Livereview: Steve Harris - Zico Chain

26. Februar 2013, Zürich - Komplex 457
By Rockslave
Bei aller Freude, den Boss von Iron Maiden mal ganz aus der Nähe ansehen zu können, ging ich mit ziemlich gemischten Gefühlen nach Zürich. Im Wesentlichen lag das natürlich daran, dass mit dem ersten Solo-Album «British Lion» bei Weitem nicht der Überflieger abgeliefert wurde, den sich die Fangemeinde und meine Wenigkeit insgeheim gewünscht hatten. Wohl wissend, dass es sich eher bis gar nicht nach Iron Maiden anhören würde, hätte dem Ganzen aber etwas mehr Schmackes und Tiefgang bestimmt nicht geschadet. So fokussierte sich dann alles auf den Live-Auftritt, von dem sich mancher der Anwesenden spürbar mehr Power als auf dem Tonträger erhoffte. Wenn man allerdings die zahlreich getragenen Maiden-Shirts im Komplex 457 umher trotten sah, wirkte die Chose irgendwie schräg. Interessant schien zunächst mal die Support-Band Zico Chain aus London, denn die Jungs hatten zu diesem Zeitpunkt weder einen Deal noch ein Management und brachten unlängst ihr zweites full lenght album «The Devil In Your Heart» in Eigenregie heraus. Da die Aufnahmen nicht in einem Studio, sondern einem leer stehenden Haus live eingespielt wurden, klingt das Ganze ziemlich authentisch.



Zico Chain

Was bei der für die erste Band des Abends hergerichteten Bühne gleich auffiel, war das zentral aufgebaute Drum von Oli Middleton. Er selber hob sich dann optisch mit seinen langen Rasta-Locken stark von seinen beiden (frisch?) kurzhaarigen Kollegen Chris Glithero (b/v) und Paul Frost (g/v) ab. Ihr rotzig vorgetragener Alternative Rock versprühte einige Power und klang für meine Ohren mehrmals nach System Of A Down. Das deshalb, weil zwischendurch auch einige Hardcore-Fetzen auszumachen waren. Des Weiteren machten sich die prägnanten Backing Vocals aller Musiker in überaus ansprechender Art und Weise bemerkbar. Die teils mehrstimmigen Parts konnten echt überzeugen. Dennoch flashte mich die Mucke nicht wirklich, weil es mir irgendwann zu gleichförmig wurde und es für meinen Geschmack klar an Härte zu wünschen übrig liess. Schaut man sich die Bengel dann auf der aktuellen Homepage an, wirken dort die deutlich längeren Haare schon anders als hier und heute Abend. Selbstverständlich sagt die Länge der Haare rein gar nichts aus, was die musikalische Performance angeht, aber so auf den ersten Blick wirkte es zumindest auf mich ein wenig irritierend. Das agile Spiel von Zico Chain räumte diesbezüglich jedoch alle Zweifel gründlich weg und die zu diesem Zeitpunkt etwa mageren 150 oder auch etwas mehr Leutchen fanden auf jeden Fall Gefallen am lärmigen UK-Trio und verdankten die gut dreissig Spielminuten mit anerkennendem Applaus. Mir blieb zu Schluss allerdings die Frage, ob Steve Harris und seine Truppe hier nun spürbar noch eine Schippe drauf zu legen vermögen.


Steve Harris
Es ist nun schon eine ganze Weile her, seit ich Steve Harris im Dezember 1995 im Zürcher Volkshaus (!) auf der «The X-Factor Tour» (damals natürlich noch mit Frontmann Blaze Bayley) für einmal nicht aus der Feldstecher-Position miterleben durfte. Das war natürlich die Ausnahme, denn logischerweise davor schon längst und nach der Rückkehr von Bruce Dickinson erst recht, mutierten Iron Maiden zu einem stets hallen-und/oder stadionfüllenden Monster, das locker zehntausende von Fans zu mobilisieren mag. Darum musste es in erster Linie für Steve schon etwas anderes sein, auf dieser Tour vor deutlich weniger Publikum aufzuspielen. Dass sich allerdings beim Konzert in Zürich nur gerade etwa 200 Fans im Innern des Komplex 457 regelrecht verloren, war doch eher überraschend. Den Hauptgrund dafür habe ich meiner Meinung nach eingangs bereits erwähnt und darum war es jetzt echt spannend, was nun folgen würde. Eigentlich ist es ja so, dass es British Lion als Band schon 1992 gegeben hat und der gute Steve damals seine Dienste angeboten hatte. Nach seinem Rückzug versandete die Sache wieder und wurde nun im Zuge der Soloscheibe quasi reaktiviert. Zum Lineup gehören demnach: Richard Taylor (v), David Hawkins (g), Grahame Leslie(g) und Simon Dawson (d).

Da für die Setliste nur ein Album zur Verfügung stand, war somit von Anfang klar, dass womöglich alle zehn Album-Songs berücksichtigt werden und so war es dann auch, ergänzt um vier weitere (neue?) Songs, plus eine Cover-Version. Die Start-Triplette wurde in der gleichen Reihenfolge wie auf dem Studio-Album dargeboten und erinnerte mich erst einmal frappant an The Lizards (mit Bobby Rondinelli an den Drums und Mike DiMeo von Riot). Zu Beginn machte Taylors Stimme soweit noch mit, aber bald zeichnete sich ab, dass zum einen generell die Power oben weg fehlte und deshalb die hohen Töne immer schlechter getroffen wurden. So dümpelte das eh durchschnittliche Material alsbald ziemlich gleichförmig vor sich hin und selbst der äusserst agile Einsatz der beiden Gitarristen, die übrigens über stattliche Körpergrössen verfügen, konnte das schon früh leck geschlagene Schiff nicht wieder auf Kurs bringen. Immerhin gab es mit «Us Against The World» und «The Chosen Ones» zwei bessere Songs, wobei Letzterer Herrn Taylor in die bereits beschriebene Bredoullie brachte und «A World Without Heaven» mit den völlig unpassenden Falco-Zitaten (!!) kaum zu ertragen war.

Steve Harris machte aber soweit eine gute Miene zum bösen Spiel vor dieser kargen und lethargischen Kulisse, und aufgrund der Einstellungen des Mischers, hörte man Steves Bass relativ gut heraus, aber der alleine machte das allgemeine Manko halt bei Weitem nicht wett. Symptomatisch und gleichzeitig fatal, entpuppte sich die schmissige Version von UFOs Klassiker «Let It Roll» als klar bester Song des Abends! Fazit: Ja, ich hatte (viel) mehr erwartet und mit einem Klasse-Sänger wäre das leider bloss mittelklassige Song-Material vielleicht halbwegs zu retten gewesen. Darum kann bereits jetzt über die Zukunft des „Britischen Löwen“ gerätselt werden. Master Harris wird das aber eh völlig schnuppe sein, denn bald werden Iron Maiden zur nächsten Tournee aufbrechen und am 22. Juni 2013 bekanntlich auch im Zürcher Hallenstadion Halt machen, so be there and up the irons!!

Setliste: «This Is My God» - «Lost Worlds» - «Karma Killer» - «Father Lucifer» - «The Chosen Ones» - «These Are The Hands» - «Guineas And Crowns» - «The Burning» - «Last Chance» - «Us Against The World» - «A World Without Heaven» - «Do You Want It» - «Judas» -- «Let It Roll (UFO Cover) » - «Eyes Of The Young».