Livereview: Overkill - 3 Inches Of Blood - Purified In Blood - Degradead

11. Oktober 2012, Pratteln - Z7
By Rockslave
Im Rahmen der "Killfest Tour 2012" brachten Overkill nebst ihrem neuen Silberling «The Electric Age», dem bisher erfolgreichsten Album in der Heimat (Platz 77 in den Billboard-Charts!) nicht weniger als drei Support-Bands mit nach Pratteln. Wer Bobby "Blitz" Ellsworth und seine Jungs schon mal irgendwo (und ich sage bewusst irgendwo) gesehen hat, weiss, welchen Thrash-Tornado die Amis jeweils zu entfachen wissen. Zum einen ist es die unglaubliche Präsenz des immer noch drahtigen Frontmannes, dem man seine 53 Jahre überhaupt nicht ansieht, und zum anderen scheint das jetzige Lineup gefestigt zu sein, denn seit sieben Jahren hat es keine Änderungen mehr zu verzeichnen gegeben. Sowas wirkt sich stets auf die Performance aus, was die Kompakt- und Geschlossenheit der Band angeht. Der Unterschied zu den Vorgruppen in Sachen Druck nach vorne war eklatant und dies nicht nur wegen der Lautstärke. Mit 3 Inches Of Blood war aber immerhin eine aufstrebende Truppe aus Kanada mit dabei, die mit Cam Pipes einen echten Hammer-Sänger in ihren Reihen hat. Purified In Blood und Degradead mussten derweil durch das Stahlbad der Anheizergruppen hindurch, was sich gerade in der Schweiz meist mühsamer als anderswo gestaltet.

Degradead

Wenn jeweils vier Bands im Z7 aufspielen, geht es entsprechend früh los. Das hiess im Fall von Degradead aus Schweden, dass die Bühne bereits um 19.15 Uhr betreten wurde. Zu dem Zeitpunkt waren noch nicht wirklich viele Leute da, aber es kamen laufend welche dazu. Die Nordländer, dessen Demo mal Jesper Strömblad von In Flames zu Ohren bekam, wurden beim ersten full lenght Album «Til Death Do Us Apart» (2008) von ihm co-engineered. Sowas kann grundsätzlich nicht schaden und von 2010 gibt es gar offizielle Live-Aufnahmen (6 Songs) von Wacken. Gemessen am grossen Backdrop wurde schon fast suggeriert, dass hier eine Riesen-Combo an den Start geht. Der Sound, der per Eigendefinition dem Thrash und Death Metal zugerechnet wird, erinnerte mich dann aber bald einmal mehr an typischen Melo-Death der Sorte Soilwork, Mercenary oder auch frühe Entombed. Der Gesang von Mikael Sehlin ist dabei noch recht variabel und neben dem Geschrei in hohen und auf tiefen Lagen tauchten gelegentlich auch cleane Vocal-Parts auf, worauf sich das Ganze dann wie Communic anhörte. Der stilistisch benötige Melodic-Anteil wurde mit Key-Sounds ab Band abgedeckt, was halt generell schade ist. Obwohl die Mucke mit ordentlich Dampf vorgetragen wurde, leierte sich dieser Sound zumindest in meinen Ohren schnell aus, da 30 Minuten Spielzeit unter dem Strich halt ziemlich gleichförmig gewirkt haben. Technisch hatten sie es zwar ohne Zweifel drauf, aber mich langweilte die Darbietung ziemlich rasch und Melo-Death ist eh nicht mehr gross angesagt zur Zeit.

Purified In Blood
Aus ähnlichen Gefilden, sprich Norwegen, stammte die zweite Band des Abends. Punkt 20.00 Uhr legten die fünf Musiker aus der Gegend um Stavanger los und ein Blick auf den stark tätowierten wie kurzhaarigen Sänger Hallgeir S. Enoksen reichte aus, um ihm das Attribut eines Brüllwürfels zu verpassen. Das stimmte dann auch irgendwie, hatte was von Metalcore und liess sich dennoch nicht so einfach schubladisieren. Es konnten einige Einflüsse heraus gehört werden und ein direkter Vergleich zum Beispiel mit Mastodon ist nicht abwegig. Zudem war umgehend eine satte Heavyness auszumachen, wenn Purified In Blood das Tempo jeweils drosselten und so die beiden Gitarren das volle Brett auffuhren. Die stilistische Spannbreite erstreckte sich dabei von Crowbar über Slayer bis hin zu Iron Maiden und selbst Immortal werden, neben einigen Lärmkapellen mehr, noch als Einfluss genannt. Obwohl von der Musik her etwas variantenreicher ausgelegt, konnten auch die Norweger das träge Publikum nicht in ihren Bann ziehen. Sie bemühten sich zwar redlich, liessen, wie Degradead, technische Klasse aufblitzen, doch auch hier erntete die agile Performance kaum grösseren Applaus als zuvor. Herr Enoksen stieg dann kurz noch von der Bühne in den Fotograben hinunter und ging auf Tuchfühlung mit der ersten Reihe. Das wurde soweit wohlwollend aufgenommen, aber die Stimmung liess sich dadurch nicht wirklich anheben. Trotz insgesamt mehr Groove, zumindest für meine Begriffe, litt das Ganze natürlich, wie zuvor schon, an der zu kurzen Spielzeit. In diesem Fall sind 35 Minuten dann halt ebenfalls nicht die Welt und darum stellt sich oft die Situation ein, dass man sich unmittelbar nach dem Ausklingen der letzten Töne bereits an nichts mehr erinnern kann. Nicht unbedingt erstrebenswert, aber Tatsache.

3 Inches Of Blood
Nun musste irgendwie eine Steigerung her und dafür sorgten nicht unerwartet die Canucks von 3 Inches Of Blood. Ich hatte die Truppe um den stimmgewaltigen Frontmann Cam Pipes erst einmal live gesehen. Das war vor über vier Jahren im Rohstofflager gewesen und dies als Support von Exodus. Und nun stand mehr oder weniger pure fucking Heavy Metal auf dem Menüplan, der das mittlerweile um einiges besser gefüllte Z7 endlich, wenn auch nur zögerlich aus der Lethargie aufwecken konnte. Mehr als einmal waren dabei Vibes des Headliners auszumachen, die nebst dem überaus geilen Drum-Spiel des Neu-Members Ash Pearson auch von der exzellenten Gitarrenarbeit der beiden Axtmänner Justin Hagberg und Shane Clark ausgingen. Dessen töfte Twin-Soli waren jeweils nicht zu überhören und werteten die Chose spürbar auf. Den grossen Unterschied zu den beiden vorherigen Bands markierte jedoch der bärtige Mr. Pipes, dessen äusserst schneidige Stimme zeitweilen den Herren Rob Halford und King Diamond die entsprechende Ehre erwies. Bei einzelnen Songs mischte Justin Hagberg (g)noch mit und steuerte jeweils etwas zwischen Growls und Gekeife zusätzlich bei. Was für die einen nun eine willkommene Abwechslung bedeutete, erzeugte im anderen Lager hingegen Vorbehalte von wegen wohin die stilistische Reise letztendlich hingehen sollte. Obwohl die Reaktionen der Fans sich mehrheitlich auf redlichen wie jeweilig verdienten Schlussapplaus beschränkten, fiel meine persönliche Bilanz zu den knapp 45 Minuten insgesamt positiv aus. Das war vor allem der Verdienst von Frontsirene Cam Pipes, der zwischendurch ein paar wirklich grandiose Screams vom Stapel liess. Doch irgendwie spürte man jetzt deutlich, dass das Schweizer Publikum nun definitiv ready für Bobby & Co. war. Diese liessen sich dann auch nicht mehr lange bitten!




Overkill
Für Spätzünder in Sachen Thrash Metal ist das nun schon seit ein paar Jährchen grassierende Revival- und Reunion-Fieber der reinste Segen. Wer Mitte der 80er entweder zu jung oder, wie ich teilweise auch, wegen den frühen Metallica mit zu viel Scheuklappen unterwegs war, kriegte nun mehrfach die Gelegenheit, neben jüngeren Bands wie zum Beispiel Legion Of The Damned oder Warbringer, Genre-Legenden der Marke Slayer, Exodus, Forbidden, Kreator, Destruction, Sodom, Megadeth, Heathen, Testament oder eben Overkill noch in vollem Saft erleben zu können. In Sachen Glaubwürdigkeit und Qualität stehen Bobby "Blitz" und seine Jungs dabei ganz vorne und wer mal die Gelegenheit hatte, mit dem immer total zuvorkommenden Frontmann zu sprechen, weiss zudem, wie bodenständig dieser ist. Obwohl Overkill keine grossen Stadien zu füllen vermögen, haben sie eine eingeschworene Fanbase, die ihre Helden meistens nach allen Regeln der Kunst abfeiert. Das war eigentlich auch für heute Abend so vorgesehen und man durfte gespannt sein, wie sich die Setliste präsentieren würde. Beim hochkarätigen Backkatalog von mittlerweile fünfzehn Studio-Alben, der alleine schon für locker drei Stunden Spielzeit gut wäre, haben sich insbesondere die jüngeren Scheiben wie «Killbox 13» (2003), «Relix IV» (2005) und vor allem die letzten zwei Meisterwerke «Ironbound» (2010) sowie der letztjährige Killer «The Electric Age» mächtig hervor getan. Diese zeigten erfreulicherweise keinerlei Ermüdungserscheinungen. Kurz nach 22.00 Uhr fand das Warten endlich ein Ende und der Headliner legte gleich mal kräftig mit «Come And Get It», dem Opener des aktuellen Albums, los. Das zeugte von Selbstvertrauen, was man mit der enthaltenen Textzeile "This is it" nicht besser hätte ausdrücken können. Nach dem Startfurioso folgte mit «Bring Me The Night» die noch härtere Abrissbirne (von «Ironbound») und spätestens mit dem Full Length Debüt-Knaller «Rotten To The Core» hätte unter den Fans eigentlich die kollektive Raserei ausbrechen sollen. Bis auf den harten Kern in den vorderen paar Reihen und einigen fliegenden Bierbechern zu Beginn war jedoch verhältnismässig erschreckend wenig los im Z7! Overkill liessen sich davon aber nicht beirren und gaben weiter Gas mit einer ausgewogenen Setliste, die sich über mehr als zehn ihrer Studioalben erstreckte. Bobby gab dabei wieder alles, so wie man das stets von ihm kennt und gewohnt ist. Sein Körper scheint dabei jedes Mal wie von 10'000 Volt durchströmt zu werden und die spürbare Präsenz ist eindrücklich.

Dies galt im Speziellen auch für Bassist und Gründungsmitglied D. D. Verni, der mit seiner Kurzhaar-Frisur nur von der Optik her nicht ganz ins Bild passte. Sein in typischer Manier röhrende Bass ist hingegen ein, wenn nicht das Markenzeichen des Overkill-Sounds und lässt einem die Lauscher auch ab Konserve heftig schlackern. Der Sound vor Ort war ganz ok, aber ich vermisste etwas an Lautstärke, was jedoch nicht dafür verantwortlich war, dass irgendwie keine richtige wie anhaltende Stimmung unter den paar Hundertschaften aufkam. Eigentlich waren damit gleich zwei Dinge ungenügend, also zu wenige Besucher und die, die gekommen waren, verhielten sich zumeist viel zu passiv. Das soll einer verstehen, wenn die Hütte bei Sabaton brechend voll ist und Overkill mit ihrem über 30-jährigen Leistungsausweis und ihrer Authentizität etwa einen Viertel der Fans ziehen. Natürlich vermochte Bobby die Meute zwischendurch auf Temperatur zu bringen, aber er musste echt rackern dafür. Je länger je mehr ging mir diese Lethargie voll gegen den Strich und ich begann mich echt langsam zu fragen, ob das nicht schon der Anfang vom Ende ist. Das bereits viel zitierte zahlenmässige Übermass an Konzerten fordert langsam aber sicher seinen Tribut und wenn solche Hochkaräter wie die New Yorker Thrasher das Ding nicht mehr richtig reissen, dann könnten bald andere Zeiten anbrechen. Zu «In Union We Stand» gab es dann immerhin eine hörbare Reaktion und die Extended Version von «Fuck You» im Zugabenteil verfehlte seine Wirkung erwartungsgemäss nicht. Optisch wirkte auch das wiederum übergrosse Backdrop mit dem altbekannten Schädelmotiv und fettes Flutlicht wie üppige Trockeneisschwaden durften natürlich ebenso nicht fehlen. Die knapp äusserst schweisstreibenden 100 Minuten waren auf jeden Fall vom Feinsten und ohne damit allen fern gebliebenen Lesern/Innen und Metallern/Innen jetzt ins Knie schiessen zu wollen, halte ich Euch ein augenzwinkerndes, aber im Sinne der Sache..., unserer geliebten Sache, ernst gemeintes «Fuck You!» entgegen! Vergesst zwischendurch mal jegliche Trendmucke und lasst Euch um Himmelswillen solche musikalischen Leckerbissen wie Overkill künftig nicht mehr entgehen! Und um meinen persönlichen Profil-Wahlspruch abschliessend noch nach zu tragen: Bang that head that doesn't bang!!

Setliste: «Come And Get It» - «Bring Me The Night» - «Rotten To The Core» - «It Lives» - «Electric Rattlesnake» - «Hello From The Gutter» - «Ironbound» - «Save Yourself» - «The Wait - New High In Lows» - «Thunderhead» - «Old School» - «Who Tends The Fire» - «In Union We Stand» - «Elimination» -- «Coma» - «Fuck You» - «Powersurge».