Livereview: Sonisphere Festival
(Metallica - Motörhead - Slayer - Mastodon - Gojira - Eluveitie)
30. Mai 2012, Yverdon-les-Bains (VD) - Gelände Expo '02
By Rockslave (rsl) & Tinu (tin) - Pics by Rockslave & Tinu
Viele Schweizer Fans von Metallica werden sich wohl noch mit Grausen an das Schlammfestival 2010 im St. Gallischen Jonschwil erinnern, sofern sie dabei waren. Viel Positives blieb da nicht zurück und sowas in der Grössenordnung wird wohl auch nie mehr am gleichen Ort stattfinden. Das letztjährige «Sonisphere Festival» in Basel war insgesamt besser, endete aber diesmal aus Sicht des Veranstalters in einem finanziellen Desaster, was für die dritte Ausgabe nicht unbedingt Gutes verhiess.

Wie dem auch sei, die diesjährige Veranstaltung wurde nach Yverdon les-Bains, ans Ende des Neuen-burgersees, verlegt. Auf dem Gelände der ehemaligen Expo '02 wurde die dritte Ausgabe realisiert, notabene für nur einen einzelnen Tag. Angesichts der errichteten Infrastruktur hätte man aber meinen können, dass hier eine ganze Woche lang was los ist. Die Ausgabe 2012 bestand in der Schweiz aus insgesamt sechs Bands, wovon mit dem Headliner Metallica, Motörhead und Slayer drei Bands wie schon 2010 im Billing standen. Ergänzt wurde das Ganze mit den Schweizern Eluveitie, denen Gojira und Mastodon folgten. Als Erstes stand aber erstmal die gemütliche Reise nach Yverdon, entlang dem Neuenburgersee, an. Tinu und meine Wenigkeit taten dabei gut daran, den Weg etwas früher unter die Räder zu nehmen. So klappte die Park- und Ride-Geschichte vor Ort vom Parkplatz neben der Autobahn hin zum Konzertgelände einwandfrei, was etwas später offenbar nicht mehr der Fall war. (rsl)

Eluveitie
Allerdings befanden wir uns um 15.00 Uhr, als die Schweizer Folk-Metaller pünktlich die Bühne bestiegen, noch ein gutes Stück weg von einem der Eingänge. Somit konnte ich das Fotographieren der ersten Band des Tages gleich abhaken, was mir, bei allem Respekt für den aktuell erreichten Erfolg von Chrigel Glanzmann und seiner Truppe, nicht gross was ausmachte. Auf dem Gelände angekommen, brauchten wir dann eine Weile, um uns zu orientieren, was hier wo ist, allem voran natürlich das Pressezelt. Dieses stellte sich dann aber als VIP-Zelt heraus, während das eigentliche Pressezentrum ausserhalb des Geländes eingerichtet worden war. Dem Vernehmen nach schlugen sich Eluveitie als erste Band des Tages ziemlich wacker und nicht wenige Fans ärgerten sich, dass sie es nicht rechtzeitig auf den Beginn ins Gelände rein geschafft hatten. (rsl)

Gojira
Die französischen Extreme-Metaller hatten in Yverdon-les-Bains quasi ein Heimspiel, was unsereins jedoch nicht hinter dem Ofen hervor locken konnte. Sprich Hunger und Durst waren nach der über zwei Stunden andauernden Fahrt klar grösser und so gaben wir uns halt während dem Auftritt von Gojira den lukullischen Genüssen hin. Das, was wir Luflinie etwa 50 bis 60 Meter davon entfernt dennoch mitbekamen, klang in meinen Ohren etwa gleich wie Mnemic, die vor zwei Jahren auch im Vorprogramm von Hetfield & Co. standen. Musikalisch wurde ein thrashig anmutendes, mehrheitlich ziemlich schnell gespieltes Einerlei geboten, das nicht wirklich von Belang war. Da der Sound dann halt eher breiig denn druckvoll rüber kam, hörte sich das Ganze halt ziemlich rasch wie ein grosser, starrer Hassklumpen an. Dies, wie gesagt, mehr aus der Ferne und kann vor Ort etwas besser gewesen sein. Allerdings frage ich mich schon, ob so ein hitloses Gedresche auf so einem Anlass überhaupt was her gibt. Sowas wäre im Z7 viel besser aufgehoben. Sei's drum, auf jeden Fall konnte ich nun gestärkt dem Auftritt von Mastodon entgegen sehen. (rsl)

Mastodon
Meine ersten Begegnungen mit den amerikanischen (Prog-) Sludge-Rockern waren bislang mit sehr wenig Interesse verbunden. Viel zu sperrig klang das Ganze irgendwie und zum Beispiel der maue Auftritt beim «Unholy Alliance» in Winterthur im Winter 2008 (wo sie allerdings nur zu dritt auftraten) liess meine Aufmerksamkeit schliesslich ganz verschwinden. Erst mit dem fünften Album «The Hunter» und vor allem der grandiose Auftritt am letztjährigen «Sonisphere Festival» öffnete mir quasi die Augen und Ohren. Dem entsprechend ging ich als mit einer hohen Erwartungshaltung in den Foto-Pit rein, der übrigens mit dem extra dafür erstellten "Golden Circle" zusammen fiel. Mit dem grossen Backdrop im Rücken, das im Stil des Covers von «The Hunter» gestaltet wurde, kam die vor allem durch den Bassisten/Sänger Troy Sanders etwas verschroben wirkende Band auf die Bühne und legte mit Opener «Black Tongue» gleich mal wie die Feuerwehr los. Leider wurde der agile Einsatz durch den leisen und druck- wie harmlosen Sound empfindlich beeinträchtigt. Doch Mastodon hatten leider die Arschkarte des Tages gezogen, denn mehr als die Hälfte der ohnehin nicht so langen Auftrittszeit wurde aus unerfindlichen Gründen (?) mit unzähligen Komplettausfällen der ganzen PA bedacht. Sowas hatte ich an einem Open-Air noch nie erlebt bisher und auch das mittlerweile zahlreiche Publikum quittierte diese beschämende Situation mit Pfiffen und Buh-Rufen. Logo waren auch die Amis nicht sonderlich angetan von diesem nervigen Vorfall und verabschiedeten sich vorzeitig. Zum Glück habe ich das innovative Quartett schon einmal unter normalen, viel besseren Umständen sehen dürfen, denn nach diesem von der Band unverschuldeten Ablöscher hier wäre sonst nie mehr was relevant gewesen. (rsl)

Slayer
Die Herren um den singenden Bassisten Tom Araya sind grundsätzlich eine verdammte Macht. Allerdings auch eine, die mit der Zeit ihr Flair verliert. Dies liegt garantiert nicht an Gary Holt von Exodus, welcher den etatmässigen Gitarristen Jeff Hannemann nach wie vor ersetzt. Gary ist im Vergleich zum eher bodenständigen, geheimnisvollen und gefährlichen blonden Hünen, das wilde, bangende Tier auf der Stage. Getreu dem Exodus-Motto «good friendly violent fun» hat er dem Bühnenbild mehr Leben eingehaucht. Das tut im Speziellen der eher hüftlahmen Performance von Tom gut. Eines kann man dem Bassisten aber nicht absprechen: Nach wie vor hat er ein unglaubliches Charisma, das er ausstrahlt. Eines, wie man es sonst nur von Gene Simmons (Kiss) kennt. Mit hochgezogener Augenbraue steht Tom regungslos auf der Bühne und bringt damit seine Getreuen zum Ausrasten, um den nächsten Song mit einem dämonischen Schrei anzukünden. Kerry King an der zweiten Gitarre ist und bleibt der Unnahbare, sich in seiner eigenen Welt befindende, kahlgeschorene Banger. Mit seiner überdimensionalen Kette, welche an seiner Lederhose hing, jagte er jedem Gangmitglied Angst ein und wohl keiner möchte dem Gitarristen im Dunkeln begegnen. Das alles sind grundsätzlich Dinge, welche eine tolle Slayer-Show garantierten. Auch weil Schlagzeuger Dave Lombardo mit einer unglaublichen Präzision und Wucht die Doublebass Drums gnadenlos in das weite Rund pfefferte! Aber!!! Und das ist der grosse Kritikpunkt: Auch wenn das Quartett ein Hitfeuerwerk an diesem Nachmittag in die Menschenmasse schleuderte, so langsam hat man diese Setliste auch gehört. Die Magie geht verloren und wer es sich erlauben kann, keinen Track von «Hell Awaits» zu spielen, begibt sich auf sehr dünnes Eis. Alleine der Titeltrack gehört grundsätzlich zu den unverzichtbaren Songs. Es war kein schlechter Gig, aber leider auch keine Offenbarung. Oder werden die Herren langsam tourmüde...? Wer weiss? (tin)

Setliste: «South Of Heaven» - «Hate Worldwide» - «War Ensemble» - «Die By The Sword» - «Chemical Warfare» - «World Painted Blood» - «Mandatory Suicide» - «Altar Of Sacrifice» - «Jesus Saves» - «Dead Skin Mask» - «Raining Blood» - «Angel Of Death».

Motörhead
Das Trio um Frontwarze Lemmy legte einen mehr als nur hervorragenden Gig hin und war für mich der klare Sieger an diesem Tag. Was leider aber auch nicht besonders schwer war... Einmal mehr war die halbe Miete Trommeltier Mikkey, der mit seiner fliegenden Mähne und seinen Sticks ganz einfach ein Hingucker von der ersten bis zur letzten Minute war. Sein powervolles Drumming fand nicht nur in einem unterhaltsamen Solo seinen Anklang, sondern auch wenn er bei schnellen Tracks die Doublebass Drum zum Zerbersten brachte oder bei den rockigeren Klängen, wenn das Gefühl und der Groove im Vordergrund stand. Lemmy röhrte seine Texte in das typisch nach unten gebeugte Mikrofon und liess sich nicht blenden, sondern trug eine grosse Sonnenbrille auf seiner Nase. Wie lange der nicht unter zu kriegende Musiker noch auf der Bühne stehen wird, wissen wohl nur seine Whiskey-Vorräte, aber er ist nun mal mit seiner schlaksigen Art einer der unterhaltsamsten Musiker. Dies auch, weil sein Bewegungsradius in den letzten Jahren sicherlich kleiner wurde.

Mit Phil Campbell hat Lemmy einen der unterbewertesten Gitarristen in seiner Horde. Als würde ihn das Ganze nichts angehen, schlenderte der Saitendehner über die Bühne, kaute unablässig auf seinem Kaugummi rum, als würde eine Kuh ihr Mittagessen wiederkäuen. Dabei haute er in die Saiten, dass es eine wahre Freude war und überraschte mich immer wieder aufs Neue, so dass ich kaum mehr einen Gedanken an einen zweiten Gitarristen bei Motörhead verschwende. Die Setliste war zwar eine verkleinerte Version der noch immer laufenden «The Wörld Is Yours»-Tour, überraschte aber mit dem Opener «Bomber», der gleich mal zeigte, wo der Hammer hängt. Und der kreiste an diesem Nachmittag tief über Yverdon. Dies lag auch an der sehr abwechslungsreichen Setliste, die leider von den neueren Alben gerade mal «I Know How To Die» und «One Night Stand» beinhaltete. Der Rest stammte aus dem Jahr 1991 oder war noch älter. Für die Nostalgiker natürlich ein gefundenes Fressen, für die Fans einfach eine weitere tolle Show des wohl lautesten Trios der Welt, das niemand tot kriegen wird! (tin)

Setliste: «Bomber» - «Damage Case» - «I Know How To Die» - «Stay Clean» - «Metropolis» - «Over The Top» - «One Night Stand» - «The Case Is Better Than The Catch» - «The One To Sing The Blues (mit Drum Solo Mikkey Dee)» - «Going To Brazil» - «Killed By Death» - «Ace Of Spades» - «Overkill».

Metallica
Die Kulisse von etwa gut 32'000 Fans entsprach natürlich dem von den amerikanischen Thrash Metal Millionären erwarteten Bild. Metallica, die, wie in Moskau 1991, schon vor rund einer Million Menschen (!) spielten, haben auch schon über dreissig Jahre Bandkarriere hinter sich. Das entspricht gut zwei Teenager-Generationen und darum dürften neben unzähligen Grufties in meinem Alter auch ziemlich viele junge Fans nach Yverdon-les-Bains gefahren sein, die die grösste Heavy Metal Band der Welt zum überhaupt allerersten Mal gesehen haben dürften. Bei mir müsste es hingegen in der Region von etwa zehn Gigs liegen und die erste Begegnung war 1987 in Greifensee, also vor genau einem Vierteljahrhundert! Vor diesem zeitlichen, persönlich eigentlich historisch anmutenden Hintergrund war der heutige Abend für alle Fans, ob jung oder alt, etwas Spezielles. Darauf war ich echt gespannt und wie sich das angekündigte Durchspielen des ganzen «Black Albums» anhören würde.

Punkt 20.30 Uhr erklang das bekannte Intro «The Ecstasy Of Gold», das aber im Gegensatz zu meiner Premiere kaum Reaktionen hervor rief oder zumindest niemals die Intensität von früher entwickelte. Das besserte sich dann aber zusehends, als der Debüt-Album Opener «Hit The Lights» gespielt wurde. Noch besser erging es dem Smasher «Master Of Puppets», der aber in Sachen Mitsingen viel zu früh im Set stand, und für «Fuel» vom '97er «Reload»-Album hätte man auch was anderes wählen können. Mit «Hell And Back» folgte dafür ein quasi "neuer Song" der aktuellen EP «Beyond Magnetic». Die Band, insbesondere James Hetfield, zeigte sich soweit frisch, obwohl für meine Begriffe einiges an "Wumms" fehlte. Zu routiniert und zu abgeklärt wurden die Songs runter gezockt und was der gute Kirk Hammett wiederholt an seinem Instrument versemmelte, tat echt weh in den Ohren. Der grundsätzlich guten aber keinesfalls euphorischen oder gar ekstatischen Stimmung tat dies allerdings keinen Abbruch. Umrahmt von Pyros, Feuersäulen und Lasern liessen Metallica es ordentlich krachen.

Selbst Petrus fand Gefallen an dieser Grossveranstaltung am See und verschonte uns mit Regen, nachdem es nach dem heissen Nachmittag noch eine Weile danach aussah. Wie erwartet, klangen die nicht so oder zuvor kaum bis gar nie gespielten Stücke vom «Black Album» etwas langfädig. Dafür hatten es die Zugaben in sich, allen voran das geniale «Blackened» von «And Justice For All» (1988) und zum Schluss das unverwüstliche «Seek And Destroy». Die Show dauerte gute zwei Stunden und unser Entscheid, nicht bis zur letztmöglichen Huldigung der Helden auf dem Gelände zu verbleiben, war in Sachen "Park & Ride" zurück goldrichtig und nach kurzer Autosuche auf der stockdunklen, grossen Wiese befanden wir uns kurz darauf bereits wieder auf dem Rückweg. Fazit: Das Billing war insgesamt nicht wirklich der Burner und Metallica haben spürbar an Biss verloren. Trotzdem wird dieser Event im Rahmen der «Sonisphere Festivals» in positiver Erinnerung verweilen. (rsl)



Setliste: «Intro (The Ecstasy Of Gold)» - «Hit The Lights» - «Master Of Puppets» - «Fuel» - «For Whom The Bell Tolls» - «Hell And Back» - «(The Black Album): The Struggle Within» - «My Friend Of Misery» - «The God That Failed» - «Of Wolf And Man» - «Nothing Else Matters» - «Through The Never» - «Don't Tread On Me» - «Wherever I May Roam» - «The Unforgiven» - «Holier Than Thou» - «Sad But True» - «Enter Sandman» -- «(Encores): Blackened» - «One» - «Seek & Destroy».