Livereview: Journey- Foreigner - Kansas - Saga - Nightranger
19. Juni 2011, Winterthur - Eishalle Deutweg
By Rockslave (rsl) & Liane P. (lia) - All Pics by Rockslave

Nicht wenige Leute rieben sich nach der Bekanntgabe des Datums mehrmals die Augen und fragten sich, ob dieses Hammer-Billing wohl ein schlechter Witz oder schlicht der Traum sei. Letzteres stimmte tatsächlich und hat es so bisher wohl noch nie in der Schweiz gegeben. Die wieder erstarkten Journey und die erfreulicherweise nicht nachlassenden Foreigner plus ein Support hätten das Interesse bereits genug geweckt. Doch es sollte noch schöner kommen, denn neben den Kult Prog-Rockern Kansas und den so zu sagen wieder kompletten Saga (mit dem zurück gekehrten Michael Sadler) durften sich die Schweizer Rockfans auf Night Ranger freuen, die schon über ein Vierteljahrhundert nicht mehr bei uns aufgetreten sind. Die Wahl der Eishalle in Winterthur fand ich aufgrund mehrerer dort erlebter, schlechter Konzerte in Sachen Sound ziemlich problematisch, doch es sollte diesmal nicht so krass wie beim «Unholy Alliance» heraus kommen! Der Publikumsaufmarsch war beachtlich, doch ganz ausver-kauft war der Anlass nicht, was angesichts der hochkarätigen Bands schon etwas enttäuschte. (rsl)

Night Ranger

Über 16 Millionen verkaufte Tonträger Night Ranger, die 1985 ihr letztes Konzert in der Schweiz spielten, eröffneten den langen Tag 30 Minuten später als geplant. Die Schlange vor den Toren der Eishalle Deutweg war so lang, dass die Eingangskontrolle nicht rationell genug durchgeführt werden konnte, respektive voran kam. Viele rannten danach bei Türöffnung so schnell sie konnten vor die Bühne, was man derart eigentlich nur von Teenie-Konzerten kennt. Das Package Spirit of Rock weckte wohl recht grosse Emotionen. Der Opener des Ganzen wurde hauptsächlich durch den Song Sister Christian bekannt, welcher bei diesem Auftritt natürlich nicht fehlen durfte. Das Publikum feierte die Band regelrecht ab, denn ich schätze mal durch das, dass sie so gut wie nie in der Schweiz aufgetreten sind, haben viele die Kalifornier an diesem Tag zum ersten Mal überhaupt live erleben dürfen. Brad Gillis, der 1980 bei Ozzy Osbourne kurzfristig den verstorbenen Randy Rhoads für einige Konzerte ersetzte, stimmte dann tatsächlich den Ozzy-Classic «Crazy Train» an und spielte ihn überraschen-derweise ganz durch, was bei den Zuschauern für grossen Beifall sorgte. Jack Blades (v/b), der 1989 neben Night Ranger die erfolgreiche Hard Rock Band Damn Yankees gegründet hatte, bekam am Ende der Show einen Hocker gereicht, da er offensichtlich Probleme mit seinem Bein hatte. Die Schmerzen rührten von einer Verletzung, die er sich auf der laufenden Tour eingefangen hatte. Trotzdem guter Auftritt, denn die alten Herren wissen immer noch, wie man kräftig abrockt! (lia)

Saga
Leider etwas enttäuschend war im Gegenzug der Auftritt von Saga. Um 16:30 Uhr betraten die Kanadier die Bühne, die ich zuvor auch noch nie live gesehen, mir aber immer extrem gerne angehört habe. Michael Sadler, Ur-Frontmann und Gründungsmitglied, kehrte nach einer Pause von rund vier Jahren wieder zurück und war emotional berührt und sichtlich glücklich darüber, abermals die Bühnen der Welt betreten zur können. Wiederholt liess er das Publikum spüren, dass es für ihn das Grösste ist, erneut mit seinen Kumpels vereint rocken zu können und schickte zwischendurch Luftküsse in Richtung der Zuschauer. Gesanglich wie auch performancetechnisch gab es nichts zu bemängeln. Alle Musiker gaben sich ziemlich agil und Gitarrist Ian Chrichton wie sein Bruder Jim (b/keys) gingen wie gewohnt ganz in ihrem Spiel auf. Drummer Brian Doerner liess dazu filigranes wie tightes Drumming aufblitzen und Jim Gilmour steuerte seine bewährten, ausladenden Keyboard-Wände bei. Das alles zusammen hätte eigentlich der Garant für eine tolle Show sein müssen. Leider gestaltete sich die Setliste etwas sperrig im Wissen darum, wie viele Hits die Canucks eigentlich locker noch aus dem Ärmel hätten schütteln können, und das gerade jetzt, wo ihr Stammsänger wieder mit an Bord ist. Warum man dann in diesem Rahmen einen überlangen, instrumentalen Song wie «Corkentellis» bringt, verstehe ich an dieser Stelle echt nicht. Die Stimmung in der Halle fiel dadurch total in den Keller. Darüber hinaus klang der Sound weitgehend ziemlich breiig und riss mich daher nicht so wirklich mit. Das irritierte mich etwas, da ich die keyboardlastigen Songs schon in den 80ern sehr schätzte und diesem Live-Auftritt der Band deshalb freudig entgegen fieberte, schade! (lia)

Kansas
Hunger! Aber egal ich blieb standhaft, denn Kansas, die Ur-Väter des amerikanischen Prog Rocks, gehören zur Allgemeinbildung wenn man Musikliebhaber ist und die Band noch nie zuvor gesehen hat. Ausserdem hatte ich einen perfekten Sitzplatz zentral oben auf dem Balkon ergattern können. Das hiess beste, frontale Sicht auf die Bühne. Das Paar neben mir sass wie versteinert auf ihren Plätzen und wechselte kein Wort miteinander. Ein bisschen mehr Euphorie hätte denen bestimmt gut getan. Meine Helden Symphony X schwärmen von Kansas und zählen deren melodischen Progressiv Rock zu den bedeutendsten Einflüssen. Daher entschloss ich mich kurzerhand: Gegessen wird später und überhaupt standen eh gefühlte 400 Leute am einzigen Wurststand an, den es auf dem Festivalgelände gab. Klassiker wie «Dust In The Wind» durften nicht fehlen und das textsichere Publikum sang kräftig mit. Charakteristisch für die Musik von Kansas ist natürlich der Einsatz der Geige, was auch live durch David Ragsdale toll umgesetzt wurde. Der instrumentale Anteil bei Kansas ist recht hoch und verleiht speziell dem ganzen Live-Auftritt eine besondere Atmosphäre. Die Halle füllte sich inzwischen noch etwas mehr und das Publikum im Durchschnittsalter von 40 Jahren bejubelte und beklatschte die Band mit Euphorie. Das komische Pärchen neben mir hätte sich davon echt eine kräftige Scheibe abschneiden können. Neues Material gab es schon länger nicht mehr, die Band lebt von den alten Hits und tourt damit durch die grosse weite Welt. Bis jetzt trotz kleiner Enttäuschung durch Saga - ein rundum gelungener Tag! So und nun wurde erstmal der Pizzadienst bestellt. Die 400 Leute standen auf jeden Fall immer noch am Wurststand an oder schon wieder? Oder waren das gar die nächsten 400 hungrigen Mäuler? Mir egal, denn jetzt habe ich Hunger!! (lia)

Foreigner
Wenn man bedenkt, dass Foreigner zu Beginn ihrer Karriere gegen Ende der 70er schon sehr erfolgreich waren (Multi-Platin in den Staaten) und 1984 mit «Agent Provocateur» auch bei uns voll durchstarteten, erscheint es logisch, dass man aktuell immer noch was reissen kann. Das ist aber nicht so selbstverständlich, wie es auf den ersten Blick aussieht, denn als Lou Gramm die Band anfangs der 90er verliess und später wieder ein paar Jahre mitmachte, eher er dann schwer erkrankte, liess die Fans ohne grosse Zuversicht auf ein Weiterbestehen zurück. Gitarrist und Gründer Mick Jones gab aber nicht auf und seit Kelly Hansen, der ehemalige Sänger von Hurricane, im Jahre 2005 dazu stiess, ging es wieder stetig und steil aufwärts. Die stimmliche Ähnlichkeit zu Lou Gramm war mitunter ein Grund, dass Foreigner nach wie vor hoch im Kurs ihrer Verehrer stehen. Beinahe perfekte Konzerte säumen ihren dritten Karriere-Abschnitt und wer 2006 in Balingen an dieser oberamtlichen Rocksause dabei war, weiss, wovon ich hier spreche. Für viele Besucher hätte heute eigentlich der britisch-amerikanische Verbund als Headliner fungieren sollen. Mit einer fulminanten Show, die nur so vor Hits strotzte, kam das Winterthurer Publikum dann auch gleich von Anfang an voll auf seine Kosten. Dabei wurde eine beachtliche Textkenntnis zelebriert und die Refrains von Alltime-Klassikern wie «Head Games», «Cold As Ice» oder «Urgent» lauthals mitgesungen. Die Halle tobte und die Band war in exzellenter Spiellaune. Zappelphilipp Jeff Pilson (Ex-Dokken) und Frontgaul Kelly Hansen nahmen einen Grossteil der Bühnenfläche in Beschlag und sorgten für triefenden Schweiss. Nicht weniger davon produzierten auch Zweitgitarrist Tom Gimbel mit seinem genialen Sax-Solo bei «Urgent» und Drummer Marc Schulman, der mit unbändiger Energie aufwartete. Das kreative Zentrum und der ruhende Pol zugleich war aber Chief Mick Jones, dessen Guitar-Soli und Riffs immer noch messerscharf wie tight daher kommen. Nicht fehlen durften natürlich ein paar geile Schmachtfetzen der glorreichen Vergangenheit und davon gab es auch ein paar, wenn man sich unterhalb die Setliste vor Augen führt. Herausragend dabei waren das nicht immer gespielte «That Was Yesterday» und der 80er Überhit «I Want To Know What Love Is», der auch ohne den mächtigen Gospelchor der Studioversion im Rücken für eine gehörige Gänsehaut sorgte. Das ist eben der grosse Unterschied zwischen Foreigner und manch anderen Bands, die vielleicht mal einen (zufälligen) Charterfolg hatten. Erstere verfügen halt über eine hohe Dichte an Hits und können eigentlich nichts falsch machen. Da man als Co-Headliner nur etwa knappe 80 Minuten auf der Bühne stand, fehlten deswegen so Perlen wie «Starrider», «Night Life» oder «Say You Will». Vom letzten Studio-Album «Can't Slow Down» (2009) fand nur der Titeltrack Platz im Set und den Schlusspunkt setzte die frenetisch abgefeierte Zugabe «Juke Box Hero», wo nochmals alles präzise auf den Punkt gebracht wurde, was die Genialität von Foreiger seit 35 Jahren ausmacht. (rsl)

Setliste: «Double Vision» - «Head Games» - «Cold As Ice» - «Can't Slow Down» - «Waiting For A Girl Like You» - «That Was Yesterday» - «Dirty White Boy» - «Feels Like The First Time» - «Urgent» - «I Want To Know What Love Is» - «Hot Blooded (Short Version)» -- «Jukebox Hero».

Journey
Nun war ich ziemlich gespannt darauf (und nicht nur ich!), ob Journey diesem Hammer-Auftritt von Foreigner etwas zu entgegnen vermochten, respektive noch eins drauf setzen konnten oder nicht. Ich lasse die Katze bereits vorzeitig aus dem Sack: Sie konnten es nicht, zumindest nicht ganz! Gründe dafür gab es einige, wie zum Beispiel dass einige Leute die Halle schon vorzeitig verliessen, da für sie der Headliner offensichtlich schon gespielt hatte. Diejenigen, die geblieben waren, sahen jedoch eine soweit gute (Ami-) Show, die allerdings etwas gar glatt poliert daher kam. Der Opener «Separate Ways» war zunächst mal aber ganz grosses Kino, wo man gleich erleben konnte, warum diese Band in der Heimat so gross ist. Der raumfüllende Song hörte sich förmlich nach einer amtlichen Stadion-Hymne an, die nebst der fetten Instrumentierung von der grandiosen Stimme des Arnel Pineda getragen wurde. In die gleiche Kerbe schlug «Ask The Lonely», ein Song aus den 80ern, ehe dann «City Of Hope» eindrücklich zeigte, dass das Niveau der brandneuen Scheibe «Eclipse» wirklich hoch ist. Darüber hinaus zeigte Drummer Deen Castronovo bei «Keep On Running», dass er nicht nur glänzend mit den Schlagstöcken umzugehen weiss, sondern auch ein Top-Sänger ist. Das dazu aufgestellte Arbeitsgerät hatte echt monströse Ausmasse und war der Eyecatcher auf der sonst ziemlich leeren Bühne. Das elektronische Backdrop wurde für alle Bands in Winterthur eingesetzt und sorgte für ensprechende Einspielungen wie Lichteffekte. «Edge Of The Moment» war der zweite neue Song, und auch hier gab es von der Musik her keinerlei Schwächen zu vermelden, ausser dass der Sound, je nach Stand- oder Sitzort zwischen gut, passabel bis grottenschlecht varierte. Letzteres muss überwogen haben, denn viele Leute gaben das nach dem Konzert zu Protokoll. Was war es aber nun, das den Funken in Winterthur nicht wirklich überspringen liess? An der Abwechslung der Songs lag es nicht, denn im Gegensatz zu Balingen gab es mit «Lights» oder «Faithfully» auch schöne Balladen im Angebot und nicht nur beinharte Rocker. Zudem war mit «Wheel In The Sky» einer der Hits dabei, den die meisten wohl aus dem Radio kannten und wie bei Foreigner zum Mitsingen animierte. Ich persönlich lokalisierte das Problem bei Goldkelchen Arnel Pineda, der zwar über eine Hammer-Stimme verfügt, diese heute Abend aber irgendwie zu eintönig rüber brachte. Er sang anhaltend unheimlich laut und kräftig, was mit der Zeit eine gewisse Langeweile erzeugte, weil es dann über weite Strecken "gleich" klang. Dazu hüpfte er unentwegt wie ein Gummibällchen auf der Bühne herum, was seine Kollegen kaum bis gar nicht taten. Das freilich gereichte natürlich nicht dazu, dass man jetzt von einem schlechten Auftritt sprechen konnte, aber man merkte schon, dass dieser typische Ami-Bombast-Sound, der wegen den Keyboards zeitweilen recht klebrig ist, eher nicht für typisch europäische Hörgewohnheiten prädestiniert ist. Nichtsdestotrotz fand ich das Gezeigte gut, wenn auch die Magie von Balingen nicht erzielt werden konnte. Nach 75 (eigentlich zu knappen) Headliner-Minuten mit Journey ging das insgesamt klar kultige «Spirit Of Rock» in Winterthur zu Ende. Es bleibt nun abzuwarten, ob so ein Billing überhaupt jemals wieder zustande kommt. (rsl)

Setliste: «Separate Ways (World's Apart)» - «Ask The Lonely» - «City Of Hope» - «Guitar Solo» - «Stone In Love» - «Keep On Running» - «Edge Of The Moment» - «Lights» - «Piano Solo» - «Mother, Father» - «Wheel In The Sky» - «Escape» - «Be Good To Yourself» - «Faithfully» - «Don't Stop Believing» -- «Anyway You Want It».