Livereview: Rock Meets Classic - Tour 2017

18. April 2017, Zürich – Hallenstadion
By Tinu

Wieder machte sich der musikalische Direktor Mat Sinner, zusammen mit seiner Band und dem Bohemian Symphony Orchestra Prague auf, um mit den Besuchern eine weitere grandiose «Rock Meets Classic»-Tour zu bestreiten. Wurden beim letzten Mal sechs Künstler eingeladen, plus ein Special Guest, waren es dieses Mal wieder deren vier plus der Spezialgast. Bedeutet, dass 2017 neben Rick Springfield, erneut Steve Lukather von Toto und die beiden Uriah Heep-Recken Mick Box (Gitarre) und Bernie Shaw (Gesang) dabei waren. Zum ersten Mal stand Don Felder (Eagles) und die Jungs von Magnum, Bob Catley (Gesang) und Tony Clarkin (Gitarre) mit dem Orchester auf der Bühne.

Der Sound war an diesen Abend sehr gut, wie auch die optische Untermalung mit den Videoleinwänden oder den Pyro-Effekten. Dass es trotzdem Besucher gab, die sich beim Mischer in der Pause beschwerten, war in meinen Augen nichts anderes als ein unwissendes, überhebliches Auftreten von Miesepetern, denen man eh nichts recht machen kann: «Bei Black Sabbath war der Sound aber besser», meinte einer der unterbewerteten Soundengi-neers. Lass dir eines sagen du Supermischer, der es leider nie bis ans Mischpult geschafft hat. Bei Black Sabbath stehen vier Personen auf der Bühne. Bei "Rock Meets Classic" ein Vielfaches mehr und dass dies um einiges schwieriger ist zu mischen, sollte auch dir Klugscheisser klar sein. Aus diesem Grund will ich hier Mischer Ernst ein grosses Lob aussprechen, denn der Sound war wirklich verdammt gut und ein Orchester mit einer Band, mehreren Gitarren und Sängern abzumischen schüttelt man nicht einfach so aus dem Ärmel heraus…

Wenden wir uns aber vom Miesepeter ab und besser dem Konzert zu. Gestartet wurde pünktlich um 20.00 Uhr mit «Rockin' All Over The World» von Status Quo zu Ehren von Rick Parfitt, der 2015 beim RMC seinen Auftritt hatte und letzten Dezember verstarb. Eine wunderbare Verneigung vor dem Quo-Gitarristen und auch ein Beweis dafür, dass das Unternehmen "Rock Meets Classic" mittlerweile auch durch dicke Freundschaft zwischen den auftretenden Künstlern von sich reden macht. Mit englischen Gentleman-Charme und «Just Like An Arrow» starteten dann Magnum ihren Set. Es war die charmante, freundliche und packende Art von Bob, der das Publikum von Beginn weg auf seine Seite zog. Der melodische Rock harmonierte perfekt mit den klassischen Parts des Orchesters und Mister Catley bedankte sich immer wieder beim Publikum und "Rock Meets Classic" für die an diesem Abend zu Ende gehende Tour. Mit «On A Storyteller's Night» und speziell «Vigilante» begeisterten die beiden Engländer. Es war die perfekte Symbiose aus zwei Klangwelten, welche in der Realität in der Regel eigenständig funktionieren, aber im Zusammenspiel eine neue Dimension und Dynamik entwickeln. Speziell «Vigilante» ist hervorragend dazu geeignet, den schon leicht bombastischen Sound des Liedes noch mit Streichern und Bläsern zu versehen. Mit der Ballade «When The World Comes Down On You» verabschiedeten sich die beiden 70-jährigen von der Bühne. Es war ein ergreifender Moment. Speziell Bob sang erneut wie ein kleiner Gott, traf jeden Ton und bewegte sich viel auf der Bühne. Das Alter schien völlig spurlos an ihm vorbei gegangen zu sein. Auch Tony hinterliess einen hervorragenden Eindruck. Sicher etwas introvertierter als sein Sänger, aber auf dem gleich hohen Level wie Bob. Magnum dürfen durchaus wieder mit RMC auf Tour gehen, denn es gäbe hier noch einiges an Material, das wie geschaffen ist für die Kombination Rock und Klassik.

Als nächstes standen Uriah Heep in Form von Gitarrist Mick Box und Wirbelwind Bernie Shaw auf der Bühne. Der fast 70-jährige Box spielte erneut mit einer unglaublichen Leichtigkeit und liess dabei seine Finger filigran über die Saiten fliegen. Mit weissem Hemd, seinen magischen Handbewegungen, die einem imaginären Zauberspruch gleichkamen und seinem breiten Grinsen hatte er sofort alle auf seiner Seite. War Bob Catley eher die Vaterfigur auf der Bühne, rockte der knapp zehn Jahre jüngere Bernie wie ein Derwisch über die Bühne. Er stachelte das Publikum an, von den Sitzen aufzustehen, und liess es, nicht nur beim abschliessenden «Lady In Black», mitsingen. Mister Shaw ist der perfekte Entertainer und einer, der mit einem spitzbübischen Grinsen alle um den Finger wickelt und bei «Sunrise» mit einem langgezogenen Schrei nachhaltig festhielt, wer der Chef im Ring ist. Waren es bei Magnum eher die melodischen Stimmungsbögen, waren es bei Uriah Heep die verspielten Hammondsounds und Gitarrenparts, die sich mit Streichern und Bläsern duellierten. So erklangen die vier Nummern bedeutend schwerer und wütender, als der Hardrock von Magnum. Zugleich ein schönes Indiz dafür, dass Rock sehr facettenreich ist und ein breites Spektrum abdeckt. Zum ersten Mal schossen an diesem Abend auch Feuerfontänen in die Hohe und liessen «Easy Livin'» zu einer noch heisseren Nummer werden. Sie kamen, sahen und siegten auf der ganzen Linie, denn «Lady In Black» liess alle Besucher aufstehen, in die Hände klatschen und singen… «She came to me one morning…» Neben den Heep-Mitgliedern boten die Lieder auch viel Spielraum für die beiden Gitarristen Alex Beyrodt und Tom Nauman, denen immer wieder die Möglichkeit geboten wurde, ihr Können unter Beweis zu stellen. Mittendrin stand Bassist und musikalischer Direktor in Personalunion Mat Sinner, der den letzten Gig dieser Tour sichtlich genoss.

Bevor Specialguest Rick Springfield die Bühne betrat, lag es am Symphonie Orchester von Prag, die Adele Nummer «Skyfall» zu spielen. Mit kleinen Soloausflügen und den Solostimmen der Backgroundsängerinnen entfaltete sich «Skyfall» wie ein Schmetterling in einem neuen wunderschönen Gewand. Der Ami Rick Springfield bot dann eine sehr energische Show, bei der er es sich nicht nehmen liess, in den Zuschauerraum zu hüpfen und die Besucherinnen zu umarmen. Dies schien speziell einer Lady ein wolliges Gefühl zu geben, da sie kurz vorher dem Sänger ein altes Bravo-Poster hinhielt. Vorher zerschlug der singende Gitarrist einen Rosenstrauss auf seiner Gitarre bei der Cover-Version von Sammy Hagars «I've Done Everything For You». Wer Rick nicht kannte, kannte zumindest seine Hits wie «Celebrate Youth», der auch den ersten Teil der Show beendete. Mister Springfield war immer in Bewegung, flirtete mit den Frauen, riss die Show an sich (sogar mit einem nicht geplanten Gitarrensolo, zumindest schauten alle ziemlich verdutzt, als Rick solierte) und bedankte sich bei allen für diese tolle Tour. Nach einer Pause von knapp zwanzig Minuten kam das Orchester zurück und spielte zusammen mit der Mat Sinner-Band zwei Bon Jovi Songs, bevor Rick nochmals auf die Bühne zurück kam und mit «Love Somebody» aus dem Film «Hard To Hold» (Zitat Rick: «Wer kennt den Film? Eins, zwei, drei, vier, fünf und ich… Niemand aus dem Publikum?»), den harten Rocker mimte. Mit «Jessie's Girl» beendete der Wirbelwind seinen Auftritt und hinterliess nicht nur feuchte Frauenträume, sondern auch einen verdammt guten Eindruck. Der 67-jährige präsentierte eine mitreissende Show, die ihn ab und zu ein bisschen neben dem Song singen liess. Aber hey, spielt zuerst mal eine solche Show in diesem Alter, dann reden wir nochmals darüber!

Die grosse Überraschung für mich war jedoch Steve Lukather, der sich als wahrer Gitarrenkünstler präsentierte. Nicht nur, weil er mit dem Toto-Hit «Rosanna», dem unverwüstlichen «Africa» und dem Überhit «Hold The Line» einen Hitalarm vom Stapel liess, sondern auch, weil er mit seinen Eltern mit ergreifenden Worten gedachte und die Jimi Hendrix-Nummer «Little Wing» allen widmete, die heute Abend vom Himmel auf uns runter schauten. Solche Aussagen machen Steve zu einem harten Rocker mit einem sehr weichen Herz. Passend zu den emotionalen Gitarrenparts erstrahlten hinten auf den Leinwänden kleine Flügel, und bei «Africa» geschnitzte afrikanische Köpfe. Wie Mat im Metal Factory Interview erzählte, präsentierte sich Steve als das, was er ist. Nämlich ein begnadeter Künstler, der dankbar ist und die Leute mit seiner Musik begeistern will. Und ja, er bot eine Show, die ich nicht erwartete. Dabei teilte er sich Gesang, wie auch Gitarrensolo mit den Musikern der Mat Sinner Band. Das Publikum stand nun auch wieder vermehrt auf und sass nicht mehr so gehemmt auf den Stühlen. Bei einigen Zuschauern hatte man das Gefühl, dass sie von einer klassischen Aufführung ausgingen und mit der rockigen Ausrichtung der Show schon fast überfordert waren. Aber wie jedes Jahr, fand auch 2017 ein Spektakel statt, das vom Sound, über das Licht, bis zu den visuellen Elementen und den Pyros hin mit einer homogenen musikalischen Darbietung alles bot, was sich das Herz wünscht. Jedem wurde den Platz eingeräumt, der ihm zustand. War es den auftretenden Künstlern, den Sängern und Sängerinnen der Mat Sinner Band oder den Instrumentalisten. So durfte das Bohemian Symphony Orchestra Prague noch Mozarts «Eine kleine Nachtmusik» zum Besten geben, bevor es dem Schlusspunkt entgegen ging.

Mister Don Felder, der Gitarrist der legendären Eagles betrat die Bühne unter grossem Beifall. Mit «Already Gone», «One Of These Nights», dem härteren «Heartache Tonight» und «Life In The Fast Lane» bot Don eine tolle Leistung. Wie auch bei seinen Vorgängern schienen die Jahre spurlos an Don verbei geflogen zu sein. Zumindest sah man dem 69-Jährigen die fast sieben Jahrzehnte kaum an. Er sang sehr gut, was man auch Steve, Rick, Bob und Bernie neidlos zugestehen musste. Sieht man heute weitaus jüngere Shouter, die kaum mehr einen Ton treffen, muss man den Hut vor den Leistung der Sänger an diesem Abend ziehen. Auch auf der Gitarre bot Don eine Meisterleistung, als er mit seiner Doppel-Hals-Gitarre «Hotel California» verzauberte, bei dem nun wirklich jeder von seinem Stuhl aufstand und zumindest den Refrain mitsang. Unter grossen Beifall verliessen Don und die Mat Sinner Band die Bühne, um zum letzten Mal auf dieser Tour die Bühne zu rocken. Alle Gäste versammelten sich auf der Stage, um sich mit «Take It Easy», einer letzten Eagles-Nummer, vom Publikum zu verabschieden. "Rock Meets Classic" wird 2018 in Basel gastieren, und darum sollte sich schon jetzt jeder den 13. April fett im Kalender anstreichen. Wer als Gäste dabei sein wird, ist noch nicht bekannt, aber eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Es wird wieder ein Fest sondergleichen sein, bei dem sich jeder in den Arsch beissen muss, der nicht dabei sein wird, oder sich über angeblich mangelnde Soundqualitäten beschwert…

Setliste RMC:
Bohemian Symphony Orchestra Prague «Rockin' All Over The World» (Status Quo)
Bob Catley & Tony Clarkin «Just Like An Arrow», «On A Storyteller's Night», «Vigilante», «When The World Comes Down On You»
Mick Box & Bernie Shaw «Easy Livin'», «Sunrise», «July Morning», «Lady In Black»
Bohemian Symphony Orchestra Prague «Skyfall» (Adele)
Rick Springfield «I've Done Everything For You» (Sammy Hagar), «Don't Talk To Strangers», «Celebrate Youth»
Break
Bohemian Symphony Orchestra Prague «Living On A Prayer» (Bon Jovi), «It's My Life» (Bon Jovi)
Rick Springfield «Human Touch», «Love Somebody», «Jessie's Girl»
Steve Lukather «Child's Anthem», «Don't Chain My Heart», «Rosanna», «Little Wing» (Jimi Hendrix), «Africa», «Hold The Line»
Bohemian Symphony Orchestra Prague: «Eine kleine Nachtmusik»
Don Felder «Already Gone», «One Of These Nights», «Heartache Tonight», «Life In The Fast Lane», «Hotel California»
All Together: «Take It Easy» (Eagles)