Livereview: Dio Discpiles - Anvil - The Rods
28. Juni 2011, Luzern - Schüür
By Rockslave (rsl), Tinu (tin) & Kissi (kis) - All Pics by Rockslave
Der 16. Mai 2010 wurde für die Rock- und Metalgemeinde zu einem Trauertag, als eine der charismatischsten und prägnantesten Stimmen des Rock'n'Roll, Ronnie James Dio, für immer verstummte. Mit Elf begann der "kleine" Sangesgott Anfang der 70er seine Karriere und schrieb mit Rainbow an der Seite von Ritchie Blackmore, danach als Nachfolger von Ozzy bei Black Sabbath und schliesslich mit seiner Solokapelle Rockgeschichte und eine Unzahl von unvergesslichen Hymnen.

Wie so oft bei vielen Berühmtheiten, setzte auch bei Dio nach dessen Tod nicht nur die Ehrung, sondern auch die Vermarktung seines Vermächtnisses ein. Tribute-Alben wurden zusammengeschustert, seine Songs werden noch häufiger denn vorher gecovert und eine Flut von Merchandise- und Sammlerartikel überschwemmt seither den Markt. Und auch seine alten Weggefährten Craig Goldy (g), Scott Warren (keys) und Simon Wright (d), die Begleitband seiner Solozeiten, lassen Dio's Musik weiter klingen. Zusammen mit Allzwecksänger Tim «Ripper» Owens (Yngwie Malmsteen, Ex-Judas Priest und -Iced Earth u.a.), Toby Jepson (Ex-Little Angels) und James LoMenzo (Megadeth, Ex-White Lion, -BLS u.a.) - Originalbasser Rudy Sarzo ist bei Blue Öyster Cult eingespannt) - schloss man sich unter dem Banner Dio Disciples zusammen, um die Musik von Ronnie James Dio noch einmal auf die Bühne, wie etwa auf jene der nur mässig besuchten Schüür in Luzern, zu bringen. Ehrwürdig war dabei nicht nur die ausschliesslich aus Hits bestehende Setlist, sondern auch die beiden Vorbands Anvil und The Rods. (kis)

The Rods
Ich will jetzt nicht hingehen und allen Ernstes sagen, dass Ronnie James Dio zuerst sterben musste, damit ich noch in den Genuss einer Show von The Rods komme, aber es kommt mir persönlich ein bisschen so vor, und das fühlt sich irgendwie voll scheisse an. David "Rock" Feinstein ist halt nun mal der Cousin von Ronnie, doch das wusste ich ja schon lange. Irgendwann mal vor langer Zeit kriegte ich ein paar der alten Rods-LPs in die Finger, darunter das Götterwerk «Let Them Eat Metal» von 1984. Die Live-Scheibe aus dem gleichen Jahr war an jeder Plattenbörse anzutreffen und das verkannte 86er Werk «Heavier Than Thou» (mit einmaligem 4er-Lineup) bedeutete gleichzeitig das Aus der Truppe. So hatte man bis 2006 nur die Tonträger zur Hand und eigentlich die Gewissheit, dass man diese Band wohl nie mehr auf einer Bühne spielen sehen wird. Fünf Jahre später kann man mit «Vengeance» ein brandneues Album von The Rods, notabene in der alten Besetzung mit David Feinstein (g/v), Garry Bordonaro (b/v) und Carl Canedy (d) in Händen halten, wo mit «The Code» gar ein Song drauf gepackt wurde, den vorher noch der gute Ronnie James Dio (R.I.P.) eingesungen hatte. Und nun im Rahmen der Dio Disciples-Tour waren The Rods als Support dabei und standen an diesem Abend in der Luzerner Schüür auf der Bühne, um ihr Album zu promoten und die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen! Und wie sie das taten, einfach nur vom Feinsten! Als Erstes fiel gleich mal auf, wie klein Herr Feinstein eigentlich ist und auch Bassist Garry gehört(e) nicht zur Gattung der langen Bohnenstangen. Das hielt die beiden Saitenkünstler freilich nicht davon ab, gleich von Anfang an ein metallisch gefärbtes Rock-Spektakel auf das Publikum einwirken zu lassen, das sich gewaschen hatte. Mit sichtlicher Freude ging das lärmige Trio ans Werk und präsentierte eine feine Auswahl an alten Krachern und einen neuen Song, der sich bestens unter den Oldies behaupten konnte. Den Auftakt machte «Hurricane» ab der 83er-Scheibe «In The Raw», gefolgt vom soeben erwähnten, ersten Neuwerk «I Just Wanna Rock», wozu es nichts mehr anzufügen gab. Es rockte und rumpelte in herrlichster Manier, das einem fast die Lauscher abfielen. David und Garry lieferten derweil geilste Posen in bester 80er-Manier ab. Es war einfach nur zum Niederknien und als sie dann tatsächlich «Let Them Eat Metal» spielten, glaubte ich mich kurz vor der Pforte des Metal-Olymps. Das war wohl sowas wie der Weg hin zu Erleuchtung als irdischer Metaller. Das Drum-Solo von Master Canedy war dann allerdings nur mittelprächtig, aber sonst rockte der sympathische Oldie-Dreier trotz einigen Timing-Remplern in unvergesslicher Manier bis hin zum letzten Ton durch! (rsl)

Setliste: «Hurricane» - «I Just Wanna Rock» - «Evil In Me, Devil's Child» - «Let Them Eat Metal» - «Born To Rock» - «Widl Dogs» - «Waiting For Tomorrow» - «Violation» - «Drum Solo» - «The Night Lives To Rock» - «Nothing Going On In The City» - «Crank It Up» - « Power Lover».

Anvil
Nach dem letztjährigen Auftritt beim «Bang Your Head»-Festival war ich doch ein bisschen enttäuscht von meinen Kanadiern. Die Trio-Besetzung hat sicherlich seinen Charme, aber bei den Soloparts fehlte mir immer wieder die begleitende Rhythmusgitarre. Dies war auch an diesem Abend in Luzern so, dass mir immer wieder die zweite Axt fehlte. Allerdings war dies der einzige Schwachpunkt eines ansonsten mit vielen Highlights übersäten Konzertes. «Hello Switzerland. How the fuck are you? How many people saw the movie?», fragte der immer grinsende Lips die Anwesenden und ging gleich mal auf Tuchfühlung mit den Fans und stellte den Quervergleich zu ihrem grossen Erfolg mit ihren Film dar. «I'm a fucking hippie and smoke a lot of pot» erklärte auch gleich das Dauergrinsen des singenden Gitarristen, der es sich einmal mehr nicht nehmen liess mit einem Vibrator seine Gitarre zu verwöhnen. Die junge Lady neben mir wusste dabei nicht so recht, ob ihre Augen nun vor lauter Freude oder Entsetzen strahlten. Mit seinen Grimassen hatte Lips das Publikum schnell auf seiner Seite und Songs wie der obligate Einstieg mit «March Of The Crabs» und «666» taten das Übrige, dass dieses Konzert von der ersten Sekunde an zu einem wahren Siegeszug des Trios wurde. Dabei war Trommeltier Robb Reiner mit seinen schnellen Füssen der antreibende Motor. Die Doublebassarbeit war einmal mehr von einem anderen Stern und seine sich wie Propeller drehenden Sticks boten viel fürs Auge. Die neuen Tracks «Juggernaut Of Justice», die Livegranate «On Fire» und das zum Mitsingen verdammte «New Orleans Voo Doo» gliederten sich nahtlos in die alten Kracher «Winged Assassins», «Mothra» und «Forged In Fire» ein. «Thumb Hang» widmete der quirlige Kanadier Ronnie James Dio und gab dazu gleich eine kleine Story zum besten. 1983 spielten Anvil als Support des Sangesgottes. Knapp 25 Jahre später traf Lipps Dio wieder in der Lobby eines italienischen Hotels, worauf Ronnie den Anvil-Musiker begrüsst und zum Morgenessen einlud. Das ist METAL! «Metal On Metal» beendete auch diesen sagenumwobenen Gig einer Band, die eindeutig zu gut für diese Welt ist. Leider haben dies bis heute definitiv zu wenig Leute erkannt. Anvil sind auf der Bühne ein verdammtes Uhrwerk, Robb die brutale Maschine, Glenn Five der Bodenleger und Lips der Entertainer vor dem Herrn, der nebenbei auch noch locker famose Leads und Riffs spielt. Anvil sind METAL. (tin)

Setliste: «March Of The Crabs» - «666» - «Juggernaut Of Justice» - «Winged Assassins» - «On Fire» - «This Is Thirteen» - «Mothra (with Dildo Guitar Solo Lips)» - «Thumb Hang» - «White Rhino (with Drum Solo Robb Reiner)» - «Fuken Eh!» - «Forged In Fire» - «New Orleans Voodoo» -- «Metal On Metal».

Dio Disciples
Nach dem wie zu erwarten tadellosen Auftritt der Kanadier kam nun die Stunde der Wahrheit. Was würden die Dio-Lehrlinge von der Magie ihres verstorbenen Meisters weitergeben können? Ehrvolle Verbeugung oder blutleere Geldmacherei, das würde sich nun entscheiden. Als dann Craig Goldy das satte Riff von «Stand up and Shout» anstimmte und Tim «Ripper» Owens zu singen begann waren zwei Dinge sofort klar: 1. dass hier Menschen auf der Bühne standen, die sich nicht einfach bereichern wollen, sondern hier mit voller Inbrunst Freund und Vorbild ehrten, und 2. dass der Ripper schlicht einer der besten Sänger dieses Planeten ist. Zuerst Halford, dann Matt Barlow und nun Dio der Mann kann einfach alles singen. Ohne Pause wurde in «Holy Diver» übergeleitet, gefolgt von einer eindringlichen Version von «Don't Talk to Strangers». Musikalisch gab es also überhaupt nichts zu bemängeln und auch der Sound stimmte. Optisch hingegen gab es noch Potential nach oben. Nicht, dass der Ripper jetzt die typischen Dio-Posen hätte machen müssen, doch passte das von ihm bekannte Schattenboxen auch nicht wirklich und vor allem Goldy zeigte sich zu Beginn etwas gar steif. Zu «Egypt (The Chains Are on)» kam dann der zweite Dio-Schüler, Toby Jepson auf die Bühne. Auch der vor allem für seine Tätigkeit als Little Angels-Fronter bekannte Engländer vollführte seinen Job am Mikro souverän, konnte dabei aber nicht wirklich mit Ripper mithalten, dafür fehlten ihm einfach die vielzitierten Eier. Aus rein musikalischer Sicht hätte Owens als einziger Sänger also besser gepasst, gleichzeitig ist es diese Doppelbesetzung, welche deutlich machte, dass es sich hier nicht einfach um ein Ersetzen Dio's, sondern um ein Referenzerweisen handelte, dass Ronnie James Dio letzten Endes einfach nicht zu ersetzen sind. Dementsprechend devot zeigten sich die beiden Shouter auf der Bühne und liessen auch zwischen den Songs keine Gelegenheit aus, dem «King of Rock'n'Roll» zu huldigen.

Das Publikum tat es ihnen gleich, feierten Hits wie das Medley «Catch the Rainbow» / «Stargazer» oder «Neon Knights» textsicher ab und schickten immer wieder Grüsse in Form der von Dio bekanntgemachten Teufelshörner in den Rockhimmel. Derweil Tastenmann Scott Warren leider Probleme mit seinem Monitor-Sound zu haben schien, bückte er sich doch immer wieder in dessen Richtung und machte keine sehr zufriedene Miene. Auch vor der Bühne hätte man sich etwas mehr Keyboard-Sound gewünscht, doch trotz diesem kleinen Makel kam «Straight Through the Heart» genauso gut wie das halbballadeske «Children of the Sea» vom Sabbath Kult-Album «Heaven and Hell».Die bisher genannten Songtitel lassen es vermuten: die Setlist glich einem Best-Of-Album des Meisters und dass dabei die eine oder andere vielleicht gewünschte Nummer auf der Strecke bleiben musste versteht sich von selbst. Zu viele gute Songs hat Dio während seiner Karriere einfach geschrieben. «Killing the Dragon», der Titeltrack von Dios zweitletztem Solo-Album von 2002, blieb dabei der einzige Track aus der letzten Dekade, gefolgt vom epischen «The Last in Line». Handelte es sich bei all diesen Nummern schon um, wie gesagt, Hits, setzte man im Endspurt noch einen obendrauf. «Long Live Rock'n'Roll», «Man on the Silver Mountain» und «Heaven and Hell» besiegelten das reguläre Set, bevor mit «Rainbow in the Dark» und einer gnadenlosen Version von «We Rock» ein überraschend starker Gedenkgottesdienst sein Ende nahm. Der Grat, auf dem ein Projekt wie Dio Disciples wandelt, ist schmal. Schnell kann eine als Verbeugung gedachte Sache in Leichenschändung umkippen. Gott bzw. Dio sei Dank war das an diesem Abend nicht der Fall und Dio Disciples haben allen Anwesenden noch einmal klar gemacht, wie unsterblich das Lebenswerk von Dio ist und gleichzeitig, dass man, wie etwa Ripper, noch so gut singen kann: der Meister wird von seinen Schülern niemals überflügelt werden können. In diesem Sinne bleibt wieder einmal nur ein Satz zu schreiben übrig: R.I.P. Ronnie James Dio! (kis)

Setliste: «Stand Up And Shout» - «Holy Diver» - «Don't Talk To Strangers» - «Egypt (The Chains Are On)» - «King Of Rock'n'Roll» - «Catch The Rainbow» / «Stargazer» - «Neon Knights» - «Straight Through The Heart» - «Children Of The Sea» - «Killing The Dragon» - «The Last In Line» - «Long Live Rock'n'Roll» - «Man On The Silver Mountain» - «Heaven And Hell.» -- «Rainbow in the Dark» - «We Rock».