Bevor im Herbst dann die «Now What?!» Hallentour los geht,
beehrte der Altherren-Club namens Deep Purple die Schweiz gleich mit
zwei Konzerten, quasi im Voraus. Das Erste fand in der schönen
Kulisse des „Live At Sunset» in Zürich statt und vier Tage später
stand ja der eigentlich obligate Besuch in Montreux auf dem
Programm. Wer hätte das gedacht, dass Ian Gillan und seine Jungs es
tatsächlich nochmals fertig bringen, ein neues Studio-Album in den
vordersten Chart-Rängen zu platzieren?! Während es bei unseren
nördlichen Nachbarn zur Spitze gereichte, freute man sich bei uns
natürlich ebenso über die hervorragende Silbermedaille. Das
bedeutete, dass das neue Studio-Werk auch hierzulande eine breite
Basis der Altfans und gleichzeitig viele neue Anhänger zu
mobilisieren vermochte. Obwohl sich unter den „Die-Hard“-Fans
mitunter angeregte Diskussionen in Sachen pro und kontra ergaben,
muss man «Now What?!» eigentlich schon nur von der Produktion her
als unentbehrlich bezeichnen. Bei sehr angenehmen Sommerwetter
zelebrierte der Rock-Dinosaurier eine mehr als nur gute Show auf dem
Zürichberg, die allerdings viel zu wenig neues Material enthielt.
Deep Purple
Nach über 30 Jahren an Konzertbesuchen und fast auf den Tag 28, seit
ich meine erklärte Lieblingsband das erste Mal im Hallenstadion live
sah (nämlich am 13.07.85 und natürlich in der legendären Mark
II-Besetzung!) hing tatsächlich noch der Reiz eines zum ersten Mal
besuchten Events in der Luft. Das Festival gibt es schon eine ganze
Weile (seit 1996) und in diesem Rahmen spielten in den letzten
Jahren zumeist keine extrem lärmigen Bands. Dennoch brachten Jeff
Beck, ZZ Top, Toto, Foreigner oder Meat Loaf in der Vergangenheit
durchaus rockige Klänge auf den Zürichberg hinauf. Heuer waren also,
neben Sting, Mark Knopfler und Gianna Nannini, erfreulicherweise Deep Purple gebucht worden und da Montreux leider auch dieses Jahr
für mich nicht in Frage kam, nahm ich den Weg auf den Berg nahe
Dübendorf hinauf noch so gerne unter die Räder. Vor Ort angekommen,
sah man schon bald, dass hier alles etwas edler als an anderen
Freiluftveranstaltungen aussah. Das fing schon mal damit an, dass im
Eingangsbereich ein Cabriolet des einen Festival-Sponsors Jaguar zu
bewundern war. Auf dem Weg ins Gelände überreichten darauf hübsche
junge Frauen den ankommenden Besuchern ein feines Mandel-Gebäck…,
den „Julius Bär“ so zu sagen. Müssig zu erwähnen, dass hier gerade
der Name eines weiteren Sponsors gefallen ist. Die überwiegende
Klientel, die sich hier am „Live At Sunset“ tummelte, würde man so
entweder an einem Golfturnier oder Pferderennen auch antreffen. Da
Kleider in der Tat Leute machen, waren die sich zahlenmässig klar in
der Minderzahl befindenden echten Rockfans ebenso schnell in der
Menge auszumachen. So entstand letztlich eine interessante Mischung
an Konzertbesuchern, die mir als Rezensenten des Anlasses insgesamt
zu dekadent erschien. Was allerdings das Catering anging, so
wischten dessen Vorzüge fast alle Ressentiments umgehend wieder vom
Tisch! Das entschädigte dann auch gleich dafür, dass es heute Abend,
wie zuvor schon und überhaupt, keine Support-Band gab.
So stiegen Ian Gillan, Roger Glover, Ian Paice, Steve Morse und Don
Airey Punkt 20.30 Uhr auf die Bühne, die unten auf der Eisbahn
aufgebaut war und noch eine eigenwillige Halbrund-Form besass.
Lichtmässig war es natürlich für ein solches Konzert grauslig, da
viel zu hell, aber immerhin machte die untergehende Sonne dem
Festivalnamen alle Ehre. Ob man das für den komplett bestuhlten und
bis zu 170 Franken teuren Anlass auch so sah, sei mal dahin
gestellt. Auch wenn zu Beginn des Konzertes noch der eine oder
andere Stuhl nicht belegt war, dürfte man schon im Bereich von „sold
out“ gelegen haben, was etwa rund 2000 Leute bedeutete. Obwohl die
Bühne den entsprechenden Überzug aufwies, kam Ian Gillan für einmal
nicht barfuss daher. Als die Musiker ihre Plätze einnahmen, brandete
schon mal ein angenehm lauter Applaus auf. Da die Instrumente und
Amps noch recht weit vorne standen, war ich im Fotograben fast auf
Tuchfühlung mit und der Band näher als jemals zuvor. Der Opener «Fireball»
zeigte dann von Anfang an allen Schlagzeugern, wie genial und
unerreicht das Spiel von Ian Paice immer noch ist und auch bleiben
wird. Mit «Into The Fire» und «Hard Lovin’ Man» folgten darauf zwei
Perlen von «In Rock» (1970) gleich hintereinander. Kaum aus dem
Fotograben raus, nahm ich «Vincent Price» irgendwie gar nicht recht
wahr und wenn ich die Setliste nicht gesehen hätte, wäre ich nicht
mal sicher gewesen, ob der erste von insgesamt drei neuen Songs im
Set überhaupt gespielt worden ist. Wie dem auch sei…, die Band
zockte ihren Set völlig relaxt runter und das sitzende Publikum
taute mit fortlaufender Zeit immer mehr auf. Die Lautstärke war
allerdings mit maximalen und anwohnerbedingten 93 dB viel zu leise
und liess immer wieder mal etwas Power vermissen. Da passte «All The
Time In The World» dann allerdings bestens rein und der Platz
zwischen «Contact Lost» und «The Well Dressed Guitar» hätte nicht
besser ausgewählt werden können.
Bereits vor dem Konzert war mir aufgefallen, dass vorne am
Bühnenrand der ganze Text von «Above And Beyond» auflag. Das deutete
zumindest darauf hin, dass Ian Gillan beim neuen Material womöglich
noch nicht so ganz textsicher ist und bei Bedarf nachschauen
kann/muss. Dennoch erstaunte mich dieser Umstand, da der
Purple-Frontmann ja keinesfalls mit Ozzy Osbourne in Sachen
fehlendem Erinnerungsvermögen gleichzustellen ist. Seis drum, denn
beim betreffenden Song hielt sich Ian nicht ausschliesslich in der
Nähe der Blätter am Boden auf. Das Konzert entwickelte sich auf
jeden Fall prächtig und die Stimmung war sehr gut, wenn auch nicht
gerade euphorisch. Trotz aller Freude meinerseits, an diesem lauen
Sommerabend ebenfalls anwesend sein zu können, fiel mein Fazit zur
Darbietung zunehmend ernüchternd aus. Der ganzen Chose fehlte
spürbar Pepp und das lag nicht nur an der reduzierten Lautstärke.
Was in früheren Jahren noch spontan und unvorhergesehen geschah, ist
längst einer sich wiederholenden Prozedur gewichen, besonders beim
Solo von Don Airey. Auch wenn es verbrieft keinen besseren
Nachfolger des unvergessenen Jon Lord (R.I.P.) gibt, so stellt man
nach mehreren Konzerten fest, dass praktisch alles immer gleich
abläuft und jeder Überraschungseffekt im Keim erstickt wird. Gar
unmotiviert agierte auch Steve Morse vor «Smoke On The Water», der
früher seine „Juke Box-Einlage“ ausladender und spannender
gestaltete. Dass sich dann aber bei diesem unverzichtbaren Klassiker
(fast) alle erhoben, klatschten und mitsangen, zeigte immerhin, dass
die Begeisterung hierfür nie nachlassen wird. Die beiden Zugaben «Hush»
und «Black Night» stimmten zum Schluss auch mich versöhnlich. Deep
Purple sind 2013 noch längst nicht altersmüde und ich bin, wie
eingangs bereits erwähnt, schon mal gespannt auf die anstehende «Now
What?!» Hallentournee, die hoffentlich weitere neue Songs am Start
haben wird.
Setliste: «Fireball» - «Into The Fire» - «Hard Lovin’ Man» -
«Vincent Price» - «Strange Kind Of Woman» - «Contact Lost» - «All
The Time In The World» - «The Well Dressed Guitar» - «The Mule» - «Lazy»
- «Above And Beyond» - «No One Came» - «Keyboard-Solo Don Airey» - «Perfect
Strangers» - «Space Truckin’» - «Smoke On The Water» -- «Hush» -
«Black Night».
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