Es war ein Konzert, das bereits einen Tag vor dem eigentlichen
Auftritt begann, denn mit einem Newsletter informierte das Z7, dass
als Vorband von Jon Oliva niemand Geringerer als Circle II Circle
als zusätzliche Vorband verpflichtet werden konnte. Für
Savatage-Kenner ging damit ein kleiner Traum in Erfüllung, handelt
es sich bei Circle II Circle doch um die Soloband von
Ex-Savatage Sänger Zak Stevens. Zusammen mit dem langjährigen
Savatage-Sänger, Gründer und Songschreiber Jon Oliva versprach der
Anlass also das zu werden, was sich die Besucher sehnlichst
wünschten: Ein Abend voller Savatage-Klassiker, gesungen von den
beiden Original-Stimmen. Da Jon Oliva zudem mit Neverland und Need
zwei vielversprechende Newcomer mit an Bord hatte, stand einem
niveauvollen Headbeanger-Abend nichts mehr im Wege.
Neverland
"Unsere Band ist der Beweis, dass Türken und Griechen friedlich
zusammen leben können!" Mit dieser Aussage machte sich Iris Mavraki
in der Mitte des Konzertes viele Freunde. Neverland funktionieren
aber auch musikalisch ausgezeichnet. Ihr progressiver Power Metal
hat definitiv Eier und die Gitarren-Soli wirkten wohl platziert,
melodisch und vor allem songdienlich. Ebenso mit Bedacht eingesetzt
wurden die Frauen- und die Männerstimme. Optisch wirkte das Ganze
zwar noch ein wenig verhalten, das Potenzial war aber klar
erkennbar. Nur komisch, dass die Band trotz coolen, eigenen Liedern
zum Schluss ohne Sängerin den Metallica-Klassiker «Master Of Puppets»
motiviert in die Reihen prügelte. Dieser krasse Stilwechsel wäre
nicht nötig gewesen. Bleibt zu hoffen, dass uns Neverland bald mit
mehr Selbstbewusstsein wieder beehren und die Fehler bis dann
ausgemerzt sind.
Need
Man könnte dieses «Master Of Puppets» aber auch als stilistischen
Brückenschlag zu den nachfolgenden Need betrachten, denn die
Griechen präsentierten einen Heavy Metal, der am ehesten an Fear
Factory erinnerte. Sehr heftig ballernd, stoisch und fast elektroid
sorgten Need für die (un)nötige Abwechslung im Abendprogramm. Sehr
engagiert und ausge-zeichnet eingespielt, waren Need eine
Herausforderung für das Publikum. Wer ob dem Geprügel nicht nach
draussen ging, erlebte beim genauen Hinhören eine groovige Band, mit
abwechslungsreichen stilistischen Ausflügen, melodischen Soli und
einer Stimme, die mühelos von clean auf Geschrei wechseln konnte.
Auch hier bewegte sich nur Sänger Jon V., der noch am ehesten etwas
Charisma versprühte. Der Rest der Band blieb bis auf die
Fettleibigkeit des Gitarristen belang- und gesichtslos. Bei der Ballade
«In Between» erzeugte Jon V. erstmals Gänsehaut an diesem Abend.
Weitere Sympathie-Punkte holte er sich mit seinem T-Shirt, das den
verstorbenen Bruder von Jon Oliva, Savatage-Gitarrist und Mitgründer
Criss Oliva zeigte. Daher erstaunte es auch nicht, dass Need zum
Schluss eine eigenwillige Version von Savatage's «Jesus Saves»
intonierten. Damit schienen allerdings viele Zuhörer überfordert.
Zudem verspielte sich die Band mit dem in diesem Song fehlenden
Groove ebenfalls Vieles. Insgesamt also ein zweischneidiger
Auftritt.
Circle II Circle
Ein kleiner Dämpfer gab es gleich zu Beginn des Auftritts von Circle
II Circle: Zak Stevens kündigte an, dass er sich heute auf neues
Material konzentrieren wolle. Die Fans trauten ihren Ohren kaum, und
hofften in den nächsten Minuten, dass der Sänger, der zwischen 1992
und 2000 immerhin vier Savatage-Alben mit seiner Stimme veredelte,
doch noch seinem alten Brötchengeber huldigen würde. Zuerst galt es
nun
aber, sich mit dem neuen Circle II Circle-Album auseinander zu
setzen. Der Titelsong «Consequence Of Power» ging gut ins Ohr,
während der Rest des Materials, wie in den Wochen nach dem Konzert
festgestellt, beim ersten Hören Schwierigkeiten verur-sachten. Die
Stimmung im Publikum war deshalb nicht gerade euphorisch, obwohl der
Amerikaner immer wieder mit unglaublich präzisen, kraftvollen und
hohen Schreien bewies, dass er zweifellos zu den Besten seines
Faches gehört. Einen Trost auf eine andere unglaubliche, aber leider
kürzlich tragisch verstummte Stimme, sprach Bassist Paul Steward
aus. Die Ballade «Blood Of An Angel» widmete er Steve Lee. Paul's
Ehrerbietung wirkte wie eine Herzensan-gelegenheit und die Schweiz
fühlte sich für ihren berühmten Ex-Mitbürger geehrt. Die nächste
Ansage gehörte wieder Zak Stevens, der aber durch den Schlagzeuger
gestoppt wurde. Dieser zählt den Abschluss des Konzerts an, der
endlich die Stimme mit den richtigen Liedern verband. «Taunting
Cobras» groovt live immer noch 100 mal mehr als auf CD und «Edge Of
Thorns» ist nicht nur das erste Lied auf der ersten von Zak
eingesungen Savatage-Platten, sondern auch ein Klassiker par
excellence. Das Publikum ging endlich steil ab und spekulierte in der
anschliessenden Pause, ob Zak wohl bei Jon Oliva ebenfalls auf der
Bühne erscheinen würde.
Jon Oliva’s Pain
Mit einem kleinen Informationsvorsprung gegenüber dem restlichen
Publikum konnte ich bereits vor dem Konzert ahnen, dass der
Auftritt von Jon Oliva zwar wie immer unglaublich, aber nicht ohne
Schwierigkeiten werden würde. Der Sänger hatte sich nämlich eine
fiese Erkältung eingefangen, die seine Stimme arg in Mitleidenschaft
zog. «Festival» vom gleichnamigen eher schwachen neuen Jon Oliva’s
Pain-Album eröffnete den
letzten Reigen. Das anschliessende «Hounds» von «Gutter Ballet» liess
den durchschnittlichen Beginn gleich vergessen. Bei «Hounds» klang
Jon Oliva heute fies, bedrohlich und diabolisch, die Riffs und
laut-leise-Wechsel elektrisierend. Die Schreie gingen durch Mark und
Bein. «Hounds» wurde zur musikalischen Achter-bahn und das während
ich mich eigentlich aufs Fotografieren konzentrieren musste.
Ent-spannen konnte ich mich bei den nächsten beiden Liedern von
«Festival», welche ohne die tolle Band und die Ausstrahlung von Jon
Oliva in der Bedeutungslosigkeit verloren gegangen wären. Konnte er
seine Stimmte bisher einigermassen in Form halten, gab sie ab
«Agony And Ecstasy» vom «Streets» Sava-Album laufend nach. Da der
Meister aber generell heiser klingt, störte dies noch wenig, so dass
auch «Sirens» zum Genuss wurde.
Auffallend im Vergleich zu früheren Auftritten war, dass Jon Oliva
relativ oft seinen Flügel verliess und mit dem Publikum und seinen
Musikern Spässe machte, während er gleichzeitig sang. Die
Bandatmosphäre schien ausgezeichnet. Auch dann, wenn Jon Oliva
seinen neuen Bassisten mit den Worten «Jason has more fun than his
wife knows» oder den richtig fetten Gitarristen Matt als den «sexiest
guy in the world» vorstellte. «Ghost In The Ruins» wurde danach zu
einer Gitarren-Gefrickel-Version
ausgebaut, bei der beide Gitarristen ihr Können bewiesen, dabei aber
das Mass verloren und gegen Schluss nur noch langweilten. Für die
unsterbliche Halbballade «Believe» holt Jon Oliva Need Sänger Jon V.
auf die Bühne. Dabei gestand er, dass er dessen eigenwillige Version
von «Jesus Saves» mochte, was den Need-Sänger vor Ehrerbietung fast
im Boden versinken liess. Jon V. sang danach die erste Strophe von «Believe»,
bevor die beiden das Lied als Duet weiter führten. Dabei kackte
Oliva's Stimme dann leider völlig ab. «Believe» vom Mountain King in nur einer
Tonlage geröchelt, löste bei mir zum ersten Mal überhaupt(!) keine
Gänsehaut mehr aus. Jon Oliva handelte anschliessend richtig, und sang
auch «Gutter Ballet» zusammen mit dem Need-Shouter. Und wo blieb
Zak Stevens? Der kam schliesslich beim finalen «Hall Of The Mountain King»
doch noch auf die Bühne und übernahm den Gesang nun ganz. Nicht wenige Träume
wurden damit wahr und durch die Umarmung der beiden Savatage(r) in pure Freude
umgewandelt. Fazit: Es war der im Vorfeld erwartete, unvergessliche
Konzertabend, auch wenn sich mit dem Schlusssong noch eine weitere
Tatsache offenbarte: Jon Oliva hatte heute die Songs, Zak Stevens
die Stimme dazu.
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