Livereview: The Devil's Blood
08. Juli 2010, Zürich - Dynamo Werk 21
By Kissi
31 Grad Celcius, kein Wölkchen am Himmel und die Sonne scheint. Städter und Touristen räkeln sich auf der Landi-Wiese oder springen von der Brücke in die Sihl um sich Abkühlung zu verschaffen. Andere setzen auf die innere Methode und geniessen das Wetter bei einem kalten Bier vor dem Dynamo im Gartenrestaurant. Mal ehrlich: Wie soll man bei einem solch perfekten Sommerabend in die richtige Stimmung für The Devil's Blood kommen? Die Holländer, welche mit ihrer EP „Come Reap“ und dem Ende letzten Jahres veröffentlichten Debüt „The Time Of No Time Evermore“ in Windeseile zu einem Geheimtipp unter Psychedelic-Fans wurden, haben mit Sommer aber auch rein gar nichts am Hut. Bitterböse und düster, gefährlich magisch, als wahre Jünger des Teufels gibt sich das Sextett um die diabolische Hohepriesterin Farida und zu schwarzen Messen sollen ihre Konzerte werden. War der erste Auftritt in der Schweiz im Dynamo Werk 21 also schon im vornherein verloren? The Devil's Blood setzten viel, aber nicht alles daran, dies zu verhindern.

Dafür stellten die Katakomben des Werk 21 eine passende Location dar. Verwandelt sich der Gewölbekeller auch im tiefsten Winter in einen Hexenkessel, herrschten an diesem Abend wirklich höllische Temperaturen, welche von der Bühnendekoration noch weiter erhöht wurden. Trotz Platzknappheit verpassten es The Devil's Blood nämlich nicht, zwischen den Monitorboxen gut 100 Kerzen aufzustellen und anzuzünden. Hätte das für ein teuflisches Klima nicht schon gereicht, vernebelten mindestens 50 Räucherstäbchen (war es Opium oder Patchouli?) die Luft und Sinne, sodass andere Stimulanzien zum Abheben bzw. Wegtreten gar nicht mehr nötig gewesen wären.

Schon vor Konzertbeginn war so die fröhliche Sommer- einer esoterisch dunklen Ritualstimmung gewichen und „Come Reap“, gefolgt von „River of Gold“ leitete eine halb satanische, halb hippieske Messe ein. Während der an 70er-Occult-Bands wie etwa Black Widow angelegte, zu Beginn leider scheppernd matschige Sound und die schon erwähnte Deko Blümchen-Vibes versprühten, sorgte das Auftreten der Band für die bedrohlich klirrende Seite. In Lederjacken und blutüberströmt bangt die Gitarrenfraktion mit grimmigen Gesichtern in einer Reihe hinter Hexenmeisterin Farida, welche ätherisch entrückt nicht weit entfernt von CD-Qualität ihre Lobeshymnen wie „The Yonder Backons“ oder „A Waxing Moon over Babylon“ auf den Gehörnten anstimmte.

Euphorisch wirkt das mittelgrosse Publikum (das Werk 21 ist zwar gut gefüllt, bei weitem aber nicht ausverkauft) dabei nicht. Ob in Ekstase, durch die Hitze ermattet oder doch aus Langeweile, insbesondere bei den häufigen und längeren, zwar lupenrein gespielten, improvisierten Instrumental-Passagen scheint sich eine gewisse Lethargie breit zu machen. Im Gegenzug werden knackigere, eingängigere Tracks wie das grossartige „I'll be your Ghost“ oder der flotte „The Graveyard Shuffle“ doch ordentlich abgefeiert und während dem fulminanten „House of 1000 Voices“ wird auch der Sound endlich den nuancenreichen Grusel-Hymnen der Holländer gerecht. Zwischen Horrorfilm und Klamauk pendelte dabei die Performance von Farida. Wie besessen bzw. von einem Zombie gebissen wechselte die kurvenreiche, in Mieder und Mittelalter-Kleid gezwängte Hekate zwischen exakt zwei Positionen und Armbewegungen. Liess sie ihre beschwörende Stimme erschallen, steht sie mit leicht erhobenen oder leicht gesenkten Armen Luzifer preisend in der Mitte der Bühne. Ist die Instrumentenfraktion an der Reihe, stellt sie sich mit dem Rücken zum Publikum in eine dunkle Ecke, bewegt sich dabei aber genauso wenig wie am Mikro.

Ein kleiner Wermutstropfen: Keiner der Teufelsblut-Sekte bequemte sich während der ganzen, über 90 Minuten dauernden Inszenierung auch nur ein Wort an ihre Jünger zu richten. Natürlich gehört und passt das zur Show, doch würde ein ehrlich gemeintes „Danke“ wirklich die ganze blasphemische Illusion zerstören? Die hypnotische Qualität des Übersongs „The Anti Kosmik Magik“ zusammen mit „Voodoo Dust“ und dem abschliessenden „Christ or Cocaine“ lassen es jedenfalls bezweifeln und auch wenn der eine oder andere nach dieser verstörenden, Opium-Rauch geschwängerten Vorstellung seine Erwartungen nicht ganz erfüllt sah, zeigten The Devil's Blood, dass ihr Occult Rock alles andere als verstaubt und nicht nur ein Heimerlebnis ist und man sich auf ein Wiederkommen der holländischen Anti-Christen in einem hoffentlich etwas grösseren und besser gelüfteten Raum freuen darf. Sommer und Sonne hin oder her.