Livereview: Motörhead - Flattrack
14. Juni 2002 im Volkshaus Zürich
By Rockslave

Urvieh Lemmy Kilmister ist nun schon mehr als 25 Jahre "on the road" und einfach nicht totzukriegen. Fast regelmässig erscheinen immer noch neue Alben und eine Tour dazu folgt auf dem Fusse. Auch wenn die Zuschauerzahlen zwischendurch mal etwas nach unten gingen, zogen Motörhead ihr Ding kompromisslos durch und foutierten sich weitgehend um das, was um sie herum geschah. Obwohl man vor ein paar Jahren gewisse Kompromisse an den musikalischen Zeitgeist gemacht hatte (wie zum Beispiel bei "Sacrifice" von 1995), rockt man Anno 2002 mit dem aktuellen Wurf "Hammered" wieder deutlich erdiger und lässt dabei nichts anbrennen. Von dem wollten sich die zahlreich aufmarschierenden Fans im dafür bestens geeigneten Zürcher Volkshaus überzeugen und sich diese Show nicht entgehen lassen.

Bevor es jedoch soweit war, stand, wie schon oft, wieder einmal eine Schweizer Gruppe als Support auf der Bühne, von der ich allerdings noch nie was gehört hatte. Nach ein paar Rückfragen löste sich das Rätsel: Flattrack nennen sich die vier Jungs (mehr weiss ich nicht) und legten mit dem Opener "Hunger" eine interessante Nummer vor, die aber irgendwie nicht so zum anwesenden Publikum passen wollte. Der Sound wirkte zwar sehr rhythmisch, gleichzeitig aber zäh und düster. Der erste Applaus fiel jedoch ganz passabel aus und in der Folge wurden weitere Songs präsentiert, die vom bald erscheinenden ersten Album von Flattrack stammten. Stilistisch bewegte man sich deutlich auf der Ebene von Stoner-Rock, aber ich hörte zwischendurch auch Fragmente der (ganz) alten Pink Floyd und/oder auch U2 heraus. Den Leuten schien die tighte Performance zunehmend zu gefallen
und mein Fazit viel ebenso positiv aus. Von diesen Jungs wird man hoffentlich noch mehr hören! Set-Liste (mit den Titeln, wie sie auf der Bühnen Set-Liste standen): "Hunger", "Deny", "Forgot", "Insects","Ruin", "Pastletter".

Während der obligaten Umbaupause füllte sich der Rock-Tempel am Helvetiaplatz zunehmend und noch bevor ein Ton gespielt wurde, kam man, einmal drin, kaum mehr vorwärts oder rückwärts. Ein gutes Zeichen also, denn so und nicht anders müssen doch Konzerte sein! Der mittlerweile bestens bekannte Spruch "We are Motörhead and we're gonna kick your ass" startete den gleichnamigen Opener und von der ersten Sekunde an war der Teufel im Saal los. Ohne Verschnaufpause folgten anschliessend die beiden Oldies "No class" und "Bomber". Der Sound war gut, aber bei weitem nicht
so laut, wie er an gleicher Stätte vor über zehn Jahren noch war. Das tat der guten Stimmung aber keinen Abbruch (laut genug war es ja immer noch!) und die Band präsentierte sich entsprechend spielfreudig, allen voran Power - Drummer Mikkey Dee, ohne den Motörhead heute schlicht einpacken könnten. Phil "Wizzo" Campbell schruppte seine Parts (fast schon zu) routiniert runter und Lemmy hatte seine typische Pose inne. Nach "Civil war" folgte mit "Damage case" eine ziemlich alte Kamelle, die man
schon sehr lange nicht mehr gehört hatte (Metallica spielten diesen Song übrigens 1995 in Los Angeles anlässlich des 50. Geburtstages von Lemmy), wenn überhaupt! Ich war dann gespannt, welcher Song des neuen Albums gespielt werden würde. "Brave new world" war leider der einzige. Eigentlich schade, denn ich hatte fest mit dem neuen Groover "Shut your mouth" gerechnet. Nebst langjährigen Classics wie "Metropolis" oder "Orgasmatron" kamen endlich auch wieder mal die Heuler "Nothing up my sleeve" und "Shoot you in the back" zu Ehren. Das brachiale Stück "Sacrifice"
durfte da natürlich ebenso nicht fehlen. Mit dem Song "Ramones" gedachte man dem kürzlich verstorbenen Dee Dee Ramone, nachdem letztes Jahr bereits der Tod von Joey Ramone zu beklagen war. Die Schlussoffensive wurde mit ("We're going to) Brazil" gestartet, machte Zwischenhalt bei "Killed by death" und endete mit dem 3-er Paket "Iron fist", "Ace of spades" and last, but not least: dem unverwüstlichen Audio-und Stroboskopmassaker "Overkill", bei dem Lemmy seinen Tieftöner mit nacktem (!!) Oberkörper bearbeitete und den rasenden Mob zu guter Letzt winkend und mit einem Lächeln
im Gesicht verabschiedete. Dabei blieb aber etlichen Zuschauern nicht verborgen, dass Lemmy inzwischen, bedingt durch seinen exzessiven Lebensstil (er erlitt letztes Jahr einen Schwächeanfall in Italien) markant an Leibesfülle eingebüsst hat. Bleibt zu hoffen, dass uns die Jungs noch eine Weile erhalten bleiben, denn diejenigen, die Lemmy & Co. an diesem Abend zum ersten Mal (!) sahen,
haben bestimmt noch nicht genug gekriegt. Bei mir selber (das Dutzend ist nun etwa voll seit 1986) machen sich langsam aber sicher gewisse Abnützungserscheinungen bemerkbar, die gar in einer gewissen Langeweile mündeten. Nichts desto Trotz war es ein tolles Konzert und wer die verschwitzten Gesichter und komplett nassen Leiber aus dem Volkshaus torkeln sah, wusste, dass nicht nur die hohen Temperaturen (drinnen wie draussen!) dafür verantwortlich waren. Bei Slayer war es im letzten Oktober allerdings noch einen Zacken härter zu und her gegangen. Heute Abend, endlich draussen angelangt, ringte manch einer nach der (schwülen) Luft und war

bestimmt froh, die Lungen (nebst anderem) auch wieder mit Sauerstoff versorgen zu können. Den Schlusspunkt setzte dann ein Harley-Fahrer, der unter lautem Gejohle der im Umkreis stehenden Leute während sicher guten zwei Minuten mächtig Gummi auf dem Trottoir liegen liess und dadurch eine eklig stinkende Rauchwolke erzeugte. Das kümmerte aber kaum jemanden und so verstreuten sich die Fans (wie der Rauch) bald in alle Winde (oder Strassenrestaurants) und nicht wenige hatten so ein "komisches und unerklärliches" Rauschen oder Pfeifen in den Ohren.

Komplette Set-Liste: "(We are) Motörhead", "No class", "Bomber", "Civil war", "Damage case", "Love for sale", " God save the Queen", "Brave new world", "Metropolis", "Nothing up my sleeve", "Dr. Rock", "Ramones", "Born to raise hell", "Shoot you in the back", "Sacrifice (with Drum-Solo)", "Orgasmatron", "(We're going to) Brazil", "Killed by death", "Iron fist", "Ace of spades" und "Overkill".