Livereview: Jon Oliva's Pain - Max Pie - Kingcrow

09. Juli 2012, Pratteln - Z7
By Roger W.
Jon Oliva-Konzerte sind immer etwas Besonderes, denn wer die Inbrunst und Spielfreude des singenden Keyboarders und seiner Begleitband je einmal erlebt hat, wird das musikalische Schwergewicht immer wieder sehen wollen. Umso erstaunlicher deshalb, dass mit geschätzten 300 Leuten nur Wenige ins Z7 gepilgert waren. Hoffen wir, dass es am Montag und am Ferienbeginn lag, und nicht etwa am «Hall Of The Mountain King»-Album, welches Jon Oliva in seiner ganzen Länge spielen wollte. Der Savatage-Klassiker feiert dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Aber auch auf andere Hits musste das Publikum nicht verzichten. Abgerundet wurde der Abend durch die spannenden Kingcrow und die eher langweiligen Max Pie. Aber wer will schon Vorbands, wenn der Mountain King persönlich zu einer Audienz einlädt?

Kingcrow

Die Italiener Kingcrow durften als Erste versuchen, das Jon Oliva-Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Das gelang mit einer erfrischenden Duftmarke. Denn Kingcrow präsentierten sich als progressive Metalband, die das Wort progressiv noch wörtlich nimmt. Die gespielten Lieder bauten sich meist langsam von ruhig und zerbrechlich in wahre Heavy Metal-Monster auf. Dazwischen gab es immer wieder schnelle, unerwartete Wechsel mit folkigem Anstrich. Sänger Diego Marchesi überzeugte nicht nur mit einer unermüdlichen Bühnenpräsenz, sondern ebenfalls mit seiner starken Stimme. Zudem entlockte er den Zuhörern immer wieder ein Klatschen, Hey-Rufe oder gereckte Fäuste. Ihr "dreamtheaterischer" Einfluss kam nur kurz zum Vorschein, als sie beim Instrumental für einige Takte einen Auszug aus dem Göttersong «Voices» zitierten. Die Spielfreude war trotz fast leerer Halle spür- und sichtbar. Gelingt es Kingcrow zukünftig in ihrem eigenem Stil noch mehr Abwechslung rein zu bringen (respektive weg vom sinnbildlichen Frieden zum Krieg zu ziehen), werden sich den Italienern viele Türen öffnen. Die Qualität stimmt bereits, was auch die Jon Oliva-Fans freudig zur Kenntnis nahmen.


Max Pie
Herrschte bei den Italienern noch eitler Sonnenschein, schlich sich bei den Belgiern Max Pie schon nach kurzer Zeit Langeweile ein. Ihr zwar engagiert gespielter, leicht teutonischer Heavy Metal klang zu unspektakulär, zu wenig inspiriert, ja gerade zu anödend, als dass man länger der Band zuschauen und zuhören wollte. Sänger Tony, der weisshaarige Bassist Oli und der Gitarrist Damien wirkten für sich motiviert, trugen ihre Musik aber jeweils als drei einzelne One-Man-Shows vor. Ein Miteinander war kaum zu spüren, weder innerhalb der Band noch in Verbindung zum Publikum. Bei dieser Kombination aus schlechten Songs und übler Bühnen-präsenz blieb für mich nur noch die Flucht nach draussen, wo der Sound zwar leiser, aber dennoch nicht spannender wirkte. Nach ein paar Gesprächen und zig konsternierten Blicken in Richtung Bühne beendeten dann auch Max Pie ihr Set. Der mässige Applaus veranschaulichte die "Qualität" der Band, die zwar spiel-technisch nicht schlecht war, song-writerisch und von der Performance her aber nichts reissen konnte.



Jon Oliva's Pain
Was nun folgte, verdient den Titel eines historischen Highlights. Dies besonders, wenn man wie ich, Jon Oliva eine halbe Woche später nochmals mit derselben Playlist am Bang Your Head!!! erleben durfte. Gab sich der Mountain King in Deutschland wortkarg, ging das Konzert im Z7 schon eher als «A Story Tellers Night» durch. Denn Meister Oliva erzählte immer wieder kleine Geschichten zu den einzelnen Liedern und bedankte sich mehrmals beim Publikum, welches zwar nicht in grosser Zahl, dafür unter der Woche gekommen war. "Es bedeutet mir eine Menge", beteuerte Oliva mit einer Inbrunst, dass jedes Wort einfach ehrlich gemeint sein hat müssen. Die spärlich besetzte Halle bewirkte eine Intimität und Vertrautheit, ja gar Verschworenheit, welche in Balingen niemals möglich gewesen ist. Jon Oliva wusste genau, wonach das Publikum dürstete und startete das Konzert gleich mit dem fulminanten Dreier «Gutter Ballet», «Edge Of Thorns» und «Sirens». Mit «Power Of The Night» vom gleichnamigen 85er Frühwerk liess das Hitfeuerwerk ein wenig nach. Es fand seinen Tiefpunkt, bei «Festival» von der letzten Jon Oliva‘s Pain-Platte, welche ich nach wie vor als sehr schwach betrachte. Auch an diesem Abend wurde ich mit diesem Lied nicht warm. Umso toller, dass mit «Tonight He Grins Again» ein weiterer starker Song folgte. "Ich spiele heute im ersten Teil meine Lieblingslieder", verkündete Jon Oliva und liess gleich darauf das für ihn ungewöhnliche, aber grossartige «Walk Upon The Water» folgen.

Jon Oliva sang an diesem Abend seine Werke nicht nur. Er interpretierte sie und änderte da mal spontan eine Phrase oder hinkte bewusst dem Original hinterher. Er liess die Songs atmen und gab ihnen eine unheimliche Präsenz, welche nur durch ehrliche Leidenschaft zu erreichen war. Die Atmosphäre zwischen Oliva und dem Publikum knisterte förmlich. Gerade auch dann, wenn der Mountain King den Psychopathen spielte und mit seinen unglaublichen Schreien die Halle erzittern liess. Weit entfernt von irgendwelchen hohlen Phrasen stellte er begeistert seine Band vor. Den plötzlich verstorbenen Lead-Gitarristen Matt LaPorte ersetzte Tom McDyne, welcher durch neuen Gitarristen Joe Diaz unterstützt wurde. "Der nächste Song gehörte sowohl zu den Favoriten meines Bruders Criss (Gitarrist, gestorben bei einem fremdverschuldeten Autounfall 1993) wie auch unseres plötzlich verstorbenen Leadgitarristen Matt", bezeugte Jon Oliva und spielte «Ghost In The Ruins» an. Um die beiden Klampfer würdig zu ehren, folgte im Lied ein Jam mit zwei mal zwei langen Gitarren-Soli. Soviel Spass die vier (zwei lebenden und zwei verstorbenen) dabei hatten, so wenig aussagend und langweilig waren sie allerdings für das Publikum. Aber man durfte sich ja dabei auf das kommende Highlight freuen.


«Hall Of The Mountain King» ist das Album, welches für Savatage eine grosse Bedeutung hat. Unter Druck gesetzt durch ihre Plattenfirma hiess es damals «alles oder nichts». Dabei wurde Savatage der Produzent Paul O'Neil zur Seite gestellt, mit dem die Amerikaner nach und nach ihre ganz eigene Mischung aus Musical und Heavy Metal entwickelten. Die erste rohe Version dieses Stils prägte dann auch gleich das gemeinsame Album und brachte der Band die gewünschte Aufmerksamkeit. Savatage durften also weiter existieren. Wieso das so war, bewies gleich «24 hrs Ago», bei dem vor allem Gitarrist Joe Diaz grosse Freude zeigte. Diese liess auch bei den restlichen Songs nicht nach, welche in loser Reihenfolge gespielt wurden. Von den eher unbekannten Perlen fielen dabei das schnelle «White Witch» und das knackige «Legions» auf. Ist der Titelsong «Hall Of The Mountain King» in der Mitte des Albums platziert, bildete das Lied im Z7 den offiziellen, grandiosen Schluss des Abends. Jon Oliva's Pain bestätigten sich dabei nochmals als würdige Verwalter des Savatage-Erbes. Ganz vorbei war das Konzert aber noch nicht. «Believe» sorgte wieder für die obligatorischen Gänsehaut-Momente. Mit dieser Powerballade schlossen die Amerikaner einen denk-würdigen Konzertabend, welcher definitiv noch lange nachhallen wird, und dies nicht nur aufgrund der übermässigen Lautstärke.