Livereview: Sonata Arctica - Doro - Altaria
24. April 2006, Pratteln Z7
By Kissi
Es ist ja so eine Sache mit diesem Gefäss namens „Double Headliner Tour“. Während der eine sich darüber freut, gleich zwei hochkarätige Bands an einem Abend erleben zu dürfen, ärgert sich der andere über die etwas kürzere Spielzeit seiner Lieblinge. Schlussendlich steht Eines fest: Die Konzerte werden so besser besucht. Somit haben die Bands meist mehr Freude am Spielen und die Zuschauer folglich auch mehr Spass an der Show. In so ziemlich allen Punkten traf dies auch auf den abwechslungsreichen Metalabend mit Sonata Arctica und Doro im Z7 zu, welches sich ziemlich gefüllt in eine Dampfkammer zu verwandeln schien.

Altaria
Den metallischen Reigen eröffnen durften Altaria aus Finnland, welche mit „The fallen empire“ kürzlich neuen Stoff unter's Publikum gebracht hatten und nun darauf brannten, diesen auch live darzubringen. Zwar durften die Jungs schon auf eine beachtliche Anzahl Zuschauer hinunter blicken (manche Legenden spielen heute vor nicht mal halb so vielen Leuten), doch der eher durchschnittliche Melodic Metal mit den Vorbildern Helloween/Edguy, den man hier geboten bekam, konnte jedoch nicht wirklich überzeugen. Daran mitverantwortlich waren sicherlich zwei Umstände: Zum einen zählt in dieser Welt halt der Sänger einer Band schon recht einschneidend und Herr Jouni „Taage“ Nikula ist nun halt wirklich ein wenig limitiert, was seine Fähigkeiten betrifft (vor allem im Vergleich zu den anderen Mikro-Haltern, die an diesem Abend noch folgen würden). Für den zweiten Abstrich kann man die Band sicherlich nicht verantwortlich machen, denn was kann man schon dagegen tun, wenn sich Veranstalter/Bands/Crew oder wer auch immer dafür entscheiden, die Schiessbuden der beiden Hauptacts schon im vornherein aufzustellen. Will heissen: Die fünfköpfige Kapelle konnte gerade mal einen Drittel der Bühne in Beschlag nehmen und hatte so nicht wirklich den Spielraum, ihre Agilität unter Beweis zu stellen. Trotz der Tatsache aber, dass sich Altaria wirklich genau in der momentan so grossen Masse von Melo/Power Metal Bands bewegen, rissen sie Einiges bei dem doch recht jungen Publikum, welches einfach schon in bester Partylaune war.

Set-Liste: „Disciples“, „Valley of rainbows“, „Prophet of pestilence“ - „Unchain the rain“, „Frozen hearts“, „Fire & ice“.

Doro
Nach der doch fast 30 Minuten dauernden Umbaupause, machte sich der Rezensent auf durch das Gewühl von Menschen in Richtung Fotograben, in froher Erwartung, gleich Sonata Arctica zum ersten Mal live zu erleben. Klar, ich wunderte mich schon ein wenig, dass hinter dem Schlagzeug munter das Cover der neusten Doro-Scheibe „Warrior soul“ prangte, doch überrumpelte mich die Erkenntnis erst, als ich die ersten Gitarren-Akkorde eines gewissen Stückes namens „Earthshaker rock“ zu vernehmen begann. Als dann Blondschopf Doro Pesch alias „The Metal Queen“ auf die Bühne rannte, war die Überraschung guter Laune gewichen und die Heavy Metal Party konnte losgehen. Nahtlos folgte „I rule the ruins“ als zweiter Klassiker ihrer ehemaligen Band Warlock, bevor die in enges Leder gekleidete Doro ihre Fans als ihre wahre Familie betitelte, womit „Your my family“ angekündigt wurde, die Single zum neuen Album. Wie gewohnt zeigte sich Lady Pesch samt Band überaus agil, hüpfte, sprang und bangte, was das Zeug hielt, wobei Letzteres natürlich die Domäne von Tieftöner-Bearbeiter Nick Douglas ist, der seinen Kopf höchstens mal zum grimmig Gucken halt machen liess. Bei dieser Lehrstunde in Sachen klassischem Heavy Metal liessen sich dann auch die wegen Sonata anwesenden Gäste nicht bitten und feierten ebenso mit, wie die gestandenen Lederjackenträger, denn wer kann schon einer solchen Spielfreude widerstehen? Nach dem etwas brachial dargebotenen „Always live to win“ (von „Fight“, 2002) folgte ein weiterer neuer Song, nämlich „Haunted heart“, bevor mit „Burning the witches“ wieder ins Warlock Repetoire gegriffen wurde, und zu welchem man Doro einer Hexe ebenbürdig in giftgrünes Licht eintauchte und dazu noch passende Pyros abfeuerte. Die berühmteste Frau im Rockzirkus hatte ja bekanntlich angekündet, dieses Jahr mit einer fantasy-artigen Show aufzuwarten. Nachgedoppelt wurde mit „True as steel“, worauf wieder ein Zeitsprung von 20 Jahren Länge vollzogen wurde, das epische „Above the ashes“ sorgte nämlich vor dem obligaten „Hellbound“ für eine kurze Verschnaufpause. Die etwas gar theatralische Bandvorstellung, in welcher die Frau Chefin ihre Jungs mit innigen Worten bedachte, kam zwar schon etwas kitschig rüber, mündete aber passend in die Gänsehaut-Stücke „Strangers yesterday“ und „Für immer“, natürlich lauthals mitgesungen. Funken sprühten zu „Fight“ und gleichzeitig dazu sah man plötzlich einen irritierten Mr. Douglas zum Bühnenrand rennen. Sein Viersaiter hatte gerade seinen Geist aufgegeben und so bewahrheitete sich wieder mal die Musiker-Weisheit, dass man den Bass erst wahr nimmt, wenn er nicht da ist. Der Stimmung jedenfalls versetzte dies keinen Dämpfer und mit „All we are“ kann Doro eh nie etwas falsch machen und somit endete das offizielle Set gebührend mit roten Stichflammen. Das Highlight sollte aber erst noch folgen, kündigte Doro nach der ersten Zugabe „Warrior soul“ nun unvermittelt zwei Gäste an, die an diesem Abend exklusiv einen brandneuen Song performen würden: „On my own“. Bei den Gästen handelte es sich um niemand Geringeres als Marc Storace (Krokus) und Luke Gasser, in dessen Fantasy-Film die Metal Queen im Herbst dieses Jahres erstmals als Schauspielerin zu bewundern sein wird und dem der dargebotene Song als Soundtrack dienen wird. Eine gelungene Überraschung für ein erwartungsgemäss gelungenes Konzert, obwohl man doch noch die eine oder andere ältere Nummer aus dem Doro-Backkatalog hätte abfeuern dürfen.

Set-Liste: „Earthshaker rock“, „I rule the ruins“, „You’re my family“, „Always live to win“, „Haunted Heart“, „Burning the witches“, „True as steel“, „Above the ashes“, „Hellbound“, „Strangers yesterday“, „Für immer“, „Fight“, „All we are“ - Zugaben: „Warrior soul“ & „On my own“(mit Marc Storace und Luke Gasser).

Sonata Arctica
Nach diesem mehr als soliden Gig schienen vor allem ältere Semester bedient zu sein und so sank die während Doro mörderische Tour in angenehme Gefilde zurück, wobei vielleicht auch die arktische Bühnen-Deko der finnischen Melodic Metaller verantwortlich war, denn sogar die Monitor-Boxen waren eingefasst in Plastik-Eis. Als dann das dazu passende Bombast-Intro endete, enterte eine Band die Bühne, die vor allem eines besitzt: Charisma! Personifikation dieses Ausdrucks ist Sänger Tony Kakko, der durch sein paradiesvogel-artiges Outfit natürlich sämtliche Blicke auf sich zog und der heute als eine Mischung aus Johnny Depp in „Fluch der Karibik“ und Hippie-Punk hinter dem Mikro stand. Die aussergewöhnliche Stimme Kakko's ist es dann auch, die dem Quintett den einzigartigen Klang verleiht. Dabei muss man leider anmerken, dass an diesem Abend wohl alle Agilität schon von Doro und ihren Mannen aufgebraucht worden war und so einzig Kakko die volle Bühne ausnützte. Apathisch wirkte vor allem Keyboarder Henrik Klingeberg, entweder so berieselt von dem wirklich klaren Sound oder einfach berauscht von zu viel Hochprozentigem, denn während des ganzen Gigs blickte er hauptsächlich irgendwo in die Leere des Raums. Doch was ist noch mal das Wichtigste an einem Konzert? Ah ja, genau, die Musik! Und in diesem Bereich können die Finnen einfach gar nichts falsch machen. Den Startschuss gab das eingängige „Misplaced“, der Opener von „Reckoning night“, ihrem letzten Studio-Album. Und ob „Blinded no more“, „Full moon“ oder „Victoria's secret“, welche danach folgten. Jede einzelne Nummer versprühte das Flair einer kleinen Power Metal Hymne und auch die Fans feierten jede einzelne Note der Band. Trotz der etwas statischen Haltung strahlten die Skandinavier auch massig Spielfreude aus, grinsten wie Honigpferde und warfen sich in alle möglichen Posen. Und auch in Sachen „Kommunikation mit dem Publikum“ kann der rothaarige Metalbarde Kakko mit den ganz Grossen mithalten, feixte mit dem Publikum und pushte es immer wieder zum Mitmachen hoch, obwohl Party-Songs wie „San Sebastian“ (pures Piratenfeeling...), „8th Commandment“ oder „Tallulah“ dies gar nicht bräuchten. Nach der Duo-Granate „Blank file“ und „Of wolf and raven“ beendete das Quintett ihr reguläres Set, konnten sich aber infolge der lautstarken Zugabevorderungen nicht lange ausruhen. Doch nun erteilte Kakko dem amüsierten Publikum erst einmal Jodelunterricht auf finnisch, bevor es mit einem „Medley, der Hitsingle „Don't say a word“ und dem obligaten „The cage“ noch mal mit einem Kracher endete. Wie wären die Fans jedoch enttäuscht gewesen, wäre nun nicht der gewohnte Abschlusstrack vorgebracht worden, nämlich „Vodkaa“. Unter diesem Titel verbirgt sich nämlich die Melodie von „Hava nagila“, verziert mit einer textlichen Hommage an das Lieblingsgetränk der Finnen. Und so grölte das Volk noch einige Minuten, nachdem die Band schon hinter der Bühne verschwunden war, den eingängigen Text munter weiter, sich einig, einen soliden Metal-Gig, welcher viel gute Laune verbreitete, mitbekommen zu haben. In diesem Sinne: „Vodkaa, I need some Vodkaa, I need some Vodkaa, I need..., und auf ein baldiges Wiedersehen.“

Set-Liste: „Misplaced“, „Blinded no more“, „Full moon“, „Victoria's secret“, „Kingdom for a broken heart“, „8th Commandment“, „San Sebastian“, „Tallulah“, „My land“, „Black sheep“, „Blank file/Of wolf and raven“. Zugaben: „Medley: „Don't say a word“, „The cage“ & „Vodkaa“.

Double Headliner Tours..., was will man schon dazu sagen? Manchmal nervt's und manchmal, wie an diesem unterhaltsamen Abend, freut man sich mächtig über dieses Phänomen!