sky. Denn Sänger Frank Breuninger glich mit seiner Vokuhila-Frisur (vorne kurz, hinten lang) eher einem Schlager- denn einem Metal-Sänger. Hatte man sich aber erst einmal daran gewöhnt, konnte man die Show geniessen, die unterstrich, dass hier alte Hasen am Werk waren. Der bereits erwähnte Frank Breuninger schüttelte sämtliche Gestiken und Posen der 80er Hard Rock und Metal-Sänger aus dem Ärmel, als wäre er bereits in diesen Stellungen geboren worden. Dies unterstrich auch das weisse Flanier-Hemd, womit eine gewisse Ähnlichkeit mit David Coverdale von Whitesnake nicht mehr von der Hand zu weisen war. Ganz anders präsentierte sich Gitarrist Steffen Doll, der eher in sich gekehrt lächelnd sein Instrument bearbeitete und ab und zu zum Bassisten Winny Zurek, zum Keyboarder Claudio Nobile oder zum Schlagzeuger Uwe Meyer hinüber strahlte. Der Publikums-Anmarsch vor der Bühne hatte mit Dark Sky sein Abendtief erreicht und wollte sich auch im Verlaufe des Auftrittes nicht ändern. Was aber auch daran lag, dass anders als Heinz von Crown Of Glory zuvor, Breuninger kaum Ansagen machte oder das Publikum animierte. Die Lieder bewegten sich in der Melange irgendwo zwischen Hard Rock und Melodic Heavy Metal. Dank den matschigen Soundeinstellungen ging vor allem die Leadstimme unter. Was aber vielleicht auch gewollt war, klang diese doch eher dünn und kraftlos. Dies störte vor allem beim Coversong „Maniac“. Umso überzeugender waren denn auch die Backing-Vocals, die von allen vier Instrumentalisten gesungen wurden. Insgesamt lieferten Dark Sky einen guten Auftritt mit anständigen aber nicht überragenden Liedern, bei welchem mit ein wenig mehr Mut zur Animation noch einiges drin gelegen wäre.

Charing Cross
Dass man trotz technischen Pannen zum Tagessieger werden kann, bewiesen anschliessend Charing Cross. Denn als die Band buchstäblich die Bühne stürmte, lief über die Publikumslautsprecher noch Pausenmusik. Ein Blick auf die Band machte allerdings klar: Hier hat der „Ernst des Lebens“ begonnen. Hoch motiviert schleuderten Charing Cross „Final Day“ ins Publikum und sorgten mit dem obligatorischen Akkubohrer-Gitarren-Solo für gute Laune. Am Schlagzeug gab der Neuzugänger Riodi Walter den richtigen Rhythmus an. Und hielt immer dann seine Kameraden zurück, wenn diese mal wieder Aufgrund eines Adrenalin-Schubes zu schnell spielen wollten. Sänger Peter Hochuli brachte mit seinen spontanen Ansagen gute Laune ins Publikum und überzeugte in allen Tonlagen. Dazu kam eine Spielfreude, die man an diesem Abend nur noch eingeschränkt bei China wieder erleben durfte. Charing Cross spielten sich definitiv in eine neue Liga. Dies wurde dann auch mit dem grössten Publikums-aufmarsch und den meisten Reaktionen belohnt. Mit „Ain’t Got No Time“, „Back For Attack“ oder dem finale „Kick Ass Rock’n’Roll“ gaben sie ein Versprechen ab, dass wohl noch lange nachhallen wird. Dem nämlich, auch künftig immer Vollgas zu geben, egal wie viele Personen vor der Bühne stehen.

China
Mit China stand zum Schluss des Abends eine Band auf der Bühne, die Ende der 80er Jahre das Potential hatte, Krokus in Sachen Erfolg zu beerben. Die Geschichtsbücher wurden allerdings anders geschrieben. Geblieben sind die hochklassigen Lieder von vier Alben, die neu auch auf dem Best Of-Album „The Very Best Of CHINA“ zu hören sind. Speziell an der Karriere von China ist, dass sich insgesamt fünf Sänger die Klinke in die Hand gaben, und jeder in Form eines Tonträgers nachhaltig Spuren hinterlassen hat. Nachdem die Band 1995 aufgelöst wurde und 2000 eine kurze Stipvisite gab, sind sie seit dem Heaven And Hell-Konzert 2007 wieder auf den Schweizer Bühnen unterwegs. Mit dabei ist der Sänger des dritten Albums Eric St. Michaels. Dieser gab sich trotz grauen Haaren im Transilvania keine Blösse und sang wie ein kleiner Gott. Zwar transponierte er einige Lieder seiner Vorgänger ein wenig in die Tiefe, konnte aber auch in der Höhe überzeugen, wenn er wollte. Zudem tänzelte er zu Songs wie „Medecine Man“, „Rock City“ oder „In The Middle Of The Night“ auf der Bühne rum. Bei „Lonely Rider“ schnallte sich St. Michaels die Akkustik-Klampfe rum und sorgte damit für ruhige Momente im hard-rockigen Programm. Ebenfalls stark waren Gitarrist Claudio Matteo, Bassist Brian Kopfmehl und Schlagzeuger Billy La Pietra. Sie zeigten, welchen Spass ein eingespieltes Team auf der Bühne entwickeln kann. Aber auch hier wollte die Stimmung nicht über die erste Reihe rüberschwappen. Besonders augenfällig wurde das im mittleren Teil des Sets, wo China scheinbar schlicht die falschen Songs anspielten. Das ganze konnte allerdings mit den neuen Lieder „Stay“ und „Girl On My Screen“ und mit dem Klassiker „All I Do Is Wait“ gerettet werden. Dabei fragte man sich ernsthaft, wieso China denn nicht in den üblichen Radios gespielt werden. Denn die letztgenannten Lieder verfügen über die dafür nötige Eingängigkeit und Kurzweiligkeit. Mit dieser offenen Frage endete schliesslich ein Konzert, von dem ich vom Publikum mehr erwartet hatte, dafür umso mehr von China selber überzeugt wurde. Es bleibt abzu-warten, ob die Band mit ihrem für den Herbst/Winter angekündigten Album nochmals ein kleines Erdbeben auslösen kann. Das Potential ist augenscheinlich, aber das hatten wir bereits einmal…