Livereview: Destruction - Nervosa - Gonoreas - Rezet

07. Februar 2017, Solothurn – Kofmehl
By Tinu
Montagabend und die winterliche Kälte lädt eigentlich zu einem gemütlichen Abend auf dem Sofa ein. Gute Musik hören, ein Buch lesen oder sich eine DVD anschauen. Trotzdem nahmen ein paar Thrash-Heads den Weg ins Kofmehl unter die Räder. Nur ein paar, denn es war schon fast eine Frechheit, wie unbesucht sich die Solothurner Konzertlocation präsentierte. Ob es daran lag, dass es Montag war, oder dass gleich drei Bands die deutsche Thrash-Institution begleiteten? Zumindest dies hatte seinen Grund. Waren die helvetischen Gonoreas beim ersten Teil Toursupport, so spielten beim zweiten Part Rezept auf. Da der Gig im Kofmehl der letzte der «Under Attack»-Konzertreise war, liess Mastermind Schmier gleich beide Truppen aufspielen.

Rezet
Doch der Reihe nach. Die Deutschen Rezet eröffneten den Abend mit einer guten Mischung aus alten Megadeth, Anthrax und Testament. Allerdings ohne jemals die Qualität der Ami-Bands zu erreichen. Ricky Wagner konnte mit seinem "cleanen" Gesang Pluspunkte sammeln und hob sich damit sehr gut von der Flut an neuen Thrash-Sänger ab. Zusammen mit dem zweiten Gitarristen Thorben Schulz solierte und dudelte sich Ricky dabei fast die Finger wund. Genau hier liegt aber das Problem. Die Lieder sind technisch sehr gut, aber der Hit-Faktor, sprich das Element, an welches man sich auch nach dem Konzert erinnert, fehlte. Optisch boten die Jungs, sicher auch wegen ihren vertrackten Songs, eher ein stehendes Bang-Feuer. Die Finger flogen über die Saiten, die eingestreuten politischen Ansagen mussten offenbar sein, und auch wenn der Vierer wirklich eine hörenswerte Truppe ist, am Schluss blieb kaum was hängen.

Gonoreas, die Truppe um Flitzefinger Damir Eskic liess nicht viel anbrennen. Der Power Metal der Schweizer enthielt neben seiner urgewaltigen Energie auch sehr viele technische Kabinettstückchen. Inmitten der Gitarren-Heldentaten stand Bassist Pat, der mich mit seinen langen Haaren und seinem Posing immer wieder an Joey DeMaio erinnerte. Der Hass-Würfel in Form von Sänger Leandro trieb die wenigen Anwesenden immer wieder an. Daneben shoutete er in den höchsten Höhen, konnte sich aber auch in den Tiefen behaupten. Der Meister im Ring bleibt aber Damir, der mit seiner Malmsteen-artigen Spielweise den Liedern seinen Stempel aufdrückte. Ab und zu wären hier weniger Solos mehr gewesen. Nicht dass Damir etwa schlecht spielt, davon ist er meilenweit entfernt, aber ein Lied lebt eben auch von Emotionen und einem roten Faden. Lass mal einen Ton etwas länger stehen, ich denke, das kommt dem Song zugute… Pat, Damir und Leandro nutzten die Bühne aus, wechselten oftmals ihre Positionen und liessen neben den wehenden Matten auch die Pommes-Gabel nicht vermissen. Als sich Leandro am Schluss auch noch in den Fotograben begab und so die Nähe zu den vordersten Leuten suchte, hatten Gonoreas das Publikum völlig auf ihre Seite gezogen.

Nervosa
Schon im September 2016 spielten Nervosa zusammen mit Destruction in der Schweiz. Damals im Z7, bei den ersten «Under Attack»-Konzerten. Das Frauen-Thrash-Trio aus Sao Paulo heizte den männlichen Besuchern auch an diesem Abend ein und liess das Blut pochen wie die Hormone verrückt spielen. Fernanda ist die perfekte Frontlady, hämmert dazu auf den Bass ein, growlt und kreischt sich durch das Set. Ihre Mimik kennt keine Grenzen und dabei kann sie sympathisch lächeln und dich im nächsten Moment ansehen, als wolle sie einen mit dem kleinen Fingernagel aufschlitzen. Sie verführt mit ihren dunklen Augen und tötet dich im nächsten Moment mit ihrem Blick. Fernanda lebt den Thrash-Sound und hat mit ihrem Sidekick Prika die ideale Partnerin. Das Trio zelebrierte ein musikalisches Inferno und präsentierte sich in Form eines schwarzhaariger Teufels (Fernanda) und eines blonden Engels (Prika). Ein Freundenfest, wenn man den Double-Propeller-Banger der beiden Girls sieht. Dazu röchelt Fernanda liebevoll oder hasserfüllt ins Mikrofon und schreit sich die Seele voller Aggression aus dem Leib. Der Slayer-, Morbid Angel- und Venom-like Sound sollte eigentlich eine breitere Masse ansprechen, und ich bin mir sicher, dass die drei Brasilianerinnen mit diesen Shows beste Werbung in eigener Sachen tätigten. Denn musikalisch überfuhren die Ladies das Publikum wie eine Dampfwalze, boten auf eine sehr authentische und sympathische Art die perfekte Balance zwischen «good» und «evil». Es war die brachiale Urgewalt, die mit einem diabolischen Schlag ins Gesicht und einem lieblichen Vampirbiss vorgetragen wurde. Bitte mehr davon!

Destruction
Schmier, lass dir eins sagen, es ist bitter wie schade zugleich, wenn man dich und deine beiden Mitstreiter vor lauter Nebel fast durch die komplette Show hindurch nicht sieht. Weniger grauer Dunst, und die Lichtshow hätte um einiges mehr geknallt wie euch als Band bedeutend besser präsentiert. Und wenn wir schon beim Meckern sind, auch wenn die Konzertreise anstrengend war, inklusive dem typischen Grippevirus im Tourbus und Solothurn sich vom Zuspruch her sehr bescheiden präsentierte, deswegen gleich «Black Death», «Second To None» und das göttliche «Invisible Force» von der Setliste zu streichen, ist ein No-Go! Okay, mit dem Exploited-Klassiker «Fuck The USA» hatte niemand gerechnet, aber so ein richtiger Ersatz war der Track nun auch nicht. Das waren dann aber schon alle Kritikpunkte. Ansonsten lieferten der singende Bassist Schmier, sein langjähriger Gitarrist Mike und Trommler Vaaver eine vorzügliche Show ab. Mit dreizehn Alben im Gepäck ist es nicht einfach, eine ausgewogene Setliste zusammen zu stellen. Dass das deutsche Thrash-Urgestein dabei unverzichtbare Keulen im Gepäck hat, wie die Urkracher «Mad Butcher», «Bestial Invasion» oder Neueres wie «Thrash 'Til Death» und «Nailed To The Cross» und dabei auch die neuste Scheibe «Under Attack» mit gleich drei Nummern einfliessen lässt, ist amtlich. Leider blieben dabei Kracher wie «Soul Collector», «The Alliance Of Hellhoundz», «Day Of Reckoning» oder «Cyanid» auf der Strecke.

"Geiler Laden, wie das Z7. Wir waren noch nie im Solothurn!", begrüsste Schmier die mittlerweile auf Betriebstemperatur stehenden Besucher. "Es wäre die erste Show ohne Mosh-Pit. Kriegen wir das hin?" wollte Schmier wissen und liess das Publikum sogleich zu den brachialen Klängen von «Nailed To The Cross» tanzen. "Es hat heute erschreckend wenig Leute! Sitzen die Schweizer alle auf dem Sofa? Ihr seid gekommen und die wahren Metal-Heads!" Mit solchen Ansagen hatte der Destruction-Boss das Publikum schnell auf seiner Seite, lautes Gejohle war ihm gewiss und somit auch, dass die Fans ihm aus der Hand fressen. Schmier wechselte zusammen mit Mike immer die Position, nutzte die drei Mikrophone auf der Bühne aus und liess seine bekannten und berüchtigten Screams aufheulen. Kein anderer hat diese Schreie im Repertoire und sich damit unsterblich in die Herzen und Köpfe der Thrash-Gemeinde geshoutet wie er. Er ist eine verdammt geile Rampensau, der das Publikum zu knacken weiss und wie ein Verrückter auf der Bühne ackert. – Leider konnte man dies an diesem Abend dank des Nebels nicht sehen! – Mit Mike Sifringer hat der Frontmann einen Zauberer an seiner Seite. Was der Gitarrist alles aus seinen Saiten erklingen lässt, dabei völlig gedankenverloren seine Rübe schüttelt und ein noch geileres Riff oder Solo zelebriert, hat schon was Einzigartiges. Oder gibt es etwas Cooleres als der Einstieg von «Mad Butcher»? Mit diesem Track hatte die Band das Kofmehl auf seiner Seite. Ob sie sich im Mosh-Pit austobten oder für sich einen kleinen Thrash-Orgasmus feierten, dieser Song war der Einstieg zur Thrash-Party und einem Siegeszug bei fast minimaler Besucherzahl.

Auch wenn die alten Klassiker die meiste Resonanz einheimsen konnten, die neuen Abrissbirnen haben dabei ebenso ihre Berechtigung und machen keine Gefangenen. So bedankte sich Schmier in astreinem Schwyzerdütsch mit «…huere geil!» nach den letzten Klängen von «Life Without Sense». "Es sind wenige Leute, dafür gute Leute hier. Wir haben Spass, ihr habt Spass. Was wollen wir mehr?" Stimmt! Nichts, denn Vaaver trat allen mit einer unglaublichen Gewalt in den Arsch und sorgte für ein thrashiges Fegefeuer. «Fuck The USA» wurde Donald Duck oder besser gesagt Donald Trump gewidmet (Originalton Schmier), um dann schnell mit «The Butcher Strikes Back» das offizielle Set zu beenden. Auch wenn «Eternal Ban» noch als Zugabe auf der Setliste stand, es blieb schlussendlich bei der Schlussoffensive mit «Thrash 'Til Death» (ein klares Zitat seitens der Band) und dem unsterblichen und nie alt werdenden «Bestial Invasion». Schade, dass zum Tourabschluss die oftmals beliebten Spässe der Bands ausblieben. So konnte man aber nach einem geilen Konzert zufrieden den Nachhauseweg mit dem Bewusstsein unter die Räder nehmen, dass man nicht in die germanischen Charts auf Platz 1 einsteigen muss, um eine der besten Thrash-Truppen der Welt zu sein!

Setliste: «Under Attack» - «Curse The Gods» - «Pathogenic» - «Nailed To The Cross» - «Mad Butcher» - «Dethroned» - «Life Without Sense», «Psycho Theme (Intro)» - «Total Desaster» - «Thrash Attack» - «Fuck The USA» - «The Butcher Strikes Back» - «Intermission» -- «Thrash 'Til Death» - «Bestial Invasion».