Livereview: Rock The Ring 2019 mit Def Leppard - Whitesnake
                            Tesla - Black Diamonds - FM - Inglorious

20. Juni 2019, Hinwil – Autobahnkreisel
By Tinu (tin) & Rockslave (rsl) - All Pics by Rockslave


Nach dem kürzlichen Besuch des "Sweden Rock" Festivals, wo unter vielen anderen hochkarätigen Bands wie KISS, ZZ Top oder Rainbow mitunter auch Def Leppard auftraten, hätte man das "Rock The Ring" auch auslassen können. Das stimmt aber nur auf den ersten Blick, denn mit Whitesnake, Lynyrd Skynyrd, Tesla, Krokus und Saxon (letztere zwei spielten zwar auch in Sölvesborg), ergänzt um einige gute Schweizer Combos wie Maxxwell, Black Diamonds oder Shambolic Shrink war das heimatliche "Rock The Ring" Festival heuer ganz ordentlich bestückt. Somit wurden auf jeden Fall mal die ersten zwei Tage fest eingeplant, zumal das Wetter mehr oder weniger mitspielte. Warum es dann schliesslich doch nur der Donnerstag für die MF-Crew wurde, kann an anderer Stelle nachgelesen werden. Die erste Hürde war die Anreise, denn für Bewohner des Kantons Solothurn und Bern liegt Hinwil halt nicht gerade hinter dem nächsten Hügel. Der von einem Kollegen erhaltene Tipp einer alternativen und "schnelleren" Anreise war trotz Navi nicht von Erfolg gekrönt, und so hiessen die Stationen wie gehabt Uster-Wetzikon-Hinwil, was halt bekanntlich seine Zeit braucht und auch heute so ausfiel. (rsl)

Inglorious
Tja, der erste Akt wären oder besser waren Inglorious. Der langen Schlange auf der Autobahn und derjenigen an der Kasse geschuldet, fiel dieser Auftritt nicht nur Rockslave und mir zum Opfer, sondern unzähligen weiteren Fans auch, die sich in eine lange Warteschlage stellen mussten. Was man von der Truppe dennoch, aber lediglich von Weitem hörte, war speziell die schreiende Stimme von Frontmann Nathan James. Zumindest hatten die letzten Töne der Truppe eine verkürzende Wirkung auf die Wartezeit für den Rocksklaven und mich, als sich die Sache mit den Pässen plötzlich löste und wir, oh Wunder, direkt auf das Gelände geführt wurden. Das Pro und Contra, ob denn nun Inglorious die neuen Whitesnake seien oder künftig allenfalls werden, wurde von uns Beiden in den folgenden Minuten heftigst diskutiert und kommentiert. Fazit Tinu: Nein, auf keinen Fall! Rockslave: Mal schauen… (tin)


FM
Die erste Truppe, die ich mir ansehen konnte, waren FM. Die englische Antwort auf Bon Jovi konnte beim Publikum viele Pluspunkte sammeln. Auch wenn die Band aus London vielen Besuchern kaum geläufig war, spielte sich der Fünfer in die Seelen der Leute vor Ort und nahm die Herzen der Anwesenden mit seinen Melodien in Beschlag. «Bad Luck» erklang dabei wie ein kleiner Bruder von «Living On A Prayer» und liess die Besucher neugieriger werden auf FM. Das Rund vor der Bühne füllte sich von Minute zu Minute, und genau in diesen Momenten frage ich mich dann immer wieder, wie sinnvoll ein "Golden Circle" ist. Was bringt es einer Band, wenn dieser kaum gefüllt ist und erst hinter diesem "glorreichen" Bereich die Massen FM abfeiern konnten?! Unbeirrt dessen rockten die Herren Hinwil mit einem breiten Grinsen und sorgten mit «Let Love Be The Leader» und «Killed By Love» für sehr gute Laune. FM machten beste Werbung in eigener Sache, und ich bin mir sicher, dass die fünf Herren von den Fans wieder bewusster registriert, beziehungsweise endlich wahr genommen wurden. (tin)

Setliste: «Black Magic» - «Bad Luck» - «That Girl» - «Life Is A Highway» - «Let Love Be The Leader» - «Other Side Of Midnight» - «I Belong To The Night» - «Tough It Out» - «Killed By Love».


Black Diamonds
Der eng gestrickte Zeitplan des Festivals liess es vor allem für die Fotographen nicht zu, sich die einzelnen Gigs fertig anschauen zu können, zumal die B-Stage jedes Mal einen "kleinen Fussmarsch" in Richtung Eingang/Ausgang in Anspruch nahm. Aus diesem Grund musste ich den Auftritt von Shambolic Shrinks knicken, damit ich rechtzeitig zu FM im Fotograben stehen konnte. Dieses eher nervige wie enggestrickte Hin und Her führte dann auch dazu, dass ich die B-Stage nach Black Diamonds nicht mehr ansteuerte. Die Ostschweizer Party Glam-Rocker musste ich deshalb und aus den eben beschriebenen Gründen, sprich nach etwa einer Viertelstunde wieder verlassen, um anschliessend für Tesla im Pit bereit zu stehen. Somit gereichte es hier gerade mal zu drei Songs, aber die Jungs, die schon 2018 am "ICE ROCK" Festival zu begeistern wussten, liessen es auch in Hinwil ordentlich krachen, wenn auch vor einer anzahlmässig ziemlich schäbigen Zuschauerkulisse. Die Spasstruppe, die stets mit grosser Spielfreude auftrumpft, liess sich davon jedoch nicht beirren und empfahl sich, trotz mageren 25 Minuten Spielzeit, überzeugend für kommende Grosstaten. (rsl)

Setliste: «We Want To Party» - «I'll Be Ok» - «Pieces Of A Broken Dream» - «Thrillride» - «Hands Of Destiny».


Tesla
Sacramento schickte danach seinen besten Export in die Schweiz um allen zu zeigen, was eine gewaltige Hardrock-Harke ist. Sänger Jeff Keith sieht noch immer wie eine jüngere Version von Steven Tyler (Aerosmith) aus und sang sich souverän durch das Set. Wie auch nachher bei David Coverdale, wurde viel über Jeff diskutiert, ob er nun seinen Zenit überschritten habe oder seine rauchige, krächzende Stimme einfach nur Kult ist. Es gibt bekanntlich keine schlechte Musik, sondern nur welche, die einem gefällt oder eben nicht. Dies gilt auch für Gesangsstimmen, und ich für meinen Teil muss sagen, dass mir der Gesang von Mister Keith nach wie vor bestens gefällt. Klar fallen gewisse Passagen im Vergleich zu früher etwas "dünner" aus. Aber wer mit einer solchen Power schreit, der muss dem irgendwann mal Tribut zollen. Da wiederhole ich mich sehr gerne. Während die Gitarristen und Bassisten neue Saiten bei ihren Instrumenten aufziehen oder Schlagzeuger neue Felle und Becken erhalten, muss sich ein Sänger damit abfinden, dass an seinem Arbeitswerkzeug der Zahn der Zeit nagt. Alleine aus diesem Grund ziehe ich den Hut vor Jeff und David, dass sie noch immer auf der Bühne stehen und rocken! Jeff scharte eine verdammt geile Truppe um sich. Die Rhythmusmaschine mit Troy Luccketta (Schlagzeug) und Brian Wheat (Bass) funktionierte tadellos. Druckvoll wurden die hart rockenden Beats in den zu diesem Zeitpunkt regnerischen Hinwiler Himmel gepumpt und durch einen wundervollen Doppel-Regenbogen, der hinter der Hauptbühne seinen Bogen zog, malerisch unterstützt. Das Gitarrenduo Frank Hannon und Dave Rude solierte sich mit filigraner Technik durch die Songs hindurch und spielte sich die Harmonien und Melodien perfekt zu. Der Eröffnungsreigen mit «Cumin' Atcha Live» und «Modern Day Cowboy» hätte nicht besser sein können. Das Debütalbum «Mechanical Resonance» stand im Mittelpunkt und wurde mit vier Liedern berücksichtigt. Drumherum spielten die Jungs ein Hit-Potpourri, das sich gewaschen hatte. Mit dem neuen Track «Taste Like» wurde leider nur ein Song des soeben erschienen Werkes «Shock» gespielt. Der reihte sich aber problemlos in das Set ein. Der Fünfer kam, sah und begeisterte. Auch wenn zwischen den Tracks eine kleine Unsicherheit aufkeimte, da teils die Ansagen fehlten, am Ende des Tages war es ein toller Auftritt einer Band, die in den achtziger Jahren einiges zu sagen hatte, und dies nicht nur als Trendsetter der Unplugged-Gigs! (tin)

Setliste: «Intro – Welcome To The Jungle (Guns n' Roses)» - «Cumin' Atcha Live» - «Modern Day Cowboy» - «Heaven's Trail (No Way Out)» - «Breakin' Free» - «Taste Like» - «Miles Away» - «Changes» - «Edison's Medicine (Man Out Of Time)» - «Love Song» - «Little Suzi (Ph.D. Cover)» - «Signs (Five Man Electrical Band Cover)».


Whitesnake
Ja ich weiss, man kann über die gesangliche Leistung von Bandgründer David Coverdale monatelang diskutieren. Wie oben schon erwähnt, kann auch er seine Stimmbänder nicht erneuern, und wenn ich mich an die «Slip Of The Tongue»-Konzertreise 1990 zurück erinnere, sang der gute David auch nicht unbedingt besser. Logisch braucht der Sänger heute eine Band, die tolle Chorgesänge beisteuert und ihn dabei unterstützt. Logisch braucht er seine Pausen, die mit Gitarrensolos und dem Drumsolo (Tommy bearbeitet sein Instrument nach wie vor mit blossen Händen), gefüllt werden, damit sich Mister Coverdale entspannen kann. Ja, man sieht ihm ab und zu immer wieder die Anstrengung an, ABER wer mit einer solchen Freude auf der Bühne steht und noch immer sein «…there's a song for you…» in die Menge schreit, darf auch weiterhin auf der Stage stehen. Zudem hat Coverdale mit seiner weissen Schlange Musikgeschichte geschrieben, und wer weiss, wie lange wir diese Historie noch auf der Bühne erleben dürfen? Das Set bestand eigentlich aus zwei Alben. «1987» und «Slide It In», plus zwei neue Tracks [«Hey You (You Make Me Rock)» sowie «Shut Up & Kiss Me»] des bärenstarken neuen Werkes «Flesh And Blood». Die Truppe nutzte ihre Möglichkeit und spielte sich in einen kleinen Rausch. Da war Reb Beach, der mit Hut bestückte und locker solierende Bluesrocker, welcher seinen Noten sehr viel Tiefgang verlieh.

Daneben das zum Leben erweckte Sexwunder auf zwei Beinen (wie ihn David liebevoll vorstellte) Joel Hoekstra, ein göttlicher Poser, der mit seinen blonden Haaren ein wahrer Augenschmaus war. Bassist Michael Devin, der auch ein kleines Solo beisteuern durfte, ging neben diesen Stage-Profis fast ein bisschen unter, wie auch Michaele Luppi an den Keyboards. Im Mittelpunkt stand aber der Chef himself. Mit einem stets breiten und sehr zufriedenen Grinsen im Gesicht dirigierte er die Massen nach Belieben und konnte mit dem Dreier-Pack «Is This Love», «Give Me All Your Love» und «Here I Go Again» auf der ganzen Linie punkten. Bei keiner anderen Truppe wurde an diesem Abend dermassen laut mitgesungen und mitgeklatscht. Dass die einzige Zugabe «Still Of The Night» dann zum kollektiven Wahnsinn und Durchdrehen der Anwesenden führte (unglaublich, welche tänzerischen Fähigkeiten die Lady vor mir vollbrachte!), war irgendwie so sicher wie das Amen in der Kirche. Der einzige Wermutstropfen war, dass Whitesnake bloss eine Stunde spielten. Dafür war es ein Killer-Set mit einer sehr agilen Truppe (was für ein geiles Drumsolo des mittlerweile 69-jährigen Energiebündels) und einem Zeremonienmeister, der seine Performance aktuell mehr auskostet und liebt, dabei aber immer seine Dankbarkeit kund tat und nichts von seinem Charisma eingebüsst hat. Ein ganz klein wenig Rockstar musste auch versprüht werden. Dies tat der Sänger auf eine sehr sympathische Art, so dass es nie aufgesetzt oder überheblich wirkte. Danke für diese ganz, ganz geile Leistung. Wir dürfen hoffen, dass uns die Truppe bald wieder beehrt, dann aber mit einer Headliner-Show! (tin)

Setliste: «Intro – My Generation (The Who)» - «Bad Boys» - «Slide It In» - «Love Ain't No Stranger» - «Hey You (You Make Me Rock)» - «Slow An' Easy» - «Guitar Duel» - «Shut Up & Kiss Me» - «Drum Solo» - «Is This Love» - «Give Me All Your Love» - «Here I Go Again» -- «Still Of The Night».


Def Leppard
Auch wenn bei Def Leppard alles perfekt inszeniert wurde, am Ende des Konzert-abends gingen Whitesnake für mich als Sieger über die Ziellinie. Dies hatte einen einfachen Grund. Während David und seine Jungs bewusst auf eine «Best Of»-Setliste setzten und dabei genau die Lieder spielten, die ich mir unter anderem wünschte, war es beim "tauben Leoparden" ein Set, das mit gewissen Hängern versehen war. Jammern auf hohem Niveau, ich weiss, denn die Lichtshow und die Einspielungen auf den Video-Screens waren sensationell, die Band in bester Spiellaune, aber eben, das Set doch mit Optimierungspotenzial. Wo blieben «Stagefright», «Foolin'», «Too Late For Love», «Wasted», «Promises», «Action», «Don't Shoot Shotgun», «Dangerous», «Gods Of War» und «All Time High»?! Mit vier Balladen wurde der Schmusefaktor sehr hoch gehalten, und hier hätte nicht nur ich mir gewünscht, den Härte-Level zu verändern. Sechs Lieder von «Hysteria» liess Hinwil vor Freude aufheulen und die Band abfeiern. Selbstverständlich auch «Let's Get Rocked», das schon fast tanzbare «Man Enough» und «Rocket», die in meinen Augen Tracks sind, die man in der Garderobe hätte sein lassen können. Aber auch hier ist dies nur eine Meinung von mehreren. Und viele fanden das Set schon fast legendär. Was mich aber überraschte, war, dass der Sound nicht die Durchschlagskraft wie sonst besass. Hier waren Def Leppard immer der klare Leader im Ring und trumpften stetig mit einem sensationellen, sehr differenzierten und glasklaren Sound auf. Heute Abend aber nur mit Abstrichen.

Sensationell war einmal mehr die Darbietung von Rick Allen, dem einarmigen Schlagzeuger. Der Engländer freute sich wie ein kleines Kind über die Reaktionen bei seinem Kurzsolo nach dem Instrumentalsong «Switch 625». Zu Recht liess er sich feiern. Wie schon bei Tesla und Whitesnake hatte auch bei Def Leppard der Sänger alles und alle fest im Griff. Joe Elliott dirigiert das Publikum nach Belieben und bedankte sich für die 42 Jahre andauernde Unterstützung. Moment…, 42 Jahre? Ja, denn auch wenn Gitarrist Phil Collen mit seinen 61 Jahren wie 45 aussieht und er nach wie vor sein Six-Pack gerne zur Schau stellt, der Zahn der Zeit hat kaum an der Truppe genagt. Zudem cool, dass Phil vielleicht ein bisschen songdienlicher soliert, als noch bei den letzten Tourneen und er sich nicht immer mit schwindelerregenden Soli in den Vordergrund spielen musste. Zusammen mit Gitarrist Vivian Campbell (ehemals Dio) und Bassist Rick Savage bildete er ein sehr agiles und immer in Bewegung stehendes Trio. Höhepunkte waren sicher die Akustiknummer «Two Steps Behind» aus dem Film «The Last Action Hero» und die beiden «Pyromania»-Nummern «Rock Of Ages» und natürlich «Photograph» (eines der geilsten Eröffnungsriffs EVER!), welche das Konzert beendeten. Wunderschön auch die Lichtshow, welche speziell bei «Animal», «When Love And Hate Collide», «Hysteria» (wie schon in Schweden mit vielen Erinnerungsbildern und –videos, auch an den verstorbenen Steve Clark, auf der Videoleinwand zu sehen), «Two Steps Behind» und «Let's Get Rocked» den Tracks einen sehr speziellen Rahmen mit teils zentimeterhohem Gänsehaut-Faktor bescherte. Wie eingangs erwähnt, mit einer "anderen" Setliste hätten Def Leppard den Abend locker geschaukelt. So war es eben David Coverdale und seinen Jungs vorbehalten, den wohlverdienten Platz auf dem Siegerpodest einnehmen zu können. (tin)

Setliste: «Rocket» - «Animal» - «Let It Go» - «When Love And Hate Collide» - «Let's Get Rocked» - «Armageddon It» - «Rock On (David Essex-Cover)» - «Two Steps Behind» - «Man Enough» - «Love Bites» - «Bringin' On The Heartbreak» - «Switch 625» - «Hysteria» - «Pour Some Sugar On Me» -- «Rock Of Ages» - «Photograph».


Fazit: Auf dem Papier sah die diesjährige Ausgabe des "Rock The Ring" Festivals für Schweizer Festivalverhältnisse sehr edel aus. Die Verteilung der einzelnen Bands auf die insgesamt drei Spieltage zwischen Donnerstag und Samstag kam uns eigentlich sehr entgegen, aber just nach der Schweden-Sause standen nicht alle Tage im Fokus. Obwohl das Wetter am Donnerstag nicht ganz mitspielte, ging das Ganze unter dem Strich dennoch ziemlich erfreulich über die Bühne, sprich Bühnen. Die Betreuung der Medienleute, vorab Fotografen, war einmal mehr bemerkenswert, und damit ist nicht nur das leibliche Wohl gemeint. Da aber nicht auch noch ein Hotelzimmer vor Ort eingeplant war, stand nach dem ersten Festivaltag erstmal die Heimreise an, die sich entsprechend in die Länge zog. Da der Freitag für beide MF-Protagonisten leider kein Frei-, sondern ein Arbeitstag war, konnten die eh schon angeschlagenen Batterien nach deutlich zu wenig Schlaf nicht mehr ausreichend aufgeladen werden. So mussten wir spätestens am Freitag-Nachmittag schweren Herzens forfait geben. Vor allem der grandiose und letztlich verpasste Auftritt von Krokus liegt immer noch schwer im Magen! (rsl)