Livereview: Gamma Ray - Serious Black - Neonfly

25. November 2015, Pratteln – Z7
By Tinu
Wer hat an der Uhr gedreht? Sind es wirklich schon 25 Jahre (oder mehr), seit uns Kai Hansen mit Gamma Ray (und 30 Jahre mit seinen Schreien zu «Victim Of Fate») das Leben versüsst hat? Der Godfather des melodischen Speed Metals mit viel Party-Charakter feiert Jubiläum. Eines, das sich sehen und hören lassen darf. Der sympathische Hanseate hat mit Helloween und Gamma Ray die Szene nachhaltig beeinflusst. Sei es in Europa oder speziell heute in Südamerika und Japan, Kai wird verehrt und vergöttert. Greift der singende Gitarrist noch bei Iron Savior (früher) und Unisonic (heute) in die Saiten, weiss der geneigte Hörer, dass es sich um Qualität handelt. Zur Feier ging das Quartett neu als Quintett auf Konzertreise, dazu später mehr, und spielte von jedem Studioalbum mindestens einen Song. Mit Ausnahme von «Land Of The Free 2». Somit garantierten uns Gamma Ray, dass ein ausgeklügelter Querschnitt präsentiert wurde. Unterstützt wurden die Jungs von den Hoffnungsträgern von Serious Black und den Engländern Neonfly.

Neonfly
Der Fünfer aus London startete den Abend. Was sich zuerst wie eine Frauenstimme anhörte, entpuppte sich als Willy Norton. Der Sänger von Neonfly war bemüht, die Fans auf seine Seite zu bringen und geschmückt mit Federn an seinem rechten Arm schien er auch bereit zu sein, für die Anwesenden zu fliegen. Die technischen Finessen hörte man sofort heraus, aber was den Songs fehlte, war der Catchy-Hit. Ein Song, der sofort in den Ohren kleben bleibt und den Zuhörer zur Verzweiflung bringt, weil man da einfach mitsingen muss. Auch wenn die Doublebass Drum hämmerte, die Lieder klangen zu ungestüm, als wollte die Truppe zu viel in einen Track verpacken. Ein Problem, das die meisten der jungen Bands haben. Es klang alles ganz nett und die Combo schien den kaum vorhandenen Platz bestens zu nutzen, aber der Applaus der Anwesenden verstummte sehr schnell. Auch das wirklich famose Gitarrensolo konnte keinen positiven Effekt erzielen. Schade, aber hörte man ein paar Minuten später Gamma Ray, wurde sofort klar, wo der Unterschied liegt. Kai versteht es mit einem Riff, einer Melodie und einem Refrain alle zu begeistern. Davon sind Neonfly, trotz aller technischen Fähigkeiten, noch ein gutes Stück davon entfernt.


Serious Black
Die Band um den ehemaligen Tad Morose-Sänger Urban Breed konnte nun die Lorbeeren einsammeln, welche sie sich als Support von HammerFall verdienten. Serious Black wurden von den Besuchern des Z7 sehr herzlich begrüsst und dies wurde entsprechend ausgenutzt. Man sah Urban an, dass er ein erfahrener Shouter ist, der mit seiner Stimme umzugehen weiss. Er ist ständig in Bewegung und singt dabei sehr gut. Von der ersten Sekunde bekam der Abend bei Serious Black einen bedeutend professionelleren Anstrich. Auch aus dem Grund, weil die Songs mehr auf den Punkt gespielt wurden. Logisch tendieren die Jungs immer wieder in eine verspieltere, leicht progressivere Richtung. Dies aber nie zu Lasten des Songs. Dabei trumpften die beiden Gitarristen gross auf und das Solo von «Trail Of Murder» wurde von den Fans mitgesungen. Der Applaus war der Truppe sicher und so ging es mit dem gefühlvollen Part von «Older And Wiser» weiter. Serious Black wissen, wie man mit Melodie, Härte, Geschwindigkeit und Emotionen umzugehen hat und dank der perfekten Stimme von Urban konnte sich Bassist Mario Lochert genüsslich dem Applaus der Fans hingeben. Hier wird auch klar, dass die solistischen Darbietungen die Songs begleiten und nicht zerlegen. Gekonnt wurden die Melodien der Tracks von der Gitarrenfront aufgenommen und als Einleitung in die Solos gestreut. Die Fans wärmten sich auf und Mister Breed hatte das Publikum gut im Griff. Warum allerdings «I Was Made For Lovin' You» (Kiss) und «Rock You Like A Hurricane» (Scorpions) als kleine Zwischenparts eingebaut wurden, weiss nur die Band. Die Jungs hatten trotzdem ihren Spass auf der Bühne und die Gitarrenfront drückte sich spasseshalber gegenseitig auf die Saiten. Am Schluss der knapp 45 Minuten liessen sich die Jungs zu Recht feiern. Ob Serious Black nun die Musikwelt revolutionieren oder sie eine Truppe sind, welche es in anderer Form zuhauf gibt, muss jeder für sich selber entscheiden. Den Anwesenden gefiel es auf jeden Fall und dies ist eine klare Antwort.


Gamma Ray
Nach dem Joan Jett Song «Bad Reputation» stand sie nun auf der Bühne..., die Band, auf die alle warteten und die ihr Bühnenjubiläum feierte. Mastermind Kai Hansen, Gitarrist Henjo Richter, Bassist Dirk Schlächter und Schlagzeuger Michael Ehré bauten die Emotionen mit dem Intro «Welcome» richtig schön auf, um dann mit «Heaven Can Wait» einen Siegeszug loszutreten, der es in sich hatte. Mit einer fetten Lichtshow und «Last Before The Storm» sowie einer ungebremsten Spielfreude trumpften die Jungs von der ersten Sekunde gross auf und bahnten sich den Weg durch ihren Siegeszug. «Wir haben eine Neuerung, aber die meisten werden dies eh schon gehört haben. Wir haben einen neuen Sänger! Nein, ich bin nicht weg», verkündete Mister Hansen, der in den letzten Jahren mit seiner einzigartigen Stimme den Liedern von Gamma Ray klar den Stempel aufdrückte. Frank Beck wird den Vierer zukünftig unterstützen und konnte mit seiner Stimme punkten. Auch wenn man die Lieder mit der Voice von Herrn Hansen kennt und liebt. Mister Beck vollbrachte einen tollen Job und wechselte sich immer wieder mit Kai bei den Leadvocals ab. Sicherlich muss man sich daran gewöhnen, dass die Tracks fortan stimmlich anders klingen, aber die Hinzunahme von Frank hat viel Positives. Kai wird somit wieder mehr zum Performer und kann dabei seine Stimme, die in den letzten Jahren immer wieder angeschlagen klang, schonen. «One With The World», das in der Urversion von Ralf Scheppers (Primal Fear) eingesungen wurde, performte Frank sehr gut. Auch wenn es logischerweise anders klang, aber der Titel faszinierte. Die Besucher honorierten dies mit viel Applaus und Kai bedankte sich mit «…das klingt nach Party! Wir haben einen passenden Song dazu, dann könnt ihr noch mehr Party machen…» beim Publikum. Der Helloween-Kracher «I Want Out» liess den Stimmungspegel in grosse Höhen aufsteigen. Die spitzen Schreie, in der Urversion von Michael Kiske, schienen für Frank («Vor ein paar Jahren stand ich bei Gamma Ray noch in der ersten Reihe und nun mit den Jungs zusammen auf der Bühne!») kein Problem zu sein. Kai und seine Mannschaft spielten bei dieser Hymne noch einen coolen Reggae-Part, bei dem sich Kai und Henjo mit einen feinen Doppelsolo duellierten. Trotz der guten gesanglichen Performance (an der Bühnentauglichkeit muss Frank allerdings noch arbeiten), steht nach wie vor Kai im Mittelpunkt. Und dies wird sich auch nie ändern. Er hat die meisten Songs geschrieben und diese mit seiner Stimme und seinem Gitarrenstil nachhaltig geprägt. «Pratteln, ihr seid so geil, so machen 25 Jahre Spass! Jetzt kommt ein weiterer Hit von Gamma Ray, der wie alle anderen auch nie in den Charts war», und endlich spielten die Jungs wieder «Valley Of The Kings». «Pratteln, ihr mögt uns? Wir waren nie trendy, aber es scheint, dass ihr uns trotzdem liebt?» Klar! Was auch sonst? Wenn eine Truppe mit dermassen vielen Hits knapp zwei Stunden spielt, sich dabei die Freiheiten lässt, den Rock'n'Roll zu zelebrieren und dabei immer wieder kleine Jams einbaut, den muss man einfach lieben, auch weil Henjo noch immer wie ein kleiner Junge grinst.

«Pratteln, habt ihr Spass? Ich habe auch Spass, seit vier Wochen jeden Abend mit den «real masters of confusion»», leitete Frank den wohl autobiografischsten Song der Deutschen ein. «Master Of Confusion» war dann einer von vielen Highlights an diesem Abend, zündete aber noch eine Spur schneller mit seinem mitreissenden Refrain. Vorher konnte Dirk ein fetziges Bass-Solo spielen und Michael Ehré zeigen, dass er zu Recht einer der besten seines Faches ist. Wo anderen mit unheimlich viel Technik reinhauen, nimmt Michael die Fans auf eine Reise mit, die zum Mitklatschen animiert. Er spielte sehr tight und dynamisch, verlor aber nie einen filigranen Touch. «Die lauteste Ballade mit dem leisesten Titel» («The Silence») wurde von Gamma Ray sehr mitreissend gespielt, wie auch das schnelle «Dethrone Tyranny», welches aus der Mottenkiste entstaubt wurde. Frank schien bei diesem Track völlig aus sich raus zu gehen, da seine Schreie eine kleine Offenbarung waren. Und dann war es an der Zeit, die Medleys einzuläuten. Zuerst wurde fast das komplette «Rebellion In Dreamland» gespielt. Eine Nummer, die man genüsslich konsumierte und betreffend der fantastischen Vermischung aus Härte und Melodie mit der Zunge schnalzte. Die Breaks hatten es in sich und wer hier nicht ehrfürchtig in die Knie geht, hat noch nie verstanden, was einen guten und abwechslungsreichen Song ausmacht. Nahtlos folgte kurz die Manowar-Huldigung «Heavy Metal Universe» (mit einem breiten Grinsen versehen), auf welches schnell und hammerhart die Helloween-Nummer «Ride The Sky» folgte. Abschliessend wurde «Somewhere Out In Space» drangehängt, das mit einer ausgedehnter Jam-Session beschlossen wurde. Schon hier war klar, dass dieser Abend, auch wenn die Band als Solches vielleicht schon besser Gigs spielte, zu den besten Konzerten in diesem Jahrzehnt gehörte.

Was noch folgte, waren die Zugaben «Heading For Tomorrow» und «Avalon» als Medley und der Rausschmeisser «Send Me A Sign». Bei «Heading» wurde schnell klar, dass «Avalon» mittlerweile den Kultcharakter des Titelsongs des ersten Gamma Ray-Albums ein- und überholte. «Dankeschön Pratteln», liess uns Kai wissen und stellte kurz vor Schluss den Konzerts mit seinem Humor («…heavy weight champion in raise the glas…» / «..don't forget the new sister… sorry the new brother in the Gamma Ray camp…») die Band vor. Mit dem Bewusstsein, einen extrem tollen Konzertabend in der Schweiz verbracht zu haben. Gamma Ray in dieser Form sind kaum zu schlagen. Spielintelligenz, grosse Hymnen (es war eine gebührende Geburtstags-Setlist), tolle Musiker und viel Humor verbreiteten ein ansteckendes Party-Feeling. Gamma Ray kamen, sahen und siegten auf der ganzen Linie und man darf sich schon jetzt auf eine Fortsetzung freuen.

Setliste: «Bad Reputation (Joan Jett – Intro)» - «Welcome (Intro)» - «Heaven Can Wait» - «Last Before The Storm» - «Fight» - «One With The World» - «I Want Out (Helloween – With Reggae-Jam)» - «Valley Of The Kings» - «The Silence» - «Drum-Solo Michael Ehré» - «Bass-Solo Dirk Schlächter» - «Induction (Intro)» - «Dethrone Tyranny» - «Empathy» - «Master Of Confusion» - «Rebellion In Dreamland / Heavy Metal Universe / Ride The Sky (Helloween) / Somewhere Out In Space (With Extended Jam)» -- «Heading For Tomorrow / Avalon» - «Send Me A Sign».