Livereview: Lizzy Borden - Bionic Angel
19. August 2010, Uster – Rock City
By Tinu
Zum ersten Mal betrat der Schock-Rocker mit seinen vielen Masken Schweizer Boden. Somit mussten die heimischen Fans 27 Jahre warten, bis sich der Amerikaner hier zeigte. Nun sollte es also Tatsache werden. Doch als ich um 18:10 Uhr im Rock City eintraf, war von der Combo weit und breit nichts zu sehen. Eine Stunde später folgte die Entwarnung, dass Lizzy und seine Gefolgschaft in 20 Minuten eintreffen sollten. 19:35 Uhr, die Lizzys sind da, und Koffer um Koffer wird in den Backstageraum getragen. Sind die am Umziehen? Auch wenn die Vorfreude auf dieses Konzert unermesslich gross war, so trübte die Location diese. Nicht, dass ich etwas gegen das Rock City hätte, aber da die Platzverhältnisse für die Show der Amis zu gering waren, mussten diverse Requisiten im Koffer bleiben. Wer die Truppe in den letzten Jahren auf einem der renommierten Festivals gesehen hat, weiss wovon ich spreche. Doch Lizzy und seine Mannschaft, seine langjährigen Begleiter Bassist Marten Andersson und Schlagzeuger Joey Scott Harges sowie die beiden Gitarristen Dario Lorina und der Warrior-Gitarrenderwisch AC Alexander machten das Beste aus der Situation und boten soviel Action, wie die Bühne eben zuliess.

Bionic Angel
Vor Lizzy Borden ging leider gar nichts. Was zum Geier hat eine solche Truppe wie Bionic Angel im Vorprogramm einer Metal-Legende zu suchen? Da versuchte die Band aus Deutschland eine Mischung aus Rammstein und Gothic auf die Bühne zu zaubern, was ALLE Anwesenden davon abhielt, überhaupt in die Nähe der Bühne zu gehen. Da konnten die lasziven Tanzeinlagen der Tänzerin die Fans auch nicht dazu bewegen. Wer den Schlagzeuger aus der Konserve holt, ob er nun krank ist oder nicht, traf auch nicht gerade auf das Verständnis der Angereisten. Zwei ganz junge Groupies schienen aber Gefallen an dem zu haben, was uns die Herren der Schöpfung verkaufen wollten, denn kurz nach dem Gig liessen die Mädels ihre Augen nicht mehr vom Bassisten und Sänger. Ob sie dann die Hände von den Jungs liessen, entzieht sich der Kenntnis des Schreibers dieser Zeilen... - Versucht man nun ganz fair zu sein und kritisiert die in rote Krawatten verpackten Musiker nicht anhand der optischen Verfehlungen, konnte man mit viel Goodwill gute Melodien ausmachen, die aber, von der Teils zornigen und bösartigen Stimme The Juggernaut in Grund und Boden gegrunzt wurden. Sang er dann mal mit cleaner Stimme, war das ja ganz okay. Bucht man diese Truppe in einem dunklen Gothic/SM-Schuppen mag dies ja sehr passend sein. Als Vorhupe für Lizzy Borden aber klar ein Schlag ins Gesicht eines jeden Metal-Fans.

Lizzy Borden
Dann war es endlich soweit! «Tomorrow Never Comes» eröffnete den Reigen. Lizzy Borden stiegen agil ein, auch wenn für ihre Bühnenperformance kaum Platz war. Der Meister selber bestieg die Stage in einen schwarzen Umhang gehüllt, mit einer Ganzgesichtkapuze und sang sich gleich in die Herzen der Fans. Das Eis brach mit dem zweiten Lied «Red Rum», bei dem sich speziell die Riff-Giganten beweisen konnten und zeigten, dass die Tracks vom Debütalbum «Love You To Pieces» stark von der Saitenarbeit Iron Maidens beeinflusst waren. Fast bei jedem Song wechselte Mister Borden seine Maskerade. So spielte er bei «Voyeur» mit einem Schädel, dem er schon mal seine Zunge in die Mundöffnung schob oder biss der äusserst attraktiven Tänzerin bei «There Will Be Blood Tonight» die Kehle auf. Das (Kunst-) Blut floss in Unmengen den makellosen Körper der blonden Schönheit runter. Wer noch nicht genug hatte, durfte darauf die blutige Hand des Meisters ablecken oder sich von dieser streicheln lassen. Wie in Ekstase liessen sich die Willigen diese Gelegenheit nicht entgehen. Nicht zu Unrecht leitete Lizzy schliesslich diesen Abend mit den Worten «Hello suckers! Welcome to the kingdom of dead» ein. Während der gesamten Show wurde dem Sänger immer wieder eine kleine Pause gegönnt. Die erste, als Marten einmal mehr bewies, welch ein begnadeter Viersaitenzupfer er ist. Dabei kam auch die Pippi-Langstrumpf-Melodie zu Ehren. Ganz grosses Kino boten dann die beiden Gitarristen, die sich ein Duell nach dem anderen lieferten. Dass AC wohl einer der unterbewertesten Gitarristen ist, kam schon bei der letzten Warrior-Show in Balingen ans Tageslicht. Dario stand ihm aber in Nichts nach und schoss seine Solodarbietung locker aus den Hüften. Nach dieser königlichen Vorführung liess es die Truppe mit zwei ihrer grössten Hits krachen und servierte zuerst «Me Against The World» («Leave me alone, I'm on the defense, I'm not made of stone, why doesn't it ever make sense») und danach «American Metal». Spätestens nach diesen beiden Nummern schien es im Publikum nur noch heisere Kehlen vom Mitsingen zu geben. Lizzy Borden verstanden es gekonnt, ihre alten Hits mit den neueren Songs der beiden letzten Studioscheiben «Deal With The Devil» («There Will Be Blood Tonight») und «Appointment With Death» («Tomorrow Never Comes», «Live Forever», «Under Your Skin») zu kombinieren. Wieso allerdings immer wieder «We Got The Power» gespielt wird, bleibt wohl eines der bestgehütesten Geheimnisse der Welt. Da hätte man in meinen Augen bedeutend besseres Material von «Master Of Disguise» zu bieten. Ich denke da nur an «Sins Of The Flesh», «Phantoms» oder «Be One Of Us».

Aber auch so trumpften die Jungs gross auf und läuteten das Finale mit einem Drumsolo von Joey Scott Harges ein. Dies, nachdem man die Rainbow-Coverversion von «Long Live Rock’n Roll» einmal mehr verdammt gut spielte. Mit «Notorious», wer kennt die Textzeile «Notorious, hail Caesar, it's a fight to the death, with every ounce of breath just for us, Notorious, hail Caesar, Notorious» nicht, «Master Of Disguise» und dem Abschluss in Form von «Give ‘em The Axe» (Lizzy trägt seine Axt zur Schau) findet ein gigantisches Konzert seinen Abschluss. Die Truppe machte beste Werbung in eigener Sache und es bleibt zu hoffen, dass das Versprechen von Lizzy, die helvetischen Bühnen im November nochmals zu beackern, eingehalten wird. Dann aber bitte auf einer grösseren Stage, damit auch alle Requisiten der Show aufgefahren werden können. Doch auch so waren die Jungs und das nette Mädel eine Augenweide. Nicht immer für die zartbesaitesten Seelen, aber garantiert für alle Metal-Fetischisten. Darum lasst uns schon bald wieder «We all need, american metal, through in through, american metal, you've go to bleed, american metal, red, white and blue, american metal» singen. Lizzy Borden rulten ohne Ende!!!

Setliste: «Tomorrow Never Comes» - «Red Rum» - «Voyeur» - «Live Forever» - «Bass Solo Marten Andersson» - «Under Your Skin» - «There Will Be Blood Tonight» - «Guitar Solo AC Alexander and Dario Lorina» - «Me Against The World» - «American Metal» - «We Got The Power» - «Long Live Rock’n Roll (Cover Rainbow)» - «Drum Solo Joey Scott Harges» - «Notorious» - «Master Of Disguise» - «Give ‘em The Axe»