Livereview: MSG - Pure Inc.
4. November 2004, Club ABCMixx Luzern
By Rockslave
Als ich davon hörte, dass Mr. Schenker wieder mal in der Schweiz weilt, war ich am Anfang eher nicht gewillt, nach Luzern zu fahren. Was würde einen diesmal erwarten? Ein vielleicht abermals lustloser, aber genialer Gitarrist, der einfach seinen "Job" macht? Anlass zur Sorge gäbe es schon, denn der deutsche Saiten-Hexer kann manchmal wirklich schräg drauf sein, egal ob Solo oder mit UFO. Zum Glück verdrängte ich all diese Gedanken und schliesslich wollte ich auch endlich mal die mit guten Kritiken überhäufte Schweizer Band Pure Inc. live sehen. So kam es, dass ich mich positiv gestimmt auf den Weg in die Innerschweiz machte und diese Entscheidung nicht bereuen sollte, denn der Konzert-Abend entwickelte sich zu einem der Highlights des Jahres 2004! Gleicher Meinung dürften auch die vor Ort gesichteten Thom Blunier (Shakra) und Mandy Meyer (Ex-Gotthard) gewesen sein.

Pure Inc.
Schon zu Zeiten von Pure Yeast zeichnete sich das Talent der Basler Band ab. Mit der Veröffentlichung der neuen, selbstbetitelten Debüt-CD handelten sich Pure Inc., so wie sich neu nennen, nun grosses Lob ein. Deshalb war ich gespannt, wie es sich heute Abend in dieser klangtechnisch idealen Location anhören würde. Zu Beginn des Konzertes waren leider noch nicht allzu viele Leute da, aber sie hätten es sein sollen, denn von der ersten Minute an spürte man die Professionalität der Schweizer Rocker. Nach dem Intro stiegen Pure Inc. mit "T.O.T." gleich megagroovig in das Set ein. Sänger Gianni Pontillio, der sich auf der Bühne sichtlich wohl fühlte und sich zeitweilen etwas nach Steve Lee (Gotthard) anhörte, gab gleich von Anfang an mächtig Gas. Der überaus rhythmisch aufgebaute Heavy Rock war jederzeit tight und bestätigte den Eindruck, den man von der CD-Produktion her gewinnen konnte, nämlich oberfett! Stilistische Vergleiche sind dabei nicht mal so leicht zu machen. Für mich klingt der Pure Inc. Sound etwas nach Krokus im Nu Rock Gewand, mit feinen Grunge-Anleihen garniert. Nickelback könnte man als grobe Richtschnur nennen. Auf der Bühne präsentierten sich die Schweizer als geschlossene und eingespielte Einheit. Dazu gehörte insbesondere die akustisch wie optisch überzeugende Performance von Basser Andreas Gentner, der seinem fingergespielten 5-String Bass hammermässige Töne und Läufe entlockte. Ihm in Nichts nach standen natürlich auch seine Kollegen Sandro Pellegrini (g) und David Preissel (d), die dem mittlerweile etwas zahlreicher gewordenen Publikum einen gelungenen Auftritt bescherten. Wie wenn es eingeplant gewesen wäre, bat Sänger Gianni unvermittelt seinen Vater (der an diesem Tag Geburtstag hatte) spontan auf die Bühne, um ihm zu gratulieren und weitere, anwesende Familienmitglieder zu begrüssen. Die darauf vom Vater geöffnete Flasche Schampus wurde dann zwar mehr auf dem Bühnenboden verteilt, als getrunken, aber das störte anscheinend niemanden. Danach gab es nochmals Musik (genial: "Fear my eyes") und nach den obligaten 45 Minuten ging ein mehr als überzeugender Auftritt zu Ende. Bleibt zu hoffen, dass Pure Inc. das vorhandene Potenzial künftig auch in Erfolg ummünzen können.

Set-Liste: "Intro/T.O.T.", "Genius", "Piece of mind", "On the verge", "Next to you", "The thing you left on me", "Crawling", "Fear my eyes", "Falling season".


MSG
Das letzte Mal, als ich Michael Schenker auf einer Schweizer Bühne sah, müsste etwa sechs Jahre her sein, als er, damals wieder einmal zu UFO zurückgekehrt, im Z7 in Pratteln gastierte. Mit schwarz gefärbten Haaren sah er reichlich düster aus und kam auch spielerisch so rüber. Er hatte eine Art an sich, die etwas an Zampano Ritchie Blackmore, einen waschechten Exzentriker, der einfach unberechenbar ist, erinnerte. Da wäre zum Beispiel die Geschichte, dass Schenker nach einem Konzert nur diejenigen Artikel der Fans unterschrieb, die es am Merchandise-Stand zu kaufen gab! Man wusste ja um die gelegentlichen "gesundheitlichen Probleme" und deshalb nahm es mich Wunder, welches Kapitel denn heute Abend in Luzern geschrieben werden würde. Ein erster Blick auf die am Bühnenboden befestigte Set-Liste liess mich gleich zusammenzucken. Sollte es wirklich wahr sein, diesen exquisiten Querschnitt seiner Solo-Karriere und einiger UFO-Classics alle bald hören zu können? Mein Gedanken-Ausflug war gar noch nicht zu Ende, als die Show mit "Ready to rock" fulminant seinen Anfang nahm. Die vier Musiker, die die aktuelle Tour-Band von Michael Schenker bildeten, waren mir allesamt unbekannt. Die Recherche ergab, dass vom letzten 99er Live-Album der "Unforgiven-Tour" nur noch Keyboarder und Gitarrist Wayne Findlay übrig geblieben ist. Sänger Chris Logan, seit 2001 dabei, spielte, respektive arbeitete zusammen mit Phoenix Rising, Worlds Within und zuletzt Outlaw Circus. Drummer Pete Holmes (u.a. Black Symphony, Black'n Blue, Ted Nugent, Yngwie Malmsteen, Ian Gillan) und Bassist Rev Jones (u.a. Fort'e, Black Symphony, MSG ab 2000, Fuel) sind alte Hasen und bildeten zusammen eine neue Einheit, die heute Abend keinerlei Schwächen zeigte. Es kam alles wie aus einem Guss. Das galt ebenso für Schenker's kernige und saubere Riffs wie Soli und die satte Begleitung durch seine Hintermannschaft. Allen voran Rev Jones, der mit seinen verkümmerten Rasta-Locken und gut einem Dutzend (wenn nicht noch mehr!) Tattoos echt abgefahren aussah, aber seinen Tieftöner mörderisch gut bediente. Der Meister himself, erschien mit einer Mütze auf dem Kopf, (zu Beginn) aufgesetzter Sonnenbrille und halbkurzen Pants. Dazu natürlich seine legendären, weissen Flying-V Gitarren, wovon er zwei oder drei verschiedene benutzte. Die Laune und Verfassung war von Anfang an top und man sah des Öfteren gar ein Lächeln über sein Gesicht huschen. Dies färbte natürlich auf sein Spiel ab, das frisch und kernig klang. Diese Vibes gingen sofort auch auf das Publikum über, das den Lärmpegel immer weiter nach oben schraubte. Auch kein Wunder bei solch legendären Songs wie "Assault attack", "Let it roll", "Lights out" oder "Into the arena". Neben neueren Vertretern der Alben "Unforgiven" ("Fat city") und "Arachnophobia" ("Rock'n'Roll believer", "Arachnophobiac" und "Fatal strike") entfachten besonders die letzten acht Songs, die je zur Hälfte MSG und UFO zugerechnet werden konnten, einen regelrechten Flächenbrand. Sänger Chris Logan zog sich dabei wie überhaupt mehr als achtbar aus der Affäre, konnte seinen Vorgänger Kelly Keeling aber nicht ganz vergessen machen. Nichtsdestotrotz musste auch meine Wenigkeit schweissgebadet und mit sich deutlich abzeichnenden Nackenschmerzen attestieren, dass gute Rock-Songs einfach zeitlos und unsterblich sind. Und wie wenn die Freude über das Gezeigte nicht schon gross genug gewesen wäre, bewies Michael Schenker eher überraschend, wenige Minuten nach dem letzten Ton bereits am Merchandise-Stand stehend, dass er auch anders kann, wenn er nur will. Geduldig unterschrieb er alles (!), was man ihm hinhielt und er liess sich auch bereitwillig zusammen mit einer Hand voll Fans (einzeln) ablichten. Der dabei überaus entspannte Gesichtsausdruck verriet, dass sich heute Abend in Luzern nicht nur das Publikum sehr wohl gefühlt haben muss. Eine somit durch und durch gelungene Begegnung mit einer Rock-Legende unserer Zeit.

Set-Liste: "Ready to rock", "Mother Mary", "Assault attack", "Let it roll", "Fat city", "Lights out", "Because I can", "Rock'n'Roll believer", "Arachnophobiac", "Fatal strike", "Into the arena", "Only you can rock me", "On and on", "Too hot to handle", "Attack of the mad axe man", "Armed and ready", "Doctor doctor", "Rock bottom".