Livereview: Ministry - My Uncle The Wolf - Pulver
02.07.08 Z7 Pratteln
by Maiya (mya) & Kissi (kis) – Pics of Ministry by Maiya, others by Kissi
In einer Zeit, in welcher die Metalwelt geprägt ist von Comebacks und Reunionen der alten Helden gibt es auch Kapellen, die diesem ganzen Trend den Stinkefinger zeigen und sich ohne grossen Pathos von den Bühnen dieser Welt abmelden. Als Nononformist galt Mr. Al Jourgensen schon immer, dennoch wollte man es nicht wirklich fassen, als man vom baldigen Ende der legendären Industrial-Veteranen Ministry erfuhr. Nach der Veröffentlichung der Coverscheibe mit dem sprechenden Titel «Cover Up» und einer darauffolgenden Tour soll Schicht im Schacht sein? Auf diesen Umstand konnte man nur auf eine Art reagieren: Hingehen ins Z7 und sich wohl zum letzten Mal der Anti-Bush-Truppe huldigen, deren Platten «The Land Of Rape And Honey», «Dark Side Of The Spoon» und vor allen «Psalm 69» ein ganzes Genre mitgeprägt haben. Nicht minder spannend waren dabei auch die Anheizer (obwohl die Sonne in Sachen Hitze schon genug getan hätte – verdammt war das heiss!): Die amerikanischen Newcomer My Uncle The Wolf und Tausendsassa V.O. Pulver's ganz familiäres Projekt Pulver. (kis)

Pulver
Der Name ist hier nämlich Programm, denn neben Mr. Pulver (Gurd, Ex-Poltergeist) selbst gehört auch seine bessere Hälfte Inga und Studio-/Bandkumpel Franky Winkelmann zum Kader der noch taufrischen Metalkapelle mit reichlich Stoner-Einschlag. Während letzterer die tiefen Töne hervorzupft zog Mrs. Pulver die Blicke des männlichen Publikumanteils als bangende Frontröhre auf sich, wobei gerade mal eine handvoll Leute vom strahlenden Sonnenschein draussen in das Dämmerlicht im Z7 stolperten. Bereut haben es diejenigen aber sicherlich nicht, denn bei anständigem, wenn auch etwas leisem Sound des Vierers (hinter der Schiessbude sass Steve Karrer, der den ersten Drummer Norm ersetzte), wurde den Anwesenden einen abwechslungsreichen Einblick in das Material des selbstbetitelten Debüts gewährt und dies mit reichlich Coolness auf der Bühne – nichts anderes erwartet man ja vom glatzköpfigen Riffmonster Pulver! Zwar hätte man sich noch ein wenig mehr Lauffreudigkeit wünschen können, dafür gabs mit den Maschendrahtzaun-Aufbauten, die später bei Ministry am Bühnenrand stehen sollten, nun aber als Hintergrund fungierten, eine passende Kulisse, die Songs wie das rock'n'rollige «Five Star Rebell», «Outside» oder auch «Rodeo» perfekt einkleidete. Während Pulver wie gewohnt ein fettes Riff nach dem anderen zockte und auch das eine oder andere zitternde Solo abfeuerte, konnte seine Angetraute mit ihrer an Sandra Nasic (Ex-Guano Apes) erinnernden Stimme nicht immer überzeugen: Zu einfach, zu gewöhlich waren ab und zu die Gesangslinien. Trotzdem: Pulver als der kleine, etwas massentauglichere Bruder von Gurd inklusive Godsmack-Flair mit weiblichen Vocals, das könnte noch Aufsehen erregen! (kis)

My Uncle The Wolf
Heutzutage heisst das doch schon was, wenn man als Newcomer-Truppe, deren Debüt übe rein eher kleines Label veröffentlicht wurde, gleich mit den legendären Ministry auf Europareise gehen darf. Ok, My Uncle The Wolf haben mit Down-Schlagwerker Jimmy Bower einen klingenden Namen in ihren Reihen, dennoch ist diese Tour bezeichnend für die Qualität des Quartetts mit Hauptsitz in New York, das umwerfende, selbstbetitelte Debüt gar nicht mitgerechnet. Livetechnisch glänzten die Amis daneben durch ihre unterschiedlichen Charaktere: Während der schwergewichtige Hühne Zac «Noddy» Hutton am Mikro in buddhistischer Art und Weise eine Ruhe und Fröhlichkeit sondergleichen ausstrahlte poste der hagere Bandchef und Klampfer George Vas agil am rechten Bühnenrand und dass Dreadlock-Metaller Bower mit seinen fast 2 Metern und dem Rauschebart eine aussergewöhnliche Figur ist, dass weiss jeder der ihn mal mit Phil Anselmo erlebt hat. Indes zockt man Heftigeres und Atmosphärischeres vom Erstlingswerk, so zum Beispiel der doomige Einstieg «March Of The Hung», das deftige «Shpd's Hwy» oder das zurückgelehnte «Double Barrel Blues». Dabei stellt sich zwar heraus, dass Huttons Gesangsorgan nicht so fehlerfrei und variabel wie auf Scheibe daherkommt, dennoch aber erstaunlich viel Präsenz gewinnen kann, wobei dies vielleicht auch dem superben, leider aber etwas leisen Sound zu verdanken sein könnte. Da der Auftritt im Z7 gleichzeitig auch den letzten gemeinsamen Abend von My Uncle The Wolf und Ministry markierte, warteten die Jungs des Headliners gleich mehrmals mit äusserst unterhaltsamen Überraschungen auf. So parnierte Klampfer Tommy Victor seine Supporter ohne Skrupel mit einer grösseren Menge Mehl, was My Uncle The Wolf wie eine Mischung aus Zombie und Black Metaller wirken liess und insbesondere Bower mit seinen Dreads zu einem zweiten Rob Zombie machte. Daneben schlich sich der eine oder andere Ministrant und dessen Crewmitglied lediglich in Unterhose und mit Tiermaske auf die Bühne. Den krönenden Abschluss machten aber die beiden gemeinsam dargebotenen Nummern: Einerseits intonierte man nämlich die eigene Nummer «Last Amount Of Men» zusammen mit Victor und dessen Prong-Kollegen Aaron Rossi und mit «God Of Thunder» unter Unterstützung von Sin Quirin und Tony Campos (beide Ministry) beendete man gleichzeitig einen überzeugenden ersten Auftritt in der Schweiz wie eine wohl essentiell wichtige Tour für die weitere Zukunft einer Band, die sich hoffentlich bald wieder auf einer Schweizer Bühne präsentiert. Etwas, was man von den nun folgenden Headlinern leider nicht erwarten kann. (kis)

Ministry
Es gibt viele Abschieds-Tourneen, vor allem solche, die im Grunde gar keine sind, weil die jeweilige Band plötzlich wieder mit einem neuen Album und einer neuen Torunee wie Phönix aus der Asche steigt. Hier und heute aber hatte man es wirklich mit einem Abschied zu tun, da Al Jourgensen den Gerüchten nach gesundheitlich nicht mehr ganz auf der Höhe ist, und sich fortan in erster Linie um sein eigenes Label "13th Planet Records" kümmern möchte. Das heutige Konzert war natürlich vor allem ein Grund zur Freude, doch angesichts des Abschiedes sah man im Publikum auch wehmütige Gesichter. Seit der Gründung, spätestens jedoch seit dem 1988er Album "The Land Of Rape And Honey" gibt es rein gar nichts, das in Sachen Industrial Metal jemals an die Grösse und Qualität von Ministry heran kommt. Bandboss Al Jourgensen war (durchaus in positivem Sinne) schon immer etwas eigen, und so geschah es, dass seine erste Aktion in Pratteln daraus bestand, die Fotografen mit einer besonderen Bühnendeko heraus zu fordern, denn am Bühnenrand waren Absperrgitter aus Maschendraht angebracht. Als Einstimmung wurde erst einmal der Song "I'm Not Gay" der Revolting Cocks gespielt, welche 1985 unter anderen von Al Jourgensen gegründet wurden, und die bei 13th Planet Records unter Vertag stehen. Der erste Höhepunkt der Show wurde erreicht, als "The Last Sucker" sowie die drei Kracher des 2006er Albums "Rio Grande Blood" gespielt wurden, nämlich "Rio Grande Blood", "Señor Peligro" und "Lies, Lies, Lies". Jeder einzelne Bandmember war eine Show für sich, doch allen voran stach Al Jourgensen heraus, der eine dunkle Sonnenbrille und einen flachen Zylinder trug, unter welchem seine Dreads hervor guckten. Meine Güte, was für ein Charisma der Mann doch hat! Somit war es selbstverständlich ein Leichtes für ihn, das Publikum innert kürzester Zeit um den Finger zu wickeln. Er unterstrich die gesungenen Worte öfter mal mit perfekt passenden Gesten, und das auch noch dermassen fliessend und bezaubernd, dass er ein wenig wie ein Schlangenmensch aussah. Die Saiten-Fraktion schlüpfte ab und zu durch die Gitter und spielte vor dem Maschendraht, wo vor allem Tommy Victor (schmuck im grauen Schottenrock) und Sin Quirin (meistens am Grinsen) sehr aktiv waren, während ihr Kumpel Tony Campos mit einer eher zurückhaltenden Coolness seine Arbeit an der Bassgitarre verrichtete. Al seinerseits krallte sich gerne mal am Gitter fest oder schwang den Mikroständer, der mit einem Ochsenschädel und Geweihen geschmückt war. Nach "Khyber Pass" zog die Band sich zurück, um kurze Zeit später mit dem Song "So What" vom Album "The Mind Is A Terrible Thing To Taste" zurück zu kehren, welcher bei den Fans ausgezeichnet ankam. Es dauerte nicht lange, bis sich ein Moshpit bildete, der mit der Zeit so gross wurde, dass die Schreiberin sich aus diesem verkrümeln musste, um die wertvolle Umhängetasche mit dem Foto - und Interviewmaterial in Sicherheit zu bringen, und das ausgerechnet während ihrem Lieblingssong "N.W.O."! Auch für die meisten Zuschauer schien dieser Song das Highlight der Setliste zu sein, denn der Jubel war ohrenbetäubend. Im Gegensatz zu den Shows in den U.S.A. wurde die Lichtshow leider reduziert, war aber immer noch sehr gut und gab den gesamten Bühnenbild einen mysteriösen Touch. Auch eine Leinwand mit passenden Szenen sorgte für eine äusserst abwechslungsreiche Show. Gegen das Ende hin gab es noch etwas zu Schmunzeln, als "What A Wonderful World" von Louis Armstrong (zu finden auf dem neuesten Album "Cover Up") gecovert wurde, natürlich so richtig schon zerpflückt, ganz nach Art von Ministry. Man kann wirklich sagen, dass Ministry ihren Fans mit dieser Show ein wunderbares Abschiedsgeschenk gemacht haben, an welches sich so mancher noch lange erinnern wird. Ministry waren das Sinnbild für Intelligenz und Mumm, was vor allem im Jahre 1992 deutlich zu hören war, als "Psalm 69" gespickt mit Originaltönen von George Bush senior erschien. Nur zwölf Jahre später fuhr man dann auf der selben Schiene weiter, als der auch noch der Sohn dieses Depps Präsident wurde. Wie auch immer, vielleicht tut es Al Jourgensen ganz gut, sich mal von der Bühne zurück zu ziehen und sich anderen Dingen zu widmen, denn bei seinem verrückten Lebenslauf muss auch eine Pause einfach mal sein. Bleibt zu dieser Show nur noch zu sagen: Es war der Hammer, und wer nicht da war, der hat was verpasst! Danke Al Jourgensen, danke Ministry! (mya)

Setliste Ministry: "Let's Go" - "The Dick Song" - "Watch Yourself" - "Life Is Good" - "The Last Sucker" - "No W" - "Waiting" - "Worthless" - Wrong" - "Rio Grande Blood" - "Señor Peligro" - "LiesLiesLies" - "Khyber Pass" - "So What" - "N.W.O." - "Just One Fix" - "Thieves" - "Wonderful World" - "Roadhouse Blues" -"Just Got Paid" - "Under My Thumb"