Livereview: Dream Theater - Periphery
14. Februar 2012, Bülach - Stadthalle
By Roger W.  -   All Pics by Liane P.

Es war ein aussergewöhnlicher Valentinstag, dieser 14.02.2012 - Insbesondere für die stählerne Metallergilde. Denn anstatt romantische Nachtessen mit Rosen in ruhiger Atmosphäre, zogen es doch viele vor, die Frau zu Hause zu lassen. Verwöhnt wurde der Mann nun vom Traum Theater und nicht von der Geliebten. Und wer das Glück hatte, seine holde Maid mit ans Konzert nehmen zu können, der hatte doppelt gewonnen. Der Grossteil der Konzertgänger dürfte allerdings auf diesen künstlichen und kommerzialisierten Tag des Liebesbeweises gepfiffen haben. Und so gab es anstelle von Blumen vertrackte Rhythmen, falschem Gesülze ehrliche Emotionen und nicht nur fünf Sekunden Ektase, sondern über 2 Stunden (na ja, bei mir wären es drei Stunden..., hmm...) Musik vom Feinsten! Aber zurück zum Ernst des Abends, denn dieser fing mit den Emporkömmlingen Periphery eher zwiespältig an.


Periphery

Noch bevor die Jungspunde auf die Bühne durften, wurde unserer Fotografin Liane verboten, die Band zu fotografieren. Die Drohung, sie bei Widerhandlung sofort aus der Halle zu schmeissen, nahm sie sehr ernst und verabschiedete sich gleich ins hintere Drittel der Halle. Das „Wieso“ wurde dann erst ein zwei Tage später bekannt. In der Befehlskette war die Anweisung, dass „einer der neun Fotografen nur die Vorband, nicht aber die Hauptband ablichten dürfe“ ein wenig missverstanden worden. Na ja, Kacke passiert halt, und viel verpasst hatten die Linsen der Apparate sowieso nicht, denn Periphery wirkten eher gesichtslos, und ihre Musik beim ersten Höreindruck zu sperrig. Das war definitiv nicht meine Baustelle. Die Songs sind zwar sehr vertrackt und technisch einwandfrei, wurden aber emotionslos dargeboten. Auch Sänger Spencer Sotelo wechselte hübsch von clean auf harte, geschrieene Vocals und haute dabei besonders bei den sanften Klängen immer wieder daneben. Dafür trumpften Periphery mit infernalen drei Gitarristen auf. Das macht durchaus Sinn, wenn man auch drei Gitarren raus hören würde, was an diesem Abend definitiv nicht der Fall war. Vielmehr fragte man sich, wieso man anstelle des dritten Klampfers nicht einen Keyboarder rekrutiert hatte. Das entsprechende Geklimper war nämlich ständig zu hören, kam aber ab einem Laptop. Besonders für Progressive Bands sind solche Schummeleien schändlich, weil es die eigene Brillanz und Fertigkeit der Musiker in Frage stellt. Wer weiss, was da sonst noch vom Band kam? Periphery bemühten sich zwar redlich, das Publikum zu gewinnen, und mindestens in den vorderen Reihen klappte das auch gut. Für mich waren Periphery jedoch ein verzichtbares Erlebnis.

Dream Theater
Ein ganz anderes Bild hinterliessen danach Dream Theater. Wer die Prog-Metal Götter je auf CD oder live erlebt hat, der wusste nun, was auf ihn zukommen würde. Zwei Stunden schwelgen, fliegen und geniessen! Wie keine andere „komplizierte“ Band verstehen es die Amerikaner perfekt, zwischen die Taktwechsel, Breaks und Sololäufe griffige Melodien mit Ohrwurmcharakter einzuflechten. Nur Headbanger hatten es an diesem Abend schwer, denn wenn auf einen 4/4 Takt plötzlich ein 7/8 kommt, reagiert der Kopf langsamer als die Finger von Keyboarder Jordan Rudess, Bassist John Myung, Schlagzeuger Mike Mangini und Gitarrist John Petrucci. Anders als im Juli 2012 war die Setliste dieses Mal auf das neue Album «A Dramatic Turn Of Events» ausgelegt. Neun Lieder sind auf diesem Meisterwerk zu finden, wovon ganze 6 (!) gespielt wurden. Wie gut das Album ist, zeigte sich in der Tatsache, dass nach alten Krachern à la «6:00» von «Awake» oder «A Fortune Lies» vom allerersten Werk die Intensität und das Niveau jeweils gehalten werden konnte. Was aber auffiel, war, dass gerade die erwähnten Klassiker um einiges vertrackter als die neusten kreativen Ergüsse sind. Die Mischung machte schlussendlich den Unterschied, und diese kam beim eher statisch stehenden Publikum durchaus an.

Sänger James LaBrie war in bester Laune und fragte: "Welcome Switzerland, welcome Zurich. Okay, isn't it Bülag?" Der Kanadier hatte gut Lachen und verkündete, dass sie direkt von den Grammy-Verleihungen gekommen seien. Dort erreichten Dream Theater Platz 2 in der Kategorie "Best Hardrock & Metal Performances". Es sei schön, dass sie nun auch von der Musikindustrie als „relevant» wahr genommen würden, kommentierte LaBrie die Ereignisse mit einem sarkastischen Unterton und bedankte sich beim Publikum für die jahrelange Unterstützung. Als nette Geste spielten sie das schöne «Sourrounded», worauf «The Dark Eternal Night» wieder aufs Gaspedal drückte. Auf diese Dynamik zwischen den verschiedenen Songs und in den Liedern selbst wurde heute viel Wert gelegt. Und so überraschte es auch wenig, als James LaBrie einen ruhigen Teil ankündigte. Nur von Keyboardklängen getragen, sang er sich in die Herzen der Fans. «Wait For Sleep» und das neue «Far From Heaven» unterstrichen die Klasse des oft als schwächstes Mitglied gebrandmarkten Barden. Ebenso ergreifend wie diese beiden Lieder war auch seine Ansage zu «The Spirit Carries On». "Ich denke, dass dieses Lied eine sehr gute Aussage hat", meinte er und hatte damit vollkommen recht. Bei den Melodien und diesem Text glaubte man tatsächlich, dass die Seele den Körper überlebt.

Das 13-minütige «Breaking All Illusions» schloss anschliessend ein grossartiges Konzert ab, zumindest für mich. Das Ende des Songs ist dermassen episch, dass danach nichts mehr hätte folgen sollen. Dream Theater waren aber anderer Meinung und peitschten das Publikum mit dem harten und riffigen «As I Am» als Zugabe nochmals an. Danach war aber endgültig Schluss und das "Runterkommen" nicht mehr Sache der Band. Toll war es trotzdem. Zudem bewiesen die Amerikaner, dass sie zwei komplett unterschiedliche Sets spielen können (im Vergleich zum Juli gab es nur eine Überschneidung) ohne nur einen Deut zu schwächeln. In einer Zeit, wo viele Bands «Dank ihrer Fans» nur ihre Hits runter schrammeln, sind und bleiben Dream Theater die löbliche Ausnahme. Auf ein Wiedersehen!

«Intro» - «Bridges In The Sky» - «6:00» - «Build Me Up, Break Me Down» - «Surrounded» - «The Dark Eternal Night» - «Drum Solo» - «A Fortune In Lies» - «Outcry» - «Wait For Sleep» - «Far From Heaven» - «On The Backs Of Angels» - «War Inside My Head» - «The Test That Stumped Them» - «Through Her Eyes» - «The Spirit Carries» - «Breaking All Illusions» -- «As I Am».